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Full text of "Griechische Ostraka aus Aegypten und Nubien : ein Beitrag zur antiken Wirtschaftsgeschichte"

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AT  THE 


UNIVERSITY  OF 
Tnorwrrn  uoi-tc 


GRIECHISCHE  OSTRAKA 


AUS  AEGYPTEN  UNI)  XLIJIEX 


GRIECHISCHE  OSTRAKA 


AUS  AEGYPTEN  UND  Nl  EIEN 


EIN  BEITRAG  ZUE  ANTIKEN  WIRTSCHAFTSGESCHICHTE 


D''  ULRICH  WILCKEN 

fiRD.   PROF.   BER    ALTEN    GESCHICHTE   A.  D.  USIVEKSITÄT    BRESLAf 


ERSTES  BUCH 


LEIPZIG  UND  BEHLIN 
yeela(t  von  GIESECKE  ä  DEVRIEXT 

1899 


337/ 
AI 


^1884  3 


THE01)01{  AlOMMSEN 


GEWIDMET 


'VC 


VORWORT 


Als  ich  v(ir  tiinizehu  Jahren  als  junger  Student,  von 
MoMMSEN  auf  die  damals  noch  jungfräuliche  Berliner  Papyrus- 
sammlung hingewiesen,  mich  als  Autodidakt  in  die  griechische 
Palaeographie  einzuarbeiten  anfing,  reizten  mich  neben  den 
Papyri  ganz  besonders  die  Reproduetionen  der  Ostraka,  die  der 
dritte  Band  des  Corpus  inscriptionum  Graecarum  bietet.  Die 
ersten  kleinen  Resultate  meiner  Entzifferungs versuche  veröffent- 
lichte ich  noch  in  demselben  Jahre  1883  in  einem  Aufsatz  über 
„Aegyptische  Eigennamen  in  griechischen  Texten"  (Zeitschr. 
Aeg.  Spr.  1883  S.  15911'.).  Die  aegyptische  Abteilung  der  könig- 
lichen Museen  zu  Berlin ,  die  jetzt  dank  den  unausgesetzten 
erfolgreichen  Bemühungen  des  Directors,  Adolf  ERJtAN,  eine 
der  bedeutendsten  Ostrakonsammlungen  enthält,  Ixit  damals  fiir 
diese  Studien  nur  ein  geringes  Material.  Einen  Einblick  in  die 
grosse  Wichtigkeit,  die  diese  Urkundenklasse  für  die  antike  Wirt- 
schaftsgeschichte hat,  gewann  ich  daher  erst,  als  ich  in  den 
Jahren  1886  und  1887,  dank  der  Liberalität  der  königlich 
preussischen  Akademie  der  Wissenschaften,  in  die  glückliche  Lage 
kam,  die  Sammlungen  von  Paris,  London,  Oxford,  Leiden, 
Rom  und  Turin  kennen  zu  lernen.  Damals  fasste  ich  den  Ent- 
schluss,  so  etwas  wie  ein  Corpus  o-stracornm  zu  schaffen.  In- 
zwischen mehrte  sich  das  Material  von  Jahr  zu  Jahr,  von  Monat 


\'iil  VORWORT. 


ZU  Monat.  Viele  Htnulerte  von  Ostraka  kainen  allein  in  das 
Berliner  Museum  und  konnten  hier  von  mir  studirt  werden, 
während  ich  auf  die  neueren  ICrwerbungen  der  anderen  Museen 
zunächst  vcrzicliten  musste.  Einen  vorläufigen  Bericht  über  die 
Ostrakonlitcratur  gab  ich  in  der  „Archaeologischen  Gesellschaft" 
im  Mai  1889,  nachdem  ich  vorher  die  Bonner  Ostraka  im 
Rheinischen  .Tahrbuch  (s.  unten)  besprochen  hatte.  Durch  meine 
Uebersiedelung  nach  Breslau,  wo  der  neue  Wirkungskreis  in  den 
nächsten  Jahren  meine  Arbeitskraft  vollständig  absorbirte,  kamen 
die  Arbeiten  in's  Stocken,  und  als  ich  mich  endlich  wieder 
meinen  wissenschaftlichen  Untersuchungen  zuwenden  konnte, 
waren  inzwischen  in  Berlin  und  anderwärts  epochemachende 
Papyrussammlungen  erworben  worden,  deren  Bearbeitung  mir 
nicht  nur  verlockender,  sondern  auch  zur  Zeit  notwendiger  er- 
scheinen musste.  So  ging  der  Druck  der  Ostrakontexte,  der  schon 
1889  (!)  begonnen  hatte,  in  den  folgenden  Jahren  nur  ruckweise 
vorwärts,  mid  erst  im  Sommer  1894  konnte  ich  mich  der  Aus- 
arbeitung des  Commentars  zuwenden. 

•Dass  diese  Genesis  in  der  Publication  selbst  ihre  Spuren 
hinterlassen  hat,  ist  selbstverständlich.  Es  gilt  dies  namentlich 
vom  IL  Buch,  wo  Anhang  an  Anhang  gefügt  ist.  Wenn  aber 
auch  im  Aeusseren  Unebenheiten  genug  dadurch  entstanden  sind, 
so  ist  es  doch  meinen  Untersuchungen  sehr  zu  statten  gekommen, 
dass  die  fortwährende  Erweiterung  unserer  Kenntnisse  durch 
wichtige  neue  ISIaterialien  —  ich  erinnere  an  die  Flinders  Petrie 
Pap^^-i,  den  Londoner  „Catalogue",  den  Revenue -Papyrus,  die 
Pnblicationcn  von  Grenfell  und  Hunt  und  unsere  Berliner  Edi- 
tion —  für  die  Ostraka  noch  verwertet  werden  konnte.  Hier- 
durch sowie  durch  das  fortwährende  Nachprüfen  der  früheren 
Lesungen  sind  die  „Zusätze  und  Berichtigungen",  die  am  Schluss 
des  II.  Buches  gegeben  sind,  recht  umfangreich  geworden.  Nament- 
lich ist  es  von  grossem  Vorteil  für  mein  Buch  gewesen,  dass  ich 
im  Sommer  189."),  wiederum  unterstützt  von  der  königlich 
preussischen  Akademie  der  Wissenschaften,  Gelegenheit  hatte, 
die  Lesungen,    die    ich    neun   Jahre   zuvor   in   Leiden,   London 


VORWORT.  IX 


1111(1  (_)xlül'il  gewoiiiifii  hatlc,  iiorliiiials  am  Oriüiiial  zu  jiriil'cn, 
üiinz  abgesehen  (lavt)ii,  tlass  icli  ülier  ."iiK»  neue  Ostraka  von 
(lieser  Reise  heimbrachte.  Ich  möchte  daher  Jeden,  der  die 
griechischen  Texte  benntzcn  will,  eindringlich  auf  die 
„Zusätze  und  Berichtigungen"  vorweisen,  bemerke  aber 
zugleich,  dass  die  Verbesserungen  der  Texte  im  Commentar 
bereits  stillschweigend  mit  verarbeitet  sind. 

Was  so  zu  stunde  gekommen  ist,  ist  von  einem  Corpus 
ostracorum  weit  entfernt.  Der  Gedanke,  auch  nur  eine  annühenule 
Vollständigkeit  zu  erstreben,  musste  immer  mehr  zurückgedrängt 
werden,  denn  fortwährend  kamen  neue  blassen  von  Ostraka  zu 
Tage  und  wanderten  in  die  verschiedenen  Sanmilimgen.  Nur  eben 
die,  die  mir  gerade  zugänglich  waren,  und  auch  von  ihnen  wieder 
nur  diejenigen,  zu  deren  Entzitferung  hinreichende  Müsse  vor- 
handen war,  konnten  in  mein  Buch  aufgenommen  werden.  So 
l)ietet  es  trotz  der  stattlichen  Zahl  von  1624  Nummern,  von 
denen  1.355  hier  überhaupt  zum  ersten  Mal  edirt  worden  sind, 
doch  immer  nur  eine  Auswahl  aus  den  augenblicklichen  Beständen 
der  Museen  und  Privatsammlungen.  Ja,  nicht  einmal  die  Berliner 
Sammlung  konnte  vollständig  mitgeteilt  werden,  da  icli  nach  der 
Üebersiedelung  nach  Breslau  nur  gelegentlich  meine  älteren  Copieen 
zu  collationireu  in  der  Lage  war.  Einisrermassen  vollständig  sind 
vielleicht  die  älteren  Bestände  der  Museen  mitgeteilt  worden, 
aber  auch  dies  gilt  nicht  von  allen.  A\'enn  meine  Hoffnung  sich 
erfiillt,  dass  diese  Publieation  mir  Mitarbeiter  erweckt  und  den 
Anstoss  dazu  giebt,  dass  die  vieler  Orten  vorhandenen  Ostraka 
nunmehr  publicirt  werden,  so  hätte  ich  wohl  Lust,  in  späteren 
Jahren  weitere  Bände  von  Texten  diesem  ersten  folgen  zu  lassen. 

Meine  Sammlung  beschränkt  sich  —  abgesehen  von  einem 
lateinischen  Unicum  (Nr.  1266)  —  auf  die  griechisch  be- 
schi-iebenen  Ostraka  und  schliesst  damit  die  Tausende  von 
Scherben  aus,  die  mit  der  einheimischen,  aegyptischen  Cursive, 
dem  sogenannten  Demotisch,  beschrieben  sind,  wiewohl  diese 
inhaltlich  durchaus  zu  ihnen  gehören,  ja  oft  die  notwendige 
Ergänzung  dazu  bieten.    Zu  dieser  Beschränkung  war  ich  genötigt, 


VDKWOKT. 


da  ich  selbst  nidit  in  der  Lage  bin,  demotisclie  Ostraka  zu  ent- 
ziffern, von  aegyptologischer  Seite  aber  bei  der  abgesonderton 
Stellung,  die  die  deniotischen  Studien  leider  immer  noch  ein- 
nehmen, erst  wenige  Texte  der  Art  bearbeitet  worden  sind.  Die 
vereinzelten  Uebersetzungen  demotischer  Ostraka,  die  Heinrich 
Brugsch  und  Eug^ne  Revillout  ^-  z.  T.  recht  abweichend  — 
geliefert  haben,  habe  ich  gelegentlich  in  der  Einleitung  berück- 
sichtigt. Dass  das  grosse  und  schwer  übersehbare  Werk  von 
Revillout,  „Melanges",  in  dem  er  ausführlicher  auf  die  demotische 
Ostrakonliteratur  eingeht,  zu  spät  erschien,  um  so,  wie  ich  es 
gewünscht  hätte,  von  mir  durchgearbeitet  zu  werden,  bedaure 
ich  im  Interesse  meines  Buches.  Die  Aufgabe  bleibt  für  die 
Zukunft  bestehen,  die  griecliischen  und  die  demotischen  Ostraka 
mit  einander  zu  verarbeiten. 

Der  Commentar,  den  ich  im  I.  Buch  vorlege,  hat  viel 
grössere  Dimensionen  angenonmien,  als  ui'sprünglich  geplant  war. 
Eine  so  abgeschlossene,  in  sich  gleichmässige  Urkundengruppe 
wie  diese  Steuerquittungen  kann  auf  allgemeineres  Interesse  nur 
Anspruch  erheben,  wenn  der  lebendige  Zusammenhang  mit  den 
Bedürfnissen,  aus  denen  sie  hervorgegangen  ist,  nach  allen  Seiten 
Idar  zu  Tage  tritt.  So  wurde  ich  von  selbst  dazu  geführt,  die 
wichtigeren  Fragen  der  Steuergeschiclite  in  weiterem  Rahmen  zu 
behandeln  und  die  ganze  Kette  von  Vorgängen  darzustellen, 
von  der  die  auf  den  Ostraka  vollzogene  Quittirung  der  Steuer- 
zahlungen nur  ein  einzelnes,  an  sich  nicht  bedeutendes  Glied 
bildet.  Es  schwebte  mir  als  Ziel  vor,  die  Steuern  selbst  un<I 
das  Steuersystem  nach  Möglichkeit  zu  erklären,  die  Älethodc, 
nach  der  das  Steuersoll  des  Einzelnen  bestimmt  wm-de,  nach- 
zuweisen und  endlich  den  langen  \\'eg,  auf  dem  der  einzelne 
Steuerbetrag  aus  der  Lehmhütte  des  Fellachen  schliesslich  in 
die  königliche  Kasse  in  Alexandrien,  resp.  den  kaiserlichen  Fiscus 
in  Rom  gelangte,  in  seinen  einzelnen  Etappen  aufzudecken. 
Hierzu  war  eine  möglichst  vollständige  Verwertung  der  l'ajnrus- 
urkunden  sowie  der  sonstigen  Nachrichten  notwendig,  und  so 
liictet   (las  L  Buch  zugleich  einen  Commentar  zu  diesen  Texten, 


VORWORT.  XI 


soweit  siü  tue  Steuergescliiclito  bcrülueii.  Wenn  ich  mir  sniren 
miiss,  dass  icli  oft  weit  iiinter  mciiirm  Ziel  ziiriici<gcl)licl)eii  liiii, 
so  darf  icli  woiil  auch  ilaraut  liiii weisen,  dass  es  Vorarlieiteii 
nur  wenige  gab  und  das  Meiste  von  Grund  aus  neu  aufzubauen 
war.  JMöclitc  dieser  erste  Versueii,  so  viele  liücken  und  Irrtihncr 
er  im  Einzelnen  auch  enthalten  mag,  recht  Viele  anregen,  die 
hier  aufgeworfenen  Probleme  anzugreifen  und  weiter  zu  fcM'di  in. 
Manche  Frage,  deren  Beantwortung  ich  oti'en  lassen  musste, 
wird  durch  die  in  den  Museen  voriiandencn,  aber  noch  nicht 
edirten  Papyrusschätze  mit  einem  Schlage  ihre  Lösung  finden. 
Möchten  die  Hüter  dieser  Schätze  sich  hierdurch  bewogen 
fühlen,  das  ihnen  anvertraute  Gut  recht  bald  uns  Allen  zugäng- 
lich zu  machen. 

Ich  habe  noch  die  angenehme  Pflicht,  den  zahlreichen  Ge- 
lehrten, die  mich  in  meinen  Ostrakonstudien  durch  Kat  oder  That 
gefordert  haben,  meinen  herzlichsten  Dank  auszusprechen.  A\'as 
ich  ihnen  im  Einzelnen  verdanke,  habe  ich  an  den  betreffenden 
Stellen  angemerkt.  Der  Museumsverwaltungen  und  Ostrakon- 
eigentümer,  die  mir  ihre  Sarandungen  zur  Verfügung  gestellt 
haben,  ist  unten  im  II.  Kapitel  mit  aufrichtigem  Danke  gedacht 
worden.  Meinem  lieben  Freunde  Conrad  Cichorius  danke  ich 
herzlich,  dass  er  für  die  Correcturen  der  letzten  Bogen  ein- 
gesprungen ist,  so  dass  ich  ruhigen  Herzens  die  ersehnte  Fahrt 
nach  dem  Süden  antreten  kann.  Die  fleissigen  Indices  zum 
IL  Buch  verdanke  ich  meinem  Schüler,  stud.  Karl  Mittelh.\us, 
der  mich  auch  bei  der  Vollendung  der  ßegister  des  I.  Buches 
bestens  unterstützt  hat. 

Zu  ganz  besonderem  Dank  fühle  ich  mich  meinem 
hochverehrten  Freunde  und  Verleger,  Herrn  Commerzienrat 
Hermann  Giesecke,  Seniorchef  der  Firma  Giesecke  &  Devrient 
in  Leipzig,  verpflichtet.  Mit  beispielloser  Geduld  und  immer 
gleicher  Güte  und  Freundlichkeit  hat  er  durch  diese  neun  Jahre 
hindurch  alle  Hindernisse,  die  sich  dem  baldigen  Abschluss 
des  Werkes  von  meiner  Seite  entgegenstellten,  hingenommen, 
und   ist    dabei   vor   keinem   Opfer    zurückgeschreckt,    um   dieses 


XII  NIIKWOIIT. 


Werk,  dessen  Dnirklcuiini;'  ganz  l)e-i>iulere  Sclnvieriskeitoii  bot, 
in   vortrefflielister  A\'eise  lierzustellen. 

Mein  tiefster  Dauiv  aber  gebüln-t  tk'ni  allverehrten  Kleister, 
dem  dies  Biicii  gewidmet  ist.  Abgesehen  von  den  letzten  Bogen, 
deren  Druck  beschleunigt  wei-den  musste,  iiat  er  von  beiden 
Bänden  die  zweiten  Correcturen  mitgelesen.  Ich  brauche  nicht 
zu  sagen,  wie  diese  ständige  Anteilnahme  —  ganz  abgesehen 
von  den  positiven  Beiträgen,  die  ich  noch  einflechten  konnte  — - 
mich  gefördert  und  über  die  ^lühseligkeiten  der  Arbeit  er- 
hoben hat. 

Bresi.ai'.  im  Octoher  1S!)R. 

Ulrich  Wilcken. 


I II  li  a  1 1. 


Vorwort  S.  VII— XII. 
Inhalt  S.  Xin— XVI. 

I.  Kapitel.   Das  Ostrakon  als  Schriftträger  S.  3 — 19. 

"OaTfjay.ov  3.  Ostrakisiuos  in  Athen  4.  Ostraka  vur  Kleisthenes  5.  Verlireitunt; 
der  Ostralia  C.  Ostraka  in  Aegyjjten  7.  Verwendung  durcli  die  Behörden  10. 
Sparsame  Benutzung  12.  Als  Steueniuittungen  selten  nach  Diokletian  13. 
Keramologische  Beobachtungen  13.  Verscliicdene Färbungen  15.  Veri^iehung  10. 
Die  Vorliiufer  der  Balalis  17.    Eecto  und  Verso  18.    Ostrakon -Archive   19. 

II.  Kapitel.   Herkunft  und  Schicksale  der  Ostraka  S.  20 — 57. 
Dakkeh  20.   Elephantine  20.    Ilcrnumtliis  21.   i;di'u  und  Geliclrn  2 1.   Theben  22. 

Koptos,  Aselimune'in ,  Sedment  22.  Faijftm,  Sakkära  23.  Erman  über 
Sedment  24.  Maspero's  Ausgrabungen  in  Karnak  25.  Berliner  Museum  27. 
Louvre  38.  Bibliothcque  Nationale  zu  Paris  40.  British  Museum  40.  Leidener 
Museum  45.  Rom  46.  Turin,  Florenz,  Bonn,  Münclien  47.  Ashniolean 
Museum,  Wien,  Lemgo  48.  Appleton,  Bankes,  Cliester,  Dodgson,  Eisenlohr, 
Finlay  49.  Fröliner,  Gau,  Hess,  Keene,  Marcel,  Flinders  Petrie  50.  Du 
Kocher,  Sayce  51.  Walker,  Wilcken  52.  Besitzer  unbekannt  53.  Zer- 
störung der  Ostraka  durch  Salzkrystalle  54.     Ostrakonliteratur  5G. 

III.  Kapitel.   Die  Formulare  der  Quittungen  S.  58 — 129. 

Xcue  lnter|iretation  öS.  Theben  und  H  e  r  m  o  n  t  h  i  s.  G  e  1  d  z  a  li  I  u  n  gi' n. 
Ptolemäerzeit.  Erliebcrquittungen  60.'  Bankcpüttungcn  63.  tiejikoksv  04. 
Die  Holztafeln  65,  66,  67.  Demotische  Subscriptioneu  68.  Die  Bank- 
quittungen dem  Erheber  ausgestellt  69.  Weiterentwickelung  der  Formulare  69. 
Der  Erheber  genannt,  nicht  der  Zahler  72.  Subscriptionen  75.  Rand- 
bemerkungen der  Trapeziten  75.  £::ay.oXo'j9'Stv  76.  Wiederholung  von 
Quittungen  78.  Kaiserzeit.  Erhebeniuittungen  80.  Wegfall  von  y_a£pstv  84. 
Bankquittungen  87.  tio.yfi'-fev/  89.  Die  Bankquittuugen  dem  Erheber  aus- 
gestellt 93.  Naturallieferungen.  Ptolemäerzeit.  Erheberquittungen  97. 
Thesaurosquittungen  98.  fiE;istprjiX'.  100.  Spreulieterungeu  102.  Kaiser- 
zeit. Erheberquittungen  103.  Thesaurosquittungeu  109.  Elephantine  und 
Syene.  Geldzahlungen.  Ptolemäerzeit  118.  Kaiserzeit  119.  Erheber- 
quittuugen  119.  Naturallieferungen.  Ptolemäerzeit  125.  Kaiserzeit  12G. 
Koptos  127.  Sedment,  Fselkis,  K  rokodil  ojioli  s  128.  Arbeits- 
quittungen 129. 


XIV  INHALT. 

IV.  Kapitel.  Die  Abgaben  S.  130—421. 

Die  Abgaben  in  den  Ostraka  (§  1—138)  131)  —  344.  Die  Abgaben  in  den 
Papyri,  Insehriftcu  und  Klassiliern  (g  139—218)  344 — 404.  Schhisswort  405. 
Dirccte  und  indirecte  Abgaben  406.  Abgaben  -  Tabelle  408^410.  Die  Ge- 
samnitpinnahmen  Aegyptens  411.  Hieronymus  über  die  Einnahmen  des  riiila- 
delphos  412.  Die  Einnahmen  des  Auletes  413.  Reichtum  der  Alexandriner 
415.  Der  Schatz  des  Philadelphos  41 G.  Geldgeschäfte  der  Konige  410.  Ein- 
künfte in  der   Kaiserzeit   420. 

V.  Kapitel.    Die  Steuerveranlagung  S.  422—512. 

§  1.  Die  Steuerbezirke  422—435.  Die  Gaue  423.  Die  DreiteUuug 
Aegyptens  ist  römisch  423.  Die  Hei)tanomis  zwischen  G8  und  130  n.  Chr. 
eingerichtet  427.  Die  Epistrategen  427.  Die  Gliederung  des  Gaues  428. 
Toparchien  428.  (ispiSsj  429.  Metropole  und  Dörfer  429.  Einführung  der 
Decuriouatsordnung  im  Jahre  202  n.  Chr.  430.  Die  Amphodarchien  432. 
Die  (iriechenstiidtc  433. 

!^  2.  Die  Steuersubjeets-Deklarat  ionen  435 — 455.  In  der  Ptolemäer- 
zeit  436.  In  der  Kaiserzeit  438.  Tabelle  der  erhaltenen  Deklarationen  438/9. 
Formular  440.  Adresse  441.  Description  des  Hauses  443.  xax'  olxtav 
ä^iOYpa^pig  444.  Aufzählung  der  Personen  445.  Aegyptiseher  Provinzial- 
census  449.  Urkunde  aus  Memphis  449.  Urkunden  aus  Augustus'  Zeit  450. 
Geburtsanzeigen  451.  Im  militärischen  Interesse  eingefordert  453.  Todes- 
anzeigen 454. 

§  .'i.  Die  Steuerobjects-Deklarationen  456 — 469.  Ptolemäerzeit  456. 
Kaiserzeit  461.     Vergleichung  mit  den  Subjects-Deklarationen  469. 

§4.  Controle  der  Deklarationen  470 — 477.  Notwendigkeit  einer  Coutrole 
470.  Der  Eid  471.  Die  amtliche  Nachforschung  472.  Coutrole  der  Subjects- 
deklarationen  474.     Controle  der  Object.sdeklarationeu   475. 

§  5.  Die  Steuerbücher  478 — 491.  Grund-  und  Gebäudekataster  480. 
Publicität  der  Steuerbücher  483.  Ersatz  für  die  Grundbücher  484.  Volks- 
zählungen 487.     Diodor's  Zeugnis  488. 

S  6.  Die  Steuerberechnung  492 — 512.  Die  Steuerbehörden  der  Ptolemäer- 
zeit 492.  Der  Eklogist  493.  Die  Steuerberechnung  in  der  Ptolemäerzeit  495. 
Die  Steuerbehörden  der  Kaiserzeit  496.  Der  Eklogist  499.  Competenz  der 
Ortsbehörden  503.  Repartition  der  Steuern  504.  Steuereinschätzungs- 
eommissionen  505.  Berechnung  des  nopoi^  606.  Zahlung  der  Steuern  für 
das  laufende  Jahr  510.     Die  ä7iaixTjat|j.a  511. 

VI.  Kapitel.   Die  Steuererhebung  S.  513—663. 

§  1.  l>ie  Steuererhebung  in  der  Ptolemäerzeit  513 — 570.  A.  Die 
gesetzliche  Grundlage  513 — 515.  B.  Die  Steuerpacht  515 — 555. 
Alle  Steuern  verpachtet  516.  Keine  Poleten  516.  Verpachtung  auf  ein 
.Tahr  518.  Verpaehtungsreviere  520.  Qualification  der  Pächter  522.  Starke 
Beteiligung  der  Juden  523.  Analogie  der  Domanialpachten  525.  Die 
Verpachtung  der  Steuern  527.  Pfandungsrechl  der  Pächter  531.  Pacht- 
contraet  531.  Emolumente  der  Pächter  532.  Die  Pacht  ein  gutes  Geschäft 
534.  Pachtgesellsehaften  535.  Ihre  Entstehung  537.  Nur  der  äpx<«V7)5 
liactirt  mit  dem  Staat  538.    Aufgaben  der  Gesellschafter  539.  Ihre  Rechte  541. 


IMIALT.  XV 


(Jualification  542.  Schliessung  der  Gesellschaft  543.  Associirte  Pächter  544 
Afterpaeht  547.  Hürgenstellung  obligatorisch  547.  Gegenstand  der  Bürg 
Schaft  549.  Mehrere  Bürgen  für  einen  Pächter  550.  Haftung  der  Bürgen  551 
Ihre  Eraolumente  552.  Hypotheken  553.  Die  Bürgen  der  Bürgen  553 
('.Die  Steuererhebung  555 — 569.  Krliebungspersonal  555.  Die  Pachter 
erheben  auch  die  Geldsteucrn  558.  Erliebung  durch  Kegicrungsbeanite  5C2 
Die  npaxxopiS  564.  Uebcrnahme  der  Geschäfte  durch  den  Päcliter  565 
Erhebung  für  das  laufende  .Jahr  566.  Ratenzahlungen  567.  Zwangs^ 
mittel  567.  Besehwerderecht  der  Steuerzahler  568.  D.  Die  Recluiungs 
legung  569 — 570. 

S2.  Die  Steuererhebung  in  der  Kaiser  zeit  570 — 630.    A.  Die  gesetz 
liehe   Grundlage  570 — 572.     B.  Die    Erhel)ungssystenie  572 — 587 
Die  Erhebung  im  Reich  572.  Tabelle  der  verpachteten  Steuern  575,  der  nicht 
verpachteten  Steuern  578.    Pacht  und  Regie  582.    Allmähliches  Vordringen 
der  Regie  585.    C.  Die    Steuerpacht  587  —  601.    Das  Paehtangebot  587 
Societates   publicanorum  590.      Eintreten   des   Erben    für   den   Pächter  591 
Gelegentlicher  Pächtermangel   592.    Die  kaiserliche  Controle  595.    Controle 
recht    der   ordentlichen  Beamten  596.     Die  Controlebeamten  599.     D.  Die 
kaiserliche  Regie  601 — 617.     Die  npäxxopEg  601.    Vicarii   606.     Con 
trolirung  der  TipäxxopEj  609.  Die  ä;tatx7jTa£  609.  Die  maS-(Uxai  tspäg  ixüXvjs 
i)ovjvr)j   611.    Die  Tipsaßüxspoi  xtojivjs  613.    Die  Priester  als  Erhcber  614, 
E.    Die    Steuererhebung    617 — 622.      Erhebungspersonal   618.      Raten 
Zahlung  619.     Die  ä7taLxrj3i|ia   619.    Zwangsmittel  620.    Militärische  Unter 
Stützung  621.  Das  Tcpaxxöpetov  621.   F.  Die  Rechnungslegung  622 — 623 
G.  Die    Steuererhebung    im    111.   Jahrb.  n.  Chr.   623—630.      Der 
Stratege    von    Alexandrien    624.      Beteiligung    des    Rates    an    der    Steuer 
erhebung  625.    Die  decemprimi   626.    Erhebung  durch  die  Gemeinden  629 

S  3.  Die  Kassen  630—649.  A.  Ptolemäerzeit  630—641.  Die  Reichs- 
hauptkasse in  Alexandrien  631.  Die  königliche  Bank  632.  Die  Trapeziten 
sind  Beamte  634.  Geschäftsführung  der  Banken  638.  B.  Kaiserzeit 
641 — 649.  Der  Fiscus  642.  Der  tSio;  Xo^os  643.  Der  oOaiaxdg  XöTfo?  644. 
Die  kaiserliche  Bank  645.     Geschäftsführung  der  Banken  647. 

S  4.  Die  Magazine  649—663.  A.  Ptolemäerzeit  649—655.  Die  Thesauren 

650.  Verwaltung  der  Thesauren  652.  Die  Sitologen  sind  Thesaurosbeamte  653. 

Geschäftsführung  654.    B.  Kaiserzeit  655 — 663.  Die  Thesauren  655.  Aiot- 

XYjai;  und  ispä  656.    Verwaltungspersonal   657.     Die  Geschäftsführung  661. 

VII.  Kapitel.  Wirtsohaftsgescliichtliclie  Beobachtungen  S.  664—704. 

1.  Geld-  und  Naturalwirtschaft  665 — 681.  Bruch  mit  der  Natural- 
wirtschaft durch  Darius  665.  Haushalt  der  Ptolemäer  und  Kaiser  666.  Aus- 
gaben für  Heer  und  Beamtenschaft  669.  Haushalt  der  Tempel  673.  Haus- 
halt der  Privaten  674.  Rückkehr  zur  Naturalwirtschaft  seit  dem  III.  Jahrb. 
n.  Chr.   679. 

2.  Sklaverei  und  freie  Arbeit  681 — 704.  In  Alexandrien  681.  Im 
Lande  681  ff.  Seltene  Erwähnung  von  Sklaven  682.  Die  Charta  Borgiana  683. 
Die  Subjectsdeklarationen  683.  Die  Sklavinnen  dominiren  als  Concubinen 
685.     Die  Sklaven   im  Handwerk   und  in  der  Industrie  687.     Taljelle  der 


XVl  INHALT. 


)5prulsarte!i  CSS.  Vorlicn-.sclieii  der  freien  Arbeiter  G9ö.  Die  königliclieii 
KabriliPn  arbeiten  mit  Freien  696.  Die  Tcmiielindustrieen  696.  Keine  Oiken- 
wirtschaft  697.  Die  Sklaven  in  der  Landwirtsehaft  698.  Die  jirivate  Wirt- 
schaft 698.  Die  königliehe  und  priesterlielie  Wirtsehaft  700.  Der  Zwang 
zur  Pachtiiberiiahme  nicht  legal    701.     Ergebnis   70ü. 

VIII.  Kapitel  S.  705—708. 

1.  Die  Ostraka  aus  Dakkeh-Pselkis  705—707. 

2.  Die  Ostraka  von  Sedment  707 — 708. 
:;.   Varia   708. 

IX.  Kapitel.    Die  topographischen  Angaben  S.  709-  717. 
l'lioinikon,  Svene,  Eleiihantiiie   7o'.i.     l'.iluitliyia,   Krokodilopolis   710.    l'phion, 

Henuonthis,  Theben  711.  Die  thebanischen  Stadtquartiero  712.  Sedment  715. 

X.  Kapitel.    I.  Die  Münzen  S.  718 — 738.    A.  Ptolemäerzeit  718.    Silber- 
und Kupfergeld  im  III.  Jahrh.  v.  Chr.  719.     Kupferwährung  im  II./I.  Jahrh. 

V.  Chr.  722.    xaXxoO  ou  ä:XX(x."fi}  724.     xo'^'^-'"  ioovöiiou  724.    x^^-^oS  725. 

B.  Kaiserzeit  725.  Miinzwesen  unter  Augustus  726.  Billonprägung,  von 
Tiberius  eingeführt  727.  Billontetradraelimen  729.  Didraelimen  und  Drachmen 
des  Claudius  729.  Kaiserliche  Kupferdrachmen  730.  Münzangaben  der 
Ostraka  730.  Münzaugaben  der  Papyri  732.  Römische  Denarrechnung  in 
Aegypten  736.  Neuordnung  des  Münzwesens  durch  Konstantin  737.  II.  D  i  i- 
Masse  S.  738 — 780.  A.  Trockeumasse  738.  Artabe  738.  Artabe  uud 
Choinix  740.  (laxiov  und  -cptiiäxiov  751.  odxy.oi,  övoi,  äyrayat,  fOfio'.  754. 
S£3Y°S  ^^^-  äsonat  757.  B.  Flüssigkeitsmasse  757.  Metretes  und 
Chus  757.  xspäfitov  759.  IsaxT;;  762.  xoöpt  763.  -pixwpov  und  Siyuipov 
763.  Ko>.oa;cuvtov  764.  'PdSiov,  Kv£d'.ov  765.  ä8poy.(.  .  .),  'A;tiov,  xoOyov. 
XciY'jvo;  766.  Unsicherheit  auf  metrologischem  Gebiete  767.  Staatliche 
Prüfuug    der    Masse    (.Eichung)    768.     Die    Masse    im    Privatverkelire    770. 

C.  Fluchenmasse   774.    Arure  774.     Ji/jX'-*;   ^-^9- 

XI.  Kapitel.     Die  Daten  S.  781—815. 

1.  Die  .7  ahresziihlung  781.  A.  Ptolemäerzeit  781.  Das  aegyptische, 
nicht  das  raakedonisclie  Jahr  ist  das  offizielle  Steuerjahr  der  xö*?""  '82. 
Das  aegyptische  Wandeljahr  782.  Datirung  nach  den  Regierungsjahren  der 
Könige  783.  Die  Datirungen  der  Ostraka  784.  B.  Kaiserzeit  786. 
Datirung  naeli  den  Regierungsjahreu  der  Kaiser  786.  Aerenrechnung  nach 
der  Kai3apo;  Jtpäxrjais  S'HoD  uio5  788.  Neuordnung  des  Kalenders  durcli 
Augustus  789.  Fortbestehen  des  alten  aegyptischen  Wandeljalires  791.  2.  Die 
Monate  807.  A.  Die  aegyptischen  Monate  807.  B.  Monate  mit 
Ehrennamen  809.  3.  Die  Tage  812.  oEßaaxal  812.  Tagesdatirungen 
über   :t(i   im   Monat   813. 

XII.  Kapitel.     Palaeographische  Randbemerkungen  S.  816 — 819. 
Nachträge  S.  820—823. 

Register  S.  824— 860.  I.  Saciiliches  Register  S.  824—830.  Il.C.rie- 
cliisclies  Wörterverzeichnis  S.  831 — 841.  III.  Regi.ster  der  be- 
handelten Stellen  S.  842— 860.  A.  Autoren  S.  842— 846.  B.  Papyri 
S.  846—858.  C.  Ostraka  (in  Band  II  nicht  publieirt)  S.  858.  D.  Holz- 
tafeln  S.  858.     E.  luscliritten   S.  858  — 860. 


I.  BUCH 


COMMENTAR 


'iJz  uf'nov;  yr/yonitouti: 


WiLCKEN,  Ostraka. 


I.  KAPITEL. 
Das  Ostrakon  als  Schriftträger. 

Mit  dem  Worte  oaxpaxov  bezeichneten  die  Griechen  ursprünglich 
(He  Schalen  der  Schaltiere,  wie  der  Schildkröte,  der  Muscheln,  Krebse 
u.  s.  w.,  daher  auch  Schildj)att  und  Perlmutter.  Das  Wort  O'jZpBov, 
die  Auster,  ist  offenbar  desselben  Stammes.  Im  übertragenen  Sinne 
wurde  Saxpaxov  dann  auch  auf  andere  flachgewölbte,  aber  gleichfalls 
harte  Gegenstände,  deren  Aussenseite  in  ähnlicher  Weise  convex 
sind,  angewendet.  So  konnte  das  Wort  passend  auch  auf  die  Scherben 
rundlicher  Gefässe  bezogen  werden,  und  da  im  gewöhnlichen  Leben 
das  aus  Thon  gefertigte  Gefass  gegenüber  den  kostbareren  Metall- 
gefassen  domiuirte,  so  finden  wir  in  der  Literatur  das  Wort  im 
Besonderen  gern  auf  die  Scherben  thönerner  Gefässe  augewendet, 
wiewohl  man  gewiss  auch  z.  B.  das  Bruchstück  einer  kupfernen 
Kanne  als  Ostrakon  hätte  bezeichnen  können.  Schliesslich  wurde 
öaxpax.ov  ein  allgemeiner  Ausdruck  fiir  das  Thongeschirr  überhaujit, 
und  schon  sehr  fi'üh  kommen  Ableitungen  wie  daxpay.eu;  (der 
Töpfer)  vor.') 

A^'ährend  das  vollständige  Thongefäss  seine  Bedeutung  als  Auf- 
bewahrungsmittel für  flüssige  und  trockene  Gegenstände  hatte,  die 
Bemalungen  aber  oder  die  Aufschriften  secundärer  Natur  waren, 
spielten  die  Scherben  allein  dadurch  eine  Rolle,  dass  sie  zur  Aufnahme 
von  Schriftzügen  tauglich  waren,  sei  es  dass  diese  mit  einem  spitzen 
Gegenstand  in  den  Thon  eingeritzt  oder  aber  vom  Kalamos  mit  Tinte 
aufgetragen  wurden.     Wohl  wurden    auch    die   unbeschriebenen    und 


')  Vi;!.  H.  Blümner,  Tcrmüiolos.'ir   u.  T.-r-lmologic"  il.  Gew.  II   S.  34. 

1* 


I.  KAPITEL. 


unlirinalten  Selierhen  als  Ostraka  liezeiclinet.  Unsere  Piiblieation  he- 
srliäfiigt  sich  aber  nur  mit  beschriebenen  Seherben  thiinernerGefässe. 
Doch  damit  sind  die  Grenzen  unseres  Themas  noch  nicht  scharf  geniiu 
bezeiclinet.  Wir  haben  es  nicht  mit  Scherben  zu  thun,  die  schon 
als  Teil  des  vollständigen  Gefasses  beschrieben  waren,  also  Mitteilungen 
über  das  Gefäss  selbst,  über  Inhalt,  Herkunft  u.  s.  w.  oder  über  die 
Darstellung  der  Malerei  enthielten,  sondern  lediglich  mit  Scherben,  \ 
(leren  Auftcliriften  mit  dem  Gefass  als  solchem  nichts  zu  thun  haben 
und  erst  nach  Zusammenbruch  des  Gefasses  auf  die  Scherbe 
als  eine  selbstständige  Einheit  gesetzt  worden  sind.i)  Wiewohl 
also  unsere  Ostraka  Bruchstücke  von  Gefassen  sind  und  als  solche  die 
unregelmässigsten  Contouren  zeigen  (vgl.  die  Tafeln),  ist  doch  jedes 
Einzelne  als  Träger  der  Schrift  etwas  Vollständiges,  es  sei  denn, 
dass  nachträglich  die  beschriebene  Scherbe  din-ch  weiteres  Abbrecluii 
fi-agmentarisch  geworden  sei.  Das  Ostrakou  in  unserem  Sinne  ist 
also,  losgelöst  von  seiner  ursprünglichen  Existenz,  lediglich  als  ein 
Beschreibstoff  zu  betrachten,  der  sich  von  den  anderen  Schreib- 
materialien wie  Pajiyrus,  Pergament,  Holz,  Wachstafeln,  Leinwand, 
Stein  u.  s.  w.  in  seiner  Zweckbestimmung  nicht  unterscheidet. 

Dass  man  im  Altertum  in  der  hier  angegelienen  Weise  die 
Ostraka  als  Beschreibstoff  verwendet  hat,  war  von  jeher  bekannt. 
Der  athenische  Ostrakismos  ist  das  berühmteste,  aber  nicht  das 
einzige  Beispiel  eines  derartigen  Gebrauches  im  grossen  Massstabe. 
Die  leider  auch  jetzt  noch  von  Einigen-)  vertretene  Meinung,  dass 
diese  athenischen  Ostraka  ad  hoc  hergestellte  thönerne  Täfelchen 
gewesen  seien,  ist  jüngst  mit  Recht  von  Valeton'')  zurückgewiesen 
worden;  vielmehr  sind  auch  diese  ganz  wie  die  unsrigen  nichts  als 
Gefassselierben    gewesen.     Jeder    Zweifel    wird    durch    die    Originale, 


')  Den  von  uns  l)diaiulelt(?n  Aufselirifteii  komuicn  wohl  jene  Kritzeleien 
am  nächsten ,  die  die  Töpfer  gelegentlieh  auf  die  Gefiisse  gesetzt  haljen ,  in- 
sofern sie  keine  Beziehung  zu  dem  Gefiiss  halien.  Allerdings  sind  sie  auf  die 
noch  unversehrten  Gefösse  geschrieben.  Vgl.  O.  .Talm,  Berieht.  Sachs.  Ges.  Wiss. 
1854.   S.  36  ff. 

-)  Vgl.  Gilben,  Ilandbueh  d.  Grieeh.  Slaatsaltcrt.  I,  2.  Aufl.  S.  340,  der  von 
Tlioutäfelehen  spriclit.  Ebenso  Busolt,  Gricch.  Gesch.  II,  2.  Aull.  (1895)  S.  439, 
der  zwar  Valeton  citirl,  alier  seine  Mahnung  nicht  berücksicliligt,  sondern  ruhig 
weiter  von  Tlioutäfelehen    redet. 

')  Mneniosyne,  N.  S.  XVI  1888,  S.  1  fl'.  Den  Hinweis  auf  diese  lehrreiche 
Abhandlung  verdanke  ich  Franz  Studniczka. 


DER   ATHENIöCllK    OSTRAKISMOS. 


lue  jüngst  in  Athen  gefunden  und  von  Benndorf,  Studniczka  uml 
Kavviiilias  hcnuisgcgeben  sind,')  genommen.  Alle  drei  Ostrakii,  anf 
denen  der  Name  des  zu  Verbannenden  nocli  erhalten  ist,  sind  nach 
der  Angabc  der  Heransgeber,  die  durch  die  Keproductionen  illu- 
strirt  wird,  unverkennbar  yehcrben  vou  einstigen  Gctiisseu.  Nur  das 
von  Benndorf"  herausgegebene  Stück  zeigt  eine  Eigentümlichkeit, 
für  die  ich  unter  den  uns  vorliegenden  aegyptischen  Ostraka  keine 
Analogie  finde:  es  ist  „rund  zugeschnitten",  doch  aber  ohne  Zweifel 
ein  ,,Gefiissstück".  Ich  möchte  darin  nichts  anderes  als  eine  Docu- 
nientirung  des  griechischen  Formensinnes  erkennen. 

Wenn  Kleisthenes  anordnete,  dass  die  schriftliche  Abstimmung 
über  den  zu  Verbannenden  auf  solchen  Geftissstücken  zu  erfolgen 
habe,  so  setzt  das  m.  E.  als  selbstverständlich  voraus,  dass  schon  vor 
ihm  und  vor  seiner  Gesetzgebung  die  Verwendung  der  Ostraka  als 
Schreibmaterial  in  Athen  ganz  allgemein  verbreitet  war.  Valeton 
(S.  20)  nimmt  im  Gegenteil  an,  dass  es  Kleisthenes'  Erfindung  sei, 
die  Ostraka  in  dieser  Weise  zu  benutzen.  Dafür  liegt  aber  weder 
ein  Zeugnis  vor,  noch  ist  es  sachlich  wahrscheinlich.  Das  Novum, 
das  der  Staatsmann  Kleisthenes  brachte,  war  ausschliesslich  die 
Bedrohung  der  politisch  Gefahrlichen,  nicht  auch  das  Beschreiben 
der  Topfscherben.  Das  geht  auch  aus  unserer  Tradition  hervor. 
Keiner  der  alten  Autoren,  der  über  die  Gesetzgebung  des  Kleisthenes 
berichtet,  spricht  von  der  Anordnung,  dass  die  Namen  auf  Ostraka 
zu  schreiben  seien,  in  der  Art,  dass  man  annehmen  müsste,  die 
Benutzung  der  Scherben  zum  Schreiben  sei  etwas  Neues  gewesen. 
Kein  Wort  wird  über  die  Beschatteuheit  der  Ostraka  oder  über 
die  Art,  wie  mau  sie  beschreibt,  verloren.  Die  sämmtlichen 
Testimonia  über  den  athenischen  Ostrakismos  erwecken  den  Eindruck, 
dass  diesen  Autoren,  und  ebenso  natürlich  den  alten  Quellen,  auf 
die  sie  zurückgehen,  die  Sitte,  Ostraka  als  Schreibmaterial  zu  ver- 
werten, als  eine  selbstverständliche  und  nicht  erst  durch  einen  Gesetz- 
gebungsact  geschaffene  erschienen  ist.  Ich  glaube  daher,  wir  werden 
diese  Sitte  in  Athen  schon  vor  Kleisthenes,  also  gewiss  schon  für 
das  VI.  Jahrhundert  anzusetzen  haben. 

Aus  welchen  Gründen  Kleistheues  die  Verwendung  gerade  dieses 
Schreilimateriales  zu  dem  bestimmten  Zweck  angeordnet  hat,  darüber 


Vi   Vgl.  jetzt   CIA  IV  1,   3.  S.  192  f.   Nr.  569  — .i71. 


6  I.  KAPITEL. 


kiuiii  kein  Zweifel  sein.  Wie  sclion  oft  hervorgeholien  wurden  is^t,  war 
es  die  völlige  Kosteulosigkeit,  verbunden  mit  der  grossen  Brauchbar- 
keit, die  hier,  w-o  auch  die  ärmeren  Bürgersleute  Mann  für  Mann  ein 
bcscliriebenes  Stück  abliefern  sollten,  diesem  Material  vor  allen  anderen 
den  Vorzug  geben  musste.  Irgend  welche  Topfscherben  befanden 
sich  wohl  auch  im  primitivsten  Haushalt,  oder  konnten  nötigenfalls 
vom  nachbarlichen  Müllhaufon  entnommen  werden.  Dass  die  Seherben 
zu  Hause,  und  nicht  erst  auf  dem  Markt  beschrieben  wurden,  mit 
anderen  Worten,  dass  sie  vom  Bürger  selbst  zu  liefern  waren,  hat 
Valeton  a.  a.  O.  gezeigt. 

Aber  nicht  nur  in  Athen  ist  man  auf  die  Idee  gekommen,  die 
alten  Topfscherben  als  Besebreibstoff  zu  verwerten.  Wenn  die  Autoren ' ) 
sagen,  dass  der  Ostrakismos  nicht  nur  in  Athen,  sondern  auch  in 
Argos,  Milet  und  Megara  bestanden  habe,  so  sprechen  sie  zw'ar 
nur  von  der  politischen  Institution;  zugleich  setzt  die  Bemerkung 
aber  doch  voraus,  dass  man  auch  dort,  also  auch  in  Klcinasien 
und  in  der  Peloponnes,  auf  Topfscherben  zu  schreiben  gewohnt 
war.  Dass  man  es  auch  hier  nicht  nur  bei  den  Abstimmungen  und 
auch  gewiss  nicht  er-^t  seit  der  Uebernahme  des  Kleisthenischen 
Gedankens  gethan  hat,  ist  mir  wahrscheinlich,  und  ich  glaube  nicht 
zu  viel  zu  behaupten,  wenn  ich  sage,  dass  die  Verwendung  der 
Topfscherbe  als  Schreibmaterial  durch  die  ganze  griechische  Welt 
schon  seit  früher  Zeit  die  allerweiteste  Verbreitung  gehabt  hat. 

Wenn  dies  für  die  älteren  Zeiten  einstweilen  natürlich  Hypothese 
bleiben  muss,  so  liegen  für  die  jüngere,  im  Besonderen  für  die 
hellenistische  Zeit,  directe  Zeugnisse  auch  in  der  Literatur  dafür  vor. 
Bekannt  ist  die  Anekdote  vom  Stoiker  Kleanthes,  der  so  arm  war, 
dass  er  sich  nicht  PapjTus  kaufen  konnte  imd  daher  auf  Ostraka 
oder  Leder  schrieb  (Diog.  Laert.  VII  •173/4).  Eine  ganz  ähnliche 
Geschichte  wird  vom  Apollonios  Dyskolos  erzählt,  worauf  Egger  zuerst 
hingewiesen  hat.  Vgl.  Vita  des  Herodian  bei  Sturz,  Etymologicuiu 
Gudianum  Lips.  1818  p.  730  und  daraus  Leptz  im  Herodian  I 
]).  VI.-)  —  Ausserdem  fand  ich  das  Ostrakon  als  Beschreibstofl' 
in   einer  Fabel  des  Babrius  (127  ed.  Crusius)  erwähnt,  wo  es  heisst: 


')   Aristotel.  Pcilil.  VIII  (V)  1302''.     Schol.   Ari-topli.   Ritt.  855. 
-;  Diese  Citate   verilaiike    ich  Friedricli    Marx.      Nachtriiglicli    fand   idi 
Sache  auch  von  Kgger  erwähnt. 


VERBREITUNG   DER    OSTEAKÄ. 


'Oatpäxtp  Ypä-^ovTa  xöv  'Ep|xf;v  «[lapita;  exeXeuaev  6  Zsuj  £■; 
xtßwTÖv  xauTas  awpsüetv,  l'v'  Ipavbac;  ixäaTOU  xag  S£xa;  ävaTipäaoTfj. 
—  Auf  den  er:>teii  Blick  i^clicint  auch  in  den  Zauberpapyri  die 
Scherbe  melirfach  als  Bcschrcibstofl'  genannt  zu  werden.  So  bei 
Kenyon  (Catal.  Gr.  Pap.)  S.  94,  300;  96,  374;  99,  467.  E.s  handelt 
sich  hier  aber  überall  um  ein  Gaxpay.ov  dnö  •S-aXaaar/c;  oder  ähnlich. 
Damit  dürfte  doch  wohl  eine  Seemuschel  gemeint  sein.')  Dagegen 
wird  man  in  dem  X(x,piy(oo  ocxpa/wOV  (Pap.  Leid.  V  II,  1 U )  wohl 
die  Scherbe  eines  Pökelfasses  zu  sehen  haben.-) 

Belesenere  werden  wohl  noch  weitere  Hinweisungen  in  der  Ijite- 
ratur  finden.  Doch  wozu  sollen  wir  nach  Körnern  suchen,  wo  die 
reichen  Goldadern  vor  uns  liegen?  Unsere  Sammlung  von  1624 
Ostraka,  die,  wie  oben  bemerkt,  nur  eine  Auswahl  der  gegenwärtigen 
Bestände  der  Museen  und  Privatsammlungeu  darstellt,  ist  geeignet, 
uns  eine  Vorstellung  davon  zu  geben,  in  wie  weitem  Umfange  die 
Ostraka  in  dieser  späteren  Zeit  als  Schreibmaterial  benutzt  worden 
sind.  Unsere  Texte  reichen  vom  III.  Jahrhundert  vor  Chr.  (von 
der  Zeit  des  Philadelphos)  bis  in's  VII.  Jahrhundert  nach  Chr., 
erstrecken  sich  also  über  einen  Zeitraum  von  etwa  1000  Jahren.  Davon 
sind  in  unserer  Samndung  die  ersten  sechs  Jahrhunderte  (also  bis 
in's  III.  Jahrhundert  n.  Chr.  hinein)  am  stärk.sten  vertreten,  während 
sie  für  die  späteren  Jahrhunderte  nur  wenige  Beispiele  bietet.  Unsere 
Texte  stammen  sämmtlich  aus  Aegypten,  wo  die  Kunst  mit  Kalamos 
und  Tinte  zu  schreiben  schon  vom  IV.  oder  III.  Jahrtausend  an 
verbreitet  war  und  seitdem  nie  abhanden  gekommen  ist.  Wenn 
die  Aegypter  sich  auch  in  dem  Papyrus,  diesem  bewunderungs- 
würdigsten Kunst23rodukt  des  Nilthals,  ein  Schreibmaterial  par  ex- 
cellence  geschaffen  hatten,  so  haben  sie  doch  daneben  gelegentlich 
auch  andere  nicht  verschmäht,  wie  Leder,  Leinwand,  Holz,  Kalkstein- 
fragmente. ^)     Zu  diesen  subsidiären  Sehreibmaterialien  ist  auch  die 


')  Wessely,  Neue  gr.  Zauberpap.  S.  11,  sieht  es  für  eine  Sclierbe,  ein 
„Ostrakon",  an. 

'^)  So  noXixTiS  in  Byzant.  Zeitsehr.  I  (1892)  S.  558.  Dietericli,  Pap.  magiea 
Mus.  Lugd.  Bat.  1888  S.  789,   will  -aptxog  als  „Mumie"  fassen. 

^)  Diese  Kalksteinfragmente  sind  wüld  meist  durch  die  Sounenglut  vom 
Kalksteinfelsen  abgesplittert  worden.  Man  pflegt  auch  diese  als  Ostraka  zu  be- 
zeichnen, wiewohl  der  Ausdruck  ungenau  ist.  Aber  auch  die  Aegypter  selbst 
haben  gelegentlich  beide  BeschreibstoiFe  mit  demselben  Namen  benannt.  Ich 
verdanke  dem  Kojitologen  Mr.  Crum  in  London  die  interessante  Mitteilung,  dass 


8  I.  KAPITEL. 

thönerue  Topfscherbe  zu  rechnen,  die  sieh  in  dieser  Verwendung, 
wenn  auch  nur  vereinzelt,  schon  für  die  früheren  Zeiten  nachweisen 
liisst.  Wir  sehen  natürlich  unserer  Definition  gemäss  von  denjenigen 
Ostraka  ab,  deren  Aufschriften  sieh  auf  das  vollständige  Gefass  oder 
seinen  Inhalt  beziehen.  Dahin  gehören  z.  B.  die  hieratisch  beschrie- 
benen Scherben,  die  Wiedemann  in  der  Zeitschr.  f  aeg.  Sprache  1883 
S.  33  f.  publicirt  hat.')  Sie  sind  nichts  anderes  als  die  Etiquetten, 
die  über  den  Inhalt  der  Weinkrüge  Auskunft  gaben.  Ueber  das 
Vorkommen  der  Ostraka  (in  unserem  Sinne)  in  den  alten  Zeiten 
verdanke  ich  Adolf  Erraan  folgende  Nachrichten:  ,, Topfscherben  als 
Schreibmaterial  sind  im  neuen  Reich  (II.  Jahrtausend  vor  Chr.) 
wohl  etwas  seltener  als  die  Kalksteinscherbeu  Die  Londoner 
Publication   enthält   deren    nur   zwei,   und   auch  bei  uns  (in  Berlin) 

in  ilen  koptischen  Texten  das  thönerne  Ostrakon  als  rA-XG  bezeic-hnut  winl, 
dass  danc'lien  alier  auch  dasselbe  Wort  das  Kalksteinfragmeut  liezeichnen  kann. 
In  der  Sammlung,  die  Mr.  Crnm  im  vorigen  Sommer  in  Bearbeitung  hatte,  fand 
sich  die  erstere  .\nwendung  des  Wortes  4  Mal,  die  zweite  3  Mal.  Auch  in  der 
griechisch-koptischen  Scala,  die  Krall  in  Mitth.  Pap.  Rain.  IV  S.  129  publicirt  hat, 
findet  sich  die  Gleichung  OCTpXKCJDN  :  flBxXe  (hier  nacli  Krall's  Lesung 
als  Masculinum,  während  es  bei  Crum  regelmässig  und  auch  in  einem  meinem 
Freunde  Alfred  Schiff  gehörigen  koptischen  Ostrakon  als  Femininum  begegnet). 
Dagegen  wurde  in  derselljen  Londoner  Sammlung  daneben  das  Kalksteinfragment 
nicht  weniger  als  12  Mal  mit  dem  griechischen  Lehnwort  TtXoit  bezeichnet  (im  Kopt. 
masc).  üeber  die  Verwendung  dieser  icXäxEg  in  der  alten  Zeit  verdanke  ich  Adolf 
Erman  folgende  freundliche  Mitteilung:  ,,Die  Sitte,  Unwichtigeres  auf  Kalkstein- 
splitter zu  sclirei1)en,  ist  sehr  alt.  Das  Londoner  Stück  Nr.  5641  llnseript.  in  the 
hierat.  charact.  pl.  VIII)  entstammt,  der  Schrift  nach  zu  urteilen,  dem  Mittleren 
Reich  (NB.  um  2000  v.  Chr.)  oder  noch  früherer  Zeit  (es  seheint  ein  Brief  zu  sein). 
Ans  dem  Neuen  Reich  sind  derartige  Kalksteinostraka  in  grosser  Anzahl  erhalten. 
Mehr  als  ein  viertel  Hundert  ist  z.  B.  in  der  genannten  Londoner  Publikation 
veröflentlicht.  Es  sind  Abrechnimgen ,  Listen,  Protokolle  u.  älinlichcs.  Viele 
entstammen  auch  Schulen  und  enthalten  scfhlechte  Abschriften  aus  der  kla.ssischen 
Literatur.  So  steht  z.  B.  der  Anfang  der  Sinuhcgcschichte  auf  einem  grossen  Kalk- 
steinostrakon  in  Kairo,  das  in  einem  thebanisehen  Grabe  der  XX.  Dynastie 
gefunden  wurde,  während  ein  Londoner  Stück  den  Schluss  desselben  Te.\tes 
trägt."  —  Während  die  späteren  Acgypter,  die  Kopten,  gleichfalls  sehr  gern 
auf  diesen  Kalksteinsplittern  geschrieben  haben,  kenne  ich  nur  wenige  griechische 
Texte  auf  diesem  Material.  In  unserer  Sammlung  sind  sie  nicht  lierücksichtigt. 
•|  Audi  in  Teil  cl-Amarna  sind  kürzlich  beschriebene  Seherben  von  Wein-, 
Ocl-  «nd  Honigkrügen  gefunden  worden.  Auch  diese  Aufschriften  beziehen  sich 
auf  den  Inlialt  des  Gefasses.  Vgl.  Flinders  Petrie,  Teil  el-Amarna,  Lönd.  1894. 
S.  32   (Griflith).     Vgl.  auch  ebend.  T:if.  XXII  ff. 


DAS   OSTKAKUX    IX    AliGVl'TKX.  9 


erreichen  sie  nicht  ganz  die  anderen.  Es  liegt  dies  wohl  daran,  dass 
die  Ostraka  nicht  genug  Kaum  für  die  grosse  hieratische  Schrift  boten. 
Doch  kommen  auch  hier  literarische  Texte  vor,  wie  dies  die  von 
Golenischeff  und  Maspero  besprochenen  Florentiner  und  Pariser  Ostraka 
zeigen,  die  z.usammen  zu  gehören  scheinen  (Recueil  de  travaux  III  o ; 
ib.  7 ).  Für  die  Zeit  nach  dem  neuen  Reich  ist  unser  Material  ja 
nur  ein  sehr  geringes,  doch  zeigt  es,  dass  die  Sitte  keine  Unterbrechung 
erfahren  hat.  So  befindet  sich  im  Louvi-e  ein  Heiratscontract  auf 
einem  Teller,  aus  der  Zeit  eines  Psammetichi)  (Papyrus  demotiques 
du  Louvre,  ed.  Revillout,  II  fase.  pl.  8).  Auf  einem  gro.sseu  Krug 
der  Berliner  Sammlung  stehen  lange  Listen  oder  Rechnungen  in 
der  von  der  Hieratischen  zur  Demotischen  überleitenden  Scliriftform 
(Ausführl.  Verzeichnis  d.  aeg.  Alterth.  Berlin  S.  190),  und  eine  Scherbe 
ebenda  mit  einem  medizinischen  Rezept  scheint  etwa  in  die  saitische 
Zeit  zu  gehören  (ibid.  S.  388)." 

Ich  gewinne  aus  dieser  freundlichen  ^Mitteilung  Erman's  den 
Eindruck,  dass  doch  auffallend  wenige  Ostraka  aus  vorgriechischer 
Zeit  bisher  bekannt  geworden  .^iud.  Ob  das  Zufall  ist  oder  ob  es 
den  damaligen  Verhältnissen  entspricht,  muss  einstweilen  dahingestellt 
bleiben.  Aus  den  bisherigen  Funden  möchte  man  den  Schluss  ziehen, 
dass  die  Verwendung  der  Topfscherbe  als  BeschreibstofT  zwar  schon 
seit  mindestens  dem  zweiten  Jahrtausend  in  Aegjqsten  bekannt  gewesen 
ist,  aber  in  grösserem  Umfange  doch  erst  nach  Einführung  der 
griechischen  Herrschaft,  also  nach  Alexander  dem  Grossen  populär 
geworden  ist.  Es  Hesse  sich  wohl  denken,  dass  diese  Sitte  bei  den 
Griechen,  für  die  der  importirte  Papyrus  etwas  sehr  kostbares  war. 
sehr  allgemein  gewesen  wäre  (s.  oben),  und  dass  sie  sie  dann  auch 
im  Lande  des  Papyrus  weiter  verbreitet  hätten,  da  schliesslich  auch 
hier  das  Ostrakon  immer  noch  billiger  war,  nämlich  garniehts 
kostete.  Wenn  ich  recht  unterrichtet  bin,  stammen  auch  die  demo- 
tischen Ostraka  sämmtlich  aus  der  Zeit  nach  Alexander  dem  Grossen. 
Die  Griechen  wären  danach  die  Lehrmeister  der  Aegypter  in  der 
sparsamen  Ausnutzung  der  gegebenen  Materialien  gewesen.  Jedenfalls 
finden  sich  demotische  Ostraka  in  der  Ptolemäer-  und  Kaiserzeit 
massenweise,  und  als  der  siegreiche  Hellenismus  zur  Verdrängung 
der  einheimischen  Schrift  durch  die  griechische  führte,  sind  unzählige 


Das  kann  natürlich  nur  eine  private  Alisclirift  sein.  V;,'!.  S.  11/2  (Wilckcn). 


10  I-  KAi'rrKi,. 


Ostrakn  mit  diesei*  sogenannten  „koptischen"  Schrift  bedeckt  worden. 
•la,  auch  die  Araber  haben  noch  zu  diesem  billigen  Schreibmaterial 
gegriffen. 1) 

Dass  die  Kostciilosigkeit  und  die  grosse  Brauchbarkeit  auch 
hier  die  Gründe  waren ,  die  die  Selierben  zu  einem  so  beliebten 
Schreibmaterial  niaehten,  i.st  begreiflich  genug.  Die  im  Anhang  I 
mitgeteilten  Varia ,  denen  mau  noch  zalilreiche  Analoga  hinzufügen 
könnte,  sollen  illustriren,  zu  wie  verschiedenen  Zwecken  die  Scherben 
beschrieben  wurden.  Da  sind  Briefe  freundschaftlichen  oder  geschäft- 
lichen Inhalts,  da  sind  contractartige  Abmachungen,  da  sind  Dichter- 
versc,  die  sieh  ein  wissensdurstiger  aber  armer  Teufel  auf  einer  Topf- 
scherbc  notirt  liat,  da  sind  Zahlungsanweisungen,  Notizen  über 
Einnahmen  und  Ausgaben  und  sonstige  Aufzeichnungen  verschiedenster 
Art.     Genaueres  s.  in  Kap.  VIII. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  sind  die  Ostraka  aber  erst  dadurch 
geworden,  dass  auch  staatliche  Organe  es  nicht  verschmäht  haben,  für 
ihre  Aufzeichnungen  in  bestimmten  Fällen  sich  ihrer  zu  bedienen. 
Unter  den  „Varia"  gehören  dahin  die  zahlreichen  Listen  von  Eingängen 
staatlicher  Einkünfte,  von  denen  wir  nur  einige  wenige  Proben  vor- 
gelegt haben.  In  erster  Linie  aber  stehen  hier  die  Quittungen,  die 
über  ,den  Empfang  eingegangener  Abgaben  ausgestellt  sind.  Diese 
erst  geben  durch  ihre  quantitative  und  m.  E.  auch  qualitative 
Ueberlegenheit  der  Ostrakonliteratur  ihre  hohe  Bedeutung.  Unsere 
Sammlung  enthält  vorwiegend  solche  Quittungsurkunden,  und  dass 
dies  Originale  und  nicht  etwa  Brouillons  oder  Copieen  sind,  dafür 
bürgt  die  Verschiedenartigkeit  der  Hände  auf  ein  und  derselben 
Scherbe.  Wir  können,  wenn  ich  nicht  irre,  die  Verwendung  der 
Ostraka  durch  stiiatliche  Organe  noch  genauer  begrenzen.     Es  sind 


')  Koptische  Ostraka  giebt  es  zu  vielen  Humleiten  iu  den  Europäisclieii 
Sliiseen.  Da.s  Berliner  Kgl.  Museum  z.  B.  enthält  eine  gliLnzenile  Saniniluni,', 
ebenso  das  British  Museum.  Mit  der  Edition  der  koptischen  Ostraka  aus  Deir 
cl-Bahari  ist  Mr.  Crum  beschäftigt.  —  Auch  ein  aramäisch  beschriebenes 
Ostrakon  (aus  Elephantine)  besitzt  das  Berliner  Museuro.  Vgl.  Ausführl.  Ver- 
zeichnis d.  aeg.  Altertümer  (1894)  S.  388.  —  Da.ss  auch  die  Araber,  als  sie 
sich  in  Aegypten  nicderliessen,  das  Ostrakon  als  Beschreibstoff  verwendeten,  hat 
Karabacek  aus  literarischen  und  inkundlichen  Quellen  nachgewiesen  (Mitt.  l'a)i. 
Erz.  Kain.V.  S.C3).  Ich  konnte  diese  Beobachtung  durch  die  Mitteilung  bestätigen, 
dass  das  Berliner  Kgl.  Mu.seum  mehrere  arabisch  l)eschriebene  Ostraka  besitzt. 
Vgl.  Berl.  pliil.  Woehenschr.  IS'Jl,   Nr.  52,   S.  1G4!I. 


DAS   OSTEAKON    IM    AMTLICHEN    GEBRAUCH.  11 


niimlicli  ikrIi  dem  bisher  vorliegenden  Material  ausschliesslich  die 
Beamten  der  Kiiniirliehen  Bank  und  des  Thesauros  sowie  die  Ahgaben- 
erhehcr,  die  sich  der  Ostraka  zu  ihren  Quittungen  bedienen.  Die 
Letzteren,  die  Erlieber,  sind  nicht  eigentliche  staatliehe  Beamte. 
Soweit  sie  Pächter  sind,  sind  sie  Unternehmer,  die  vom  Staat  die  Er- 
hebung bestimmter  Steuern  gepachtet  haben  ;  die  Praktoren  der  Kaiser- 
zeit aber  sind  Bürgersleute,  die  die  Abgabeuerbebung  als  Liturgie  iiaben 
übernehmen  müssen.  Ihnen  allen  ist  gemeinsam,  dass  die  Geschäfts- 
führung ihre  Privatkasse  belastet.  Hätten  sie  ihre  Quittungen  auf 
Papyrus  ausstellen  wollen,  so  hätten  sie  damit  grosse  Geschäfts- 
unkosten gehabt.  Sie  benutzten  also  die  Ostraka,  um  diese  Ge- 
schäftsunkosten zu  vermeiden.  —  Wenn  Grenfell's  Deutung  des 
Revenue-Papyrus  73  ff.  sicher  stünde,  wonach  die  Trapeziten  gleich- 
falls Pächter  sein  sollen,  so  würden  die  Bank(juittungen  auf  Ostraka 
durch  die  vorhergehenden  Bemerkungen  zugleich  erklärt  sein,  und 
wir  würden  überhaupt  kein  Beispiel  dafür  haben,  dass  ein  kiinig- 
licher  Beamter  sich  im  amtlichen  Verkehr  des  Ostrakons  bedient 
hätte.  Ich  werde  aber  unten  in  Kap.  VI  zu  zeigen  versuchen,  dass 
jene  Pachtvorschriften  sich  nicht  auf  die  königlichen  Trapeziten 
beziehen.  Fassen  wir  also  die  Trapeziten  und  Sitologen  als  könig- 
liche Beamte  auf,  so  ist  zu  constatiren,  dass  es  diesen  erlaubt  war, 
sich  im  Verkehr  mit  dem  Publicum  und  den  Steuererhebern  der 
Ostraka  zu  bedienen.  Dagegen  mussten  sie  im  Verkehr  mit  den 
vorgesetzten  Behörden  selbstverständlich  auf  Papj'rus  schreiben  (Be- 
lege in  Kap.  VI).  Dass  die  Geschäftsbücher  sämmtlicher  Chargen 
auf  Papyrus  zu  führen  waren,  bedarf  keiner  Erwähnung.')  Ueber- 
haupt  werden  wir  aus  dem  vorliegenden  Älaterial  die  Regel  abstrahiren 
können,  dass  im  amtlichen  Verkehr  der  Behörden  unter  einander 
allein  der  Papyrus  zulässig  war,  dass  das  Ostrakon  dagegen  nur 
im  Verkehr  mit  dem  Publicum,  Steuerpächtern  u.  dgl.  geduldet  wurde. 
Auch  diese  Regel  wird  ihre  Ausnahmen  gehabt  haben.  Aber 
ihre  Beobachtung  ist  bei  der  Interpretirung  mancher  Schriftstücke 
doch  von  Wert.    Wenn  ■/..  B.  ein  Ostrakon "-)  einen,  wie  es  scheint, 


•)  In  dem  Loiiil.  Pap.  CCCVI  verpflichtet  sich  Satoniilds,  der  die  Ver- 
tretung des  Stotoetis  als  :tpaxxo)p  übernimmt,  dass  er  liefern  werde  xä  xf,;  xässo); 
ß[t]ßXia  xatj  e^  sS-ou;  7tpo9-£a[iia'.5,  xoO  ilaxcpviXou  x[^]P''iT°'5vxoj  xapxa;. 

-)  Berliner   Ostrakon    P.  4424.     Ich   habe   es   nicht   in   die  Sammlung   auf- 
genommen,   da   meine  Copie   zu    unvollkommen  ist.     Der  Te.xt  beginnt:  'läpa-/.'. 


ll'  I.   KAPITEL. 


amtlichen  Brief  an  einen  Strategen  enthält,  so  möchte  ich  glauben, 
dass  wir  nur  ein  Rrouillon  oder  eine  Copie  vor  uns  haben.  Ebenso 
werden  wir  die  in  den  Varia  publicirten  Li.^ton  von  Personen  mit 
Angabe  ihrer  Lieferungen  oder  Zahlungen  nach  dem  Gesagten  nicht 
für  amtliche  Docunicnte  halten,  sondern  für  Entwürfe  oder  vor- 
läufige private  Aufzeichnungen,  die  zur  Anfertigung  der  amtlichen 
Papyrus-bücher,  wie  z.  B.  der  Londoner  Papyrus  CIX''  (Kenyon  Catal. 
Gr.  Pap.  S.  151  ff'.)  eines  ist,  verwendet  werden  sollten.')  Es  sei  ' 
übrigens  darauf  hingewiesen,  dass  sich  betreffs  der  Benutzung  der 
Ostraka  zum  Beschreiben  vielleicht  landschaftliche  Unterschiede  heraus- 
stellen werden.  So  sind  aus  dem  Faijüm  private  und  namentlich 
amtliche  Quittungen  auf  Papyrus  aus  derselben  Zeit  bekannt  ge- 
worden, in  der  in  Theben  und  Syene  Ostraka  dazu  verwendet  wurden, 
aus  den  ersten  drei  Jahrhunderten  unserer  Zeitrechnung.  2)  Vgl. 
hierzu  unten  S.  22  £ 

"Wir  kommen  somit  zu  dem  Resultat,  dass  die  Benutzung  der 
Ostraka  als  Schreibmaterial  in  den  höheren  Kreisen  nicht  für  fashionable 
galt,  dagegen  in  den  unbemittelteren  Schichten  im  allerweitesten 
Umfange  gebräuchlich  war.  Selbst  mit  der  T()])fsclierbe  sind  die 
kleinen  Leute  sparsam  umgegangen.  Ich  habe  im  II.  Buch  Fälle  an- 
gemerkt, in  denen  die  ursprüngliche  Schrift  abgewaschen  ist,  um  der 
neuen  Schrift,  die  wir  vor  uns  sehen,  Platz  zu  machen.  Also  Palimp- 
seste  auch  auf  Topfscherben!  Wir  haben  ferner  Beispiele  in  unserer 
Sammlung,  in  denen  auch  die  Rückseite  beschrieben  ist,  sei  es  mit 
gelegentlichen  Notizen,  oder  auch  mit  einer  neuen  Steuerquittung 
(vgl.  Nr.  1  und  295).  Also  opisthographe  Ostraka!  Wir  haben 
endlich  zahlreiche  Fälle,  in  denen  die  Quittungsschreiber  aus  Spar- 
samkeit nicht  nur  einen,  sondern  mehrere  Zahluugsuachträge  auf 
derselben  Scherbe    notiren.     Vielleicht    am  merkwürdigsten  ist,   dass 


aif.a-r,Y(T)i  A'.o-c.X((toij)  IIaX-5|J.iS  TaavaOxioc;  i?)  und  ist  datirt  Lx;  Kcttaapog 
eüiu-  k;,  d.  h.  vom  23.  Sept.  5  vor  Chr.  Auch  P.  4149  ist  an  tiiieii  Stra- 
tegen gerichtet:  i!,3u(i(i)  oxp(aTyjYiö)  üspiS'CviPag). 

')  Es  soll  auf  Ostraka  kopti.sche  Briefe  von  Bi-schöfen  geben.  Aneh  das 
müssen  natürlich  (,'opieen  sein. 

■-)  Vgl.  die  Papynisquittungen  von  Sitologen  in  BüU  Hl,  G7,  '218,  .33(5, 
die  Papyrus(|uittnngen  der  Bank  in  BGU  C2,  03,  C5,  fiC,  09,  212— 2115,  21'.i— 222, 
270,  273,  293,  342,  345,  346,  356,  359,  die  Privatqnittungen  auf  Papyrus  in 
BGU   24,  32,    150. 


ÖRTLICHE    l'Nl)    ZKITLICHE    CiRENZEN    IJER    VEinVENDUXC.  13 


man  auch  alte,  selioii  beseliriebi'iie  Ostinka,  die  noch  freien  Hauiu 
boten,  zu  einer  neuen  Quittung  benutzte,  ohne  den  alten  Text  abzu- 
waschen (vgl.  Nr.  630  und  881). 

In  gi-ös.serer  Zahl  liegen,  wie  oben  bemerkt,  Ostraka  nur  bis  zum 
III.  Jalirh.  n.  Chr.  vor.  Sayce  (Jewish  Quarterly  Review  II  S.  401) 
kennt  Stücke  aus  der  Zeit  des  Aurelian  und  M.  Claudius  Tacitus  — 
wie  es  seheint,  Steuerquittungen.  Unsere  Sammlung  enthält  wohl 
noch  einzelne  Stücke  aus  späterer  Zeit,  so  aus  dem  .Jahre  2'ilS|'.)9 
n.  Chr.  (Nr.  1308),  aus  dem  IV.  (Nr.  130'J)  und  VI/VII.  Jahrhundert 
n.Chr.  (1126,  1127,  1224,  1225,  1603—1607).  Davon  scheint 
eines,  1225,  wirklich  eine  Steuercjuittung  zu  sein.  Dass  das  Ostrakon 
auch  in  dieser  späteren  Zeit  in  den  unteren  Schichten  ein  beliebtes 
Schreibmaterial  blieb, \)  zeigen  die  vielen  Hunderte  von  koptischen 
Ostraka  in  unseren  Museen.  Andrerseits  begegnen  jedoch  in  der 
byzantinischen  Zeit  grosse  Massen  von  Quittungen  auf  Paiiyrus  und 
Pergament,  sodass  es  den  Anschein  hat,  als  ob  das  Ostrakon  von 
diesen  Materialien  verdrängt  worden  ist.  Wie  das  Aufhören  der 
Ostrakonquittungen  um  die  Wende  des  III.  Jahrhunderts  n.  Chr.  zu 
erklären  ist,  ist  schwer  zu  sagen.  Nur  vermutungsweise  möchte  ich 
darauf  hinweisen,  dass  dieser  Wechsel  zeitlich  mit  dem  grossen 
Umschwung  zusammenfällt,  den  die  Verwaltung  der  römischen  Welt 
und  so  auch  Aegyptens  durch  die  diocletianisch-constantinischen 
Reformen  erfuhr.  Vielleicht  ist  auch  dies  eine  der  zahlreichen  Neue- 
rungen der  neuen  Zeit,  dass  es  dem  nunmehr  mit  der  Steuererhebung 
betrauten  Beamtenpersonal  (in  der  Regel)  untersagt  war,  sich  der 
Ostraka  zum  Quittiren  zu  bedienen. 

So  Anel  über  die  Verbreitung  der  Ostraka  als  Schriftträger. 
Wollten  wir  hier  nun  die  Herstellung  und  Beschaffenheit  dieses  merk- 
würdigen Schreibmateriales  ausführlichst  darlegen,  so  müsstcn  wir 
geradezu  eine  Geschichte  der  Keramik  in  diesen  tausend  Jahren,  die 
durch  unsere  Sammlung  verti-eten  sind,  schreiben.  Ich  nuiss  dies 
Anderen  überlassen,  die  besser  dazu  qualificirt  sind.  Mein  Augen- 
merk war  zu  sehr  auf  die  Entzifferung  der  schwierigen  Texte 
gerichtet,  als  dass  ich  auf  die  keramischen  Eigentümlichkeiten 
immer   genügend    hätte    achten    können.     Aber   auf  die    grosse   Be- 


')   Vgl.  Pap.  Loud.  iD  PaJaeogr.  Soc.  Ser.  II   189   vom  .1.  350  ii.  Chr.:  y.ai 
TjX3-av  Tivcj  axpaTiraxa'.  itpos  &|iä5  iiexa  öoxpäy.wv. 


14  I.  KAPITEL. 


(leutun<:  des  liier  vorliegenden  Materiales  für  keramische  Studien  sei 
um  so  mehr  liingeAviesen,  als  bisher  meines  Wissens  Niemand  diese 
Seite  beachtet  hat.  Diese  Bedeutung  finde  ich  vor  allem  darin, 
dass  die  Schrift  fast  jeden  Stückes  bis  auf  den  Tag  genau  datirt  ist. 
Damit  ist  zunächst  allerdings  nur  ein  terminus  ante  quem  für  die 
Fabrication  gegeben.  Aber  man  wird  doch  in  den  meisten  Fällen 
mit  ziemlicher  Sicherheit  sagen  können,  dass  kein  allzugrosses  Spatium 
zwischen  dem  Zeitpunkt  der  Fabrication  und  der  Benutzung  als 
Sehreibmaterial  bestanden  haben  wird.  Wir  haben  es  ja  fast  überall 
hier  mit  der  gewöhnliehen  Ware  zu  thun,  die  für  den  täglichen 
Bedarf  billig  hergestellt,  auch  sofort  in  den  Handel  kommt  und, 
wenn  sie  einmal  dem  alltäglichen  Gebrauch  übergeben  ist,  —  wie 
die  Hausfrauen  bestätigen  werden  —  nur  ein  kurzes  Leben  führt. 
In  den  meisten  Fällen  wird  die  Scherbe'  von  derselben  Generation 
gebrannt  worden  sein,  von  der  sie  mit  Schrift  bedeckt  ist.  In 
einzelnen  Fällen  mögen  eine  oder  zwei  Generationen  zuzugeben 
sein.  So  ist  uns  durch  die  Datirung  der  Schrift  doch  auch  appro- 
ximativ die  Zeit  der  Fabrication  an  die  Hand  gegeben.  Wie 
wichtig  das  ist,  erhellt,  wenn  man  folgende  Worte  Adolf  Erman's 
(Aegypten  S.  (jOG)  dagegen  hält:  „Kichts  ist  in  Aegypten  so  schwer 
zu  datiren  als  ein  Thongefiiss,  denn  Scherben,  die  durch  Jahrtausende 
getreiint  sind,  haben  hier  einen  fast  gleichen  Charakter.  Die  moderne 
graue  Ware  von  Keneh  oder  die  rote  von  Siüt  lässt  sich  z.  B.  fast 
ganz  gleich  schon  im  neuen  Reiche  (II.  Jahrtausend  v.  Chr.)  nach- 
weisen." Ohne  diese  letztere  Beobachtung  irgendwie  einschränken 
zu  wollen,  glaube  ich  doch  auf  Grund  des  reichen  datirten  Ostrakon- 
niateriales  nachweisen  zu  können,  dass  in  der  Zwischenzeit  gar  manche 
Wandlungen  in  der  Fabric-ation  statt  gefunden  haben,  Wandlungen, 
die  sich  /..  Th.  gerade  in  dem  Wechsel  der  Farben  offenbaren.  Ich 
habe  schon  im  Jahre  1889  in  der  Berliner  Archaeologischen  Ge- 
sellschaft^) darauf  hingewiesen,  dass  für  die  verschiedenen  Perioden 
gewisse  Thonfärbungen  charakteristisch  sind.  Diese  Beobachtung  hat 
sirii  mir  durch  das  reiche  Material,  das  inzwischen  hinzugekonnnen 
ist,  nur  bestätigt.  (Gewisse  Mittelfarben  sind  natürlich  zu  allen  Zeiten 
vorgekommen,  aber  es  giebt  einige  hervorstechende  originelle  Farben, 
die  ich  für  die  einzelnen  Perioden  geradezu  als  Modefarben  bezeichnen 


')  Vgl.  den  Bericht  in  der  ■\Voclipnsclir.  f.  Klass.  Pliilol.  1S89,  Xr.  25,  S.  701. 


KICHAMOLOO ISCHE    BKORACHTl'XGKN.  15 

iiiüchtc.  Vergegouwiirtiticn  wir  uns,  dass  diese  verscliiedciic  Färbung 
nicht  nur  durdi  die  verschiedenartige  Fabrication,  durch  das  IJrennen 
oder  auch  dureli  künsliiclie  l'^arhuni;',  sondern,  nanientli<-li  hei  den 
rohen  Thongefiisscn,  von  denen  die  Ostraka  ja  meistens  stannnen,  vor 
allem  durch  die  verschiedene  Farhc  der  zur  Verfügung  stehenden 
Thonerde  verui-sacht  wird,  so  thun  wir  gut,  diese  Untersucliungen 
lokal  zu  führen.  Da  die  Scherben  von  Sj'ene-Elephantiue  bis 
jetzt  nur  wenige  Jahrhundertc  reprjiseutiren ,  wollen  wir  die  The- 
baiiischen  Ostraka,  die  durcli  tausend  Jahre  hin  vertreten  sind,  zu 
Grunde  legen.     Von  diesen   lässt  sich  folgendes  feststellen: 

1.  Für  die  Ptolemäerzeit  ist  eine  hellgelbe  oder  graugelbe  Farbe 
charakteristisch,  wie  sie  bei  den  römischen  und  byzantinischen  Stücken 
nicht  oder  doch  nur  ganz  vereinzelt  vorkommt.  Die  Bruchränder 
sowie  die  Rückseite  erscheinen  gleichfalls  in  derselben  graugelben 
Farbe  oder  aber  in  einer  hellrosafarbenen  Schattirung.  Natürlich 
finden  sich  in  der  Ptolemäerzeit  daneben  auch  anders  gefärbte  Scherben, 
rote,  braune  und  rotbraune.  Aber  die  hat  es  dort  zu  allen  Zeiten 
gegeben,  während  die  graugelben  für  die  Ptolemäerzeit  charakteristisch 
sind.  Freilich  ist  auch  diese  Regel  nicht  ohne  Ausnahmen.  Im 
Sommer  1895  sah  ich  in  Leiden  ein  gelbes  Ostrakon  aus  hadrianischer 
Zeit,  in  London  eines  aus  trajauischer.  Dies  waren  aber  die  einzigen 
Ausnahmen  bei  den  vielen  Hunderten  von  Ostraka,  die  mir  damals 
durch  die  Hand  gingen.  Ich  bedaure,  in  den  beigefügten  Tafeln  von 
dieser  gelben  Art  kein  Beispiel  gegeben  zu  haben.  Das  einzige  ptole- 
mäische  Stück,  Nr.  5,  ist  bräunlich  gefärbt,  und  zwar  gelblich-bräunlich. 

2.  Als  charakteristisch  für  die  römische  Periode  (die  ersten 
Jahrhunderte  nach  Chr.)  könnte  ich  nur  das  Vorherrschen  der  roten 
und  braunen  Farbe  anführen.  Ein  so  leuchtendes,  sattes  Rot,  wie 
es  in  Syene  in  dieser  Zeit  üblich  war  (vgl.  die  drei  ersten  Nummern 
auf  den  Tafeln),  ist  mir  für  Theben  nicht  erinnerlich.  In  Theben 
herrscht  im  Allgemeinen  in  dieser  Zeit  mehr  der  bräunliche  Ton  vor. 
Vgl.  Nr.  4  und  6  auf  Tafel  II  und  III. 

3.  Für  die  byzantinische  Zeit,  in  der  gleichfalls  die  verschiedensten 
roten  Färbungen  begegnen,  möchte  ich  als  eigenartig  hervorheben, 
dass  hier  die  Scherben  manchmal  auf  der  Oberfläche  einen  gewissen 
Glanz  zeigen,  der  entweder  durch  Politur  oder  durch  leichte  Glasur 
hervorgerufen  zu  sein  scheint.  Diesen  Glanz  zeigen  z.  B.  zwei  in 
meinem  Privatbesitz  befindliche  Ostraka  (ich  verdanke  sie  Fröhner's 


10  I.  KAPITEL. 


Güte),  die  nach  der  koptischen  Minuskel  zu  schliessen  vielleicht  in's 
VII  VIII.  Jahrliuiidert  n.  Chr.  zu  setzen  sind.  Das  eine  Stück,  das 
wohl  einer  tlaelien  Schüssel  oder  Schale  entstammt,  ist  auf  beiden  . 
Seiten  glänzend.  Bezüglich  der  Farben  dieser  Periode  möchte  ich 
hervorheben,  dass  mir  mehrfach  eine  leuchtende  hellrote  Farbe  als 
charakteristisch  aufgefallen  ist. 

Die  oben  hervorgehobenen  Farbenunterschiede  sind  so  charakte- 
ristisch, dass  ein  geübtes  Auge  vielfach  auf  den  ersten  Blick  nach 
der  Farbe  die  Periode  bestimmen  kann.  Mein  hochverehrter  Freund 
J.  P.  Mahaflj',  der  mir  im  letzten  Sommer  gelegentlich  zusah,  als  ich 
im  Queen's  College  die  Ostraka  von  Sayce  durcharbeitete,  wird  mir 
bestätigen,  dass  ich  die  Ptoleraäer-  und  Kaisertexte  meist  sogleich 
nach  der  Farbe  auseinander  halten  konnte,  noch  ehe  ich  die  Schrift 
geprüft  hatte.  Ich  habe  diese  einstweilen  noch  ganz  rohen  Be- 
obachtungen nicht  zurückhalten  wollen,  in  der  HofFniuig,  dass  ein 
Kundigerer  sich  genauer  damit  befasse. 

Im  Uebrigen  habe  ich  über  das  Aeussere  der  Ostraka  nicht 
viel  hinzuzufügen.  Ich  hob  schon  hervor,  dass  sie  meist  Bruchstücke 
roh  gearbeiteter  Gefässe  sind,  wie  sie  im  einfachen  Haushalt  zu  den 
verschiedensten  Zwecken  gebraucht  werden.  Nur  ganz  selten  finden 
sich  Spuren  von  aufgemalten  oder  eingeritzten  sehr  einfachen  Orna- 
menten. Doch  verraten  die  Ostraka  sämmtlich  die  Benutzung  der 
Töpferscheibe,  die  den  Aegyptern  ja  schon  seit  dem  alten  Reich  bekannt 
w'ar.i)  Soweit  die  Gefässe  zur  Aufbewahrung  von  Flüssigkeiten  be- 
stimmt waren,  sind  sie  vielfach  auf  der  Innenseite  verpicht  worden,  und 
viele  der  hier  publicirten  Ostraka  zeigen  eine  verpichte  Innenseite. 
Schon  Toelken  (Reise  des  Generals  v.  Minutoli  S.  421)  erinnerte  an- 
gesichts der  Elephantiner  Ostraka  an  Suet.  Claud.  16,  wonach  Claudius 
in  einem  Edict  bestimmte,  vt  tiberi  vinearuin  proventii  bene  ihlia 
picarentur.  Ebenso  hatte  auch  schon  Philadelplios  verordnet,  dass  die 
Gefässe,  in  denen  der  Wein  für  die  ÄTiöjxotpa  abgeliefert  wurde,  gut 
verpicht  sein  sollten.  So  möchte  ich  wenigstens  Rev.  Pap.  32,  3 
ergänzen:  'EaTW  Se  6  7.ip[oi.}\ioz  xspccjita  aieyva  [utaaoxojuoujjisva 


')  Für  Solche,  die  je  nach  der  Benutzung  oder  Nichtlienutzung  der  Töpfer- 
scheibe Kulturperiddeii  zu  trennen  lieben,  sind  aegyptisehe  Bilder  lehrreich,  in 
denen  man  neben  der  Verwendung  der  Töpferscheibe  die  Fabricution  aus  der 
freien  Hand  dargestellt  findet.  Natürlich  werden  nur  noch  einfachere  Gegen- 
stände auf  letzterem  Wege  hergestellt  sein.     Vgl.  Erman,  .\egypten,  S.  606. 


FABRICATION    IJKR    GEFÄSSK.  17 


(Statt  [5'.xc3Xc]7:oü[J.£va  Maliafl'y ).  Auf  dieser  Eigentüinliclikeit  mancher 
Scliei'ben  beruht  nach  meiuer  Ansicht  das  bekannte  Kuabenspiel, 
das  man  öatpaxivoa  uac^stv  nannte. '^)  Man  nahm  dazu  eine  Scherbe, 
deren  concave  Seite  verpicht  war  (oü  -O-aispov  hev  [lipoc,  ■!ZZ'P:iao(j)- 
|j.£Vov  f/V,  zb  iviö;  Stj^kStj,  t6  5e  ixzbc,  äuiaaioTov.  Eusth.  a. 
a.  O.).  Krause  (Pauly,  Realeucykl.  u.  Ostrakon)  nimmt  merkwürdiger- 
weise an,  dass  die  Knaben  selbst  die  Innenseite  mit  Pech  bestrichen 
hätten.  Vielmehr  haben  sie  natürlich  Scherben  von  verpichten 
Krügen  zu  diesem  Spiele  benutzt. 

Was  die  Herkunft  der  Gefasso  lietritil,  su  wird  wohl  fast  überall 
in  Aegj'jjten  eine  lokale  Töpferindustrie  bestanden  haben,  denn  der 
aegyptische  Boden  ist  ausserordentlicli  reich  an  Thonlagern.^)  So 
hatte  Theben  sein  Töpferviertel  auf  dem  Westufer,  die  Kspafieta,  die 
in  der  Hauptsache  seinen  Bedarf  gedeckt  haben  werden.  Doch  hat  es 
daneben  natürlich  auch  importirte  Waren  gegeben,  und  es  scheint,  dass 
ähnlich  wie  heute  Keneh,  so  im  Altertum  Koptos  ein  Hauptfabrikort 
für  Töpferei  gewesen  ist,  von  dem  viel  exportirt  wurde. ä)  Inter- 
essant ist  in  dieser  Hinsicht  Nr.  1129,  in  der  ein  Soldat  seinem 
Optio  quittirt,  an  Wein  xspajjiov  KoTiX'.zixby  £v(a)  empfangen  zu  haben. 
Der  „Koptitische  Krug"  (d.  h.  der  aus  dem  Koptitischen  Gau)  scheint 
demnach  in  ganz  Aegypten  —  das  Ostrakon  stammt  aus  Pselkis 
im  fernen  Nubien!  —  eine  bekannte  Sorte  gewesen  zu  sein,  ähnlich 
wie  heute  die  Balälis,  die  gleichfalls  nach  dem  Fabrieationsort,  dem 
Dorfe  Bailas  genannt  werden.  Ja,  man  kann  geradezu  die  Balälis 
als  die  Nachfolger  der  xipa\).oi  KoTii'.-titxoi  bezeichnen,  denn  das  Dorf 
Balkis  liegt  schräg  gegenüber  von  Kuft,  dem  alten  Koptos,  und  es 
sind  wohl  noch  dieselben  Thonlager,  die  heute  wie  damals  bearbeitet 
wurden.  Ueber  die  Massbestimmung,  die  zugleich  in  dem  Ausdruck 
enthalten  ist,  vgl.  Kap.  X. 

Endlich  noch  ein  Wort  über  die  Anordnung  der  Schrift  auf 
den    Ostraka.      Wie    ich    es   früher   für    den    Papyrus    gethan    habe 


'l  Vgl.  die  ausführlichen  Erzählungeu  bei  Polliix,  Onom.  IX  111,  112. 
Eust.  ad  Hom.  II.  XVIII  p.  1160  sq. 

'^)  So  werden  z.  B.  für  Ptolemais  Hormu  im  Faijiim  mehrere  y.spansi; 
bezeugt.    Vgl.  Chart.  Borg.  VI   20,   21. 

^)  Vgl.  Lumbroso,  Recherches  S.  131.  Dazu  Athens.  XI  464'':  iyia  gs 
e5  o!9a  öti  rfi'.Qza.  7ro?.Xäxis  sati  xä  y-spaiisa  sy.TMp.ci.za.  cb;  xai  täc  Tiap  -^iiiv 
Ix  1^5  Koiz-c'j  xaTayonsva-  (lExa  *(■«?  äpo)[iixtov  ou[i-.fupa9'aiar);  x^s  yris  drexäxa'.. 
WiLCKEX,  Ostraka.  2 


18  I.  KAPITEL. 


(Hermes  XXII  S.  487  fl'.),  so  lässt  sich  aiirh  t'iir  das  Ostrakoii  ein 
Recto  uud  ein  Verso  unterscheiden.  Natürlich  ist  es  hier  die  convexe 
Seite,  die  Aussenseite  des  Gefiisses,  die  vornehmlich  zum  Schreiben 
geeignet  sein  musste,  denn  nur  auf  ihre  Glättung  wurde  besondere 
Sorgfalt  vorwendet,  war  doch  die  Glätte  ein  Hauptvorzug  eines  schönen 
Gefiisses,  während  die  Innenseite  derartig  zu  bearbeiten  keine  Veran- 
lassung, ja  bei  manchen  Formen,  z.  B.  den  schmalhalsigen  Gefässen, 
auch  nicht  die  Möglichkeit  vorlag.  Daher  lässt  sich  als  Regel  auf- 
stellen, dass  zunächst  die  glatte  Convexseite  des  Ostrakons  beschrieben, 
die  eoncave  aber,  wenn  überhaupt,  nur  subsidiär  und  nachträglich 
benutzt  wurde.  So  beginnt  z.  B.  die  Personenlistc  in  Nr.  1194  auf 
der  convexen  Seite  und  wird  fortgeführt  auf  der  concaven.  So  wird 
in  Nr.  728  die  gezahlte  Summe  auf  der  Innenseite  wiederholt  — 
eine  nachträgliche  Notiz.  Aus  diesem  Grunde  muss  z.  B.  der  Text 
von  Nr.  295  älter  sein  als  der  von  Nr.  1,  dei-  auf  der  Innenseite 
derselben  Scherbe  steht.  Eine  einzige  Ausnahme  scheint  unsere 
Sammlung  zu  enthalten:  der  Text  von  Nr.  38  steht  auf  der  Innenseite! 
Aber  diese  Ausnahme  bestätigt  vortrefflich  die  Regel,  denn  —  die 
Aussenseite  konnte  in  diesem  Falle  nicht  gut  benutzt  werden,  da 
sich  daselbst  ein  Gefasshenkel  befindet!  Es  ist  also  bei  den  Ostraka 
genau  dasselbe  Verhältnis  von  Recto  und  Verso  wie  bei  den  Pa- 
pyri, i)  und  ebenso  wie    dort   sind  es  Eigentümlichkeiten  der  Fabri- 


')  Mahafly  hat  ji'Ugst  bei  der  Herausgabe  der  FliuUers  Petrie  Papyri 
mehrere  „Ausnahmen"  von  meiner  Theorie  constatirt,  jedoch  mit  Unrecht.  Die 
-Vutopsio  hat  mir  ergeben,  dass  jedes  einzelne  Stücl<  der  Flinders  Petrie  Pa- 
pyri meine  Theorie  bestätigt,  dass  MaliafFy  sicli  vielmehr  durcli  die  Richtung 
lier  Schrift  liat  täuschen  lassen.  Ich  habe  schon  im  Hermes  a.  a.  0.  490  Anm. 
ausdrücklich  hervorgehoben,  dass  es  für  die  Frage  nach  Recto  und  Verso  völlig 
gleichgültig  ist,  welche  Richtung  die  Schrift  einnimmt.  Daher  sind  auch  die 
folgenden  Worte  von  J.  Krall  CPR  II  S.  8  geeignet,  Verwirrung  anzustiften: 
,,Man  kann  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  bei  einem  auf  beiden  Seiten  be- 
schriebenen koptischen  Papyrus  jenen  Text,  der  längs  den  Verticalfasern  ge- 
schrieben ist,  als  den  älteren  ansehen,  denn  wie  die  Beschreibung  der  Rechts- 
urkunden zeigt,  ist  von  unseren  220  Reehtsurkunden  nur  ein  Sechstel  auf  den 
Ilorizontalfa-sern  beschrieben."  Xfeine  Schrift  ist  nicht  genannt.  Wenn  dies  eine 
Widerlegung  .sein  soll,  so  kann  ich  sie  nicht  für  zutreffend  halten.  Hier  liegt 
offenbar  nur  das  Factum  vor,  auf  das  ich  gicielifalls  schon  in  jener  Anmerkung 
liinwies,  dass  man  in  der  byzantinischen  Zeit  besonders  gern  die  Schrift  parallel 
den  Klebungcn,  resp.  der  Höhe  der  Pagina,  d.  h.  den  Verticalfasern  (der  Rück- 
seite)  gesetzt   liat.     Für   die  Frage,    welcher   Text   der    ältere  ist,    d.h.   für  die 


KECTO    UND    VJiliSJU.  19 


ciition,   <lie   die  strenge  Scheidung   zwisclien  der  Besehreibseite  xax' 
iEo^CTjV  und  der  subsidiären  Bcsclircibscitc  bedingen. 

Die  Aut'bewaliruug  dieser  unhundlicbcn  „l'aj)iere"  wird  eine  sehr 
mannigfaltige  gewesen  sein.  Vielfach  liat  man  die  Ostraka  gewis.s, 
ebenso  wie  die  Papvrusrolleii,  in  grossen  Thonkriigen  aufbewahrt. 
Ein  solches  Archiv  muss  einem  Weinkeller  geglichen  haben.  In  der 
oben  citirten  Babriusstelle  (127)  wird  ein  xtßutoi;,  ein  Kasten  oder 
Sehrank,  als  Depot  für  die  Ostraka  bezeichnet,  und  das  wird  wcild 
nidit  nur  bei  den  Göttern  Brauch  gewesen   sein.') 

Frage  nach  Hceto  und  Verso  ist  dies  aber  ganz  indiö'erent.  Dafür  sind  lediglich 
lue  aus  der  Fabrication  des  Papyrus  von  mir  entuomiuenen  Gesichtspunkte  mass- 
gebend. Auch  in  den  einseitig  beschriebenen  Urkunden  der  Wiener  Sammlung 
wird  die  Schrift,  mag  sie  auch  parallel  den  Verticalfasern  laufen,  doch  auf  der 
,,IIorizontalseile"  stehen,  d.h.  auf  der  Seite,  deren  Fasern  rechtwinklig 
gegen  die  Selisklebungen  laufen.  Krall  hat  die  Verwirrung  dadurch 
noch  grösser  gemacht,  dass  er  bei  der  Beschreibung  der  l'rkunden  statt  ,, längs 
den  Verticalfasern"  gar  ,,auf  den  Verticalfasern"  sagt.  Ich  kenne  bis  jetzt 
nur  eine  Ausnahme  meiner  Regel,  das  ist  der  Pap.  Lond.  CCCCI.  Dabei  ist 
aber  zu  bedenken ,  dass  der  Text  ein  Brouillon  ist !  Mahafij''s  Bemerkungen 
hierzu  zeigen  gleichfalls,  dass  er  den  Kern  meiner  Theorie  verkennt.  —  Der 
•antiken  Auffassung  würde  es  vielleicht  am  besten  entsprechen,  wenn  wir  statt 
Horizontalseite  ,, Innenseite"  und  statt  Verticalseite  ,,Aussenseite"  sagten.  Vgl. 
Rev.  Pap.  41,13,  wo  auf  Bemerkungen,  die  auf  der  Rückseite  stehen,  mit  s^o) 
hingewiesen  wird. 

')  Das  Wort  xtßmxös  begegnet  in  der  Kanzleisprache  sonst  auch  als  Be- 
zeichnung für  den  Geldkasten,  in  den  das  Geld  (vom  Zahler)  hineingeworfen 
wird.  Vgl.  TiSTiTtuxEv  sie,  xißtoxov  in  Pap.  Leid.  I.  379  (so  nach  dem  Original) 
Weitere  Beispiele  bei  Revillout,  Rev.  Egypt.  II  S.  114.  Diese  Formel,  die  bisher 
sich  nur  für  das  III.  .lahrh.  vor  Chr.  (Philadelphos  und  Euergetes  I)  hat  nach 
weisen  las.sen,  ist  gleichbedeutend  mit  dem  jüngeren:  hetixowev  skI  Tr)v  TpctTts^av 
Diese  Bedeutungseutwickelung  von  •yCißtotoj  kann  nuni  mit  der  von  area  ver 
gleichen,  worauf  mich  Mommscn  hinweist.  ,\ucli  der  ,,fiscus"  (Korb)  hat  diesellie 
Entwickelung  durchgemacht. 


II.  KAPITEL. 
Herkunft  und  Schicksale  der  Ostraka. 

Wir  haben  nunmehr  nachzuweisen,  wo  und  wie  unsere  Ostraka 
gefunden  sind,  wo  sie  zur  Zeit  aufbewahrt  werden,  und  was  bis  jetzt 
über  sie  geschrieben  worden  ist. 

Die  wichtigsten  Fundgruben  füir  Ostraka  sind  bisher  —  von 
Süden  nach  Norden  —  Dakkeh  in  Nubien,  Elejahantine,  Gebelen, 
Erment,  Karuak  und  Umgegend,  Kuft,  Sedment  und  Sakkära. 

Die  nubischen  Ostraka  von  Dakkeh,  dem  alten  Pselkis  in 
der  Dodekaschoiuos,  waren  wohl  die  ersten,  die  in  Euro2)a  bekannt 
wurden.  Der  Architekt  Gau  fand  1819  „eine  Unzahl"  von  be- 
schriebenen Scherben  daselbst.  Mehrere  davon  zeichnete  er  ab,  so 
gut  er  konnte,  warf  sie  dann  aber,  nicht  ahnend,  welch  wertvolles 
Geschenk  ihm  die  Götter  in  den  Schoss  gelegt  hatten,  als  „lästigen 
Ballast"  über  Bord.  Nur  zwei  Scherben  behielt  er  zurück ;  die  schenkte 
er  Barthold  Geors:  Niebuhr  und  regte  ihn  zugleich  an,  die  Entzifferung 
dieser  neuen  Urkunden  zu  versuchen.  Vereinzelt  scheinen  auch 
später  noch  in  Dakkeh  Ostraka  gefunden  zu  sein  (vgl.  1220). 

Grössere  Massen  von  Ostraka  wurden  dann  in  den  zwanziger 
Jahren  unseres  Jahrhunderts  und  in  den  folgenden  Decennien 
aus  Elephantine  bekannt,  der  herrlichen  Palmeninsel  gegenüber 
Assuän  (dem  alten  Syene),  der  alten  Grenzstadt  des  eigentlichen 
Aegyptens.  In  sänimtlichen  Fundberichten,  die  mir  erinnerlich  sind, 
ist    immer    nur    Elephantine    als   Fundort    genannt,')    während    wir 


I 


')  So  sagt  Toelken,  Reise  d.  Generals  v.  Minutoli  S.  420 :  „Beim  Auf- 
räumen aller  Ruinen  in  der  Insel  Elcphantino  fand  man  einen  grossen  Vorral 
bescliri ebener  Tli(>u^elicrben."     Vgl.  Siiyce,  .Tewisli  Quarterly   Review  II   S.  400. 


VON    DAKKEH    BIS    KARNAK.  21 


aus  (k'iii  Inhalt  schliesseu  müssten,  <lass  nicht  wenige  davon  aus 
Svene  stammten.  Einstweilen  kann  ich  nur  oonstatiren,  dass  nach 
den  Berichten  die  Stücke  auf  der  Nilinsel  Elepliandue,  nicht  in 
Syene  gefunden  sind. 

Diese  Ostraka  aus  Dakkeh  und  lOlephanlinc  waren  his  vor 
Kurzem  die  einzigen,  die  wir  kannten,  und  alle  älteren  Publicationen 
beschilftigen  sich  nur  mit  ihnen,  abgesehen  von  em  paar  Stücken 
aus  Erment,  dem  alten  Hermonthis,  die  sich  auch  schon  bei 
Fröhner  finden.  Es  scheint,  dass  die  Fundquelle  auf  Elephantine 
zur  Zeit  erschöiift  oder  wenigstens  versto])ft  ist,  denn  in  den  letzten 
Jahren  sind  nur  noch  ganz  vereinzelt  neue  Ostraka  von  dort  bekannt 
geworden,  und  von  diesen  steht  vielleicht  nicht  einmal  fest,  ob  sie 
auch  neuerdings  erst  gefunden  sind.  Erman  hat  1885/6  noch  einige 
wenige  dort  käuflieh  erworben.  Sayce  (a.  a.  O.)  schrieb  im  Jahre  1890: 
„For  the  last  four  or  five  years  no  more  ostraca  have  been  discovered 
there."  Andrerseits  hat  Jean  Jacques  Hess  noch  kürzlich  Ostraka 
aus  Elephantine  erworben.  Auch  das  Berliner  Museum  hat  soeben 
( 189G)  mehrere  Ostraka  aus  Elephantine  erhalten.  Höften  wir,  dass 
bald  neue  grosse  Funde  dort  gemacht  werden.  Das  elephantinische 
^laterial  ist  bisher  sehr  einseitig;  Ptolemäertexte  sind  dort  erst  ganz 
sporadisch  gefunden. 

Weiter  nordwärts  sind  in  Edfu,  dem  alten  Apoll iuopolis 
Maior,  von  Maspero  (nach  einer  freundlichen  Mitteilung  desselben) 
Ostraka  gefunden  worden.  Gegen  50  Stück  hat  er  von  dort  in's 
Museum  von  Bulaq  (heute  Gizeh)  gebracht.  Von  diesen  befindet 
sich  keines  in  unserer  Sammlung. 

Fahren  wir  den  Nil  weiter  abwärts  gen  Norden,  so  kommen 
wir  im  oberaegyptischen  Gebelen,  nordwärts  von  Esne,  wiederum 
auf  einen  Ostrakonplatz.  Sayce  war  wohl  der  Erste,  der  hier  grie- 
chische und  demotische  Ostraka  fand  (vgl.  a.  a.  O.  401 ).  Auch 
einige  der  Hess'schen  Ostraka  stammen  aus  der  Gegend  von  Gebelen 
(vgl.  unten  Kap.  IX),  und  da  diese  kürzlich  dort  erworben  sind, 
so  seheint  sich  glücklicherweise  die  Befürchtung  Sayce's,  dass  durch 
das  Graben  nach  Sebah-Erde  alle  Ostraka  dort  zerstört  seien,  nicht 
zu  bestätigen.  Dass  auch  in  Erment  (Hermonthis)  Ostraka 
gefimden  sind,  wurde  schon  oben  erwähnt. 

Die  ergiebigste  Fundquelle  bildet  zur  Zeit  das  weite  Ruinenfeld 
des  alten  „hundertthorigen"  Thebens,  der  Aioc  tiöa'.;  fj  [ieyscÄt^  der 


22  II.   KAPITEI,. 


Griechen.  Der  unermüdliche  Sayce,  der  schon  so  Vieles  fand,  war 
wohl  der  Erste,  der  auch  diese  Quelle  entdeckte.  Im  Winter  1881/2 
stiess  er,  zusammen  mit  Alfred  Wiedemann,  nördlich  von  den  Ruinen, 
von  Karnak  auf  die  ersten  thebanischen  Ostraka.  Et\Ya  zu  glei- 
cher Zeit  wurden  auch  Maspero  die  ersten  Stücke  von  dort  in  das 
Museum  von  Bulaq  gebracht  (etwa  100).  Im  Jahre  1883  hat 
Älaspero  dann  planmiLssige  Kachforschungen  nach  Ostraka  in  Karnak 
angestellt,  als  deren  Ergebnis  etwa  400  Urkunden  (griechische,  de- 
motische und  koptische)  nach  Bulaq  in's  Museum  wanderten.  Auf 
diese  interessanten  Ausgrabungen  komme  ich  nachher  noch  zurück. 
Nach  und  nach  sind  nun  gewaltige  Massen  von  Ostraka  an  den 
verschiedensten  Stellen  des  grossen  Ruinenfeldes,  westlich  und  östlich 
vom  Nil,  gefunden  worden,  und  jetzt  giebt  es  wohl  kaum  ein  grösse- 
res Äluseum,  das  nicht  seine  „Thebaner"  hätte.  In  das  Berliner 
Kgl.  Museum  sind  durch  Erman's  Bemühungen  allein  viele  Hunderte 
thebanischer  Ostraka  gelangt,  deren  grösster  Teil  in  unserem  Buche 
zum  ersten  Mal  publicirt  vorliegt.  Auch  Budge  hat  kürzlich  meh- 
rere Hunderte  von  thebanischen  Ostraka  für  das  British  Museum 
erworben  (s.  Anhang  III). 

Weiter  nördlich  hat  wiederum  Sajce  in  Kuft,  dem  alten 
Koptos,  Ostraka  gefunden  —  „at  a  little  distance  within  the 
eastern  gate  of  the  Roman  wall"  (a.  a.  0.  S.  401). 

Aus  Älittelaegypten  sind  bisher  meines  Wissens  erst  wenige 
Ostraka  bekannt  geworden.  In  Aschmunein,  dem  alten  Hermu- 
polis  Magna,  hat  Maspero  einige  Ostraka  gefunden,  die  in  das 
aegyptische  Laudesmuseum  übergeführt  sind.  Im  Jahre  1886  ent- 
deckte Adolf  Erman  einen  neuen  Platz  in  Sedment-el-Gebel, 
einem  Flecken  am  Eingang  des  Faijüm,  am  linken  Ufer  des  Bahr- 
cl  -Yusuf  gelegen. 

Im  Faijüm  selbst,  das  uns  so  verschwenderisch  mit  Papyri, 
Pergamenten  und  Papieren  versorgt  hat,  sind  bisher,  wie  es  scheint, 
sehr  wenige  Ostraka  gefunden  worden.  In  Berlin  wurden  erst  in 
allerletzter  Zeit  einige  Stücke  als  faijümiscli  erworben  (vgl.  Nr.  130.'5 
und  1306).  Doch  ist  Genaueres  über  den  Fundort  nicht  bekannt. 
Dass  auch  hier  unter  den  Ruinen  von  Arsinoe  sowie  in  dem 
Schutt  der  zahllosen  Dörfer  dieses  reichsten  und  bevölkertsten  aller 
Gaue  viele  Tausende  von  Osti-aka  begraben  liegen,  wäre  a  priori 
höchst    wahrscheinlich.      Nach    Karabacek    müsste    in   der  That   das 


VON    KARNAK    BIS    SAKKAKÄ.  23 

Faijrtni  eine  Hauptfundstätte  für  Ostraka  sein.  Er  sagt  (Miit.  Vny. 
Rain.  V  S.  63  =  Fülirer  durcli  d.  Ausstellung  PER  S.  10):  „Da.s 
weite  Trümmerfeld  von  Arsinoe-FaijAm  wird  von  den  Arabern  ge- 
radezu als  Schutt-  und  Seherhenland  hezeiehnet.  Wo  man  hin- 
tritt, greift  man  Scheriicn  heraus,  mitunter  recht  kostbare." 
Der  Zusammenhang  zeigt,  dass  Karabacek  von  beschriebenen 
Scherben  spricht.  Mit  dieser  Aussago  steht  einstweilen  die  That- 
sache  im  Widerspruch,  dass  bis  jetzt,  nach  Aussage  der  Reisenden, 
sehr  wenige  Ostraka  im  Faijüm  gefunden  sind.i)  Oder  sollten 
jene  Massen  nach  Wien  gekommen  sein?  Man  .scheint  dort  die 
drei  griechischen  Ostraka,  die  im  „Führer"  a.  a.  O.  als  Beispiele 
für  die  Vorbemerkung  Karabacek's  angeführt  werden,  für  faijfimisch 
zu  halten.  Das  einzige  Stück,  das  ich  durch  das  beigegebene 
Facsimile  coutrolliren  konnte  (unsere  Nr.  1G23),  stammt  aber, 
wie  der  Text  deutlich  besagt,  aus  den  thebanischen  Mem- 
nonien!  Hoffen  wir,  dass  trotz  allem  auch  das  Faijüm  uns 
noch  reiche  Ostrakonschätze  bringt.  Einstweilen  liegt  es  allerdings 
nahe,  mit  dem  seltenen  Vorkommen  faijümer  Ostraka  die  auffällige 
Thatsache  in  Verbindung  zu  bringen,  auf  die  wir  schon  oben  S.  12 
hinwiesen,  dass  im  Faijüm  eine  ganze  Reihe  von  Quittungen  privaten 
und  öffentlichen  Charakters  gefunden  sind,  die  auf  Papyrus  ge- 
schrieben sind  —  und  zwar  aus  den  ersten  drei  Jahrhunderten  unserer 
Zeitrechnung,  wo  z.  li.  in  Theben  und  Elephantine  für  diese  Zwecke 
durchaus  das  Ostrakon   praevalirte. 

Endlich  ist  Sakkära,  in  der  Nähe  des  alten  Memphis,  als 
Fundstätte  von  Ostraka  zu  nennen.  Wenigstens  nach  dem  Bericht 
des  Berliner  Kataloges  sind  Nr.  1126  und  1127  von  Brugseh  aus 
Sakkära  angekauft.  Ob  sie  freilich  auch  wirklich  dort  gefunden 
und  nicht  nur  von  dort  im  Handel  vertrieben  sind,  muss  dahin- 
gestellt bleiben. 

Für  die  Interpretation  der  Urkunden  wäre  es  von  nicht  geringem 
Interesse,  Genaueres  über  die  Art  zu  erfahren,  wo  und  wie  man 
die  Ostraka  gefunden  hat.  Leider  liegen  mir  darüber  nur  wenige 
Zeugnisse    vor,    denn    die    meisten    Ostraka    sind    käuflich    von    den 


')  Erman  hat  bei  seinem  Aufenthalt  im  Faijiim  ein  Ostrakon  gesehen. 
Steindorff,  der  im  Frühling  1805  das  Faijiim  bereiste,  teilte  mir  mit,  dass  er 
Ostraka  dort  nicht  gesehen  habe.  Jüngst  schrieb  mir  Erman,  dass  <ler  Koptoloue 
Schmidt  soeben  ein  koptisches  Ostrakon  im  Faijüm  gekauft  habe. 


24  n.   KAPITEL, 


Fellachen  oder,  was  noch  schlimmer  ist,  von  den  Antikenhandel 
treibenden  Arabern  erworben  worden.  Diese  aber  sind  bekanntlich 
stummer  als  die  Sphinx,  wenn  man  sie  nach  dem  genauen  Fundort, 
fract,  oder  aber  —  sie  lügen,  was  ihnen  gerade  einfiillt.  Um  so  wertvoller 
ist  der  Bericht,  den  ich  der  Güte  Adolf  Erman's  über  seinen  Fund 
der  Ostraka  von  Sedment-el-Gebel  verdanke.  „Neben  dem  Dorf', 
so  schreibt  er  mir,  „steht  auf  dem  hohen  Ufer  des  Bahr  Jusuf  das 
Kloster  des  Mar  Girgis"  i)  (die  hübsche  Skizze,  die  Erman  von  der 
Lokalität  entwarf,  kann  ich  hier  leider  nicht  wiedergeben).  „Auf 
dem  schmalen  Wege  zwischen  dem  Uferrand  und  der  Klostermauer 
fonden  sich  die  Ostraka.  Schweinfurth  und  ich  waren  Anfang  Januar 
1886  mehrere  Tage  in  diesem  damals  vom  Antikenhandel  noch 
kaum  berührten  Dorf,  und  allmählich  brachten  die  Leute  allerlei 
heran,  was  wir  nach  ihrer  Meinung  vielleicht  kaufen  konnteu.  Auch 
die  Mönche  des  Klosters  waren  dabei,  und  es  war  wohl  einer  von 
ihnen,  der  das  ei-ste  Ostrakon  brachte.  Als  wir  mehr  davon  haben 
wollten,  suchten  sie  vor  unseren  Augen  an  der  bezeichneten  Stelle, 
und  auch  wir  selbst  suchten  und  fanden  mit.  Die  Stücke 
lagen  flach  in  der  Erde,  oben  am  Ufer,  natürlich  in  irgend  welchem 
alten  Schutt.  Während  \vir  am  Tage  fort  waren,  suchten  sie  dann 
wolü  weiter.  Soweit  meine  Erinnerung.  An  der  Stelle  geht  noch 
heute  ein  Weg  zum  Faijüm  hinüber,  und  ich  dachte,  ob  hier  nicht 
eine  Zollstation  gewesen  sein  könnte."  Hier  haben  wir's  also  deutlich 
mit  den  Ueberresten  eines  Bureaus  zu  thun,  und  wir  werden  in 
Kap.  VIII  sehen,  dass  dieses  Moment  bei  der  Interpretation  der 
rätselhaften  Texte  eine  gute  Stütze  bietet. 

Ich  bin  in  der  angenehmen  Lage,  auch  über  eine  der  zahl- 
reichen Fundstellen  auf  dem  thebanischen  Ruiuenfelde  Genaueres 
berichten  zu  können.  Ich  verdanke  diese  Kenntnis  der  grossen 
Liebenswürdigkeit  Maspero's,   der   auf  meine   Anfrage    mir   unterm 


')  Ich  finde  in  Makrizi's  Geschichte  der  Kopten  (übersetzt  von  Wüstenfeld, 
Gott.  1845)  im  7.  Kapitel  unter  No.  32  folgende  Erwähnung  dieses  Klostcr.s: 
„Das  Kloster  von  Sedment  seitwärts  von  el-Menhi  (d.  h.  dem  Josephskanal)  auf 
dem  Damme  zwischen  el- Faijüm  und  cl-Etf  mit  dem  Namen  des  Abu  Dschordseh 
(^  Girges  ^=  Georg)  hat  von  dem,  was  es  früher  war,  viel  verloren,  und  ist  nur 
noch  von  wenigen  bevölkert."  Jlan  findet  den  Ort  z.  B.  in  der  Spezialkarte 
des  Faijüm  und  Umgegend,  die  dem  Werk  vcm  U.  H.  Brown  (The  Fayüni  and 
lake   Mocris,   Lond.  1892)   lieigegebcn    ist. 


MASPEEO'S   AUSGRABUNGEN    IN    KAItNAK.  25 


22.  October  1888  einen  ausfiiihrlichen  Bericht  über  seine  Ostrakon- 
fiinde  zugesehickt  hat.  Indem  ieli  ilim  meinen  her/.liclisten  Dank  dafür 
auch  an  dieser  Stelle  wiederhole,  lasse  ich  seine  eigenen  ^\^orte  folgen. 
„En  1881  — 1882,  en  meme  temps  que  Wiedemann  achetait 
les  Ostraca  que  vous  publiez  (gemeint  ist  meine  Publication  der 
Bonner  Ostraka),  l'agent  du  Musee  ä  Karnak  Reis  Diab  Timsah 
m'en  apportait  une  centaine  dont  la  nioitie  sculcmcnt  grecs,  le  reste 
demotiques  et  coptes,  provenant  de  la  partie  de  la  ville  antique 
qui  est  situee  au  nord  du  portique  des  Bubastites  et  du  mur  de  Beti  I, 
il  rOuest  du  petit  teiuple  de  Phtah  Thebain  et  des  petita  edifices 
d'epoque  sa'ite,  ainsi  que  du  grand  temple  ä  peu-pr&s  dötruit  d'Amen- 
hotpou  III:  ils  sont  aujourd'hui  au  Musee  de  Boulaq.  L'annee 
d'apr^s  en  1883,  je  resolus  de  faire  quelques  fouilles  dans  cette 
partie  des  ruines,  et  je  mis  une  vingtaine  d'ouvriers  au  travail.  Aprcis 
avoir  d^couvert  ca  et  la  des  ostraca  isoles,  ils  mirent  la  niain 
sur  un  veritable  depöt.  Prevenu  par  le  Reis  Diab,  j'accourus  et 
je  vis  une  partie  des  ostraca  sortir  de  Thfebes.  Ils  etaient  accumules 
au  pied  d'un  mur  en  briques  crues  qui  avait  encore  prfes  de  trois 
mfetres  de  haut  et  au  moins  ()'"  80  d'epaisseur.  Ils  posaient  sur 
une  couche  de  terre  battue  qui  etait  evidemment  le  sol  antique  de 
la  maison:  le  bas  du  mur  etait  enduit  de  crepis  blanc,  et  je  me 
souviens  qu'apr^s  l'avoir  examine,  je  crus  reconnaitre  que  la  face 
au  pied  de  laquelle  les  ostraca  etaient  accumules  etait  une  face 
tournee  il  l'exterieur.  Les  debris  voisins  me  parurent  appartenir 
il  des  murs  de  Separation  plutöt  qu'Jl  des  murs  d'habitations,  et  j'en 
conclus  que  le  depot  etait  dans  une  petite  cour  bordee  de  murs  sur 
trois  cotes  et  abutant  h,  une  maison  sur  le  quatri^me  cote.  Des 
traces  d'une  porte  etaient  encore  visibles  sur  Fun  des  murs:  un  jambage 
etait  assez  bien  conserve.  Aprfes  ce  premier  examen,  j'etais  revenu 
m'asseoir  sur  le  mur  et  je  suivais  les  recherches  des  ouvi'iers  qui 
etaient  assez  infructueuses,  quand  le  mur  s'ecroula  sous  mon  poids 
et  entraina  sur  moi  une  partie  des  decombres  voisins.  En  me  rele- 
vant, je  constatai  qu'il  y  avait  dans  l'eboulis  des  fragments  d'ostraca, 
et  je  fis  deblayer  la  partie  attenante  A — B  (nach  der  von  M.  bei- 
gegebenen Skizze  ein  Teil  der  Mauer).  On  y  trouva  encore  une  centaine 
d'ostraca  et  ce  fut  tout.  Des  sondages  operes  dans  les  euvirons 
ne  produisirent  plus  rien.  Plus  tard,  j'appris  que  les  chercheurs  de 
sabakh    avaient    mis  la  main  sur  un  nouveau  depot  dans  le  voi- 


6  II.   KAl'lTEL. 

sinage,  et  on  m'aiBrma  que  les  ostraca  vendus  aux  voyageurs  depui? 
quelques  annees  provenaient  tous  du  mönie  endroit,  c'est-il-dire  de  la 
maison  exploree  par  raoi  et  des  maisons  voisines.  Malheureusement 
l'argeut  in'a  manque.  I;i  comnie  partout,  et  je  n'ai  pu  faire  rien  de 
plus  que  ee  que  j'avais  fait  eu  1883.  Les  Ostraca  au  nombre  de 
j)Iu.<  de  quatre  cents  fragments,  la  plupart  grecs  et  dßmotiques,  quel- 
ques uns  coptcs  ont  ete  deposes  par  raoi  au  musee  de  Boulaq  .  .  . 
La  maison  ou  les  maisons  oü  se  trouvaient  les  ostraca  devaient  etre 
des  maisons  de  publicains  ou  de  bauquiers.  .  .  .  La  maison  que  j'ai 
exploree  etait  situee  au  poiut  A  que  vous  reconnaitrez  sur  le  plan  '2 
du  „Karnak"  de  Mariette  en  tirant  unc  ligne  de  la  porte  du  porti- 
que  Isord  des  Bubastites  et  une  autre  par  Faxe  du  temple  T:  la 
maison  etait  a  peu-pres  au  point  de  rencontre  des  deux  lignes,  il  peu- 
pr^s  ä  la  hauteur  des  petits  temples  G  (jjlanclie  I).  Bien  entendu 
ceci  n'est  qu'une  approximation,  et  je  j^uis  me  tromper  meme  d'une 
centaine  de  mötres.  Je  crois  bien  pourtant  que  l'iudication  est  il 
peu-prfes  exacte." 

Die  Erzählung  ist  so  anschaulich,  dass  wir  ihr  nichts  hiiizuzu- 
fiigen  haben.  Wir  wissen  hiernaeli,  dass  es  auf  dem  östlichen  Ufer, 
nordwärts  von  den  Ruinen  von  Karnak  —  der  Platz  lässt  sich  nach 
Maspero's  Angaben  auf  dem  Mariette'schen  Karnakplan  leicht  be- 
stimmen —  mehrere  Häuser  gegeben  hat,  in  denen  Ostraka  in  grösse- 
ren Massen  beisammen  gefunden  worden  sind.  Andrerseits  ist  aber 
sicher  eine  grosse  Zahl  von  Ostraka  auch  auf  dem  westlichen  Ufer 
z«  Tage  gekommen,  und  nach  den  Berichten  der  Reisenden  ist  es 
nicht  unwalirscheiulich,  dass  mau  sie  auch  einzeln  und  weit  verstreut 
über  dass  grosse  Trümmerfeld  hin  gefunden  hat.  Diese  zweifache 
Art  der  Funde  entspricht  dem,  was  wir  aus  den  Texten  selbst  er- 
schliessen  können.  Wir  werden  in  Kap.  III  zu  zeigen  haben,  dass 
die  Quittungen  teils  an  die  Steuererheber  (von  den  Trapeziten  resp. 
Sitologen),  teils  an  die  Steuerzahler  (von  den  Erhebern)  gerichtet 
worden  sind.  Die  ersteren  werden  wahrscheinlich  in  den  Bureaus 
der  Steuererheber  ordnungsgemäss  aufbewahrt  worden  sein,  und  ein 
solches  Bureau  ist  es  vermutlich,  das  Maspero  ausgegraben  hat.  wie 
er  selbst  schon  richtig  sagt.  Dagegen  die  Quittungen,  die  die  Steuer- 
zahler erhielten,  desgleichen  auch  die  zahlreichen  Privatscripturen 
(vgl.  Varia)  werden  überall  in  der  Stadt  und  den  Dörfern,  in  den 
Häuseiii  und  Hütten  der  Bewohner  zu  iiudeu  gewesen  sein.     Dasselbe 


CONCOEDANZ.  27 


Verhältnis  niuss  allerorten  bestanden  haben.  Wenn  man  jetzt  einmal 
wieder  ein  solches  Bureau  ausgrübe,  wär(^  es  vor  allem  wünschenswert 
zu  constatiren,  welche  der  von  uns  in  Kap.  III  behandelten  Kategorien 
von  Urkunden  sich  beisammen  finden.  Bei  der  Schwierigkeit  der  in 
jenem  Kapitel  geführten  Untersuchungen  wäre  ein  solcher  Fundbericht 
von  grösstem  Werte. 

Von  einer  merkwürdigen  Verwendung  der  Ostraka  weiss  Sayce 
(Jewish  Quart.  Rev.  II,  S.  401)  zu  berichten.  Er  fand,  dass  man 
(in  Karnak)  in  der  römischen  Zeit  den  Nilschlammziegeln,  mit 
denen  die  Häuser  gebaut  wurden,  alte  Ostraka,  und  zwar  auch  be- 
schriebene, beigemischt  hat,  um  die  Ziegel  dauerhafter  zu  macheu. 
Die  Ostraka  von  Sayce  stammen  zum  Teil  aus  solchen  Mauer- 
werken: „Others  we  extracted  from  the  bricks  with  onr  nwn 
hands." 


Wir  haben  nunmehr  nachzuweisen,  wo  die  von  uns  publi- 
cirten  Ostraka  consei-virt  werden.  Um  weitere  Arbeiten  auf  diesem 
Gebiet  zu  erleichtern,  geben  wir  im  Folgenden  eine  Concordanz 
der  betreffenden  Museumsnummern,  in  aufsteigender  Linie,  mit 
den  Nummern,  die  die  Stücke  in  unserer  Sammlung  erhalten 
haben.  Die  Museumsnummem  stehen  zu  diesem  Zweck  links,  die 
Buchnummern  rechts.  Es  wird  damit  Jedem,  der  unsere  Texte 
nachzuarbeiten  wünscht  —  und  hoÖentlich  wird  es  an  solchen  nicht 
fehlen  —  das  Auffinden  des  Originals  erleichtert.  Zugleich  ist 
hiernach  leicht  zu  überblicken,  welche  der  Museumsnummern  wir 
nicht  in  unsere  Sammlung  aufgenommen  haben.  Bei  den  Privat- 
sammlungen, die  keine  Jsumerirung  durchgeführt  haben,  zähle  ich 
die  Ostraka  in  der  Reihenfolge  auf,  in  der  sie  in  meinem  Buch 
erscheinen.  Auf  Ostraka,  die  im  Commentar  gelegentlich  erwähnt 
oder  besprochen  sind,  ohne  in  extenso  publicirt  zu  werden,  kann 
erst  in  den  Addenda  mit  der  Seitenzahl  hingewiesen  werden. 

1.  Königliches  Museum  zu  Berlin. 

Die  Berliner  Ostraka  werden  in  der  aegj'ptischen  Abteilung  der 
Königliehen  Museen  (am  Lustgarten)  aufbewahrt,  und  sind  zu- 
sammen mit  den  Papyri  in  das  sogenannte  P.  Inventar  eingetragen. 


28  II-  KAPITEL. 


Dieses  P.  Inventar  ist  bis  1889  von  mir,  seitdem  von  Herrn  Dr.  Krebs 
geführt  worden.  Nur  ganz  wenige  der  Berliner  Ostraka  gehören  zu 
den  alten  Beständen  der  Kgl.  Museen.  Die  weitaus  grösste  Masse 
ist  erst  in  den  letzten  Jahren  (etwa  seit  1880)  liinzugekommen. 
Besonders  wertvoll  war  der  Zuwachs,  den  die  Sammlung  infolge 
der  aegyptischen  Reise  des  Directors  der  Abteilung,  Adolf  Erman, 
(1885/86)  erfuhr.  Hervorzuheben  ist  auch  die  Erwerbung  der 
reichen  Ostrakonsammlung  von  Alfred  Wiedemann  in  Bonn.  Diese 
habe  ich  im  Textdruck  besonders  hervorgehoben  („früher  Wiedemann, 
jetzt  Berlin  .  .").  Im  Uebrigen  muss  ich  betreffs  der  Zugehörigkeit 
der  Stücke  zu  den  einzelnen  Erwerbungen  auf  das  P.  Inventar  ver- 
weisen. In  diesem  Buche  genauere  Mitteilungen  darüber  zu  machen, 
schien  mir  überflüssig.  — •  Meine  Copieen  der  Berliner  Texte  stammen 
meist  aus  der  Zeit,  da  ich  als  Hilfsarbeiter  in  der  aegyptischen  Ab- 
teilung der  Kgl.  Museen  beschäftigt  war  (1885 — 1889).  Doch  habe 
ich  hinterher  mehrfach  Gelegenheit  genommen,  die  alten  Lesungen 
zu  revidiren  —  freilich  lange  nicht  in  genügendem  Masse.  Herrn 
Generaldirector  Geheimrat  Schoene  sowie  Herrn  Dircctor  Erman 
sage  ich  auch  an  dieser  Stelle  für  die  freundliche  Förderung, 
die  meine  Studien  seitens  der  Verwaltung  jederzeit  genossen  haben, 
meinen  wärmsten  Dank.  Herrn  Dr.  Krebs  habe  ich  für  die  unver- 
änderliche Liebenswürdigkeit,  mit  der  er  meine  zahlreichen  Anfragen 
geduldig  beantwortet  hat,  im  Besonderen  auch  für  die  nützlichen 
Durchpausungen  von  fraglichen  Stellen  herzlichst  zu  danken.  Es 
folgt  die  Concordanz. 

P.  1  --  301  P.  54  =  957 

2  =  121  55  =  941 

3  =  291  50  =  490 

4  =  84  57  =  1293- 

5  =  258  58  =  557 

6  =  149  59  =  640 

7  =  277  60  =  1298 

13  =  11  .61  =  1279 

14  =  20  62  =  592 
23  =  1269                63  =  658 

51  =  935  69  =  1204 

52  =  965  76  =  711 

53  =  772  100  =  653 


BERLINER    OSTRAKA.  29 


p.  101  =  952  1».  -j^-^i   -  •j;;2 

106  =-  395  285  =  317 

107  =  892  288  =  660 

108  =  839  290  =  1064 

109  =  1205  291  =  795 

110  =  575  294  =  955 

111  =  601  296  =  368 

112  =  862  297  =  1206 

113  =  1290  299  =  1036 

114  =  563  310  =  110 
117  =  602  311  =  153 

122  =  593  312  +  365  =  77 

123  =  856  313  =  33 
126  =  583  314  =  237 
129  =  860  315  =  4 
132  =  608  316  =  154 

136  =  996  317  =  28 

137  =  570  318  =  167 

141  +  144  =  854  320  =  41 

142  +  145  =  589  321  =  1224 
149  =  1261  322  =  190 

155  =  1215  323  =  286 

156  =  331  324  =  35 

157  =  877  325  =  285 

158  =  356  326  =  142 
161  =  859  327  =  1127 
163  =  1165  328  =  1126 
166  =  489  329=1265 
169  =  1185  330  =  265 
172  =  540  331  =  107 
175  =  846  332  =  225 

190  =  1089  334  =  160 

191  =  710  340  =  137 
194  =  900  341  =  211 
199  =  696  343  =  294 

203  =  973  345  =  1274 

204  =  1074  451  =  809 
249  =  334  453  =  310 


ÖV                                                            II.  KA 

riTEi,. 

P.  455  =  1077 

P.  Sil'  ^  1091 

480  =  321 

813  =  1093 

495  =  1048 

814  =  1125 

504  =  345 

815=1113 

505  =  323 

816=1116 

506  =  1305 

817  =  1124 

507  =  724 

818  =  1102 

508  =  319 

819  =  1108 

509  =  707 

820  =  1123 

510  =  713 

821  =  1100 

513  =  701 

822  =  1122 

515  =  894 

823  =  1112 

516  =  443 

824  =  1099 

518  =  768 

825  =  1120 

519  =  838 

830  =  1115 

520  =  549 

845  =  1119 

521  =  921 

848  =  1121 

523  =  708 

850=1118 

756  =  655 

1113  =  1025 

757  =  832 

1117  =  469 

758  =  904 

1147  =  329 

794  =  1098 

1148  =  966 

795  =  1109 

1151  =  919 

796=1114 

1153  =  305 

797  =  1105 

1154  =  793 

798  =  1095 

1160  =  911 

799  =  1106 

1161  =  530 

800  =  1104 

1165  =  670 

801  =  1110 

1174  =  915 

802  =  1101 

1179  =  949 

803  =  1097 

1183  =  812 

804  =  1117 

1195  =  918 

805  =  1103 

1198  =  383 

806  =  1092 

1199  =  1050 

807  =  1107 

1 200  =  902 

808  =  1111 

1201  =  1033 

810  =  1094 

1202  =  909  . 

811  =  1096 

1 203  =  606 

BERLINER  OSTR^VKA.  31 


1206  =  399  P.  inoo  =  7S9 

li'll  =  738  1()Ü1=-12H7 

12S9  =  384  1602  =  .S44 

1551  =  705  1603  =  514 

1552^1227  1604  =  774 

1553  =  1023  1605  =  1041 

1554  =  1020  1607  =  1176 
1555^=716  160S  =  675 

1556  =  1230  160'J  =  G77 

1557  =  1171  1612  =  676 

1559  =  346  1613  =  685 

1560  =  328  1614  =  692 
1562  =  721  1615  =  370 
1564  =  311  1616  =  374 
1571=421  1617  =  446 

1572  =  415  l(il,s  =  470 

1573  =  417  1619  =  440 

1574  =  416  1620  =  373 

1575  =  1010  1621  =  375 

1577  =  1154  1622  =  3.S6 

1578  =  604  1623  =  432 

1579  =  578  1624  =  423 

1580  =  798  1625  =  447 

1581  =  520  1627  =  419 

1582  =  587  1630  =  480 
1584  =  901  1631=428 
1585=1163  1632  =  439 

1586  =  576  1634  =  465 

1587  =  1043  1635  =  434 

1588  =  491  1636  =  448 

1589  =  671  1637  =  449 

1590  =  1066  1638  +  1640  =  1281 

1591  =  841  1641  =  435   ■ 

1592  =  807  1642  =  450 
1594  =  641  1644  =  442 

1 59( )  =  513  1 645  =1285 

1597  =  611  164.s  =  1001 

1599  =  1063  1649  =  986 


32  ir.  KAPITEL. 


1'.  11350=  11^14  P.  4024=1014 

1651  =  1297  4025  =  972 

1652  =  824  4027  =  867 

1653  =  991  4030  =  808 

1654  =  1004  4031  =  956 

1655  =  897  4033  =  945 

1656  =  441  4035  =  967 
1800  =  820  4038  =  1286 
1806  =  851             4040  +  4085  =  848 
1809  =  388  4041  =  888 
1814  =  503  4046  =  914 

3977  =  351  4055  =  852 

3978  =  748  4057  =  505 

3979  =  715  4058  =  959 

3980  =  352  4059  =  790 

3981  =  1009  4060  =  1038 

3982  =  347  4062  =  829 

3983  =  1150  4064  =  574 
3987  =  1232            4067  +  4170  =  504 
3990  =  1161  4068  =  977 
3994  =  1 237  4069  =  828 

3996  =  338  4070  =  936 

3997  =  1256  4081  =  837 

3998  =  306  4086  =  1057 

3999  =  320  4094  =  985 

4000  =  333  4096  =  643 

4001  =  744  4097  =  537 

4002  =  749  4099  =  898 

4003  =  723  4100  =  515 

4004  =  739  4107  =  502 
4006=1262  4114  =  976 

4008  =  733  4116  =  797 

4009  =  1235  4121  =  542 

4018  =  742  4123  =  796 

4019  =  706  4124  =  933 

4020  =  734  4126  =  1019 

4021  =  1278  4127  =  992 
4023  =  764  4130  =  508 


Hr.RMNER  OSTKAKA.  33 


P.  4133  =  780  P.  42«  If)   (398 

4134  =  940  42()7   690 

4135  =  1002  4208  —  488 
413()  =  917  4271  =«88 

4137  =  785  4272  =  456 

4138  =  1250  4275  =  743 

4139  =  376  4277  =  123(5 

4140  =  50()  4283  =  679 

4141  ==  1249  4294  =  324. 
4150  =  390  4295  =  753 
4153  =  1248  429(5  =  342 

4155  =  562  4297=418 

4156  =  927  4298  =  414 

4158  =  684  4299  =  777 

4159  =  4(32  4300  =  412 
416;-5  =  17  4301=420 
416(5  =  289  4302  =  779 
41(38  =  296  4303  =  1188 
4176  =  634  4304  =  402 
4180  =  1003  4305  =  431 

4189  =  683  4306  =  422 

4190  =  458  4308  =  437 

4192  =  691  4310  =  463 

4193  =  1238  4311=452 
419(3  =  459  4313  =  314 
4197  =  474  4315  =  732 
4203  =  659  4317  =  413 
4205  =  1 1 69  43 1 8  =  1030 

4210  +  4286  =  682  4319  =  4(56 

421(5  =  823  4320  =  1283 

4222  =  794  4322  =  444 

4224  =  1159  4323  =  4(51 

4225  =  1264  .  4324  =  472 
4227  =  1187  4325  =  429 
4245  =  509  4326  =  438 
4251  =  477  4327  =  1044 
4253  =  471  4331  =  1217 
4263  =  454  4334  =  335 

Wii.cKEN,  Ostraka.  3 


34                        n.  KAPITEL. 

P.  4335  =  719 

P.  4386  ^  1246 

4336  =  330 

4389  =  849 

4337  =  1028 

4392  =  1291 

4339  =  751 

4394  =  1295 

4341  =  1201 

4397  =  316 

4342  =  1231 

4398  =  312 

4345  =  33(; 

4399  =  325 

4347  =  755 

4400  =  1021 

4348  =  382 

4404=1304 

4349  =  1258 

4406  =  315 

4350  =  391 

4410  =  727 

4351  =  648 

4411  ==  1229 

4352  =  3(!0 

4413  =  871 

4353  =  620 

4414  =  857 

4354  =  1039 

4415  =  697 

4355  =  1040 

4416  =  875 

4356  =  784 

4417  =  994 

4357  =  1020 

4418  =  649 

4358  =  526 

4419  =  916 

4360  =  1174 

4420  =  1280 

4361  ==  674 

4422  =  1260 

4363  =  517 

4423  =  1079 

4364=1061 

4426  =  699 

4365  =  529 

4427  =  427 

4366  =  1300 

4428  =  1076 

4367  =  501 

4429  =  939 

4371  =  1047 

4430  =  1013 

4372  =  1291 

4431  =  934 

4373  =  1296 

4432  =  485 

4374  =  974 

4435  =  358 

4375  =  799 

4436  =  554 

4376  =  821 

4437  =  843 

4378  =  623 

4439  =  535 

4379  =  385 

•4440=1018 

4380  =  532 

4441  =  800 

4382  =  1200 

4445  =  997 

4383=1175 

4446  =  975 

4385  =  559 

4447-  1162 

BERLINER   OSTRAKA.  35 


p.  4448  =-=680  P.  4491 -- ;5:i9  . 

4440  -=  073  4492  —  7(i;5 

44Ö0--831  4494- 1179 

4451  =  864  4495  =  1078 

4452  --=  1006  4496  —  40« 
445;]-- 815  449S   776 

4454  =  1155  4499  =  1203 

4455  =  787  4501=855 

4456  =  853  4502  =  511 

4457  =  637  4503  =  362 

4458  =  364  4504  =  819 

4459  =  717  4505  =  827 

4460  =  519  4506  ==802 

4461  =  1202  4508  =  1056 

4462  =  718  4509  =  1288 
4464  =  381             .  4511  =  398 

4466  =  595  4512  =  326 

4467  =  750  4513  -=  550 

4468  =  993  4514=1058 

4470  =  349  4515  =  1308 

4471  =  380  '   4516  =  885 

4472  =  971  4517  =  636 

4473  =  625  451«  =  963 

4474  =  770  4519  =  617 
4476  =  1029  4520  =  1053 

4478  =  1024  4521=614 

4479  =  476  4522  =  672 

4480  =  564  4524  =  645 

4481  =  546  4525  =  624 

4482  =  582  4526  =  524 

4483  =  929  4527  =  931 

4484  =  689  4528  =  544 

4485  =  622  4529  =  1000 

4486  =  473  4530  =  858 

4487  =  845  4531=561 

4488  =  528  4532  =  1059 
44S9  =  393  4533  =  460 
4490  =  730.  4534  =  618 

3* 


36  II-  KAPITEL. 


P.  4535  =  616  P.  4573  =  834 

4536  =  1282  4574  -=  654 

4537  =  1022  4575  =  866 

4538  =  585  4576  =  632 

4539  =  635  4577  =  541 

4540  =  430  4578  =  445 

4541  =  433  4579  =  455 

4542  =  1045  4580  =  984 

4543  =  626  4581  =  922 

4544  =  495  4582  =  525 

4545  =  8S4  4583  =  403 

4546  =  762  4584  =  552 

4547  =  547  4585  =  756 

4548  =  778  4586  =  1257 

4549  =  1302  4587  =  729 

4550  =  590  4588  =  523 

4551  =  392  4589  =  543 

4552  =  607  4590  =  1046 

4553  =  752  4591  =  899 

4554  =  1178  4592  =  615 

4555  =  951  4593  =  337 

4556  =  818  4594  =  786 

4557  =  865  4595  =  627 

4558  =  586  4596  =  1034 

4559  =  619  4597  =  553 

4560  =  479  4599  =  1289 

4561  =  407  4600  =  882 

4562  =  594  4601  =  989 

4563  =  944  4602  =  817 

4564  =  1302  4626  =  1054 

4565  =  937  4669  =  1042 

4566  =  924  4670  =  567 

4567  =  1213  4674  =  510 

4568  =  754  "4675=1060 

4569  =  621  4681  =  962 

4570  =  1062  4713  =  357 
4571=566  4732  =  694 
4572  =  610  4743  +  474S  =  903 


BERLINER   OSTEAKA.  37 


P.  4757  =  1148  P.  4853  =  397 

4758=1147  4S61  =  500 

4759  =  982  4862  =  (J38 

4761  =  498  4863  ==  923 
476()  -  964             5896  =  630  und  881 

4768  =  497  5897  --  1247 

4770  =  666  5S98  =  1242 

4772  =  943  5899  =- 960 

4777  =  869  5900  =-  78S 

4781  =  633  6024  -~=  958 

4783  =  928  (■.047  =  1263 

4789  ==  483  6048  =  425 

4800  =  631  (;049  =  372 

4801  =  507  6051  =  868 

4802  =  599  6052  =  1245 

4803  =  698  6053  =  1240 

4804  =  400  6054  =  968 

4805  =  538  6055  =  953 

4806  =  720  7860  =  1268 

4807  =  527  7861  =  1272 

4808  =  367  7862  =  1276 

4809  =  378  7863  =  1271 

4810  =  835  7865  =  1267 
4811=988  7S66  =  1309 
4S1(!=^1301  7867  =  1275 
4818  =  642  7868  =  1270 
4821  =  365  7869  =  1307 

4824  =  1244  7870  =  1273 

4825  =  1075  7891  =  1306 
4850  =  850  7S96  =  1303 
4852  =  950 

Ausserdem  briDgen  noch  die  Nummern  307,  475,  481  und  747 
unserer  Sammlung  Berliner  Texte.  Doch  ist  es  mir  bisher  noch 
nicht  gelungen,  die  betreffenden  Nummern  des  P.  Inventars  zu  eruiren. 


38  n.  KAPITEL. 


2.  Iiouvre. 

Die  Benutzung  der  Ostrakonsammlung  des  Louvre  wurde  mir 
von  Herrn  Prof.  Eug&ne  Revillout,  couservateur  adjoint  au  Musee 
du  Louvre,  in  liebenswürdigster  Weise  freigestellt,  wofür  ich  ihm 
auch  hier  meinen  herzlichsten  Dank  ausspreche.  Meine  Copieen 
sind  im  Herbst  18S6  und  im  Frühling  1887  gemacht.  Leider 
habe  ich  seitdem  keine  Gelegenheit  gehabt,  die  Lesungen  zu  revi- 
diren.  Olme  Zweifel  wird  daher  eine  neue  Revision  von  grossem 
Nutzen  sein. 

Die  Concordauz  ist  folgende: 

Louvre   1  (N.690)  =  29  Louvre  721S  =  1219 

2  =  801  7221  =  152 

3  =  118  7242  +  7249  =  235 

4  =  179  7252  =  814 

5  =  297  7253  ==  90 

6  =  219  7255  =  260 

7  =  196  7256  =  876 
8  (N.  690)  =  234  7260  =  522 

8  bis  =  231  7291  =  143 

9  =  236  7302  =  189 
10  (N.  690)  =  239  7587/8  =  1 1 96 

12  =  251  7644  =  198 

13  (N.  690)  =  298  7645  =  271 

15  (N.  686)  =  293  7647  =  155 

16  =  1198  7648  =  96 

7176  =  1199  7745  =  783 

7178  =  222  7747  =  874 

7179  =  268  7749  =  804 

7184  =  165  7750  =  895 

7185  =  292  7752  =  1193 

7187  =  281  7753  =  518 

7188  =  278  7*754  =  411 
7190  =  213  7761=810 
7196  =  806  7764  =  836 
7204  =  290  7768  =  1052 
7209  =-  263  7774  =  663 
7211  =  1158  7778  =  1259 


LOÜVKE.                          3C 

Louvre  7791  =  1090 

Louvre  8154  =  1208 

7799  =  581 

8155- -912 

7805  =  361 

8165  =  556 

7807  =  193 

8166  =  1251 

7894  =  712 

81()8  =  736 

7945  ==  825 

8169  =  409 

7947  =  1214 

8171  ==938 

7951  =  651 

8177  =  889 

7953  =  533 

8178  =  588 

7955  =  759 

8194  =  1243 

7962  =  863 

8197  =  1008 

7963  =  579 

8198  =  1015 

79()4  =  861 

8199  =  3(53 

7968  =  1192 

8202  =  910 

8031  =  1624 

8213  =  907 

8034  =  639 

8214  =  603 

8035  =  840 

825S  =  661 

8036  =  1207 

8263  =  816 

8037  =  598 

8268  =  870 

8038  =  1007 

8304  =  695 

8039  =  568 

8305  =  998 

8041  =  558 

8508  =  1071 

8042  =  981 

8512  =  4>^2 

8043  =  492 

8515=.  1180 

8044  =  406 

8534  =  571 

8045  =  597 

8535  =  883 

8050  =  580 

8537  =  318 

8100  =  322 

8546  =  731 

8109  =  308 

8547  =  629 

8135  =  887 

8548  =  628 

8136  =  913 

8559  =  551 

8138  +  8196  =  905 

8569  =  531 

8140  =  878 

8574  =  847 

8141  =  872 

8575  =  979 

8144  =  925 

8578  =  548 

8147  =  1160 

8579  =-  565 

8152  =  662 

8581  =  879 

8153  =  687 

8582  =  1070 

to 

II.  KAPITEL. 

r 

Louvre  8585  =  377 

Louvre 

8674  =  560 

8586  =  569 

8676  =  947 

8590  =  667 

8678  =  652 

8591  =  891 

8681  ==  1068 

8592  =  830 

8689  =  948 

8594  =  539 

8694  =  656 

8613  =  487 

8718  =  873 

8615  =  880 

8727  =  813 

8616  =  572 

8736  =  545 

8631  =  644 

8737  =  .521 

8651  =  1191 

8741  =  1149 

8652  =  1072 

8745  =  1011 

8654  ==  678 

8836  =  1167 

8662  =  573 

8847  =  726 

Ausserdem  briugen  noch  die  Nummern  6,  7,  309,  426  und 
609  unserer  Sammlung  Louvretexte,  deren  Inventarnummer  anzu- 
geben ich  jedoch  nicht  in  der  Lage  bin.  Auf  Nr.  7  las  ich  Nr.  692, 
doch  ist  dies  nicht  eine  Spezialnumnier. 

3.  Bibliotheque  Nationale  zu  Paris. 

Mit   gütiger   Erlaubnis   des    Herrn    Oniont   habe   ich    1886/87 
folgende  Ostraka  in  der  Biblioth&que  Nationale  copirt: 
Supplement  Grec  718  =  1173 
„      719  =  299 
„      720  =  240 
„      722  =  221 

4.  British  Museum. 

Die  Ostraka  des  British  Museum  werden  im  Oriental  Depart- 
ment conservirt.  Die  älteren  Bestände  habe  ich  zum  guten  Teil  im 
Jahre  1886  abgeschrieben.  Diese  Lesungen  konnte  ich  im  Sommer 
1895  nochmals  revidiren,  wobei  noch  manche  neue  Lesung  ge- 
wonnen wurde  (vgl.  Nachträge).  Gleichzeitig  habe  ich  einen  kleinen 
Teil  der  mehrere  Hunderte  zählenden  Ostrakonsamnilung,  die  der 
Director  der  Abteilung,  Herr  Wallis-Budge,  jüngst  aus  Aegypten 
mitgebracht  hat,  noch  in  meine  Sammlung  aufbehmen  können 
(vgl.   Nr.  1335  ff).     Sowolil   Herrn   Lepage-Renouf,    der   im  Jahre 


A 


LOUVRE  —  BRITISH   MUSEUM.  41 


1886,  als  auch  Herrn  Wallis-Biult;;e,  der  1S95  mir  mit  der  grössten 
Liberalität    die    Loiulouer    Ostrakoiischätzc    zur    Verfügung    stellte, 

sage  ich  meinen  aufrichtigen  Dank.  Auch  dem  principal  librarian, 
dem  hochverehrten  Etl.  Maunde  Thompson,  der  meine  Studien  im 
British  Museum  stets  auf's  freundlichste  gefördert  hat,  möchte  ich 
nicht  verfehlen,  hier  meinen  herzlichen  Dank  auszusprechen. 

Brit.  M.  5305  =  191  Brit.  M.  5823  =  135 

5790  =  304  5824  =  257 

5791  =  104  5825  =  178 
5791  n+ 141()9  (5791  p.)  =  128  5826  =  245 

5792  =  51  5827  =  657 

5793  =  161  5828  =  13 

5794  =  166  5829  =  313 

5795  =  113  5831  =  261 
579(i=-163  5834  =  216 

5799  =  246  5838  =  1337 

5800  =  250  5845  =  14 

5801  =  181  5846  =  1340 

5802  =-188  12070  =  241 
5803 -- 176  12086  =  210 
5804  =  175  12088  =  256 

5807  =  200  12096  =  264 

5808  =  199  12103  =  105 

5809  =  169  12106  =  214 

5810  =  272  12115  =  232 

5811  =  201  12116  =  162 

5812  =  205  12118  =  38 

5813  =  227  12126  =  209 

5814  =  238  12135  =  100 

5815  =  92  12146  =  2G2 

5816  =  217  12150  +  12144=  157 

5817  =  218  12159  =  48 

5818  =  208        _  12162  =  254 

5819  =  195        "  12165  =  138 

5820  =  180  12275  =  893 

5821  =  252  12405  =  273 

5822  =  15  12423  =  478 


42 

II.  KAl'ITEL. 

Brit.  M.  12424  =  493 

Brit.  M.  12674  =  1031 

12430 --14(;0 

12675  =  340 

12432  ==  1475 

12677  =  396 

12441  =  31 

12679  =  1393 

12452  =  669 

12680  =  833 

12457  =  668 

12681  =  728 

I24m  --  244 

126M2  =  665 

12462=119 

12691  =  1434 

12467  =  467 

12692  =  7i;'.) 

12472  =  1051 

12693  =  1186 

12476  =^  243 

12697  =  761 

12477 --=451 

12698  =  700 

12485  ==  19 

12699  =  970 

12611  ==371 

12701  =  584 

1261S  =  76(; 

12703  =^  826 

12623  == 1234 

1270(j  =  600 

12625  =  1190 

12707  =  767 

12627  =  350 

12712  =  646 

12629  =  758 

12715  =  926 

12630  =  1422 

12718  =  404 

12632  =  920 

12722  == 1353 

12633  =  714 

12731  ==  512 

12634  =  343 

12734  =  327 

12635  =  612 

13968  (5790  t)  =  88 

12636  =  765 

13969  (5790  a)  =  73 

12639  =  405 

13970  (5791  f)  =  106 

12640  =  1336 

13971  (5790  g)  =  86 

12642  =  1449 

13972  (5788  e)  =  56 

12647  =  969 

13973  (5790  b)  =  49 

1264.s  =  355 

13974  (5790  o)  =  32 

12650  =  387 

13975  (5790  c)  =  94 

12657  =  516 

13976  (5790w)  =  97 

12661  =366 

13977  (5791  t;  =  87 

12662  =  1221 

13978  (5790  s)  =  76 

12664  =  359 

13979  (57901)  =  98 

12665  =  890 

13980  (5790  m)  =  62 

12669=  9S0 

13981  (5790  n)  =  102 

12673  =  760 

13982  (5891  a)  =  53 

BEITIiSH 

JIUSEÜM.                                                      46 

13983 (5791  b)  = 

=  81 

14058  (5791  n)  =  59 

13984  (5791  s)  = 

69 

14059  (5788  a)  =36 

13985  (5791  e)  = 

=  85 

14U(iO  (5791  q)  =  123 

139S7(5790b)  = 

=  80 

14063  =  220 

13988  (5790  f)  = 

=  103 

14068  (5789  d)  =  274 

13989  (5790  k)  = 

=  60 

14103  (5805  A)  =  1487 

13990  (^5788  e)  = 

=  74 

14112  (5790  p)  =  122 

13991  (5790  m)  = 

=  64 

14113(5790  0  =-83 

13992  (5790  r)  = 

=  66 

141 14  (5790  d)=  26 

13993  (5791 m)  = 

=  1157 

14115  (5790  0)  =  52 

13994  (5790  a)  = 

=  68 

14116  (5790  e)  =  10 

13995  (5790  n)  = 

=  72 

14117  (5790  d)  =  75 

1399(i  (5788  f)  = 

=  63 

14118  (5790  g)  ==61 

13997  (5790  f)  = 

=  194 

14119  (5805  b)  =  148 

13998  =  270 

14120  (5790  e)  =  127 

13999  (5790  t)  = 

=  207 

14121  (5790  u)  =  131 

14000  (5791  h)  = 

=  116 

14122  (5791  k)  =  134 

14001  (5790  1)  = 

=  130 

14123  (5790  i)  =  140 

14002  (5790  g)  = 

=  65 

14129  =  1152 

14003  (5790  c)  = 

=  136 

14130  (5789  f)  =  255 

14004  =  1220 

14131  (5790  z)  =  78 

14014  (5790  r)+ 14051  (5788c) 

14137  (5790  p)  =  109 

== 

120 

14138  (5890  b)  =  9 

14011)  (5791  i)  = 

39 

14145  =  253 

14017  (5791  e)  = 

=  47 

14155(5819d;nachBircli5819c) 

14018  (5790  h)  = 

=  37 

+  14011  (5790  h)  =  50 

14019  (5790  k)  = 

=  18 

14162  (5791  1)  =  132 

14020  (5791 j)  = 

27 

14171  (5805  d)  =  112 

14021  (5790  w)  = 

=  45 

14172  (5805  e)  =  202 

14022  (5819  i)  = 

=  279 

14175  (5819  m)  =288 

14023  (5790  x)  = 

=  34 

14183  =  204 

14024  (5789  e)  = 

=  44 

14186  =  1218 

14034  (5791  V)  = 

=  55 

14189  (5851  a  nach  Birch) 

14041 (5791 d) = 

=  25 

=  269 

14047  (5791  n)  = 

=  89 

14201  =  22 

14048  (5791  g)  = 

=  115 

14906  =  40 

14(149  (5788  d)  = 

=  67 

14907  =  124 

14052 (5790  s)  = 

=  108 

14908  +  15668  =  249 

44                        U.  KAPITEL. 

14910  =  186 

25621  =  1421 

16014=  126 

25623  =  1352 

16456  -=  464 

25625  =  1465 

16459  =  1454 

25630=  1408 

16461 r^  1252 

25631  =  1368 

16463  =  1195 

25633  =  1423 

16464— -781 

25636  =  1468 

16467  -- 1372 

25641  =  1348 

1(;468=^555 

25666  =  1385 

1()471  ^  1049 

25672  =  1428 

li;473-^42 

25674  =  1420 

16474  =-436 

25681  =  1418 

16475  =  961 

25696  =  1436 

16482  =  1222 

25699  =  1398 

16486  =  771 

25706  =  1427 

16507  =  886 

2570!)  =  1366 

25523  =  1425 

25718  =  1485 

25527  =  1338 

25722  =  1446 

25528  =  1392 

25726  =  1469 

25529  =  1457 

25730  =  1474 

25530  =  1335 

25736  =  1488 

25535  =  1472 

25739  =  1350 

25544  =  1458 

25745  =  1384 

25545  =  1409 

25751  =  1481 

25546  =  14S2 

25764  =  1383 

25550  =  146(i 

25769  =  1371 

25590  =  1413 

25776  =  1416 

25593  =  1456 

25779  =  1484 

25594  =  1424 

25788  =  1414 

25596  =  1417 

25789  =  1459 

25597  =  1380 

25794  =  1403 

25599  =  1406 

25803=  1355 

25603  =  1437 

25804=1410 

25605  =  1397 

25816  =  1431 

25606  =  i;U5 

25S37--  1483 

2560.S  =  1464 

25.S40  ^-  1349 

25609  =  1359 

25S42  =  1377 

25616  =  1455 

25844  =  1391 

UKITISH  MUSEUM. 


45 


25863  ==  139() 

25957^  1351 

25864  =  1395 

25959  =  1402 

25868  =- 1342 

25962  =  1390 

25873  =  1375 

25963  ==  1354 

25875  =  1367 

25965  -  -  1473 

25879  =  1452 

25966  =  1387 

25883  =  1476 

25969  =  1426 

25887  -=  1399 

25983  =  1432 

25893  =  1357 

25989  =  1339 

25899  =  1479 

25997  =  1453 

25900  =  1480 

25998  =  1415 

25901  =  1477 

26006  =  1447 

25906  =  1405 

26008  =  1441 

25910  =  1358 

26049  =  1363 

25914  =  1404 

26059  =  1439 

25915  =  1429 

2(5066  =  1444 

25917  =  1346 

26078  =  1462 

25927  =  1407 

26081  =  1401 

25936  =  137() 

26082  =  1445 

25939  =  1430 

26084  =  1411 

25944  =  1400 

26085  =  1394 

25952  =  1344 

26093  =  1471 

25956  =  1412 

26115  =  1448 

Nur  eine  Nummer  konnte  ich  nicht  identificiren,  Nr.  70.  Nach 

Birch  a.  a.  0.  müsste  .sie  im  British  Museum  Nr.  5790  o  sein,  was 

aber  nicht  der  Fall  ist. 

5.  Leidener  Museum. 
Die  Leidener  0^'traka  werden  im  A'edfrlandsche  Ilvseum  van 
Oudheden  conservirt.  Auch  diese  Sammlung  ist  erst  nach  und  nach 
zu  ihrem  jetzigen  Bestände  angewachsen.  Den  Grundstock  bildet 
die  Sammlung  Anastasy,  die  im  .1.  1829  angekauft  wurde.  Ihr 
gehören  diejenigen  Ostraka  an,  die  nur  mit  Zahlen  numerirt  sind. 
Die  mit  BA  bezeichneten  wurden  im  J.  1882  aus  dem  Nachlass  des 
Herrn  Beeftingh  in  Rotterdam,  der  sie  in  Aeg}'pten  gesammelt  hatte, 
gekauft.  Endlich  die  mit  Ae.  S.  bezeichneten  sind  von  J.  H.  In-^^inger 
gesammelt  und  1888  dem  Leidener  Museum  geschenkt  worden.  Als 
ich  1886  unter  dem  Directorat  des  unvergesslichen  Conrad  Leemans 


46 


II.  KAPITEL. 


dort  arbeitete,  lialie  ich  die  Ostraka  nur  wenig  berücksichtigt,  sodass 
ich  die  Lesungen  für  dies  Buch  nachher  aus  den  Leemans'schen 
Facsimilia  gewinnen  musste.  Erst  1895  habe  ich  sie  nach  den 
Originalen  revidirt  (vgl.  Nachträge).  Gleichzeitig  habe  ich  mehrere 
der  neuen  Erwerbungen  hinzugefügt.  Dem  Assistenten  des  Museums, 
Herrn  Dr.  Boeser,  der  in  Abwesenheit  des  verehrten  Directors  Herrn 
Pleyte  mir  die  Schätze  seines  Museums  in  fi-eundlichster  Weise  zur 
Verfügung  stellte,  sei  auch  an  dieser  Stelle  mein  herzlichster  Dank 
ausgesprochen. 


435  =  1153 
448  =  1322 
453'^=  295 
453*'=  1 

455  =  23 

456  =  2 

457  =  184 
459  =  275 

461  =  5 

462  =  151 
BA  200  =  3 

Ae.  S.  47  =  1319 
„  57  =  1330 
„  58  =  1333 
„  60  =  1327 
„  62  =  1331 . 
„   64  =  1323 


Ae.  S.  65  =  1326 
69  =  1315 
72  =  1311 

75  =  1324 

76  =  1312 

77  =  1316 
79  =  1328 
81  =  1332 

84  =  1329 

85  =  1317 
91  =  1313 

93  =  1325 

94  =  1314 
99  =  1321 

124  =  1334 
126  =  1320 
132  =  1318 


6.  Rom. 

Die  O.straka,  die  in  der  aegyptischen  Abteilung  der  vatica- 
nischen  Sammlungen  aufbewahrt  werden,  habe  ich  im  Frühling  1887 
mit  freimdlicher  Erlaubnis  des  inzwischen  verstorbenen  Commen- 
datore  Visconti  abgeschrieben.  Folgende  sind  in  dies  Buch  auf- 
genommen: 


Vat.   1  =  16 

3  =  91 

4  =  95 

5  ==  125 


6  =  129 

7  =  168 
10  =  215 


LEIDEN  —  liONN.  47 


7.  Tmin. 

Im  Museo  Egizio  e  di  antichitä  Greco-Bomane  (im  Palazzo  delV 
Accademia  delle  Sclenze)  habe  icli  im  Frühling  1 887  mit  freundlicher 
Erlaubnis  der  Dircction  folgende  Ostraka  abgeschrieben: 

Tur.  14  =  98  18  =  145 

15=2(57  19  =  287 

16  =  276  20  =  280 

17  =  172 

8.  Florenz. 

Aus  der  aegyptiscben  Abteilung  des  Archäologischen  Museums 
zu  Florenz  sind  drei  Ostraka,  die  ich  im  Frühling  1887  copirt 
habe,  in  dies  Buch  aufgenommen:  Flor.  5633  =  147,  56327  (oder 
5632,7?)  =  185  und  ein  damals  Unuumerirtes  =  775. 

9.  Bonn. 

Die  Ostrakonsammlung  des  „Vereins  von  Altertumsfreunden  im 
Rheinlande"  zu  Bonn  umfasst  47  Nummern.  Sie  stammen  aus  der 
Karnaker  Sammlung  Alired  Wiedemann's.  Im  Jahre  1888  hatte  der 
Vorsitzende,  Herr  Prof.  Joseph  Klein,  die  grosse  Liebenswürdigkeit, 
mir  diese  Ostraka  zum  Studium  in  das  Berliner  Museum  zu  schicken. 
Ihm  sowie  Herrn  Prof.  Wiedemann  sage  ich  auch  hier  nochmals 
meinen  ergebensten  Dank.  Der  grösste  Teil  dieser  Ostraka  ist  in 
unser  Buch  aufgenommen,  nachdem  ich  sie  früher  schon  besonders 
in  dem  Jahrbuch  des  Vereins  (s.  unten)  publicirt  hatte.  Da  die 
Bonner  Ostraka  wenigstens  damals  keine  Spezialnummeru,  sondern 
nur  eine  allgemeine  Inventarnummer,  A.  V.  1237,  führten,  so  kann 
ich  im  Folgenden  nur  die  Nummern  nennen,  die  sie  in  unserem 
Buche  tragen:  353,  410,  468,  484,  494,  496,  499,  534,  536,  596, 
681,  686,  702,  709,  722,  725,  735,  745,  740,  773,  782,  792, 
882,  906,  946,  978,  983,  990,  1012,  1069,  1073,  1168,  1170, 
1172,  1181,  1209,  1210,  1211,  1212,  1241. 

10.  München. 

Das  Müucheuer  Antiquarium  in  der  Neuen  Pinakothek  besitzt  eine 
Anzahl  von  griechischen  Ostraka,  die  in  Glaskästen  ausgestellt  sind. 


48  II.  KAPITEL. 


Mit  freundlic'lier  Erlaubnis  des  inzwischen  verstorbenen  Direetors, 
Herrn  Prof.  Lautli,  IkiIk'  ich  in  der  Sammlung  gearbeitet  und  habe, 
bei  beschränkter  Zeit,  wenigstens  einen  Teil  der  Urkunden  für  unser 
Buch  druckfertig  gemacht.  Da  ich  meine  Lesungen  seit  1888  nicht 
revidirt  habe,  dürfte  jetzt  Manches  nachzutragen  sein.  Spezial- 
nummern  führten  die  Scherben  damals  nicht.  Ich  kann  hier  also 
nur  angeben,  welche  Nummern  unseres  Buches  Münchener  Ostraka 
bringen.  Es  sind  folgende:  12,  30,  4(3,  54,  öS,  99,  141,  ir)9,  171, 
177,  187,  197,  212,  223,  224,  229,  248,  259,  284,  300,  1151,  1197. 

11.  Ashmolean  Museixm  in  Oxford. 

Das   Ashmolean   Museum   besitzt  mehrere  griechische   Ostraka, 
von   denen   3  in   unser  Buch  aufgenommen  sind.     Die  Originale  zu 
prüfen  habe  ich  leider  nicht  Gelegenheit  genommen;  meine  Lesungen 
basiren  auf  Sayce's  Publication.     Es  sind  folgende  Xummern: 
Ashmol.   121S^.  111 
1221  =  117 
1222=    57 

12.  Wien. 

Die  Ostraka  der  Wiener  Sammlungen  habe  ich  nicht  im  Original 
gesehen.  Meine  Lesungen  beruhen  nur  auf  Publicationen.  Nur 
Eines  (1623)  konnte  ich  auf  Grund  einer  photographischen  Re- 
production  lesen.  Folgende  Nummern  unserer  Sammlung  enthalten 
Wiener  Texte:  247,  283,  999,   1623. 

13.  Lemgo  (Lippe). 

Dem  Gymnasium  zu  Lemgo  gehören  6  Ostraka,  die  ein  früheivir 
Schüler  der  Anstalt,  der  Verlagsbuchhändler  Langewort  (in  Berlin), 
in  Aegypten  gekauft  und  dem  Gymnasium  geschenkt  hat.  Herrn 
Director  A.  Jordan  sage  ich  auch  hier  nochmals  meinen  herzlichsten 
Dank  für  die  grosse  Liebenswürdigkeit,  mit  der  er  mir  auf  meine 
Bitte  die  Originale  nach  Breslau  zum  Studium  geschickt  hat  (1894). 
Folgende  vier  Nummern  enthalten  Lemgoer  Texte:  1277,  1292, 
1299,  1310. 

Abgesehen  von  diesen  öffentlichen  Sammlungen  gelang  es  mir 
auch  manche  Ostraka  kennen  zu  lernen,  die  sich  im  Privatbesitz 
befinden.     Ich  führe  die  Besitzer  in  alphabetischer  Reihenfolge  auf. 


rEIVATSAMJILUNGEN.  49 


14.   C.  Applcton. 
Dem    verstorbenen    C  Appleton    gehörte   unsere   Nummer    150. 
Wo    sicli    (las   Original    befindet,    weis.«    ieli    nicht    zu    sagen.      Meine 
Publication  liasirt  auf  der  Mitteilung  Rireli's. 

15.  Bankes. 
W.  Bankes,  der  glückliche  Finder  der  llias  Bankesiana  und  des 
liilinguen  Obelisken  von  Philae,  hat  am  Anfang  unseres  Jahrhunderts 
auch  7  Osti-aka  auf  Elephantine  geftinden.  Als  ich  im  Sommer  1886 
sein  herrliches  Schloss  in  Kingston -Hall  ( Dorsetshire)  zwecks 
des  Studiums  jenes  Obelisken  besuchte,  habe  ich  mich  vergeblich 
nach  diesen  Ostraka  umgesehen.  Auch  der  jetzige  Besitzer,  Herr 
Ralph  Bankes,  wusste  mir  keine  Auskunft  über  sie  zu  geben.  So 
blieb  ich  für  meine  Publication  auf  die  Facsimilia  angewiesen,  die 
Peter  Paul  Dobree  in  seinen  „Miscellaneous  notes  on  inscriptions" 
(nach  seinem  Tode  erschienen,  Cambridge  1835)  mitgeteilt  hat.  Die 
Kenntnis  dieses  seltenen  Buches  verdanke  ich  Richard  Schoene,  ohne 
dessen  Hinweis  ich  diese  Ostraka  jedenfalls  übersehen  hätte.  Folgende 
Nummern  unserer  Sammlung  bieten  Bankes-Ostraka :  101,  133,  174, 
183,  282,  303. 

16.  GrevlUe  ehester. 

Nach  Sayce's  Angabe  befindet  sich  unsere  Nummer  1156  im 
Besitz  von  Greville  Chester.  Meine  Publication  beruht  auf  der  von 
Sayce. 

17.  Aquila  Dodgson. 

Nach  Birch's  Mitteilung  befindet  sieh  unsere  Nummer  71  im 
Besitz  von  Aquila  Dodgson.  Meine  Lesungen  beruhen  auf  der  Publi- 
cation von  Birch. 

18.  Eisenlohr. 

Herr  Prof.  Eisenlohr  in  Heidelberg  hatte  vor  mehreren  Jahren 
die  grosse  Freundlichkeit,  mü-  einige  ihm  gehörige  Ostraka  nach 
Berlin  zum  Studium  zu  schicken.  Zwei  davon  habe  ich  in  imsere 
Sammlung  aufgenommen,  als  Nr.  650  und  987. 

19.  Finlay. 
Der  Collection  Finlay    zu  Athen   gehört   unsere   Nummer   242 
an.     Das  Original  habe  ich  nicht  gesehen. 

WiLCKUN.  Ostraka.  * 


50  n.  KAPITEL. 


20.  rröhner. 

In  der  reiolien  Privatsammluug  von  Wilhelm  Fröhupr  (Paris) 
befinden  sicli  mehrere  Ostraka,  von  denen  ich  mit  seiner  freundlichen 
Erlaubnis  vier  in  meine  Samnilunu-  aufgenommen  habe,  als  Nr.  21, 
24,  79,   1177. 

21.   Gau. 

Ueber  die  Schicksale  der  vom  Architekten  Gau  1819  gefundenen 
Oistraka  von  Dakkeh  habe  ich  oben  S.  20  berichtet.  In  unserer 
Sammlung  gehören  ihr  Nr.  1128—1146  und  1223  an.  Meine 
Lesungen  sind  nach  Taf.  VIII  und  IX  des  unten  genannten  Denk- 
mälerwerkes  von  Gau  gewonnen. 

22.  Hess. 

Herrn  Prof.  Jean  Jacques  Hess  in  Freiburg  i.  d.  Schweiz  bin  ich 
zu  grossem  Dank  verbunden,  dass  er  mir  seine  kleine,  aber  ganz 
ausgezeichnete  Ostrakonsammlung,  die  er  jüngst  in  Aegypten  erworben 
hat,  zum  Studium  nach  Breslau  geschickt  hat  (1895).  Die  Hess'- 
schen  Ostraka  gehören  zu  den  interessantesten  und  best  erhaltenen 
Stücken  unserer  Sammlung.  Ich  habe  15  Nummern  in  imser  Buch 
autgenommen   Tvon  Nr.  1608 — 1622). 

23.  Charles  H.  Keene. 

Zwei  im  Besitz  des  Herrn  Charles  H.  Keene  befindliche  Ostraka 
habe  ich  unter  Nr.  1228  und  12.'39  publicirt.  Die  Originale  habe 
ich  nicht  gesehen. 

24.  Collection  Marcel. 

Zwei  Ostraka  der  Collection  Marcel  in  Lausanne  gebe  ich  unter 
Nr.  139  und  302  nach  den  Abschriften  Wilhelm  Fröhner's,  die  dieser 
mir  freundlichst  überliess. 

25.  Flinders  Petrie. 

Flinders  Petrie,  der  mit  glücklichem  Spaten  so  manche  alte 
aegyptische  Stadt  aus  dem  Schutt  wieder  hervorgezaubert  hat,  hat  neben 
anderen  vielen  Schätzen  auch  eine  grössere  Ostrakonsammlung  heim- 
gebracht, die  zur  Zeit  im  Petrie-Museum  im  Uni  versity-College  zu  London 
conservirt  wird.     Auf  meine   Ritte  hat  Herr  Petrie  mir  im  Sommer 


rKIVATSAMMLUXGEN.  51 

1895  diese  Sammlung  auf  das  bereitwilligste  zum  Studium  zur 
Verfügung  gestellt,  wofür  ihm  meiu  wärmster  Dank  gebührt.  Bei 
beschränkter  Zeit  konnte  ich  nur  einen  kleinen  Teil  davon  meinem 
Buche  einverleiben.  Hoffentlich  werden  nucli  die  anderen  bald  publi- 
cirt  werden.  Da  ich  die  von  mir  abgericluiebciu'ii  Ostraka  auf  AVunsch 
des  Herrn  Petric  mit  fortlaufenden  Xummcrn  versehen  habe,  so 
gebe  ich  hier  die  Konkordanz  dieser  mit  den  Nummern,  die  sie  in 
meinem  Buch  erhalten  haben: 

Petrie     1  =  1381  Petrie  19  -  1360 

2  =  1378  20-1440 

3  =  1382  21.     1369 

4  =  1438  22  --  1347 

5  =  1379  23  =  148G 

6  =  1388  24  =  1461 

7  =  1341  25  =-  1435 

8  =  1419  26  =  1442 

9  =  1386  27  ==  1389 

10  =  1361  28  =  1365 

11  =  1343  29  =  1370 

12  =  1364  30  =  1433 

13  =  1467  31  =  1463 

14  ==  1451  32  =  1356 

15  =  1373  33  =  1443 

16  =  1362  34  =  1450 

17  =  1478  35  =  1470. 


18  =  1374 


26.  Du  Rocher. 


Nr.  233  unserer  Sammlung  war,  nach  Lenormant's  Angabe,  im 
Jahre  1851  im  Besitz  eines  Herrn  du  Rocher.  Hase  hatte  es  damals 
in  seinem  cours  de  paleographie  seinen  Schülern  vorgelegt.  Weiteres 
ist  mir  über  den  Verbleib   dieses  Ostrakon  nichts  bekannt. 

27.  A.  H.  Sayce. 

Die  Privatsammlung  von  Sayce  gehört  zu  den  bedeutendsten 
Ostrakonsammlungen  überhaupt.  Er  ist  wohl  der  Einzige,  der  schon 
seit  Jahren  systematisch  Nachforschungen  nach  Ostraka  in  Aegypten 
anstellt,  und  dies  mit  glänzendstem  Erfolg.     Ueber  tausend  Ostraka 

4* 


52  II.  KAPITEL. 


liegen  im  Queen's  College  zu  Oxford  in  seiner  Wohnung.  Etwa 
eben  so  viele  aber  befinden  sich,  so  schreibt  er  mir,  auf  seiner  Daha- 
bive  auf  dem  Nil.  Von  ganzem  Herzen  danke  ich  Mr.  Sayce  für  die 
unübertreffliche  Liberalität  und  Selbstlosigkeit,  mit  der  er,  sowohl 
188(5  als  auch  wieder  1895,  mir  seine  Oxforder  Schätze  zur  Ver- 
fügung gestellt  hat.  Hier  erübrigt  es  nur  noch,  ziffernmässig  fest- 
zustellen, wieviel  mein  Buch  ihm  verdankt.  Di\  die  Ostraka  von 
Sayce  bis  jetzt  keine  Si)ozialnuinmeru  tragen,  so  kann  ich  hier  nur 
die  Nummern  unserer  Sammlungen  aufführen.  Ich  bemerke,  dass 
die  Spezialnummern,  die  ich  iin  Anhang  III  habe  mit  abdrucken 
lassen,  sich  nur  auf  die  Reihenfolge  beziehen,  in  der  ich  meine  Copieeii 
angefertigt  habe.  Da  dies  ohne  allgemeines  Interesse  ist,  so  bleiben 
sie  hier  unberücksichtigt.  Folgende  Nummern  gehören  der  Sammlung 
Sayce  an:  266,  341,  344,  348,  354,  369,  379,  389,  394,  401, 
424,  453,  457,  486,  577,  591,  605,  613,  647,  664,  703,  704, 
740,  741,  757,  791,  803,  805,  896,  908,  930,  932,  942,  954, 
995,  1005,  1016,  1032,  1035,  1037,  1065,  1067,  1080—1088, 
1166,  1182  —  1184,  1189,  121(;,  1225,  1233,  1253  —  1255, 
1489—1607. 

28.  Walker. 

Als  ich  1886  im  British  Museum  arbeitete,  wiu-den  mir  einige 
Ostraka  zur  Begutaclitung  vorgelegt,  die  ein  Mr.  Walker  sich  aus 
Aegypten  mitgebracht  hatte.  Mit  gütiger  Erlaubnis  des  Besitzers 
habe  ich  sie  abgeschrieben  und  vier  davon  als  Nr.  82,  158,  164,  203 
in  meine  Sammlung  aufgenommen. 

29.  Wückfen. 

Ich  selbst  bin  ohne  mein  Zuthun  glücklicher  Besitzer  einer 
hübschen  kleinen  Ostrakonsammlung  geworden.  Mein  väterlicher 
Freund  Georg  Ebers,  der  verstorbene  Aegyptologe  Heinrich  Brugsch 
und  der  um  die  Ostraka  so  hoch  verdiente  Wilhelm  Fröhuer  waren 
die  gütigen  Geber.  In  diesem  Buche  sind  folgende  Nummern  meiner 
Privatsammlung  entnommen:  8,  43,  173,  226,  842,  1017,  1027, 
1055,  1164,  1194,  1226,  1266.  Ich  bemerke,  dass  auch  die  6  Otralai 
darunter  sind,  die  in  den  beigefügten  Tafeln  in  Facsimile  reproducirt 
worden  sind.  Ich  war  hierfür  auf  meine  eigene  Sammlung  angewiesen, 
da  ich  nicht  fremde  Stücke  in  das  Leipziger  Institut  .schicken  konnte. 


I 


PRIVATSAMMLUNGEN  —  ANORDNUNG  DER  TEXTE.  5i^ 


30.  Besitzer  unbekannt. 

Ich  stelle  hier  diejenigen  Nummern  zusammen,  die  ich  nur  aus 
rublicationen  kenne,  ohne  ihren  Aufbewahrungsort  angeben  zu 
können.  Es  sind  Nr.  114,  144,  NC,  l.")i;,  170,  '-'OD,  2-2^.  Zwei 
davon,  146  und  228,  sollen  von  Belzoni  naeh  iMigland  gebracht 
worden  sein ;  doch  ist  mir  Genaueres  darüber  nicht  bekannt. 

Endlich  liabe  ich  noch  daraufhinzuweisen,  dass  wir  es  in  2  Fällen, 
in  Nr.  192  und  2o(),  aus  Gründen,  die  dort  angeführt  sind,  wahr- 
scheinlich mit  Fälschungen  Lenormant's  zu  thun  haben.  Nicht  als 
ob  er  versucht  hätte,  falsche  Originale  herzustellen;  sondern  erdichtete 
Texte,  so  scheint  es,  hat  er  publicirt,  die  er  angeblieh  auf  Ostraka 
gelesen  haben  will. 

Die  Anordnung  der  Texte  im  IL  Buche  ist  nach  folgenden 
Gesichtspunkten  getroffen  worden.  Die  Texte  sind  zunächst  nach  den 
Fundorten  gesondert.  Innerhalb  der  so  entstehenden  Rubriken  sind 
die  Quittungen  in  der  Weise  geordnet,  dass  in  chronologischer  Folge 
erst  die  über  Geldzahlungen,  dann  die  über  Naturallieferungen, 
endlich  die  über  Zahlungen  mit  ungenanntem  Zahlungsmittel  auf- 
geführt sind.  In  Anhang  I  sind  darauf  mehrere  Texte  zusammen- 
gestellt, die  nicht  Quittungen  enthalte»,  sondern  nur  die  anderweitige 
Verwendung  der  Scherben  illustriren  sollen.  In  Anhang  II,  der 
wieder  Quittungen  bringt,  ist  dasselbe  Aiiordnungsprincip  durch- 
geführt wie  vorher  in  dem  Hauptteil.  Dagegen  habe  ich,  z.  T. 
aus  rein  praktischen  Gründen,  geglaubt,  in  Anhang  III,  den 
ich  erst  in  der  zwölften  Stunde,  nach  meiner  letzten  englischen 
Reise  (1895),  schaffen  konnte,  von  diesem  System  absehen  zu 
sollen.  Ich  habe  hier  die  Texte  lediglich  nach  den  Museen,  in 
denen  sie  conservirt  werden,  gesondert  und  gebe  sie  innerhalb  dieser 
Rubriken  ohne  Rücksicht  auf  ihren  Inhalt  in  chronologischer  Folge. 
Die  Unregelmässigkeit,  die  hierdurch  sowie  überhaupt  durch  die 
Anhänge  entstanden  ist,  möge  mau  damit  eutschuldigen ,  dass  mir 
während  der  Arbeit  fortwährend  neues  Material  zugeflossen  ist.  Icli 
hielt  es  für  besser,  diese  kleine  I^nbequemlichkeit  mit  in  Kauf  zu 
nehmen,  als  darum  auf  die  neuen  Quellen  zu  verzichten.  Mau 
druckt  eben  nicht  ungestraft  sieben  .Jahre  au  einem  Buche! 


54  II.  KAi'iTi:i,. 


Zum  Sehluss  möchte  ich  noch  ein  Wort  über  die  äussere  Cou- 
servirung  der  Ostraka  sagen.  Im  Allgemeinen  kann  man  es  ja 
nur  mit  Bewunderung  hervorheben,  wie  vortrefi'lic-h  diese  Urkunden, ' 
die  doch  durchschnittlich  1500 — 2000  Jahre  alt  sind,  sich  erhalten 
haben.  Die  Schriftzüge  sind  meist  von  einer  Klarheit  und  Frische, 
die  Tinte  von  einer  Schwärze,  dass  man  oft  glauben  könnte,  der 
Text  sei  erst  heute  geschrieben.  Diese  staunenswerte  Conservirung 
verdanken  wir  dem  aegyptischen  Sande,  unter  dem  die  Scherben 
bis  jetzt  geruht  haben.  Leider  ist  zu  constatiren,  dass  die  Ostraka, 
wenn  sie  dieser  schützenden  Hülle  beraubt  werden  und  in  die  jMuseen 
gelangen,  allinäblieli  anfangen  zu  verfallen!  Wenigstens  gilt 
das  von  denen,  die  in  unser  nordisches  Klima  kommen.  Zum 
Glück  scheinen  nicht  alle  in  gleicher  Weise  der  Gefahr  ausgesetzt 
zu  sein.  Icli  habe  beobachtet,  dass  die  Ostraka  aus  Elephantine, 
die  zum  grössten  Teil  schon  seit  dem  Anfang  des  Jahrhunderts  in 
unseren  Museen  liegen,  sich  vortrefflich  erhalten  und  keine  Spur 
eines  Zerfalles  zeigen.  Dagegen  sind  leider  die  Karuaker  Ostraka, 
die  doch  erst  seit  Anfang  der  achtziger  Jahre  unsere  Museen  füllen, 
fast  sämmtlich  als  Todeskandiilaten  zu  bezeichnen.  Der  Grund  für 
diese  Erscheinung  kann  wohl  nur  in  der  verschiedenen  chemischen 
Zusammensetzung  des  an  den  beiden  Orten  verwendeten  Materials 
gesucht  werden.  Es  scheint,  dass  das  thebanische  Thonmaterial 
ganz  besonders  salzhaltig  ist,  während  das  von  Elephantine  relativ 
salzfrei  ist,  denn  Salzkrystalle  sind  es,  die  unsere  Ostraka  zer- 
fressen. Aus  dem  Innern  der  Scherben  schiessen  allmählich  sclmee- 
weisse  Salzkrystalle  zu  Hunderten  und  Tausenden  hervor  und  zer- 
stören nach  und  nach  die  mit  Schrift  bedeckte  Oberfläche.  Ich 
habe  diesen  Process  in  den  verschiedensten  Stadien  leider  nur  zu 
oft  beobachten  können,  namentlich  in  Berlin  und  London.  In  beiden 
Sammlungen  ist  es  mir  mehrfach  vorgekommen,  dass  Ostraka,  die 
ich  noch  vor  einigen  Jalu-en  als  völlig  unversehrte  Urkunden  habe 
entziflein  können,  hoffnungslos  zerstört  mir  wieder  vor  Augen  ge- 
kommen sind.  So  steht  es,  um  ein  Beispiel  'zu  geben,  mit  unserer 
Nr.  340,  die  ich  1886  im  British  Museum  noch  vollständig  lesen 
konnte,  1895  aber  als  völlig  zerfressen  bei  Seite  legen  musste. 
Solche  Stücke  sind  meist  bis  zu  einer  Höhe  von  etwa  'j'j  Centimeter 
oder  mehr  mit  einem  dichten  Wald  weisser  Krystalle  bedockt.  Hat 
die   Oberfläche   der   Scherbe    in    sich   festen  Zusammenhang,   so   zer- 


CONSERVIRUNG    DER    OSTRAKA.  55 


.S]irengen  die  von  iiiiuii  licrvorschiessenden  Krystalle  sie  und  iragen 
tlauii  die  einzelnen  Friigmentclien  mit  samrat  den  iSclirift/.ügcn  bis  zu 
verscliiedener  Hölie  empor.  Am  markantesten  trat  mir  ein  solcher 
Fall  in  unserer  Nr.  714  entgegen,  als  ich  sie  1895  in  London  wieder- 
sah. Solehe  Stücke  sind  natürlich  verloren,  denn  ohne  Anstrengung 
könnte  man  die  Krystalle  mit  sainmt  den  lieschriehcnon  Thonfrag- 
mentchen  vic  die  l-^'locken  einer  Butterlilunie  hiuwegblasen.  Weniger 
gefährlich  sind  die  Scherben,  deren  übcrHäche  ])orös  genug  ist,  um  die 
Krystalle  hindurchsehiessen  zu  lassen.  Dann  findet  eine  Zertrümmerung 
der  Übertiiiehc  nicht  statt,  sie  ist  nur  mit  jenem  weissen  Wald  betleckt. 
In  solchen  Fällen  lässt  sich  wenigstens  für  den  Augeidilick  dem 
Uebel  abhelfen.  So  habe  ich  1895  im  British  Museum  mit  Er- 
laubnis der  Beamten  in  vielen  Fällen  die  weisse  Krystalldeeke  mit 
einem  weichen  Pinsel  oder  auch  einem  feuchten  Schwamm  beseitigt, 
worauf  die  Schrift  wieder  klar  zu  Tage  lag.  Alter  freilich  nützt 
diese  Manipulation  auch  nur  für  einige  Zeit;  die  Krystalle  kehren 
doch  wieder  und  setzen  ihr  Zerstörungswerk  fort.  —  Ich  habe  mich 
im  Vorstehenden  nur  darum  meist  auf  die  Londoner  Sammlung  be- 
zogen, weil  ich  in  ihr  zuletzt  Gelegenheit  hatte,  diese  Dinge  zu 
untersuchen.     Mit  anderen  Sammlungen  wird  es  ganz  ähnlich  stehen. 

Wie  lässt  sich  diesem  Uebel  steuern?  Auch  die  sorgfaltigste 
Verpackung  ist  völlig  nutzlos.  Im  British  Museum,  wo  jede  einzelne 
Scherbe  in  einer  besonderen  verschlossenen  PapjJschachtel  liegt,  ist 
die  Zerstörung  doch  vorwärts  geschritten.  Es  scheint,  dass  man  in 
Berlin  jetzt  ein  wirksames  Mittel  gefunden  hat.  Der  Chemiker  der 
königlichen  Museen,  Herr  Dr.  Kathgen,  hat  seit  einiger  Zeit  ange- 
fangen, die  Berliner  Ostraka  in  Wasser  auszulaugen,  und  verspricht  sich 
hiervon  den  Erfolg,  dass  einer  weiteren  Zerstörung  vorgebeugt  wird. 
Die  bisherigen  Versuche  sollen  sehr  vertrauenerw'eckend  sein.  (3b 
das  Mittel  auf  die  Dauer  hilft,   nniss  die  Zeit  lehren. 

Einstweilen  möge  man  aus  dem  oben  dargelegten  Thatbestande 
die  Consequenz  ziehen,  dass  Jedermann,  der  Ostraka  besitzt, 
im  Besonderen  auch  jedes  Museum,  so  schnell  wie  irgend 
möglich  die  Texte  der  Oeffentlichkeit  übergebe,  noch 
ehe  es  zu  spät  ist.  Bei  besonders  wichtigen  Stücken  aber  sollte 
man  es  nicht  versäumen,  wenn  die  Mittel  irgend  dazu  da  sind, 
sie  durch  ]ihotographisehe  Tteproductioncn  für  alle  Zeiten  festznlialten, 
denn  schon  in   wenigen  Jahren  kann  die  Schrift   völlig  zerstört  sein. 


56  II.  KAPITEL. 


Wer  ein  Ostrakon  entziffert,  möge  ferner  ausser  der  Transcription 
sich  mit  Bleistift  eine  Abzeichnung  des  Textes  machen,  oder  er 
möge,  wie  ich  es  gethaii  lial)e,  wenigstens  die  schwierigeren  Schrift- 
i'omiilexe,  die  irgend  welchen  Zweifeln  betreffs  der  Lesung  unterliegen 
könnten,  mit  möglichster  Accuratesse  nachzeichnen.  Es  ist  bei  der 
Schwierigkeit  der  Texte  meist  ja  ganz  unmöglich,  gleich  im  ersten 
Austurm  alle  Rätsel  zu  lösen,  und  es  bedarf  meist  einer  immer  wieder- 
holten Prüfung.  Solche  Abzeichnungen,  wenn  sie  gut  gemacht  sind, 
können  bis  zu  einem  gewissen  Grade  das  Original  ersetzen  und  erhalten 
einen  bleibenden  Wert,  sobald  das  Original  etwa  den  Krystallen  er- 
legen ist. 

Ostrakonliteratur. 
Publicationen   und  Spezialarbeiten. 

F.  C.  Gau,  Neu  entdeckte  Denkmäler  von  Nubien  (gezeichnet  und 
vermessen  1819).  Stuttg.,  Paris  1822.  Darin:  Inschriften  in 
Nubien  und  Aeg3-pten.  Ostraka  auf  Taf  VIII  und  IX.  Com- 
mentar  dazu  von  B.  G.  Niebuhr,  S.  18 — 20. 

E.  H.  ToELKEN,  Reise  des  Generals  von  Minutoli  zum  Tempel  des 
Jupiter  Ammon  etc.,  Berlin  1824.  Taf  XXXII,  17  u.  18, 
dazu  Erklärungen  von  Buttmann  auf  S.  420  ff. 

Thomas  Young,  Hieroglyphica,  Lond.  1823.     Taf.  LIII  — LV. 

Otfeied  Müller,  Götting.  Gelehrt.  Anzeigen  1827,  1529  ff. 

C.  J.  C.  Reuvens,  LettresilM.Letromie,  Leide  1830.  III.  S.  50—59. 

Peter  Paul  Dobree,  Miscellaneous  notes  on  inscriptious,  Cam- 
bridge 1835. 

Fran^ois  Lenormant,  Revue  Archcologiq ue  VIII   1851,  S.  464  iV. 

Derselbe,  Philologus  XXV,  S.  531. 

Franz,  Corp.  inscript.  Graec.  III  (Berlin  1853)  n.  4863''— 4891 
und  5109,  Nr.  1- — 37.  In  letztere  Publication  sind  allerdings 
aus  Missverständnis  auch  koptische  Ostraka  (Nr.  20,  25,  26)  und 
ein  demotisches  (Nr.  27j  geraten. 

Egger,  MemoLres  de  l'Acad.  des  Inscript.  XXI.  Paris  1857.  S.  377  ff. 

Conrad  Lkemans,  Aegj'ptische  Monumenten  van  het  Nederlandsche 
Museum  van  Oudheden  te  Leiden.  II.  Abth.,  S.  CCXXXII  n.435f. 

Derselbe,  in  den  Mededeelingen  der  konink.  Akademie  van 
Wetenschappen,  Afdeeling  Letterkunde  X  1866  um!  XI   1868. 


OSTRAKOXLITERATUK.  57 

Hase,    Notices   et  Extraits  d.  JMnmiscrits   de   hi  Bibl.  Iniji.  XVIII 

tonie  2,  S.  427— 433  (mitgetpiltvouBrimetdePresle),  Paris  ISfJö. 
Wilhelm  Fröhner,  Revue  Archeolog.  N.  S.  XI,  S.  422  ff',  und  XII, 

S.  30  ff.     Paris  1865/66. 
Der.selbe,  Catalogue  de  la  Collectiou   A.  Raife  (1867),  S.  Ö4. 
DuMONT,  riavowpa  XVIII,  S.  418.     Atlien   1867.    Vgl.  Revue  Ar- 

clieolog.  N.  S.  XIX  (1869),  S.  226. 
GiÄCOMO  LuMBROSo,  Atti  deir  Acad.  d.  seienze  di  Toriuo  IV  (1869), 

S.  704  und  VII  (1871),  S.  215  ff. 
Alfred  Wiedemann,  Revue  Egyptol.  II  (1882),  S.  346  ff. 
Derselbe,  Proeeedings  of  the  Society  of  Bibl.  Archeolog.  VI  (1884), 

S.  207  ff. 
Samuel  Birch,    Proceed.  of  tbe   Soc.  of  Bibl.  Archool.  V   (1883), 

S.  84  ff.,  124  ff.  und  158  ff. 
Sayce,  Proceed.  of  the  Soc.  of  Bibl.  Archeol.  VII  (1884),  8.  11  ff. 

VII  (1885),  S.  80,  195  ff 
Derselbe,  Journal  of  Helleuic  Stud.  I,  S.  92. 
Derselbe,  bei  Mahaffy,  Flinders  Petr.  Pap.  II,  S.  43/44. 
Palaeographical  Society,  II.  Serie,  I  Nr.  1  ff. 
Karl  Wessely,  Wien.  Stud.  VII,  S.  72  ff  VIII,  S.  118. 
E.  Revillout  et  Wilcken,    Revue  Egyptol.  IV  (1885),   S.  183  ff., 

VI  (1891),  S.  7ff 
Keexe-Mahaffy,  Journal  of  Hellen.  Stud.  XIII  (1892/93),  S.  121. 
Führer  durch  die  Ausstellung  Pap. Erzherz.  Rainer  (1894),  S.  10. 
Eugene  Revillout,  Melanges  sur  la  metrologie,  l'economie  politique 

et  l'histoire  de  l'aucienue  Egypte,  Paris  1895. 

Endlich  habe  ich  selbst,  abgesehen  von   der  mit  Revillout   ge- 
meinschaftlich   herausgegebenen    Publication,     au    folgenden 
Stellen  über  Ostraka  gehandelt: 
Actenstücke  aus  der  Kgl.  Bank  zu  Theben,  Abhandl.  Pr.  Akad.  d. 

Wiss.  1886,  S.  59. 
Hermes  XXII  (1887),  S.  634. 
Berlin.  Philol.  Wochenschr.  29.  Sept.  1888,  S.  1208. 
Jahrbuch    d.  Vereins   v.  Altertumsfr.    i.   Rheinl.  LXXXVI  (1888), 

S.  231  ff 
Archäolog.    Gesellschaft    zu    Berlin,     :Mai    1889.     Vgl.    Arehäolog. 

Anzeiger. 


III.  KAPITEL. 
Die  Formulare  der  Quittungen. 

Die  wisseuschaftliche  Behaudlung  einer  Sammlung  von  Quit- 
tungen wird  am  besten  mit  einer  Untersuchung  der  Formen,  in 
denen  sie  gehalten  sind,  beginnen.  Wenn  sich  dabei  herausstellt, 
dass  sieh  verschiedene  feste  Schemata  oder  Formulare,  zu  verschie- 
deneu Zeiten  und  zu  verschiedenen  Zwecken  angewendet,  consta- 
tiz'en  lassen,  so  ist  diese  Erkenntnis  nicht  nur  für  die  Geschichte 
des  Urkundenwesens  im  Allgemeinen  ein  Gewinn,  sondern  sie  wird 
auch  zur  Interpretation  der  Einzelurkunde  ein  wichtiges  Hilfsmittel, 
ja  die  •  unerlässliehe  Vorbedingung  sein.  Ich  habe  daher  schon  in 
meiner  Vorarbeit  im  Rheinischen  Jahrbuch,  so  gut  es  damals  ging, 
versucht,  aus  der  Fülle  der  Erscheinungen  feste  Schemata  zu  ab- 
strahiren.  Soweit  mir  bekannt,  haben  diese  Ausführungen  inzwischen 
keinen  Widerspruch  von  anderer  Seite  erfahren,  i)  Ich  selbst  aber 
bin  seitdem  zu  teilweise  abweichenden  Resultaten  gelangt.  Die  fort- 
gesetzte Beschäftigung  mit  diesen  Urkunden  hat  mich  inzwischen  zu 
der  besseren  Erkenntnis  geführt,  dass  diese  Schemata  nicht  verschiedene 
Formen  sind,  die  gleich wertig  nebeneinander  existirten  und  be- 
liebig  gewählt   werden    konnten,   sondern  dass  wenigstens  z.  T.  den 


')  Vgl.  K.  Wessely,  Deukschr.  Wien.  Akad.  37'  (1889)  S.  200,  213/4, 
der  meme  Resultate  unverändert  aeceptirt  und  sie  zur  Erklärung  der  späteren 
(^uittuuffsformuliire  verwertet.  Auch  der  historische  lü'ickhlick  auf  S.  2  23/4  ist 
—  trotz  des  felilendeu  Quellennachweises  —  im  Wesentlichen  nur  eine  wörtliche 
Wiedergabe  meines  Schema's  im  Rhein.  Jahrb.  S.  245  (unter  1,  2,  3).  —  Soweit 
ich  Revillout's  Melanges  durchgesehen  habe,  lialten  auch  sie  an  meiner  früheren 
Auffa-ssung  fest. 


DIE    FOKMULAEE    DER   QUITTUNGEN.  59 


versfhiedcncn  Foriucii  aucli  ein  verschiedener  Inhalt,  ein  verschiedener 
Zweck  eigentümlich  ist.  Der  Fortschritt  besteht  vor  alh'iii  in  der 
Erkenntnis,  dass  die  Quittungen  nicht  alle,  wie  ich  damals  annahm 
und  bis  jetzt  allgemein  angenommen  wurde,  an  die  Steuerzahler 
addressirt  .*ind,  sondern  z.  T.  von  den  Trapeziten  und  Sito- 
logen  an  die  Steuererheber  gerichtet  sind.  Diese  Urkunden 
rücken  damit  in  ein  ganz  neues  Licht,  und  unsere  Vorstellungen  von 
der  Steuererhebung  werden  damit  wesentlich  verschoben,  ja  die  letzten 
Fragen  nach  dem  Zweck  dieser  Quittungen  müssen  von  Neuem  beant- 
wortet werden.  In  der  folgenden  Uebersicht  über  die  Formulare  werde 
ich  im  einzelnen  diese  neue  Ansieht  zu  begründen  haben.  Hier  will 
ich  nur  vorausschicken,  dass  abgesehen  von  Bedenken,  die  mir  schon 
früher  aufgetaucht  waren  und  auf  die  ich  nicht  weiter  zurückkommen 
will,  vor  allem  ein  von  Sayce  mir  freundlichst  überlassenes  Ostrakon 
es  war  (jetzt  Kr.  1255),  das  mich  auf  den  richtigen  Weg  gebracht 
hat.  An  der  Stelle,  an  der  wir  früher  den  Steuerzahler  suchten,  steht 
hier:  St[Jitov  'la^apou  iceiX^^ü:;,  d.  h.  der  Steuerpächter.  Als 
ich  daraufhin  diese  ganze  Gruppe  durchmusterte,  stellte  sich  heraus, 
dass  weder  in  den  Quittungen  der  Trapeza  noch  in  denen  des 
Thesauros  irgend  welche  Indicien  dagegen  sprechen,  diese  Erkenntnis 
wenigstens  für  denselben  Ort,  liir  Theben,  zu  verallgemeinern,  ja 
dass  sogar  Manches  dafür  spricht,  wie  z.  B.  die  hohen  Summen, 
die  oft  in  diesen  Fällen  begegnen,  die  Erwähnung  der  Com- 
pagnons  u.  A.  Damit  war  das  Resultat  gewonnen,  dass  in  den 
nach  einem  gewissen  Schema  abgefassten  Quittungen  der  Trapeza 
und  des  Thesauros  —  die  übrigens  auf  die  Ptolemäerzeit  beschränkt 
sind  —  nicht  den  Steuerzahlern,  sondern  den  Steuererhebern  quittirt 
wird.  Eine  zweite  wichtige  Neuerung  besteht  in  der  Erkenntnis, 
dass  die  mit  Silypa^isv  (oder  ähnlich)  beginnenden  Quittungen  aus 
Theben  nicht  vom  Steuererheber  wie  in  Syene-Elephantine,  sondern 
von  der  Bank  ausgestellt  sind.  Dies  wurde  mir  erst  bei  meiner 
jüngsten  Anwesenheit  im  British  Museum  zur  Gewissheit  (durch 
Nr.  1.387),  und  wird  unten  genauer  zu  begründen  sein. 

Ich  brauche  wohl  nicht  hervorzuheben,  dass  die  im  Folgenden 
aufgestellten  Formulare  nicht  etwa  mit  eiserner  Notwendigkeit  von 
jedem  qmttirenden  Beamten  zu  befolgen  waren.  Es  sind  vielmehr 
traditionelle  Schemata,  deren  sich  zu  bedienen  Usus  war,  von  denen 
aber   auch    nach    dem    Geschmack    des    Einzelnen   nach   dieser   oder 


60  III-   KAPITEL. 


jeuer  Riclitunü:  hin  —  wenn  •.lucli  nur  in  Kleinigkeiten  —  abge- 
wichen werden  konnte.  Ich  lial)e  es  in  diesem  Zusammenhange 
uicht  für  nötig  befunden,  alle  die  kleinen  Varietäten,  die  indivi- 
duellen Launen  ihr  Dasein  verdanken,  mit  zu  notiren,  sondern 
habe  nur  die  grossen  durchgehenden  Züge  zu  fassen  versucht. 

Ich  behandle  zunächst  die  in  Theben  gebräuchlichen  Formulare, 
weil  hierfür  das  reichste  Material  vorliegt,  und  sich  daher  an  dieses 
die  Erörterungen  am  besten  anschliessen.  Darauf  gebe  ich  die  von 
Syene-Elephautine  u.  s.  w.  Die  lokale  Unterscheidung  war  nötig,  weil, 
wie  die  Vergleichung  ergeben  wird,  die  Formulare  verschiedener  Städte 
gewisse  lokale  Unterschiede  zeigen.  Im  grossen  und  ganzen  freilich 
treten    die   Uebereinstimmungen    stärker   hervor   als   die  Differenzen. 

In  der  folgenden  Uebersicht  bezeichne  ich  der  Kürze  wegen 
als  „Erheber"  denjenigen,  der  die  Abgaben  eintreibt,  gleichviel  ob 
er  ein  Pächter  (xeXiovYjS,  [J.iaxl't.oxrj;)  oder  ein  mit  der  Eintreibung 
der  Steuern  von  der  Regierung  Beauftragter  ist  (TCpäxxtop).  Den, 
der  zahlt,  nenne  ich  kurz  den  „Zahler",  mag  er  Geld  oder  Getreide 
liefern.  Die  für  die  verschiedenen  Formulare  charakteristischen 
griechischen  Wörter  sind  beibehalten.  Mag  dies  Gemisch  von 
griechischen  und  deutschen  Worten  geschmacklos  erscheinen,  so  ist's 
doch  praktisch.  Ich  habe  die  sämmtlichen  Belegstellen,  die  meine 
Sammlung  bietet,  hinzugefügt,  weil  damit  zugleich  meine  Auffassung 
von  dem  Charakter  jeder  einzelnen  Urkunde  gegeben  ist. 


Theben  imd  Heriiionthis.') 
Quittungen  über  Geldzahlungen. 

A.  rtolemäerzeit. 

T.    Quittungen,    die    der    Erheber    ausstellt. 

1. 

Datum  {Jahr,  Monat,  Taij)  —  f'x«i  —  der  Erheber  —  von 
(jittQo)  dem  Zahler  —  für  Abgabe  —  Summe. 

Für  diese  altertümliche,  schlichte  Art  bietet  unsere  Sammlung 
nur  ein   einziges  Beispiel,   Nr.  343,   aus   der   Zeit   des  Philadelphos 


')   Ich  habe  das  benaclibarte  Hermonthis  mit  Tlipl)en  zusammen  beliandelt, 
weil    ieli    keiueu    Unterschied    in    den    Fcirmularen    der    beiden    Städte   gefunden 


THEBANISniE  KHII  ICllKRQUITTUNOEN  AfS  l'TOl.KMÄEKZEIT.         Ol 

(a.  255/4).  Ich  gluubti"  rlennooh  eine  eigene  Ruhrik  danuis  maclicn 
zu  sollen,  zumal  auch  ein  (sein-  verwischtes)  Ostrakon  der  Berliner 
Sammlung,  das  ich  mir  früher  als  „Wiedemann  2"  notirt,  aber 
wegen  der  Unvollständigkeit  meiner  Copie  nicht  in  dies  Buch  auf- 
genommen habe,  dasselbe  Schema  zeigt :  [^]oy  naö[v'.]  rq  iyzi  i  OE'.va 
Tiapd  tgO  Sstvo?.  Auch  dieses  gehört  ins  III.  Jahrh.  vor  Ciir.  —  Dass 
in  343  IIpwTOYEVYji;  wirklieh  der  Erheber  und  Ilan'jTT;?  der  Zahler 
ist,  lässt  sieh  zwar  nicht  direct  beweisen.  Doch  halte  ich  die  andere 
Möglichkeit,  dass  Ersterer  der  Trajiezit  und  Letzterer  etwa  der 
Erheber  wäre,  für  äusserst  unwahrscheinlich.  Es  wäre  jedenfalls 
ohne  Beispiel,  dass  in  dieser  Weise  ein  Trapezit  quittirte.  Dagegen 
heisst  es  im  Pap.  Leidens.  Q  aus  Syene,  der  (aus  dem  J.  2G0/59)  das- 
selbe Schema  hat,  ausdrücklich:  "Eysc  Ntxavwp  7:paxx(i)p.')  Hier 
ist  der  Quittungsaussteller  also  sicher  der  Erheber,  freilich  der 
Quittungsempfänger  nicht  der  Zahler,  sondern  ein  Beamter. 

•> 

Der  Erheber  —  dem  Zahler  —  yuiQSii'.  h'./oy  (oder  änifM  oder 
xki^ai)  —  für  Abgabe  —  Summe.  Dahnn.  Vgl.  318,  320,  323, 
328,  333,  338,  1028,  1029,  1229,  1231,  1233,  1278,  1314,  1316, 
1344,  1361,  1490,  1495,  1510,  1523,  1530,  1535-1537,  wohl 
alle  aus  dem  II.  Jahrh.  vor  Chr. 

Dies  ist  die  übliche  Form,  in  der  die  Erheber  dem  Zahler 
quittiren.  Sie  ahmt  offenbar  den  Briefstil  nach.  Es  ist  jedoch  kein 
vollständiger  Brief,  denn  es  fehlt  am  Schluss  vor  dem  Datum  eine 
Grussformel  wie  eppwao. 

Das  Verbum  TaaaeaS-at,  das  hier  in  demselben  Sinne  stehen 
muss  wie  in  den  sogenannten  „trapezitischen  Eegistern",  hat  beim 
Bekanntwerden  dieser  letzteren  Urkunden  am  Anfang  unseres  Jahr- 
habe. Vgl.  jedoch  Anm.  2  S.  74.  Auch  im  griechischen  Textdruck  .sind  beide 
zusammen  behandelt   worden.      Vielleicht   wäre    eine  Trennung   besser   gewesen. 

^j  Dieser  Papyrus,  der  von  Leemans  nicht  ganz  fehlerlos  publicirt  worden 
ist,  lautet  nach- meiner  am  Original  gewonnenen  Lesung  folgendermassen :  '-xC 
Tuß'.  iS'  EXei  N'.xävmp  (nicht  Nixaxtop)  Tifäy.ttop  Ttapä  'Opaevoüif'.os  üaxvoüßtog 
8[o]xtiJiaaToD  tou  Iv  Su7)vV]i.  äitö  xoö  TisTtTroxöxoj  aöxüit  tou  xspap.(ou  toO  y'vo- 
li,£vou  XTj'.  (nicht  xöii)  <I>tXaSE>.tpo)i  xo3  xß  xal  xy  *-  äpYupiou  |-(^Spax|Ji.äg)  x, 
ävsu  8oxi[iaaxixo5  (nicht  ävsu5oxiiiaaxi-  xaii,  xouxo  58  ac.  Jtapadsjovxai.  Vgl. 
hierzu  meine  Bemerkungen  in  Gott.  Gel.  Anz.  1895.  S.  163,  auch  unten  Kap.  IV 
§  154.  Es  ist  bemerkenswert,  wie  der  Quittungsausstcller  Xicanor  am  .Schluss, 
wo  er  einen  Zusatz  macht,  aus  der  Coustruction  fällt. 


62  ni.  KAPITEL. 


liuuili'i'ts  zu  (leu  verscliitHlon.steu  falschen  Doutung-eu  geführt,  bis 
J.  G.  Droj'seu  im  Gegensatz  zu  Buttmami,  Pcttoii  und  Boeclvh  das 
Richtige  fand,  indem  er  es  im  Hinblick  auf  Ilerodot  III  13  medial 
fasste  und  mit  „entrichten"  übersetzte  (Rhein.  Mus.  1829,  S.  491  f. 
=  Klein.  Schrift.  1.  S.  8).')  Audi  in  unseren  Urkunden  werden  wir 
es  als  „entrichten,  bezahlen"  zu  fassen  haben.  —  Es  ist  zu  betonen, 
dass  in  diesen  Quittungen  der  Ptolemäerzeit  das  Verbum  tyeu'  immer 
im  Praesens,  nicht  im  Aorist  verwendet  wird.  Ebenso  äulyw,  das 
sich   1314  und   1530  findet. 

In  den  angeführten  Nummern  finden  sieh  ver.achiedene  Ab- 
weichungen, die  ich  als  unwesentlich  betrachte.  So  steht  das  Datum 
in  1231  an  der  Spitze,  in  323  in  der  Mitte,  und  mehrfach  fehlt  es 
ganz.  Das  Jahr  ist  ja  gew(ihnlich  auch  bei  der  Abgabe  schon  einmal 
genannt  worden.  So  fehlt  in  1029  das  yjxi^ziv,  worauf  wii-  unten  zurück- 
kommen. Unwesentlich  ist  auch,  dass  in  1229  die  Summe  vor  der  Ab- 
gabe genannt  wird.  Wichtiger  ist,  dass  Nr.  1028,  1029,  1523,  1530, 
15oG  und  1537  den  Zusatz  enthalten:  xoiiS-ev  aoi  iy^^aXti)  „und  ich 
habe  keine  weiteren  Forderungen  an  Dich."  Diese  Erklärung,  die  uns 
schon  aus  der  Sprache  der  Contracte  bekannt  ist,  kann  nichts  weiter 
besagen,  als  dass  es  sich  nicht  um  eine  vorläufige  Ratenzahlung,  sondern 
um  die  Schlusszahlung  der  Gesammtschidd  handelt.  Bemerkenswert 
ist  auch,  dass  in  1231  und  1233  zum  Schluss  mitgeteilt  wird,  wer  die 
Quittung  geschrieben  hat.  Im  zweiten  Falle  lässt  sich  der  quittirende 
Erheber  (ein  Jude),  der  selbst  nicht  griechisch  schreiben  kann,  durch 
einen  Anderen  vertreten.-)  Wenn  in  diesen  beiden  Fällen  der  Name 
des  Schreibers  mitgeteilt  wird,  so  möchte  ich  das  nicht  als  eine  Sub- 


')  Die  Erklärung  von  Wcssely  (d.  griech.  Pap.  der  Kais.  Samml.  Wieu 
S.  20),  xaa3£a9-at  heisse  zahlen,  „da  jede  Zahlung  einregistrirt  werde",  die  leider 
auch  in  Mahaffy's  Werk  (Flind.  Pctr.  Pap.  I  p.  [48])  übergegangen  i.st,  Ijraucht 
nicht  widerlegt  zu  werden.  Ks  ist  nur  eine  Wieilerliolung  des  Gedankens  von 
Peyron,  den  Droysen  a.  a.  O.  bereits  zurückgewiesen  hat. 

■^)  Oberhalb  dieser  Quittung  1233  steht  von  zweiter  Hand  geschrieben 
[iExs£Xrj(<fa)  (so  zu  lesen  statt  Sayce's  |i'.av  Bot'-,  vgl.  Nachträge).  Diese  Formel, 
die  nur  an  dieser  einen  Stelle  in  unserer  Sammlung  begegnet,  ist  uns  sonst 
durch  die  Notizen  der  Graphionbeaniten  auf  den  Contracteu  in  der  Verbindung 
|ieTstXT|?a  sEj  ävaypa^r/v  bekannt  genug.  Da  bedeutet  es:  „Ich  habe  den 
Contraet  (zur  Einregistrirung)  angenommen  oder  entgegengenommen."  Wenn 
man  dem  entsprechend  in  unserem  Ostrakon  übersetzt,  „ich  hab's  angenommen", 
so  entsteht  die  Frage,   wer  Suhject  ist.     Simon,  der  Stcuerpächter,  kann  i'S  nicht 


TIIEBANISCHE  ERHEBERQUITTUNGEN  AUS  PTOLEiMÄERZEIT.        ü'A 


sciiptio  im  jiiristisflion  Sinne  fassen,  d.  h.  als  eine  Untersclirift,  die 
die  Gültigkeit  tler  Urkunde  gni-antiren  soll,  wie  wir  sie  bei  anderen 
Klassen  von  Quittnngen  und  auch  bei  dieser  selben  Klasse  in  der 
Kaiserzeit  gelegentlich  finden  werden.  Es  steht  hier  in  beiden  Fällen 
sypa'jiev  6  ostva,  das  ist  eine  einfache  Mitteilung  in  3.  Person,  wobei 
der  Ton  oflenbar  auf  dem  ypoccpetv  liegt,  während  es  in  jenen  anderen 
„Subscriptionen"  '0  oelva  b(p!x.'\)ot.  (l.  Person)  heisst,  wodurch  der  be- 
treffende Beamte  die  Garantie  für  die  Urkunde  übernimmt.  Vgl.  unten  zu 
Klasse  III.  Es  ist  also  hervorzuheben,  dass  wir  bis  jetzt  keine  Quittungen 
dieses  Schemas  mit  Subscriptionen  aus  der  Ptolemäerzeit  haben. 

Im  einzelnen  bieten  die  Fornmlare  der  angeführten  Quittungen 
manche  Schwierigkeiten,  auf  die  ich  kurz  hinweisen  will.  Bei  328 
könnte  man  auf  den  Gedanken  kommen,  dass  der  Adressat  Horos 
vielleicht  nicht  der  Steuerzahler,  sondern  ein  Gehilfe  der  drei  asso- 
ciirten  Pächter  sei,  der  für  sie  einkassirt  hat  und  dafür  nun  Quittung 
emj)fangt.  Auch  bei  1231  w^äre  diese  Deutung  vielleicht  nicht  aus- 
geschlossen. Aber  ich  gestehe,  dass  ich  einen  zwingenden  (Trund 
dafür  nicht  anzugeben  wüsste.  Nur  die  Allgemeinheit  des  Ausdrticks, 
namentlich  das  änb  xoö  ioTajxevou  xeAou?  in  328,  auch  die  Höhe 
der  Summe  in  beiden  Fällen  könnte  dafür  sprechen.  Gehilfen  haben 
sie  natürlich  gehabt  (vgl.  Kap.  VI).  Aber  dass  sie  diesen  derartige 
Quittungen  ausgestellt  hätten,  dafür  liegt  sonst  wenigstens  kein 
zweifelloses  Zeugnis  vor.  —  318  ist  nur  des  Sehemas  wegen  hier- 
hergestellt. Zum  Inhalt  vergl.  unten  Kap.  IV,  §  38.  Auch  1535 
steht  inhaltlich  für  sich. 

II.  Quittungen,   die  die  königliche  Bank   ausstellt. 

1. 

Datum  (Jahr,  Monat,  Tag)  —  f;rp//(/(«r((ifr) ' —  der  Zahler  (oder 
der  Erheher  f)  —  für  Abgabe  —   Summe. 

Dieses  Schema  ist  nur  in  einer  Nummer,  1335,  vertreten,  die 
aus   dem    III.  Jahrb.    vor   Chr.  stammt.     Das  Verbum    yjjrjiiaiuEtv 


sein,  da  er  ja  nicht  selireiben  kann.  Der  Sclireil)er  isXXoü;  ist  auch  aus- 
gesclilossen,  da  die  Bemerkung  von  anderer  Hand  geseilrieben  zu  sein  selieint.  Wes- 
lialb  die  Empfänger,  die  Steuerzaliler,  diese  Bemerkung  gemacht  haben  sollten, 
ist  nicht  recht  einzusehen.  Wohl  aber  wäre  es  denkbar,  dass  diese  die  Steuer- 
quittung bei  irgend  einer  Veranlassung  einer  Behörde  als  Document  vorgelegt  hätten, 
und  dass  diese  Behörde  dann  den  Empfang  in  obiger  Weise  beseheinigt  hätte. 


64  III.  KAPITEL. 


fasse  ich  liier  in  iler  unseren  Lexicis  unbekannten  Bedeutung  von 
„Geld  auszahlen",  die  uns  schon  aus  den  „Actenstücken  der  königlichen 
Bank  zu  Theben"  geläufig  ist  (vgl.  !Nr.  VI  f.).^)  Ob  der  ^ ApiaxoxiX-qq, 
der  die  Zahlung  leistet,  der  Zahler  oder  der  Erheber  ist,  liisst 
sich  nicht  ausmaclun,  da  in  den  verwandten  Schemata  des  III.  Jahr- 
hunderts (mit  nzTCZdmzy  statt  £ypr;[iaTia£v)  Beides  vorkommt.  P.  unten. 
Die  Analogie  genügt  aber  Avohl  andrerseits,  um  die  Annahme  zu 
rechtfertigen,  dass  der  Aussteller  der  Quittung  die  Bank   ist. 

'    2"- 

Datum  (Jahr,  Monat,  Tag)  —  TiiTiTiay.tv  —  für  Abgabe  —  durch 
ißia)  den  Erhebei-  —  der  Zahler  —  Summe.  Dazu  event.  demotische 
Beischriften.     Vgl.  312,   313,  314,  316,  1337,  1340,   1493,  1494. 

2"- 

Dasselbe,  ohne  nt'jzTcaxsv.  Vgl.  305,  306  —  311,  315,  1021, 
1227,  1492. 

Auch  in  dieser  Klasse  finden  sich  einige  unbedeutendere  Ab- 
weichungen, wie  in  315  (Umstellung),  1021  (Fehlen  von  Summe 
und  Tag)  u.  A. 

■  Die  Erklärung  dieser  Gruppe  bietet  ausserordentliche  Schwierig- 
keiten. Sie  werden  vor  allem  durch  die  Wortkargheit  der  Schreiber 
verursacht,  durch  die  sich  überhaupt  die  Urkunden  des  III.  Jahrh. 
vor  Chr.  wesentlich  von  denen  des  II.  Jahrli.  vor  Chr.  unterscheiden. 
Weder  wohin  das  Geld  gezahlt  wird,  verraten  die  Texte,  noch  wer 
die  Quittungen  ausstellt,  noch  wer  die  mit  O'.x  eingeführte  Persön- 
lichkeit ist.  Zunächst  ein  Wort  zur  grammatischen  Erklärung.  Die 
Construction  in  2^  ist  folgende:  TCETiTuy-EV  —  6  Scivx.  Das  Verbum 
n'.TZZZi^  bedeutet  bekanntlich  in  der  Sprache  der  Finanzwelt  „fallen, 
hingeworfen  werden"  (=xaxaßäX?L£aö'at,  Pass.),  seil,  auf  den  Tisch  des 
Trapeziten  (ira  t-^jv  xpaTiE^av)  oder  sie,  töv  xtßwtov  oder  ähnlich,  also 
nach  gewöhnlichem  Sprachgebrauch  „gezahlt  werden".  Vgl.  A.  Peyron, 
Zoispap.  S.  169.  In  diesem  Sinne  begegnet  das  Wort  oft  in  den 
Quittungen,  und  zwar  ist  es  geradezu  charakteristisch  für  die  ältere 
Ptolemäerzeit,  für  das  IIl.  und  die  erste  Hälfte  des  II.  Jalnli.  vor  Chr. 


'j   In  denselben   Bedeutung  begegnet  das  "Wort   in   1!GU    I5C,.')  vom  .labic 
201   nach  Chr. 


■rnEBANISCHE  BANKQUITTUNGEN  AUS  PT()l,KMÄi:i;/,i;iT.  ().') 

Das  Wort  findet  sich  natürlich  auch  noch  spätta-,  z.  R.  im  Pap.  Paris. 
63,  4,  14  (zweite  Hälfte  des  II.  Jahrh.  v.  Chr.),  aber  iu  den 
Quittungen  wird  es  durch  das  oben  besprochene  mediale  xaaaea&a-. 
:\llinälilich  verdrängt.  So  findet  sich  tot^ttwxsv  in  den  Petr.  Pap.  (11) 
8.  [114]  28,  [131]  15  (aus  Philadelphos'  Zeit),  ferner  auf  der  Holz- 
tafel der  Pariser  Bibliotheque  Natiimale  (Nr.  1893,  Departement 
des  Mcdailles),!)  gleichfalls  aus  der  Zeit  des  Philadelpho.s,  ferner  in 
der  Londoner  Bilinguis  vom  13.  Jahre  des  Philopator  (Revillout, 
Proc.  Soc.  Bibl.  Arch.  XIV  S.  61),  ferner  im  Ikrliner  Papyrus 
P.  3114  (  =  Droysen  a.  O.  Nr.  41),-)  vom  23.  Jahre  des  Epiphanes 
(a.  182  V.  Chr.),  in  den  Zoispapyri  vom  31.  und  33.  Jahre  des 
Philometor  u.  s.  w.  Weitere  Beispiele  für  Philadelphos'  und 
Euergetes'  I.  Zeit  bei  Revillout,  Rev.  Egypt.  II.,  S.114.  Da  TiiTixetv 
passivischen  Sinn  hat,  ist  die  correcte  Construction  die  der  Zoispapyri, 
wo  es  heisst:  nsTtxwy.ev  —  Tiapä  Ziotoo;  —  die  Summe.  Ebenso  in 
der  Londoner  Bilinguis:  IliTiTWXsv  —  Tzapa.  ©oteOxo;.  W^enn  daher 
unsere  Ostraka  regelmässig  schreiben:  Tzinzoiv.ev  6  Sslva,  d.  h. 
der  Zahler,  so  ist  das  ein  auffälliges  Anakoluth,  das  vielleicht 
aus    der    Vorliebe    für    Knapjjheit     und     Kürze,     die    gerade    dem 


>)  Vgl.  Lenormant,  Philologiis  1867,  S.  340.  Kug.  Revillout,  Rev.  Egyptol.  II 
S.  2G6  ff.  und  ebeuda  Nachtrag  S.  51.  Da  diese  sowie  die  verwandten  Texte 
in  London  und  Berlin  sich  mit  unserem  Gegenstande  formell  vielfach  berühren, 
teile  ich  sie  hier  nach  meinen  1886  und  1887  am  Original  gewonnenen 
Lesungen  mit.  Ueber  ihren  Inhalt  vgl.  unten  Kap.  IV.  Die  Pariser 
Tafel  enthält  zwei  Texte.  Der  erste  (A)  lautet:  (1)'-).  TOßi  xg  TiEnxcoxev  eicov. 
(2)  XoYSuxf)'.  ä'.a  iLovuao5ü)pou  (3)  ttüv  S-cpaxmvoj  ü7iT,|5exiöv  (4)  Tsm;  Uaiv^liio; 
■/.od  Ziitvis  äS£Ä(5)cpds  Eiß'.oßocjxoi  sie,  xy)v  xtp.Y]v  (6)  xoD  ißtoxacpsiou  xal  x^s 
3i:pocfrj(7)xE;ag  xai  xo5  vjjiiaou;  x^j  So)ps(8)a(as  Y'iS)  '^S  |isx£X-t  to  eitävti) 
Jß'.o(9)xacp£rov  xö  f|(iiau,  ä  rjv  Acöpitovo;  (10)  xoü  xoitapXT^aavxoj  5to  Sxpccx(o(ll)va 
xdv  rispl  ÖYjßas  xoTiov,  ä  ii:pos(12)sßaXovxo  5i'  'Ovo(iapxou  ■Kpdy.zopoc,  (13i 
xtöv  ßaoi?.'.y.(öv  h  IßäonVjxovxa.  Der  zweite  Text  (B),  der  von  einer  weniger 
geübten  Hand  geschrieben  ist,  lautet:  (1)  ^X  TOßi  v.:,  tisixxmxev  es(2)(0vi. 
XoYEUX-Sjt  xüJv  2xpax(ovos  (3)  57t7]p£X(5v  Tsäj;  Ilaxoüii'.os  xat(4)  Z(itvtos  (sie) 
ädEXtpös  Jßtoßooxoi  si;  (5)  xtjv  x'.|iY;v  xoO  ißioxacpEtou  nal  (6)  x'^?  jtpocprjxstag 
xal  xoö  ■fi[iia[o]us  (7)  x^;  yfic,  xv];  iapaiac,  (?),  rji  liExl/si  (8)  xö  iitaviü  ißioxa- 
cpEiov  x6  ■JjiJ.tau,  ä  (9)  vjv  impirovos  xoO  xoTiapxV/aavxoj  (10)  5to  Sxpaxtova  xov 
IlEpl  eVjßas,  ä  7ipo;(ll)EßäXexo  (sie)  8!.'  'Ovo|i,apxo'J  Jtpay.xopo?  (12)  xffiv  ßa- 
mXixtöv  H  IßSojiYjXOvxa  .  (13)  'ExEtpoxpä^yjaEV  nxo>.E(iat05  (14)  Oemvos  ouv- 
xdiavxoj.     Auf  der  Rückseite  6  Zeilen  Demotisch. 

-)  Vgl.  Droysen,  Klein.  Schrift.  I,  S.  3C,  und  dazu  meine  Lesungen 
ebenda   S.  387. 

WiLCKEN,  Ostraka.  -^ 


66  111-  KAriTKL. 


Urkuiuleuwesen  des  III.  Jahrhunderts,  wie  bemerkt,  eigentümlich  ist, 
zu  orkliiren  seiu  wird.  Dass  Ti£T:xwy.£V  etwa  activisch  zu  fassen  sei. 
haho  ich  für  ausgeseldossen.  Es  ist  vielmehr  anziierkonneu,  dass 
wir  hier  eine  spi'achliche  Geschmacklosigkeit  vor  uns  haijen,  wie  sie 
ja  der  Actenstil  nicht  nur  jener  fernen  "Zeiten  gelegentlich  zu  zeitigen 
pflegt.  Dieselbe  Construction  findet  sieli  übrigens  auch  auf  der 
oben  erwähnten  Pariser  Holztafel,  die  derselben  Zeit  angehört,  wo  es 
heisst:  Ile^ixtoxev  —  Teö?  UaTi^iiiOL:  xal  Z[itvts  äSsX^ö;  stßtoßoaxot. 
In  den  unter  2''  zusammengestellten  Nummern  ist  r.iT.'urÄBV  zu  er- 
gänzen. Aehnlich  fehlt  es  auch  in  den  jener  Pariser  Holztafel  ganz 
ähnlichen  Tafeln  des  British  Museum i)  und  des  Berliner  Museum-). 
Dass  auch  hier  TiirzxtaxEy  im  Eingang  zu  ergänzen  ist,  zeigt  die 
Vergleichung  mit  der  sonst  völlig  übereinstimmend  stilisirten  Pariser 
Holztafel.  Auch  die  Subscriptionen  der  Berliner  Tafel  legen  es 
nahe  (s.  unten). 

Doch  wer  ist  nun  der  Empfanger  des  Geldes,  der  unsere 
(Quittungen  ausgestellt  hat?  Man  kanu  nur  schwanken  zwischen 
dem  Trapeziten,  an  den  ja  alle  Geldsteuern  zahlbar  waren,  und  dem 

')  Die  Londoner  Tafel  (Brit.  Mus.  5849)  ist  von  Eng.  Eevillout  in  Eev. 
Kgyptol.  II  Nachtrag  S.  54  und  wiederum  in  Proceedings  Soc.  Bibl.  Arcli.  XIV 
S.  82  publicirt  worden.  Nach  meiner  Lesung  des  Originals  lautet  der  Text 
folgendermassen :  Recto:  (1)  "-Xa  'Eitelcp  tr)  (2)  TaS'aiJTig  [Z|i]Cvtos  (corrig.  i 
(3)  v.aX  TaXtpig  Ziitvoj  (sie)  (4)  x'|X7)v  ißtoxacpsiou  >iai  (5)  xf/?  TcpotpriTEtas  xai 
■coü  (6)  i\\r.<zox>i  ttj;  Stupeaiag  t%Zi  (^)  ^ii  |isx£X--  "^^  sTiavio  £ß'.o-(S)Tacpst</v 
■cd  ^\y.zx>,  S.  rjv  (9i  Aiopimvog  xoO  toitapXT/aav-l  lOjtoj  xov  IIspl  Orjßac;  xä:tov, 
(11)  a  ^ipojsßäXovxo  Tstöj  xai  (12)  Z|iivts  6'."  'Ovo|iapxou  7cpaxxo-(13)pcs  X(üv 
ßactXixÄv  xai  7capEXi-(14)P'»)aav  TaS-aüxEi  xai  TaX[i]-(t.5)ßs'.  slg  ävareXv^ptoaiv 
•-  (=8paxiii3v)  SI  (=  210)  (16)  |-  (=Spax|xa;)  ißB&ixrjxovxa.  Darauf  1  Zeile 
Demotisch.  Verso:  1)  1-Xa  'ETceicp  ir^  ni--to-  (2)  xsv  Eöär/iicoi  (steht  über  durch- 
strichenem  9-e-,  was  wohl  Biiü\i  werden  sollte)  5'.'  'ATtoXXcoviou  (3)  \-  sßSour)- 
xovxa.  Von  Kleinigkeiten  abgesehen,  ist  hier  namentlich  die  neue  Lesung  in  s 
ä  ^v  statt  3' ■^v,  in  13/4  TcapsX'PIJav  =;  itapsxsip'i'ioav  und  in  15  L  ai  wichtig. 
Letzteres  bezeugt,  dass  die  70  Drachmen,  über  die  hier  quittirt  wird,  die  letzte 
Rate  einer  Gesammtsumme  von  210  Drachmen  sind.     Vgl.  Kap.  IV. 

^)  A\i(  die  Berliner  Tafel  (n.  8131),  die  gleichfalls  aus  dem  31.  Jahre  de- 
Philadelphos  stammt,  habe  ich  schon  des  öfteren  hingewiesen,  doch  den  Te.xi 
publicire  ich  hier  zum  ersten  Mal.     Er  lautet: 

■-Xa  IlaxüJvs  ts  enl  xi)v  sv 

Aiöj  ixöXs'.  xf/i  iiEYdXvji  xpd7ieja\ 

&:'  EOärjitou  • 

ßaaiXöi  nxoÄs|iaitoi  Tewj  Ha- 


THEBANISCHE  BANKQUITTUNGEN  AUS   PTOLEMÄERZEII'.  ()7 


Erlieber.  An  letzteren  möchte  ich  deshalb  nicht  denken,  weil  ich 
glaube,  dass  die  mit  Ciid,  eingeleitete  Person  eben  der  Erheber  ist.  Nach 
Analogie  vieler  anderer  Fälle  könnte  man  zwar  zunächst  annehmen, 
dass  mit  ota  die  Person  eingefülirt  werde,  durch  deren  Vermittelung 
die  Zahlung  an  den  Erheber  erfolgt,  also  irgend  ein  Verwandter 
oder  Untergebener  des  Zahlers.  Aber  da  an  dieser  Stelle  mehrfach 
derselbe  Name  begegnet,  z.  B.  SwcJipa-co5  in  305  —  310  u.  s.  w., 
wird  man  in  ihm  vielmehr  einen  Beamten  sehen  müssen,  der  regel- 
mässig mit  der  Zahlung  zu  lliun  hat.  Und  das  kann  hier  wohl 
nur  der  Erheber   sein.      Der  Trapezit    ist  jedenfalls    ausgeschlossen, 


5       ■z<i)\i'.OQ  //////  xal  Ziitvtj  däsXcpol 

Epioßoaxol  eZj  triv  xi|i7)v  xoO  Eßioxacpstou 
y.ai  1^5  ampsaia?  yfiz,  ^s  ^l.s.■zix^^■ 
t6  Ijicivo)  ißioxacpstov  xö  v)|iuau, 
&  Tjv  Acop'.tüv'.o;  (sie)  toO  xojxapxvjaavxo; 
10       [ö]-ö  SxpäxMva  xov  IIspl  ßVißa;  -zot.ow, 

ä  TTpoEßaXexo  (sie)  Sta  "Ovoiiapxou  7ipäxxop(o?) 
h    äß8o)j.i^xovxa.  xmv  ßaatXtxöv 

(a.  Ha!i(l:i       üsiixtoxsv  QiiüY.  \-    äß5o|irjXOvxa. 
(3.  Haud:i       ni-X(üxsv  5'.'  'AncXXwvtou 
15       oi-/.ovö[iOU  h    äßSi[iY,y.ovxa. 

Darauf  1  Zeile  Demotisch. 
In  diesem  Text  hat  .J.  G.  Droysen  das  Wort  Eaov6(iou  (seil.  y^a.Xv.oti)  zu 
finden  geglaubt  (Kl.  Schrift.  II  S.  302).  Offenbar  hat  ihn  der  Anfang  von 
Z.  15  getäuscht,  wo  vielmehr  olxovö|iou  steht.  Uebrigens  kommt  der  Ausdruck 
XaXxoD  iaovöp.ou  im  III.  Jahrb.  v.  Chr.  noch  nicht  vor.  Vgl.  Grenfell,  Re- 
venue Pap.  Append.  III. 

Eine  ähnliche  Holztafel  befindet  sich  im  Besitz  des  Herrn  Prof.  J.  J.  Hess 
in  Freiburg  in  der  Schweiz.  Auch  sie  stammt  der  Schrift  nach  zu  urteilen  aus 
der  Mitte  des  III.  Jahrh.  vor  Chr.  Auch  hier  wird,  falls  meine  Lesung  der 
schwierigen  Zeile  6  richtig  ist,  über  Summen  (in  natura)  quittirt,  die  zur 
Erlangung  eiuer  Priesterstelle  gezahlt  sind.  Jlit  freundlicher  Erlaubnis  des  Be- 
sitzers publicire  ich  hier  den  Text: 

■- 1  Ilaüvt 

jiapaSEX'"!"'- 
MsXav.  'f^p[iocpiXou 
xai  XaiipsC 
5       Ilaxoöxog  xt|jiT|V 

ispaixia;  (sie)  -^-  (=7LUp&iJi  s'.v.'^j: 
xpsts  l-  d  x3 
/  y-r'-öxä 
Auaavtas. 
C  1.  itnicTti'eci. 


68  ni.  KÄPITKL. 


denu  die  Bank  zahlt  hier  ja  nicht,  sondern  sie  empfängt.  Es 
ist  aber  zu  beacliten,  dass  das  Std  mit  7C£-t(j)X£V  zu  verbinden 
ist.  Also  durch  den  Erheber  ist  die  Zahlung  erfolgt.  Andrerseits 
ist  zweifellos ,  dass  die  Personen ,  die  im  Nominativ  vor  den 
Summen  genannt  werden,  wirklich  die  Steuerzahler  sind,  denn 
es  kommen  aueli  Frauennamen  darunter  vor.  Danach  ist  es  mehr 
als  wahrscheinlich,  dass  der  ungenannte  Empfänger,  der  nach  Ana- 
logie der  angeführten  Urkunden  sich  '  im  Dativ  (xw  oetvi,  seil. 
7t£7iT(i)X£v)  hätte  nennen  können,  kein  anderer  als  der  Trapezit  ist, 
und  dass  wir  also  auch  hier,  wie  in  den  meisten  angeführten  Ur- 
kunden ausgeschrieben  ist,  ein  £7:1  f^^v  ev  Aio;  nöXei  r^  jisya^Y) 
xpaTiel^av  zu  ergänzen  haben. 

Ganz  ungenannt  ist  der  Trapezit  aber  vielleicht  doch  nicht  in  allen 
Fällen  geblieben.  Mehrere  Urkunden  haben  demotische  Beischriften. 
Es  ist  meine  Vermutung,  dass  diese  Beischriften  von  der  Hand  des 
Trapeziten  herrühren  und  uns  seineu  Namen  nennen.  So  hat  z.  B. 
Revilloiit  für  die  demotisehe  Beischrift  von  305  folgende  Ueber- 
setzung  geliefert,  für  die  ich  ihm  natürlich  die  Verantwortung 
Überlassen  muss  (Rev.  Egyptol.  VI.  S.  11.):  „A  ecrit  Psemont  tils 
de  Tees  (?)  sur  1  kati  (2  drachmes  de  sei)  en  compte."  Der  Name 
^'£[Ji[i.wv{)'r;;  T£(ÖT05  (?)  findet  sich  in  dem  griechischen  Teil  nicht: 
der  Erheber  heisst  SwaxpaTog,  die  Zahler  Hi^il^fic.  und  Tav£)^äTtg. 
Ich  meine,  W£[jijiwv&r,;  ist  der  Trapezit,  der  diese  Subscription  in 
einheimischer  Sprache  darunterfügt  und  damit  den  Inhalt  des  Grie-  j 
chischen  kurz  recapitulirt ,  etwa  wie  wir  unter  anderen  Urkunden-  ^ 
gruppen  die  Subscription  linden:  '0  Seivk  Eypa'jix  oder  a£arj[i£t(i)[iai  ^ 
5pa.y(_\i.a.q  x.  Ebenso  gewinnen  wir  nach  Revillout's  Lesung  für  309  T 
einen  Trapeziten  'AjiEvw&r^;,  für  1227  einen  llzizvEyo6~f,c,  (hier  ist  » 
eine  vollständige  demotisehe  Uebersetzung  des  Griechischen)  u.  s.  w. 
Die  genannten  Männer  sind,  ihrem  Namen  nach  zu  schliessen,  alle 
Aegypter  und  können  oflenbar  nicht  griechisch  sclireiben.  Dazu 
hatten  sie  wohl  ihre  griechischen  •(p'xp.\isii.xzlQA)  Für  unser  Formular 
ist  aber  hervorzuheben,  dass  diese  demoti.schen  Subscriptionen  nur 
hin    und    wieder   stehen,    also  nicht  notwendig  sind  —   ebensowenig 


*)  Es  ist  auffallend,  dass  man  damals  (III.  Jahili.  v.  Chr.),  falls  ol)ii;c 
Vermutung  zutreffend  ist,  so  viele  Aegj'pter  zur  Trapeza  zuliess.  Im  II.  .lalirli. 
V.  Chr.  finden  wir  fast  regelmässig  Jlänner  mit  griechischen  Namen  als  TrajK- 
ziten  (vgl.  Lumbroso,  Eechcrches  S.  331).     Vielleicht  sah  die  Regierung  anfangs 


THEBANISCHE   BANKQUITTUNGEN  AUS  PTOLEMÄERZEIT.  69 


wie  die  griechischen  Subseriptioneii  (s.  unten),  li-h  lialte  es  übrigens 
nur  für  zufällig,  dass  wir  noch  keine  Urkunde  dieser  Art  mit 
griechischer  SubscrijDtion  haben. 

Wir  sind  also  zu  dem  Resultat  gekommen,  dass  in  diesen  Ur- 
kunden die  Bank  über  Zahlungen  ((uittirt,  die  von  den  Zahlern 
durch  Yerniittelung  der  Erheber  eingegangen  waren.  Folgt  daraus 
nun,  dass  diese  Quittungen  den  Zahlern  ausgestellt  wurden?  Ich 
denke,  nein.  Denn  dagegen  spricht,  dass  mehrfach  auf  einem 
Ostrakon  die  Zahlungen  von  zwei  Zahlern  gebucht  sind.  AVer  von 
beiden  bekäme  dann  das  Ostrakon?  Ich  glaube  darum  annehmen  zu 
müssen,  dass  diese  Quittungen  von  den  Bankbeamten  den  lOrhebern 
ausgehändigt  wurden.  Dasselbe  werden  wir  auch  sonst  überall  anzu- 
nehmen haben,  wo  die  Bank  von  dem  Zahler,  nicht  von  dem  Erheber 
die  Zahlung  aussagt.  Es  wird  sich  als  Endresultat  ergeben,  dass  im 
ni.  Jahrh.  vor  Chr.  die  Bank  beide  Arten  von  Quittungsformen 
kennt,  dass  dann  im  II./I.  Jahrh.  v.  Chr.  die  Nennung  des  Erhebers 
in  der  Quittung,  mit  völliger  Uebergehung  der  Zahler,  herrschend 
wird,  dass  dagegen  von  Augustus  an  die  Bank  mit  Uebergehung 
der  Erhebernameu  regelmässig  nur  die  Zahler  nennt.  Alle  diese 
Quittungen  aber  werden,  mag  Zahler  oder  Erheber  genannt  sein, 
regelmässig  dem  Erheber  eingehändigt  worden  sein,  der  die  betreffende 
Zahlung  aus  der  Hand  des  Zahlers  an  die  Bank  übermittelt  hat. 
So  scheint  es  wenigstens  für  Theben  zu  gelten.') 

3"- 

Datum  (Jahr,  Movat,  Tag)  —  TttmwKev  —  ßr  Abgabe  —  der 
Zahler  —  Summe.     Vgl.  325,  336. 


die  Eingeboreuen  wegen  des  lebhaften  Verkelu's  der  aegyptischen  Subalterubeauiteu 
mit  der  Bank ,  die  damals,  unter  Pliiladeliihos,  wohl  noch  selten  Griechisch  ver- 
standen, nielif  ungern  in  dieser  Stellung.  .Jedenfalls  werden  sie  Griechen  neben 
sich  im  Amte  gehabt  haben. 

')  Im  Faijüm  z.  B.,  wo  überhaupt  die  Quittungsformulare  in  mehreren 
Punkten  von  den  thebanischeu  und  auch  elephantiuischen  abweichen,  stellt  die 
Bank  Quittungen  aus,  in  denen  sowohl  der  Erheber  (mit  6iä  oder  im  Dativ)  als 
auch  der  Zahler  genannt  wird.  Diese  Quittungen  aber  werden  dem  Zahler 
ausgehändigt.  Das  zeigt  der  Zusatz,  der  zum  Schluss  gelegentlich  zu  dem 
Namen  des  Zahlers  gemacht  ist:  \l%  xP')=^*1'-"''=;  äxEpo)  aiJ|jißöX(n  oder  ähnlich. 
Vgl.  BGtJ  CG  und  214  und  dazu  unsere  Ausführungen  S.  7  9.  Da  hier  der 
Zahler  (in  CG  ein  Adv^o;,  in  214  die  Jipsaßüxspot)  ermahnt  wird,  sich  keine 
andere  Quittung  ausstellen  zu  lassen,  so  muss  auch  der  Zahler  der  Empfänger  sein. 


III.   KAlM'l'EL. 


3' 


Damelbe,  ohne  mntaxer.     Vgl.  1230,   1236,  1339,  1491. 

Die  Urkunden  gehören  sämmtlich  dem  III.  Jahrh.  vor  Chr.  an. 
Dieses  Formular  ist  mit  dem  vorigen  identisch,  nur  fehlt  die  mit 
5;ä  eingeleitete  Erwähnung  des  Erhebers.  Andrerseits  findet  sich 
hier  in  325  und  1491  die  Subscription  der  Trapeziten,  die  dort 
fehlte.  Die  Subscription  hat  hier  noch  die  denkbar  einfachste  Form: 
nur  der  Name  (im  Nominativ)  ist  genannt.  Sehr  auffällig  ist 
der  Vermerk  am  Schluss  von  1230:  AwpEwvi.  Ich  glaube,  wir 
haben  hierin  den  Namen  des  Erhebers,  der  die  Zalilung  des  Wefifieivi; 
au  die  Baidv  i)  befördert  hat.  Damit  kann  wohl  nichts  anderes 
ausgedrückt  sein,  als  dass  diese  Quittung  für  den  Erheber  Atüpuov 
bestimmt  war,  und  ich  finde  darin  eine  Bestätigung  der  obigen 
Auseinandersetzung,  wonach  auch  diejenigen  Bankquittungen,  die  den 
Zahler  nennen,  doch  dem   Erheber  ausgehändigt  wurden. 

Dass  die  in  diesen  Quittungen  genannten  Personen  wirklieh 
die  Zahler  und  nicht  die  Erheber  sind,  geht  daraus  hervor,  dass 
auch  ein  Frauenname  begegnet:  33()  No^^£p£T  d.  h.  „(die)  Schöne". 
'OaopYEi  in  1236  ist  übrigens  offenbar  mir  ein  Versehen  für  'Oaopy^j. 

4. 

Datum  (Jahr,  Monat,  Tay)  —  für  Abgabe  —  der  Erheber  — 
Summe,     tiubmripüon.     Vgl.  1491.     III.  Jahrh.  >  vor  Chr. 

Dies  Schema  ist  formell  mit  3''  identisch,  nur  wird  der  Erheber, 
nicht  der  Zahler  genannt.  Die  hier  erwähnte  Person  $iXoz.X:^; 
Ntxwvoi;  ist  uns  nämlich  durch  1253,  1254  =  1489  und  1338  als 
Steuererheber  für  die  Mitte  des  III.  Jahrhunderts  vor  Chr.  bezeugt. 
Nun  könnte  man  ja  vielleicht  dem  vorigen  Schema  zu  Liebe  annehmen, 
dass  Philokles  in  dem  hier  genannten  Jahre  (a.  15)  nicht  Steuer- 
erheber gewesen  sei,  also  als  Steuerzahler  figurire,  ähnlich  wie  der- 
.selbc  X£|xuv£Qi;  'Ivapöxog  im  J.  178  n.  Chr.  als  xeXtüVYjg  (1067), 
im  J.  154i5  n.  Chr.  als  Zahler  begegnet  (l444).  Gewiss  wäre 
dies  nicht    unmöglich,   und    dann    wäre   diese  Nummer  einfach  dem 


')  Im  Text  ist  schon  angoileutet,  dass  es  sich  hier  vielleicht  um  eine 
Naturallieferung  handelt.  Dann  ist  oben  nur  statt  der  Bank  der  Thesauros  ein- 
zusetzen.    IJank   und   Thesauros  hal>en  aber  analoge   Formulare. 


TUEBANISCHE   BANKQUITTUNGEN  AUS  PTOLEMÄERZEIT.  71 


vorigen  Schema  zuzuweisen.  Aber  ich  nnichte  bis  auf  Weiteres  das 
Nächstliegende  i'iir  wahrschcinlirli  liaUen  und  den  Philokles  audi 
hier  als  Steuercrhcbcr  betrachten.  Auch  mit  Kiick.^icht  auf  das  folgende 
Schema  nehme  ich  also  an,  dass  auch  schon  im  III.  Jahrh.  die  Bank 
auf  den  Namen  des  Erhebcrs  die  (Quittung  ausstellen  konnte,  wie 
sie  das  im  II.  Jahrhundert  fast  regelmässig  gethan  hat. 

Die  Subscription  ist  hier  schon  etwas  entwickelter.  Zwei  Trape- 
ziten  unterschreiben.  Der  Eine  nennt,  wie  oben,  nur  seinen  Namen, 
der  Andere  aber  fügt  die  empfangene  Summe  hinzu. 

h. 

Ddhitii  iJ((Jir,  Moniit,  Tag)  —  TitntM-Mv  tni  tJ,)'  *V  Oiinnnmc  roa- 
Tif^uf,  f'cp  i^g  der  Trapezit,  für  Abgabe  —  der  Erlieber  —  Humne. 
Subscrlpfion.    Vgl.  329,  331,   1338   (Mitte  des  III.  Jahrh.  v.  Chr.). 

Diese  Formel  bildet  die  Verbindung  zwischen  der  vorhergehenden 
und  der  folgenden.  Alles,  was  wir  uns  bei  der  vorigen  ergänzen 
mussten,  ist  hier  ausgeschrieben.  Dass  die  hier  genannten  Personen 
die  Erheber  sind,  dürfte  namentlich  durch  das  nächste  Schema  mehr 
als  wahrscheinlich  werden.     Man  bedenke  auch  die  grossen  Summen. 

Eine  beachtenswerte  Erweiterung  des  Schemas  zeigen  331  und 
1338,  insofern  vor  der  Nennung  der  Abgabe  das  Wort  ßaatXsI 
eingeschoben  ist,  das  man  mit  TiSTiTwy.ev  zu  verbinden  hat.  Der 
Sinn  ist  klar.  Ich  finde  diesen  Zusatz  auch  sonst  noch  bei  Urkunden 
der  älteren  Zeit.  Vgl.  die  oben  publicLrte  Berliner  Holztafel  vom 
Jahre  254  vor  Chr.,  wo  noch  deutlicher  .steht:  ^xaiXel  U.ioXz\iocl(ii'.. 
Aehnlich  heisst  es  in  den  Zoispapyri:  BaatXsöao.  Auch  in  der 
Londoner  Bilinguis  (s.  oben)  steht  ßaatXel. 

Die  Unterschrift  des  Trapeziten  ist  in  diesen  Nummern  vom 
YpstliliatEUi;  in  Stellvertretung  geleistet  worden.  Oöcnbar  konnte 
AloSoto;  —  alle  drei  Texte  nennen  ihn  als  Trapeziten  —  nicht 
schreiben,  und  begnügte  sich  für  seine  Person  mit  den  drei  Kreuzen 
am  Schluss:  X  X  X.  In  331  und  1338  (beide  von  demselben  Jahre) 
ist  nur  Name  und  Titel  der  Subscribenten  genannt,  in  329  auch 
die  Summe. 

Datum  (Jahr,  Monat,  Tag)  —  tttu-Aiui  tn)  t\v  iv  Ortsname 
iQttns^av,  icp   7;g  der  Trapezit,  für  Abgabe  —  der  Erheber  —  Summe. 


72  ill-  KAPITEL. 


Sub^crlptioit  des  Trapeziten.    Vgl.  317,    319,    334,    335,   337,    339, 
340—342,  344,  345,  347,  [348],  351,  353,   1228,   1232,   1351, 
1354,  1357,  1359,  [13G2],  1503,  1504,  1506—1508,  1515—1518,- 
1526,   1615  (II.  Jahrli.  vor  Chr.). 

ßh. 

Da^xelbe,  ohne  den  Zusatz:  icp  ijq  der  Trapezii.  Vgl.  322,  324, 
327,  330,  346,  349,  350,  354,  1234,  1235,  1315,  1345,  1346, 
1496,  1497,  1499,  1522,  1532,  1534  (IL  Jahrh.  vor  Chr.). 

Es  ist  für  die  gauze  Steuergeschichte  von  grösster  "Wichtigkeit, 
(lass  diese  Quittungen  nicht,  wie  wir  früher  annahmen,  dem  Zahler, 
sondern  dem  Erheber  ausgestellt  sind.  Ich  liabe  schon  oben  darauf 
hingewiesen,  dass  Nr.  1255  mir  den  Anstoss  zu  diesem  Umschwung 
gegeben  hat.  Sie  ist  zwar  nicht  von  der  Bank,  sondern  vom  The- 
sauros  ausgestellt,  doch  ist  das  Schema  dem  unsrigen  so  analog, 
dass  die  Frage  untersucht  werden  musste,  ob  nicht  auch  in 
diesen  Bankurkuudeu  der  Erheber  der  Quittungsempfänger  sei.  Auf 
einzelne  Fälle,  in  denen  sich  diese  Frage  mit  Sicherheit  beantworten 
lässt,  .sei  hier  hingewiesen. 

Xr.  1233,  die  mir  gleichzeitig  mit  1255  durch  Sayce  bekannt 
wurde,  nennt  als  Quittungsschreiber  einen  Efjjiwv  'lal^äpoii  6  s^EtXr,- 
9(bc  XYjv  xe-capTr^v  Ttbv  äXtewv  etj  xö  y.rj'-.  Als  Entrichter  dieser 
selben  Fischereiabgabe  an  die  Bank  nennt  nun  aber  für  dassellie 
28.  Jahr  Nr.  337,  die  zu  unserer  Gruppe  gehört,  einen  Stjiüjv.  Es 
ist  wohl  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  beide  Urkunden  dieselbe 
Person  vorführen.  Folglich  ist  für  337  erwiesen,  dass  die  hier 
genannte  Persönlichkeit  der  Steuererheber,  nicht  der  Steuerzahler 
ist.  .St(Jiü)v  liefert  also  an  die  Bank  ab,  was  er  vom  Zahler 
erhalten  hat. 

Ferner:  In  Nr.  1029  stellt  im  J.  35  ein  'ßpo;  AuxO'j,  zusammen 
mit  seinem  Corajjagnon  als  o;  ~pbi  xv)'.  xexäpxr^i  xiöv  aXtecov,  also 
als  Fischerciabgabenpächter  bezeichnet,  in  Briefform  dem  Zahler 
eine  Quittung  aus.  In  Nr.  1347  vom  17.  J.  und  346  vom  .'i2.  J., 
von  denen  die  Letztere  zu  unserer  Gruppe,  die  Erstere  zur  nächsten 
(verwandten)  gehört,  wird  einem  'Qpo;  A'j'/.ou  über  dieselbe  Al)gabi 
von  der  Bank  ijuittirt.  Auch  der  'Qpo;  in  326  vom  14.  J.  und 
1348  vom    18.  J.  empfangt  über  die   nämliche  xsxipxr]  aXisojv  vcm 


THEBANISCHE  BANKQUITTÜNGEN  AUS  PTOLEMÄEUZEIT.  73 


der  Bank  Quittuug.  Es  unterliegt  für  mich  keinem  Zweifel,  dass 
in  all  diesen  Fälk'ii  ein  und  dieselbe  Persönlichkeit  gemeint  ist. 
AVer  die  Niimniern  genauer  mit  einander  vergleicht,  wird  mir  bei- 
stimmen. Somit  ist  ilurcli  1(J29  erwiesen,  dass  aueli  die  Bankcjuittungen 
o26,  ;>4G,  l.")47  luid  l.'!48  an  den  Steuerpäditer,  nicht  an  den 
Zahler  gerichtet  sind.  Es  ist  als  ein  besonderer  (ilüeksflill  zu  be- 
trachten, dass  bei  dem  immerhin  noch  geringen  Material  die  Ur- 
kunden sich  zweimal  in  dieser  AVeise  gegenseitig  interpreth-en. 

Man  wird  auch  in  den  anderen  Urkunden  leicht  Indicien  finden, 
die  für  diese  Auffassung  sprechen,  so  namentlich  die  vielfach  ausser- 
ordentlich hohen  Summen,  die  die  Quittungsemplanger  zahlen,  die 
als  Steuerbeiträge  der  einzelnen  Unterthanen  ganz  unglaublich  wären. 
Doch  ich  will  nicht  allzu  lange  hierbei  verweilen.  Für  micli  ist 
nach  allem  diesem  ausgemacht,  dass  nicht  nur  326,  -j37,  34(3,  1347 
und  1348,  sondern  alle  thebanischen  Urkunden,  die  dasselbe  Formular 
aufweisen,  Quittungen  sind,  die  die  Bank  dem  Erheber  ausstellt 
und  dass  diese  Art  zu  quittiron  im  II.  Jahrb.  vor  Chi\  —  denn 
diesem  gehören  sie  sämmtlich  au  —  üblich  gewesen  ist.i)  Dies 
gilt  wenigstens  für  Theben.  AVir  werden  sehen,  dass  in  dem  be- 
nachbarten Krokodilopolis  die  Bank  auch  im  II.  Jahrb.  nach  Art 
des  III.  Jahrhunderts  den  Zahler  in  ihren  Quittungen  nennt.  Unter 
den  thebanischen  Quittungen  scheint  mir  nur  eine  zu  sein,  die  auf 
den    ersten    Blick    diese    letztere    Usauce    zu    bezeugen    scheint,    ich 


')  Es  erklärt  sieh  aus  der  Xatur  des  einzelnen  Falles,  dass  die  soge- 
nannten ,,trapezitischen  Register"  derselben  Zeit  aueli  in  Theben  nicht  auf  den 
Namen  des  Erhebers,  sondern  auf  den  des  Zahlers  ausgestellt  sind.  Hier  kommt 
es  ja  gerade  darauf  an,  nachzuweisen,  dass  dieselbe  Person,  die  den  Contract, 
auf  dem  die  Bemerkung  notirt  ist,  geschlossen  hat,  auch  die  dadurch  fällig 
gewordene  Verkehrssteuer  gezahlt  hat.  Die  Letztere  muss  schon  danuu  auf 
seinen  Namen  ausgestellt  werden,  weil  der  Contract  mitsaramt  der  trapezitischen 
Quittung  für  ihn  unter  Umständen  dazu  dienen  soll,  die  Rechtmässigkeit  der 
betrefl'enden  Erwerbung  etc.  documentarisch  zu  belegen  (vgl.  Hermiasj)rocess, 
Pap.  Taur.  1  5,18:  ä)v  xai  xä  xiXrj  xstax^'a'-  scj  XTjv  xoö  svJtuxXiou  (ivTiV). 
Eine  eingehendere  Besprechiuig  dieser  wichtigen  Urkundenklasse  behalte  ich 
mir  für  meine  Neuedition  derselben  in  den  ,,Ptolemäerte.xt«n"  vor.  Bisher 
giebt  es  keine  fehlerlose  Publication  derselben.  Einstweilen  verweise  ich  auf 
J.  G.  Droyseu,  Kl.  Schrift.  1  1  ff.  und  dazu  meine  Notizen  S.  386/7.  Eine 
Zusammenstellung  vieler  Texte  findet  man  bei  Wessely,  Wien.  Stud.  III.  .S.  1  tf., 
der  sich  aber  fast  überall  damit  begnügt  hat,  die  alten  Lesungen  mit  den  alten 
Fehlern  wieder  abzudrucken. 


HI.  KAPITEL. 


meine  1;>15,  wo  der  Name  also  lautet:  0£p(io«  Msx^pso'j;.  Wohl 
seheiut  es  am  nächstlicgciuleii  x)-£p[tc'J  in  0£p[iO'Ji>i;  oder  Bspixo'jS-apiOV 
aufzulösen,  also  einen  Frauennanicn  zu  bilden,  und  damit  wäre 
allerdings  auch  für  Theben  der  Brauch  des  III.  Jahrhunderts  für 
diese  Zeit  erwiesen.  Aber  ehe  zwingende  Gründe  hierfür  vorliegen, 
ziehe  ich  es  vor,  eine  männliche  Ableitung  von  dem  Göttinnennameu 
Oeplioö&is  zu  supponiren,  etwa  ©spjxou^tcov,  das  dem  häufigen  'latwv 
analog  wäre,  oder  auch  6£p|i.oi)9-LO?  (vgl.  'laioc),  das  vielleicht  im 
Leipz.  Pap.  4  Recto  vorliegt ' ),  und  wovon  das  Femininum  0£p|j.ou8-ia 
bezeugt  ist.  Jedenfalls  sind  wir  nicht  genötigt,  hier  einen  Frauen- 
namen zu  ergänzen.  Somit  können  wir,  wie  mir  scheint,  eonstatiren, 
dass  in  dem  bis  jetzt  vorliegenden  JMaterial  aus  Theben  kein  ludicium 
gegen  die  Annahme  spricht,  dass  in  den  Bankquittungeu  des  II.  Jahr- 
hunderts nicht  der  Zahler,  sondern  der  Erheber  genannt  werde.-) 
Wir  haben  noch  einige  Einzelheiten  zu  besprechen.  In  der 
Gruppe  &'  fehlt  der  Zusatz  r^'  fj?  (seil,  -^xr.i^rji)  6  ozIvol.  Diese 
Angabe  war  allerdings  entbehrlich ,  wenn  der  Trapezit  eigen- 
händig den  Text  unterzeichnete.  Freilich  fehlt  in  einigen  Urkunden 
dieser  Gruppe  auch  die  Subseription,  so  in  327,  354,  1235,  1346, 
sodass  hier  überhaupt  nicht  gesagt  ist,  welcher  Trapezit  die  Quittung 
ausgestellt  hat.  Man  möchte  fast  meinen,  dass  sie  nicht  correct 
abgefasst  seien.     Aber  hätten  sich  die  Erheber  damit  zufrieden  ge- 


')  Hier  könnte  öep^iouS-Lti)  freilicli  auch  von  dem  Femininum  6ep|ioü3-iov 
abgeleitet  sein.  Von  einem  Zollpächter,  wie  Wessely  (Ber.  Verh.  Sachs.  Gesell. 
1885,  S.  244)  zu  dieser  Stelle  meint,  ist  hier  kaum  die  Rede,  vielmehr  von 
irgend  einer  Person,  an  welche  eine  Zahlung  gemacht  ist.  Vgl.  EiaiScöpto  iu 
Z.  14.  Auf  Parthey,  Aegypt.  Personeimamen  S.  119  durfte  sich  Wessely  für  das 
Masculinum  8sp[ii5ä-i.g  jedenfalls  nicht  beziehen.  Parthey  hat  dafür  nur  einen 
sehr  wenig  glaubwürdigen  Zeugen,  nämlich  Hcliodor,  Aethiop.  2,12.  Wenn 
Hcliodor  allen  Ernstes  einen  Räuber  mit  Namen  9sp|xo08-ig  auftreten  lässt,  so 
ist  das  nur  ein  neuer  Beweis  dafür,  dass  er  von  aegyptischen  Dingen  nicht 
viel   versteht.     Vgl.  K.  Rolido,  Griech.  Roman  S.  455  f. 

'-)  Dagegen  wird  mir  in  letzter  Stinide  für  Ilermouthis  eine  Ausnahme 
bekannt.  In  einem  soeben  vom  Berliner  Museum  erworbenen  Ostrakon  (P.  8622) 
des  II.  Jahrhunderts  quittirt  die  Bank  von  Hermonthis  zwei  Frauen.  Vgl.  Kap.  IV 
§  9.1.  Der  Xame  der  Ersten  fängt  mit  Ta  an,  die  zweite  hcisst  JlsvS-öiX'.s.  Ich 
kann  mich  jedoch  des  Verdachtes  nicht  erwehren,  dass  der  Schreiber  hier  aus 
Versehen  'ep|i(ö)v!)-£'.)  statt  Kpo(xo8tX(ov  ndXei)  geschriebsn  hat.  Die  Erwähnimg 
des  Gaues  (Ila9-upixo'j)  vor  dem  Namen  der  Zahlerinncn  erinnert  jedenfalls  merk- 
würdig an  die  Quittungen  aus  Krokodilopolis.     Vgl.    1617,   1618. 


TIIEBANISCHE   BAXKQUITTUNGEN   AUS   PTOLEMÄERZEIT.  75 

geben?  So  müssen  doch  wnhl  auch  diese  Quittungen  als  vollgültig 
augesehen  sein.  Wir  werden  fiuden,  dass  auch  in  anderen  Urkunden- 
klassen, auch  in  der  Kaiserzeit,  dieselben  Formulare  bald  mit,  bald 
ohne  Subscription  erscheinen.  Vielleicht  war  die  Echtheit  der  nicht 
subscribirten  dadurch  garantirt,  dass  liier  der  Trapezit  selbst  den 
ganzen  Text  geschrieben  hatte,  während  die  subscribirten  Texte 
wohl  meist  nur  von  ihren  Schreibern  geschrieben  waren.  Graphisch 
wird  sich  die  Frage  schwer  entscheiden  lassen,  denn  der  Nachweis, 
dass  ein  solcher  Test  ohne  Subscription  nicht  von  der  Hand  eines 
Trapezitcn  geschrieben  sei,   wird  schwer  zu  führen  sein. 

Betrachten  wir  die  Subscriptioneu  genauer.  Ich  beschränke 
mich  hier  auf  die  Nummern  unserer  Gruppe;  in  den  anderen  wird 
mau  dieselben  Beobachtungen  machen  können.  Es  finden  sich  folgende 
verschiedene  Arten  (einige  Citate  mögen  genügen): 

1.  Name,  Titel,  (xpaTOi^iTTj;).     Vgl.  317,  341,  351,  1232. 

2.  Name,  Titel,  Summe.    Vgl.  319,  322,  324,  326,  337,  340, 
344  etc. 

3.  Name,  Summe.     Vgl.  1345. 

4.  Titel,  Summe.     Vgl.  1351,  1354,  1506. 

5.  Summe.     Vgl.  354,  1499. 

ü.  Name,  EKrjxoXoii^l'rjxa.    Vgl.   1362. 

Es  ist  bemerkenswert,  dass  die  Summe,  die  in  den  fünf  ersten 
Subscriptionen  erscheint,  und  die  häufig  nebenbei  am  Rande  oder 
auch  vor  dem  Namen  (wie  1518)  notirt  ist,  immer  grösser  als  die 
ist,  über  die  quittirt  wird.  So  wii-d  z.  B.  in  319  über  1  Tal. 
4809  Drachm.  quittirt.  Der  Trapezit  aber  subscribirt:  'A|jijiw(vcos) 
■:pa(7i£vti:Yjs)  "v  a  erTT^o,  d.  h.  1  Tal.  5970  Dr.  Aehnlich  in  den 
anderen  Fällen.  Was  soll  das  heissen?  ilan  könnte  sich  verschiedene 
Möglichkeiten  denken.  Dass  der  Trapezit  sich  mit  dieser  Summe 
etwa  notirt  hätte,  wieviel  der  betrefi'ende  Erheber  noch  zu  zahlen 
hat,  ist  unwahrscheinlich,  denn  dann  würde  doch  wohl .  auch  einmal 
eine  Summe  dastehen,  die  kleiner  als  die  gezahlte  ist.  Es  liegt 
näher  anzunehmen,  dass  die  gezahlte  Summe  in  dieser  grösseren 
enthalten  ist.  Sollte  die  letztere  vielleicht  besagen,  wieviel  der 
Erheber  übei-haupt  zu  zahlen  hat?  Das  wäre  höchst  interessant, 
insofern  wir  dann  für  eine  ganze  Reihe  von  Abgaben  sagen  könnten, 
zu  welchem  Preise  sie  an  die  Pächter  (pro  Monat?)  verpachtet 
waren.     Doch    gegen    diese    Auffassung   spricht   Manches,   z.  B.  die 


76  III-  KAPITEL. 

Vergleicliung  von  Nr.  3o7  und  340.  Da.«  natürlichste  ist  vielmehr 
anzunehmen,  dass  iler  Trapezit  mit  dieser  grösseren  Zahl  das  be- 
zeichnet, was  der  Erheber  bisher  überhaupt  in  summa  gezahlt  hat. 
Dies  allein  scheint  mir  auch  dem  Wesen  der  Subscriptio  zu  entsprechen, 
dass  der  Trapezit  damit  über  geleistete  Zahlungen  quittirt.  Diese 
Annahme  fand  ich  nachträglich  in  London  durch  Nr.  1359  bestätigt, 
wo  es  am  Rande  ausdrücklich  heisst:  'Aj:£y(a)),  worauf  die  (grössere) 
Summe  folgt.  Damit  ist  die  Frage  entschieden.!)  —  Aber  auf 
welchen  Zeitraum  soll  sich  diese  Abrechnung  beziehen?  Soll  es 
heissen ,  so  viel  habe  ich  in  diesem  Jahr  erhalten  ?  oder  in  diesem 
Monat?  Nach  dem  im  Kapitel  VI  Mitgeteilten  wird  man  Letzteres 
für  wahrscheinlicher  halten,  denn  monatlich  rechneten  die  Trapezitcn 
mit  den  Erhebern  ab,  und  dies  ergiebt  sich  als  richtig  auch  durch 
'S'ergleichung  von  Nr.  339  und  340.  Vgl.  Kap.  IV  §  7.  Anda-er- 
seits  ist  sicher,  dass  in  1499  die  Randbemerkung  sich  auf  das 
Jahr  bezieht. 

Das  Verbum  STcaxoXou&Elv,  das  unter  6  erscheint,  können  wir 
in  der  Kanzleisprache  Aegyptens  vom  III.  Jahr,  vor  Chr.  au 
durch  mehrere  Jahrhunderte  verfolgen.  Im  III.  Jahrh.  vor  Chr. 
begegnet  es  noch  in  einer  Bedeutung,  die  der  ursprünglichen  des 
„Folgens"  nahe  kommt,  nämlich  als  „befolgen".  Vgl.  Petr.  Pap. 
(I)'XXV  2,  7,  wo  ich  lese:  l7:axoXou3"^a«i  xoT;  Tcapx  aou  T.tpl 
xouxwv  [ata&elai?].  Hier  steht  es  synonym  dem  üblichen  äxoAouS-sTv. 
Dagegen  findet  es  sich  in  einer  unseren  Stellen  näherkommenden 
Bedeutung  in  einem  anderen  Texte  des  III.  Jahrhunderts,  Petr. 
Pap.  (11),  XLb,  einem  Briefe,  in  dem  Dorotheos  dem  Theodoros 
mitteilt,  dass  die  Weinlese  bevorstehe,  und  hinzufügt:  xoi.)mc,  oöv 
TZOiTiGtii  dc-oaTcJ/.jcj  Ttva  ~fj:  f],  Sg  inv.•/.o').o'J%■^f^':5Z'.  tfjt  iyy^ae:  toO 
yivojJievo'J  ao:  ylsüxou?.  Theodoros  soll  also  einen  Vertrauensmann 
schicken,  der  dem  Eiugiesseu  des  ihm  zufallenden  Mostes  „folgt",  d.  h. 
zur  Controlle  „persönlich  zugegen"  ist.  Ebenso  in  Petr.  Pap.  (II) 
S.  [7],  unteres  Fragment  Z.  5,  wo  ich  lese:  iTiaxoXoD%-dz(i>  (statt 
ouvaxoXo'jö-EiTü))  Se  x:c  izxpi  aou  zf^i  6[i,[. .  Aehnlich  auch  im 
Revenue-Pap^Tus  57,22:  x(b:  Se  zxT£pYac;a[jLevwi  l7r[axo]Xo'j{)-^aoua'.v 
oi  TYjV  wvYjV  S/ovcEc.  In  dieser  Bedeutung  des  „persönlich  zugegen- 
sein's"  möchte  ich  das  Wort  auch  in  unseren  Texten  nehmen.      Einen 

')  Anders  fasst  es  Rcvillout   in  den  „Mülanges"  auf. 


rmOKANlSCHE  BANKQUITTUNGEN    AUS   PTOLEMÄERZEIT. 


directen  Beweis  bieten  die  Zoispapyri,  in  denen  Xpua'.TiTioi;,  von  dem 
vorher  gesagt  ist  T^apovco;  'Kpixs'.TZT.O'J,  (|uittirt  mit  <lcii  \\'orten: 
Xpijai7CT:o;  £7ir,xoXG'jit'rj(-/.x).  Vgl.  Pe3'r()n,  Zoisjjap.  S.  1*JU.  Wessely, 
Gr.  Pap.  Kais.  Samml.  Wien  S.  17.  Wir  werden  danach  £7tY]xoXoLii>Yjxa 
übersetzen  können:  Ii'h  bin  bei  der  Zahlung  zugegen  gewesen. 
Natürlich  konnte  jeder  Beamte,  der  eine  Zahlung  oder  Lieferung 
entgegennahm,  sich  in  der  Subsoription  der  Formel  £-Y^y.oXo'Ji)'yf/.a 
bedienen,*)  und  so  werden  wir  weiter  unten  dem  Worte  noch  öfter 
begegnen.  In  den  Ostraka  finden  sich  Belege  bis  in's  II.  Jahrb. 
n.  Clir.  Für  die  Ptolemäerzeit  verweise  ich  noch  auf  Pap.  I^eid.  F, 
auch  auf  die  Subscription  des  demotischen  Ostrakon  Louvre  7867 
(Revue  Eg^-pt.  IV  S.   185):  'Aax)vy;(7iiä5Yjs)  £7f/jxoXou[-9'Yj]xa. 

Besonderheiten  bieten  auch  die  Subscriptionen  von  341  und 
1228.  In  341  steht  ausser  der  Subscription  des  Trapeziten  von 
2.  Hand  geschrieben:  KoOJdocc,  Yp(a|iiJ,XT£Üg),  und  auf  der  Innen- 
seite des  Ostrakon  steht  KaXXtou  Yp(a[Ji[jiaTe(i)s)  TiSvöJV.  Das  hängt 
damit  zusammen,  dass  der  Test  von  Salzlieferungen  an  die  TlE^oö 
handelt.  Xr.  1228  ist  dadurch  bemerkenswert,  dass  nicht  der 
Antigenes,  der  im  Text  als  der  Trapezit  genannt  ist,  unterzeichnet, 
sondern  erst  ein  'A-ÖTrjvttov,  dann  ein  'HpaxXeiSvjg,  Letzterer,  indem 
er  die  gezahlte  Summe  und  auch  das  Datum  wiederholt.-)  Aus 
den  Ausführungen  in  Kap.  VI  wird  hervorgehen,  dass  diese  beiden 
die  Collegen  des  Antigenes  gewesen  sind,  die  auch  statt  seiner 
quittiren  können.     Aehnlich  1516. 

Hier  sei  noch  auf  einen  merkwürdigen  Zusatz  hingewiesen,  den 
einige    Ostraka    dieser    und    der    nächsten    Gruppe    aufweisen.      Ich 


')  Im  Pap.  Par.  62,  5,  12  (xffiv  Ss  -/.axaßoXMv  atiiißciXa  Xa|ipav£X(oaav 
7tap&  ToS  -paivsJtTou,  'moypa.cfi.c,  ixo'^'to'  '^oLpä.  xmv  £-:ia-/CC.Xou9-0'Jvxu)v)  werden 
die  jjZiüiliingszeugen"  (IjiaxoXouS'OÜvxsg)  von  den  Trapeziten  unterschieden.  Dieser 
Vorschrift  entsprechen  die  Zoispapyri,  in  denen  nicht  der  Trapezit,  sondern  der 
änaxoXouS'iöv  subscribirt.  Andrerseits  bietet  unsere  Sammlung  genug  Belege 
dafür,  dass  auch  der  Trapezit  selbst  die  Quittungen  an  die  Zollpächter  unter- 
sclirieb.     Vgl.  übrigens  Kap.  VI. 

^)  Leider  ist  es  mir  bisher  nicht  möglich  gewesen,  nach  dem  Facsimile, 
auf  das  ich  angewiesen  bin,  das  Verbum  hinter  'HpaxXsiSr;;  mit  Sicherheit  zu 
lesen.  Das  x=  =  xe(xaxxai.),  das  ich  im  Text  habe  drucken  lassen,  ist  ganz  un- 
sicher. Sprachlich  ist  es  mir  deshalb  unwahrscheinlich,  weil  das  Verbnm  an  dieser 
Stelle  in  1.  Person  zu  stehen  pflegt.  Ich  würde  ein  £Tcr|XoXou3-r|5ca  oder  ähnliches 
erwarten.     Hoffentlich  bringt  das  Orisinal  finuiiil  Sicherheit. 


78  Iir.  KAPITEL. 


meine  die  folgenden:  351  im  Ttpoxepov  ypaCipevxO  toö  taou  {i-?; 
)r[pr;arj'.].  1036  xal  |iy,  XP'^^Ti  "^^[^1  TCpöxspov  [ypaCcpivxO].  ■^•^■96  tG)i 
§J  7tp6T£pov  Yp(atpevxt)  [[iTj]  X[P]^C<^0-  -^^^^e  x(I)t  oe  T^poypa- 
(tpevxt)  xoO  Tao'j  [irj  xpif;(arjO.')  Formell  ist  bemerkenswert,  dass 
in  diesen  Parenthesen,  die  in  den  Quittungskörper  eingeschoben  sind, 
der  Quittnngsempfänger  plötzlich  in  2.  Person  angeredet  wird  (vgl. 
]02(.)).  während  die  Quittung  selbst  in  3.  Person  von  ihm  spricht. 
Der  Zusatz  besagt  nun:  „Die  früher  geschriebene  Quittung  über 
dieselbe  Zahlung  sollst  Du  nicht  gebrauchen."-)  Die  obigen 
Quittungen,  die  diesen  Vermerk  tragen,  ersetzen  also  früher  ge- 
schriebene, denen  eben  durch  den  Vermerk  die  Rechtsgültigkeit  ab- 
gesprochen wird.  Wodurch  mag  die  Cassirung  der  früheren  und 
die  Notwendigkeit,  neue  Quittungen  auszustellen,  begründet  sein? 
Die  Antwort  giebt,  glaube  ich,  unsere  Nr.  50  (aus  Elephantine), 
die  offenbar  gleichfalls  eine  Wiederholung  darstellt,  wie  folgender 
Zusatz  zeigt  (vgl.  Corrigenda):  5ia  xö  7i:(apa)7t£7LXCü(x£vat)  X'fjv 
7ipox(epav)  a.TioyJji'^').  Was  bedeutet  dies  TiapaTimxeiv  ?  Ich  hatte 
daran  gedacht,  aus  dem  „danebenfallen"  ein  „verlorengehen"  abzu- 
leiten, konnte  freilich  keinen  Beleg  dafür  bringen.  Den  richtigen 
Sinn  hat  erst  Mommsen  erschlossen,  der  mir  vorschlug,  aus  dem 
„danebenfallcn"  vielmehr  ein  „ungültig  werden,  etwa  wegen  eines 
Formfehlers"  abzuleiten.  In  der  That  lässt  sich  für  TiapaTCiTixetv 
eine  Bedeutung  nachweisen,  die  zu  dieser  Auffassung  führt.  Neben 
uapaTitTixstv  xijc,  a,Xri%-Biac,  u.  ähnl.  („von  der  Wahrheit  abirren") 
begegnet  das  Verbum  auch  absolut  in  der  Bedeutung  „verfehlen, 
fehlen,  irren".     Vgl.  Polyb.  XVIII  36,  6:    xols  o'  öAotj  TCpayjiaatv 


')  SpraclUich  sind  diese  Verbindungen  z.  T.  nicht  ohne  Härten.  Ich 
habe  geschwankt,  ob  ich  das  y%  in  ^päiiiia  auflösen  sollte,  wovon  dünn  d»r 
Genetiv  toü  taou  abhängen  würde.  Doch  würde  man  dann  eher  Tipox^pip  al.s 
Tcpöxspov  erwarten.  Immerhin  ist  die  Mögliclikeit  offen  zu  lassen,  dass  folgender- 
niassen  zu  lesen  ist:  toj  Tipoxspov  (seil,  -cpacfsv-'.)  ■(pdi.[i\ia.x<..  In  1526,  wo  Ttpo^p 
steht,  müsste  man  annehmen,  dass  auch  das  Substantivum  7ipG-)'pa[jip.a  ebenso 
wie  das  Verbum  die  Bedeutung  des  „früher  Geschriebenen"  haben  könnte. 
rpä|i|ia  würde  in  derselben  Bedeutung  stehen  wie  im  Pap.  Genfive  9,  Z.  18  f.: 
[xupi]iüv  v.ai  ßEßatov  övxcov  [xtüv  npoxipjtov  •(pa.\x]idi(i)y.  —  Tö  laov  begegnet 
in  den  Pajiyri  der  Kaiserzeit  in  der  Bedeutung  „Copie,  Exemplai'".  Doch  liegt 
es  hier  nälicr,  an  der  ursprünglichen  Bedeutung  festzuhalten. 

^)  „Gebraucht"  wurden  die  Quittungen  z.  B.  als  Documente  vor  den 
Behörden. 


THEBANISCHE  BANKQUITTUNGEN   AUS  PTOLEMÄERZEIT.  79 

äyvoelv  scpr^  xal  Tza.pa.Tz'nzxt'.'^  aOxöv,  e!  usTieiaTa:  („er  in-c,  wi'im  er 
glaube"). 1)  Vgl.  :uich  Xcnophoii,  Hell.  I  6,  4.  Danach  ist  also 
die  Quittviiig  Nr.  5l)  ausgestellt  worden,  „weil  die  frühere  Quittung 
sich  geirrt  hatte,  Formfehler  enthalten  hatte".  Derselbe  (irund  zur 
Erneuerung  wird  auch  für  die  oliigen  Thebanischen  Ostraka  mass- 
gebend gewesen  sein,  in  denen  der  Empfänger  eriiialmt  wird,  „die 
frühere  Quittung  nicht  zu  gebrauchen". 

Hierdurch  finden  auch  einige  Zusätze  ihre  Erklärung,  die  sich 
in  Faijümer  Papyrusquittungen  finden.  Ich  meine  folgende  Stellen: 
RGU  (jü:  xal  |iTj  )(p7jax|i£vog  l[T£p]<])  auvßöXiM).  BGU  214:  ji'fj 
Tzpoiy^priai[iz'^oi  (so  ist  statt  7T:poy^pT,aa(i£VOg  zu  lesen)  iiipo  (sie) 
auvßü)X(p  O'.x  TÖ  cpäaxE'.v  mxpa.TizTZTtxaiv.iya.i  (sie).  Endlich  las  ich 
im  Brit.  Pap.  CCCXVI:  [üff]  upogy^pria-Q  ixipM  a'j|xßoX(w)  oiä  ib 
tpaaxc'.v  7iapaTc(E7iT(i)X£vat).  Hier  ist  nicht  von  einer  früheren  Nieder- 
schrift der  Quittung  (ai)[i.ßoXov)  die  Rede,  sondern  von  einer  „anderen", 
die  man  nicht  noch  „ausserdem"  (npo^)  ^)  verwenden  solle.  Hier 
wird  also  nicht  die  Cassirung  einer  früheren  Quittung  ausgesprochen, 
vielmehr  die  Rechtsgültigkeit  der  vorliegenden  Quittung  auf's  schäi'lste 
dadurch  betont,  dass  eventuelle  spätere  Einwendungen  wegen  Fehler- 
haftigkeit der  Urkunde  im  voraus  abgewiesen,  beziehungsweise  ver- 
boten werden. 

7  a. 

Datum.  (Jahr,  Monat,  Tay)  —  tt'iuy.rat  —  für  Abgabe  —  der 
Erheher  —  Summe.  Subscription  (des  Trupcziteii).  Vgl.  326,  332,  352, 
355,  1277,  1347,  1348. 

7"- 
Dasselbe,  ohne  Datum.     Vgl.  1257,   1531. 

Diese  Formel  sieht  wie  eine  Verkürzung  der  vorigen  aus.  Es 
fehlt  nur  der  Zusatz  £7:1  xf^v  iv  Ortsname  xp(X7i£^av,  £;;;'  y;?  d  Oelvx, 


')  Livius  XXXIII  12,  3  giebt  dass  Ganze  wieder  mit  falli  euin  ahmt 
Iota  re. 

'^)  Hier  seheint  mir  dem  r.poc,  in  JiposXP'i<35)-a'.  diese  ursprüngliche  Be- 
deutung anzuliatten.  In  anderen  Fällen  ist  sie  so  abgeseliwäclit,  das  7ipasXP^<39-a'. 
synonym  mit  y^f,y\a%-a.\.  gebraucht  wird.  Vgl.  Pap.  Taur.  I  4,15:  y.ai  sPiSyEV  jiT) 
TiposxpTptsov  etvai  tat;  £7iicfEpO|isvat?  —  au-c^p"?*'?-  Kbenda  I  4,18:  eäv  x'.j 
iKz\i~{-/.f\\.  auyypa'^riv  im  xo  ä'.xaaxripiov  [xt)  eaxuptmusvTjV ,  |jit)  7tpogxp^i°'''a'-- 
üebrigens  wird  auch  hier  in  beiden  Fällen  das  Wort  von  der  Verwendung  von 
Doeumenten  als  Belegen   gebraucht. 


80  III-  KAi'ix-i:i,. 


der  aber  natürlich  hinzuzudenken  ist;  denn  auch  diese  Texte  sind 
ortenbar  von  der  Bank  ausgestellt,  wenn  auch  nirgends  das  Wort 
zpa.~s.Zx  oder  xpa-s^tTr;;  vorkommt.  Wenn  man  aber  die  liistorische 
l'jitwickelung  der  QuittunK^fonmilare  in  Betracht  zieht,  wird  man 
sich  dafür  entscheiden,  hierin  nicht  eine  Verkürzung,  sondern  vielmehr 
die  Vorstufe  zu  jener  zu  erblicken.  Diese  Urkunden  gehören  zwar 
im  Allgemeinen  derselben  Zeit  an  wie  die  vorige  Gruppe,  d.  h.  der 
zweiten  Hälfte  der  Ptolemäerzeit.  Aber  von  einer  ist  es  doch  sehr 
walirscheinlich,  dass  sie  in  das  III.  Jahrh.  gehört,  Nr.  1277,  die  ich 
aus  rein  palaeographischen  Gründen  in  die  Zeit  des  Philadelphos 
versetzt  habe.  Der  Text  bietet  übrigens  auch  sonst  manche  Ab- 
sonderliclikeitcn.  Aus  der  Subscriptio  ZwTOjpo;  o  -apä  Msvävopou 
ist  zu  folgern,  dass  Menander  damals  Trapezit  war,  und  Zopyros 
sein  Adjunctus.  Ob  das  Ostrakon  aus  Theben  stammt,  ist  ungewiss. 
Vielleicht  erklären  sich  die  Absonderlichkeiten  (TSTaxxa:  für  'diese 
Zeit!)  dadurch,  dass  das  Stück  aus  einem  Orte  stammt,  dessen 
Formulare  wir  sonst  nicht  kennen. 

8. 

Datum  (Jahr,  Monat,  Tag)  —  SiaysyQaqxv  —  fiir  Abgabe  ■ — 
der  Erheher  —  Summe.     Subscri2)tion. 

Dieses  Formular,  das  nur  ein  einziges  Mal  in  unserer  Sammlung, 
durch  1528,  vertreten  ist,  ist  mit  dem  Vorigen  identisch,  nur  steht 
hixfifpx^z^/  statt  tliaxxai.     Ueber  Siaypdcpeiv  vgl.  unten  S.  80  ff. 

B.  Eaiserzeit. 

III.  Quittungen,    die    der    Erheber    dem    Zahler    ausstellt. 

1. 
Der  Erheber  —  dem  Zahler  —  yuiQUv.     ' Efco  (oder  ähnlich)  — 
für  Abgabe  —  Summe.     Datum.     Subscription  (des   Erheber.?).     Vgl. 
3iiO,  402,  401,  601,  1033,  103ö,  1036,  1037,  1039,  1041,  1052, 
1057,  1321,  1404,  1431,  1559. 

2. 
Dasselbe,  ohne  Subscription.  Vgl.  365,  376,  396,  410,  412— 41>!, 
420,    421,    504,    664,    1030,    1032,    1040,    1042,    104S-1051, 


TIIEBANISCHE  ERHEBERCJUITTUXGEN   AUS    UEH    KAISEKZEIT.      81 

lOn.S— lO.öG,  1060,  1061,  1068—1070,  1075,  1368,  1370,  138(1, 
i:;!t4,  l;l'.ir>,   1412,  1416,  1419,  1487,  1552,  1569,  1574. 


DcLfKelbe,  ohne  iiuQstr,  mit  Subseriptlon.  Vgl.  498,  öüfJ — 5U9, 
511—51!),  525,  531—533,  536,  539,  553,  555-55«,  560—565, 
569,  571,  572,  574—576,  579,  581,  583—588,  590-596,  598, 
600  —  602,  605  —  607,  609,  613  —  620,  624  —  626,  6.30,  631, 
(;;54— 64.3,  645,  649,  658,  1074,  1241,  1245—1250,  1286,  1287, 
1291,  1292,  1329,  1330,  1.331,  1420,  1422,  1426,  1428,  1429, 
14.32—1435,  1439,  1441,  1443,  1477,  1570,  1578—1585,  1587, 
1.5S8. 

4. 

-Dasselbe,  ohne  -/ttioeir  und  ohne  Subscripiion.  Vgl.  464,  497, 
499—503,  505,  520—524,  526—530,  535,  537,  538,  541—552, 
554,  559,  566—568,  570,  573,  577,  578,  580,  582,  589,  599, 
60.".,  604,  [60.^],  610—612,  621—02.3,  627,  629,  632,  633,  644, 
(;4(i,  650,  652,  660,  662,  671,  680,  1031,  [1059],  1062—1067, 
1071-1073,  1076—1079,  1242—1244,  1251,  1252,1263,1264, 
1288—1290,  1298,  1332,  136.3,  1372,  1421,  1423—1425,  1427, 
1430,  1437,  1438,  1442,  1445,  1449,  14.54,  1462,  1463,  1551, 
1572,  1575-1577,  1.586,  1591,  1613. 

Wir  haben  bei  dieser  Uebersicht  wie  oben  die  Quittungen  ,,mit 
ungenanntem  Zahlungsmittel"  (1021  ff.)  mit  zu  den  Geldquittungen 
gerechnet,  ohne  dadurch  im  Einzelnen  über  das  Zahlungsmittel  etwas 
behaupten  zu  wollen. 

Es  liegt  hier  dasselbe  Grundschema  vor  uns,  das  wir  oben 
unter  I  2  für  denselben  Zweck  für  die  Ptolemäerzeit  nachgewiesen 
haben.  Es  ist  die  briefartige  Form,  mit  der  Adresse:  '0  OsTva  "(o 
Selvt   )(atp£ov.i)      Einmal    (1049)   steht   ausnahmsweise   y^aäpev/  vor 


')  In  680  (aus  dem  Ende  des  II.  Jahrh.  n.  Chr.)  steht  övö(|ia-05)  oder 
wohl  besser  övö(iiaTi)  zou  Setvog  statt  des  einfachem  -in  äsivl.  Es  ist  aufiallig, 
wie  diese  Sitte  der  Umschreibung  mit  5vop.a  sich  vom  Ende  des  II.  .Tahrh.  n.  Chr. 
an  verbreitet  und  in  die  verschiedensten  Formulare  eindringt.  Ein  früheres 
Beispiel  ist  üTO. 

WiLCKEX,  Ostraka.  G 


82  IJl-   KAl'ITKL. 

dem  Dativ.  Diese  Formel  hat  sich  also  im  Wesentlichen  unverändert 
durch  die  griechische  und  römische  Zeit  hin  erhalten,  ja  es  ist  die 
einzige  Quittungsformel,  die  ein  so  dauerhaftes  Leben  gehabt  hat  — 
wohl  aus  dem  Grunde,  weil  sie  in  dem  im  öfientlichen  und  privaten 
lieben  geltenden  Briefstil  ihren  dauernden  Rückhalt  und  ihr  leben- 
diges Vorbild  hatte.  Wenn  daher  das  uns  vorliegende  Material  nur 
bis  zum  Ende  des  II.  Jahrhunderts  geht,  sichere  Beispiele  aus  dem 
III.  Jahrhundert  aber  fehlen,  so  möchte  ich  dies  bis  auf  Weiteres 
für  einen  Zufall  halten.      Vgl.  unten  S.  104. 

Die  obigen  Quittungen  aus  der  Kaiserzeit  unterscheiden  sich  von 
den  entsprechenden  der  Ptolemäerzeit  durch  die  Subscriptionen,  die 
in  jenen  fehlen.  Doch  das  halte  ich  füir  ein  zufölliges  Ergebnis 
unserer  Sammlung.  Gewiss  werden  auch  noch  Ptolemäertexte  dieser 
Art  zu  Tage  kommen,  die  Subscriptionen  haben.  Es  scheint  übrigens, 
als  wenn  diese  Sitte  in  der  Kaiserzeit  sich  erst  allmählich  verbreitet 
habe.  Das  erste  Beisiiiel  unserer  Sammlung  gehört  zwar  schon  in  die 
Zeit  des  Tiberius  (1033),  doch  sind  die  Beispiele  im  I.  Jahrhundert 
n.  Clu\  selten,  mehren  sich  dagegen  sehr  stark  im  II.  Jahrhundert. 
Aber  auch  dieses  Ergebnis  mag  durch  den  zufalligen  Bestand  unseres 
Materials  bedingt  sein.  Jedenfalls  ist  kein  Grund  abzusehen,  wes- 
halb nicht  schon  in  der  Ptolemäerzeit  diese  Urkunden  gelegentlich 
subscribirt  worden  sein  sollten.  Die  Unterschriften,  wie  wir  sie  hier 
linden,  widersprechen  nun  durchaus  dem  eigentlichen  Wesen  eines 
Briefes.  Der  Brief  wird  nach  griechischer  —  und  auch  nach  römischer  — 
Auffassung  dadurch  „unterzeichnet",  dass  man  nicht  etwa  seinen  Namen 
wie  hier,  sondern  eine  Grussformel  eigenhändig  darunterschreibt.') 
Abgesehen  von  einem  Beispiel  aus  Koptos  (Nr.  1083),  wo  wirklich 
Ippwao  .steht,  und  der  thebanischen  Nr.  1502,  fehlt  diese  Grussformel 
in  unseren  Quittvnigen  regelmässig.  Doch  ist  die  letztere  jedenfalls, 
die  erstere  wahrscheinlich  eine  Privatquittung.  Untersuchen  wir,  ob 
sich  aus  den  vorhandenen  Subscriptionen  irgend  ein  innerer  Grund  da- 
für finden  lässt,  weshalb  man  zu  diesen  im  Briefstil  unerhörten  Namens- 
unterschriften gegriffen  hat.  Ich  unterscheide  folgende  Arten,  wobei 
ich  mich  wegen  der  Fülle  des  Materiales  auf  wenjge  Belege  beschränke: 

1)  Name  aeay;[jietü)|jia:  Summe.     Vgl.  579,  586,  587,  591. 

2)  Name  Summe.     Vgl.  60' >. 

')   Vgl.  Bnms,  die   Untersclirifteii  iu  il.   rüm.   Rechtsiirkiunliii   i^.   liS   11'. 


TIIKHANISCIIE   EEIIEBEKQUITTUNfUCN    AUS   DEK    KAISEKZEIT.       H'6 


3)  Nanic  aiaYjiieEtojia:.     Vgl.  öi;S,  ö(iO,  (>')\,   1012. 

4)  Name.    Yjri.  ."üio,  006,  5:5:5,  wi,  10:5:5,  io;-5r). 

."))  Jlunclinial  uuterzeiclinet  statt  des  Erhebers  seiu  Soeretär. 
Das  geschieht  mit  der  Formel:  „Der  Ei-hebcr  durch  (Sta)  den 
Seeretiir  asayjiiscwjxat."  Vgl.  öOö,  (iOö,  014,  020,  0:50,  (Sific 
Ypa[ifiaTeWt). 

Die  Unterschritt  in  1321  „£Ypa(^£v)  6  ostva  bnkp  «ütoO  ztX" 
i.-it,  wie  oben  auf  S.  03  ausgeführt  wurde,  keine  eigentliche  8ub- 
scriptiiiii. 

Zunächst  ein  Wort  über  oy^jiE'.oöaOx:..  Dieses  Verbum  begegnet, 
wenn  mich  mein  Gedächtnis  nicht  täuscht,  in  der  Ptolemäer/.eit  in 
diesem  Zusammenhange  noch  nicht.  Es  gehört  also  zu  dem  „Modernen" 
der  Kaiserzeit.  Wie  andere  Stellen  zeigen  werden,  ist  als  Object 
zu  asaT(|x£t(i)[iai  die  gezahlte  Summe  zu  denken.  Man  hat  dies 
ay^jistoOaö'ao  verschieden  gefasst.  Viereck  (Hermes  XXX  S.  108)  sieht 
iu  eiuer  Unterschrift  a£crj([i£!w|J,a'.)  apxxßai;  öxtw  die  Angabe  dafür, 
dass  der  Betreffende  ,,die  8  Artaben  in  die  Listen,  die  über  die 
Getreidevorräte  geführt  werden,  eingetragen  habe".  Das  halte  ich 
nicht  für  zutreffend.  Das  a£arj[i£E(i)(jiai  ist  nicht  auf  eiue  ausserhalb 
des  Subscribirens  liegende  Thätigkeit,  sondern  auf  das  Subscribiren 
selbst  zu  beziehen.  Der  Sinn  ist  also:  „Ich  habe  hiermit  über  so 
und  soviel  gezeichnet." 

Dass  sich  hier  niemals  der  Titel  des  Erhebers  findet,  mag  sich 
daraus  erklären,  dass  bei  der  Briefform  ja  schon  in  der  Adresse 
der  Titel  des  Unterzeichneten  oder  auch  der  damit  identische  seiner 
Socii  erwähnt  zu  werden  pflegte.  Die  Summen,  die  hier  genannt 
werden,  sind  dieselben,  über  welche  im  voraufgehenden  Text 
quittirt  wird. 

Fragen  wir  nun,  ob  sich  aus  unseren  Urkunden  selbst  ein  Grund 
für  die  Subscription  finden  lässt,  so  liegt  es  vielleicht  nahe,  auf  die 
Vielköpfigkeit  der  Associationen  hinzuweisen,  in  deren  Namen  die 
Quittung  ausgestellt  wurde.  Wir  werden  in  Kap.  VI  genauer  darauf 
einzugehen  haben,  wie  diese  Erheber  meist  eine  Gesellschaft  bildeten, 
die  ihre  feste  Firma  hatte,  bestehend  aus  dem  Xamen  des  Leiters 
resp.  der  Leiter  mit  dem  Zusatz  xal  oE  \ii~oyo'..  Diese  „Firma"  erscheint 
in  der  Briefadresse,  gleichviel  ob  Einer  der  dort  mit  Namen  genannten 
im  speziellen  Falle  die  Quittung  ausgestellt  hat  oder  nicht.  Unter  diesen 
Verhältnissen  musste  es  nahe  liegen,  hinzuzufügen,  wer  von  den  Socii 


84  UI.  KAPITEL. 


denn  das  Geld  empfangen  oder  die  Quittung  ausgestellt  habe,  damit 
im  Falle  von  »Streitigkeiten  die  Gesellschaft  oder  die  Behiirden  sieh  an 
diesen  halten  konnten.  Die  Grussforniel,  die  eigentliche  Öubscription, 
war  für  diesen  Fall  nichtssagend.  Genügt  hätte  es,  wenn  in  der  Adresse 
der  spezielle  Quittungssclu-eiber  und  nicht  die  ganze  Firma  sich  ge- 
nannt hätte,  und  das  ist  auch  in  einer  Reihe  von  Fällen  geschehen. 
Zog  nian's  aber  vor,  die  Firma  in  die  Adresse  zu  setzen,  so  musste 
man  leicht  darauf  kommen,  dass  der  spezielle  Quittungsaussteller 
sich  in  einer  besonderen  Unterschrift  mit  Namen  nenne,  denn  er 
hatte  dafür  aufzukommen.  Und  so  haben  wir  viele  Beispiele,  in 
denen  in  der  Subscription  ein  ganz  anderer  Name  steht  als  in  der 
Adresse.  Das  ist  dann  der  Socius,  der  die  Quittung  ausgestellt  hat. 
So  nennt  z.  B.  in  Nr.  512  die  Adresse  den  'I[iGLixh];  xai  \).(kzoyj2i), 

die  Subscription  aber  lautet:  A( )  a(£ar(|Jicfw]j,a:).     Und   so  in 

zahlreichen  Fällen.  Oft  unterzeichni'u  auch  mehrere  Socii,  so  z.  B. 
in  .").'").3,  und  zwar  schreibt  der  Eine  ^ A\xzv6)d-rii  a£(aYj|i.£Ew|iat),  der 
Andere  nur  Oaxpfji;,  was  deutlich  zeigt,  dass  die  blosse  Namens- 
nennung elliptisch  aufzufassen  ist.  Die  vollständige  Form  ist  die 
unter  1  gegebene.  —  War  es  auf  diesem  Wege  einmal  eingeführt  worden, 
in  gewissen  Fällen  eine  Subscription  hinzuzufügen,  so  konnte  es  leicht 
auch  da  angewendet  werden,  wo  eine  Nötigung  nicht  vorlag,  also 
z.'  B.  wo  nur  der  thatsächliche  Erheber  in  der  Adresse  genannt  war. 
Da  die  Erheberassociationeu  schon  in  der  Ptolemäerzeit  bestanden,  so 
könnte  man  auch  nach  diesen  Betrachtungen  erwarten,  dass  sich  einmal 
subscribirte  Texte  unserer  Klasse  aus  der  Ptolemäerzeit  finden. 

"Wir  haben  oben  diejenigen  Quittungen  für  sich  gestellt,  in  denen 
yatfciv  in  der  Briefadresse  ausgelassen  ist.  Wenn  wir  von  dem  uns 
vorliegenden  INIaterial  ausgehen,  gewinnen  wir  den  Eindruck,  class 
die  Sitte  oder  Unsitte,  das  )(atp£tv  fortzulassen,  sich  nach  und  nach 
weiter  verbreitet  hat.  Aus  der  Ptolemäerzeit  liegt  nur  ein  Beispiel 
vor  (Nr.  1029).  Auch  im  Anfang  der  Kaiserzeit  fehlt  )(a[p£'.v  nur 
gelegentlich,  vgl.  Nr.  1.3Ij3  und  7(J5,  aus  der  Zeit  des  Augustus, 
Nr.  1031,  1372,  1551,  aus  Tiberius'  Zeit  u.  s.  w.  Aus  dem  IL  Jahr- 
hundert u.  Chr.  lassen  sich  die  meisten  Fälle  nachweisen.  Doch 
ist  die  Möglichkeit  orten  zu  lassen,  dass  nur  die  zufällige  Zusammen- 
setzung unseres  Materiales  an  diesem  statistischen  Ergebniss  Schuld  ist. 

Fragen  wir  nach  dem  Grunde  des  Fortlassens,  so  ist  natür- 
lich das   Nächstliegende   anzunehmen,    dass   die   Bequemlichkeit   des 


Tin:i!ANis(  in:  erhebekqiittüxgen  ais  ueh  kaisei:zi:it.     85 


Schreibers,  das  Streben  nach  Kürze  dazu  geführt  hat.  Gewiss  spricht 
(lieso.s  Moment  mit,  und  es  ist  daran  zu  erinnern,  dass  der  Schreihtr 
:uis  deinselhen  Grunde  ja  aut-li  das  schlicssende  Ippcoao.  ja  in  der 
späteren  Zeit  niauelimal  toyy/  tbrtirelassen  hat,  sodass  scliliesslieh  der 
ursprüngliche  Briefstil  ganz  verwildert  ist.  Das  Fortlassen  des  Grusses 
yatpstv  hat  aber  noch  eine  besondere  Nuance,  auf  die  ich  schon  im 
Rheinischen  Jahrbuch  S.  251  hingewiesen  habe.  Plutarch  erzählt 
nämlich  im  Phokiou  c.  17,  dass  Alexander  der  Grosse  nach  seinem 
Siege  über  Darius  acpelXs  xwv  imoioXM'/  zb  /aopetv  tcXyjv  £V  Saat; 
l'(poL-^t  $(i)xtuvi,  xoOxov  8e  [lövov  (liovizp  'AvxcTiaxpov  [Jisxa  xoO  y^(xipt:v 
-pccr,YÖp£U£  (vgl.  C.  Müller,  Script,  bist.  Alex.  M.  p.  llö).  Plutarch 
beruft  sich  dafür  ausser  auf  Duris  auch  auf  eine  primäre  Quelle, 
auf  Chares  von  Mitylene,  den  ziQo.f'fzXtbc,  des  grossen  Königs.  Aus 
diesem  Zeugnis  scheint  mir  mit  Sicherheit  soviel  hervorzugehen,  dass 
mau  es  im  Altertum,  und  nicht  nur  zur  Zeit  Alexanders  des  Grossen, 
sondern  auch  noch  zu  der  des  Plutarch,  als  eine  Uuhöflichkeit  em- 
pfand, wenn  das  yjx.iptLy  in  der  Adresse  fortgelassen  wurde.  Wenn 
nun  auch  die  aegvptisehen  Pro\'iuzialen,  soweit  sie  überhaupt  Griechisch 
verstanden,  kein  allzu  tiefes  Sprachgefühl  hatten,  so  musste  doch 
auch  von  ihnen  die  Versagung  einer  sonst  allgemein  üblichen  Gruss- 
formel gewiss  als  eine  Unhöflichkeit  empfunden  werden,  und  wenn 
die  Steuererheber  sich  diese  Versagung  erlaubten,  so  thaten  sie  es 
gewiss  nicht  nur  deshalb,  weil  es  bequem  war,  sondern  weil  sie 
meinten,  den  simpeln  Steuerzahlern  gegenüber  sich  als  Beamte  des 
Staates  diese  Bequemlichkeit  erlauben  zu  dürfen.  Xachdem  das  Aus- 
lassen des  yaipeiv  einmal  von  Einigen  riskirt  war,  hat  es  dann,  wie 
das  so  zu  gehen  pflegt,  immer  mehr  Nachahmung  geiunden.') 

Wenden  wir  uns  von  der  Subscription  und  der  Adresse  zur 
Quittung  selbst,  so  firagen  wir  zunächst  nach  dem  regierenden  Verbum, 
das   den   Empfang   ausdrückt.     In   den   briefartigen   Quittungen   der 


')  Viereck's  Einwendungen  (Hermes  XXX  S.  110  Aum.)  erscheinen  mir 
nicht  sticlihaltig.  Er  heruft  sich  darauf,  dass  auch  „von  Seiten  der  aegvptisehen 
Provinzialcn"  das  y_OLipe<y  fortgelassen  wurde,  bringt  übrigens  liein  Beispiel  dafür. 
Ich  bezweifle  nicht,  dass  die  Provinzialcn,  wenn  sie  ihren  Knechten  oder  Unter- 
gebenen etwas  mitteilten,  dass  xoi.'.psi^/  wohl  fortliessen  —  wenn  sie  gerade  Lust 
dazu  iiatten.  Gegen  mich  würden  nur  solche  Fälle  sprechen,  in  denen  ein  Pro- 
vinziale  oder  sagen  wir  überhaupt  irgend  Jemand  in  einem  Brief  an  eine 
höherstehende  Persönlichlieit  das  yaips'.v  ausgelassen  hätte.  Solche  Fälle 
(und    zwar    nicht    aus  einem    ävii^patpov  1)    sind    erst   naclizuweiscn.      L'ebrigens 


8G  III-  KAi'iri:!,. 


Ptolemäerzeit  (I  2)  begegneten  zwei  Arten:  1)  i/ü)  oder  irÄyo), 
regelmässig  im  Präsens.  2)  xexa^ai.  In  unseren  Texten  au?  dej' 
Kaiserzeit  linden  sich  folgende  Verben  (wenige  Citate  mögen  genügen) : 

1)  'Eyw.     Vgl.  364,  ;5G5,  4<.tl,  5:57  u.  s.  w. 

2)  "Ea/ov.     Vgl.  410,  497  u.  s.  w. 

3)  'A-£yw.     Vgl.  37(3,  390,  402,  550  u.  s.  w. 

4)  'Aulaxov.     Vgl.  1370. 

5)  'ATreayjf/.a.     Vgl.  1454. 

6)  'Oiiolo\a  exetv.     Vgl.  396,  420. 

Ueber  den  Gebrauch  ist  zu  sagen,  soweit  mau  aus  dem  vor- 
liegenden Material  schliesseu  darf,  dass  im  I.  Jahrhundert  n.  Chr. 
eyoj  und  aTieyw  die  üblichsten  Formen  gewesen  zu  sein  scheinen, 
während  £a)(Ov  nur  ein  einziges  Mal  für  das  J.  59  (410)  bezeugt 
wird,  ebenso  är.kayow  für  das  J.  10  n.  Chr.  (wenn  hier  nicht  ein 
Lesefehler  für  ccr^t^-  vorliegt),  dass  dagegen  im  II.  Jahrhundert 
n.  Chr.  eyw  und  ä-!ziy(a  zurücktreten,  während  von  Nr.  497  an  (a.  107) 
der  Aorist  £a)(ov  fast  ganz  allein  auf  dem  Plan  erscheint.  Für 
ojJioXoyti)  s/ccv,  womit  also  der  Quittung  die  Form  einer  b\s.okQ'^lcf. 
gegeben  wird,  sind  in  unserer  Sammlung  nur  die  beiden  angeführten 
Beispiele  vorhanden  (aus  dem  J.  48  und  68).  In  mehreren  Fällen 
fehlt  übrigens,  wie  schon  bemerkt,  überhaupt  ein  Verbum  wie  sayov. 
Vgl.  528,  549,  551,  670,  1613.  Das  ist  gewiss  nur  aus  Flüchtig- 
keit oder  aus  übergrosser  Bequemlichkeit  geschehen. 

Von  Interesse  ist  es,  dass  in  einigen  Fällen  (513,  1058,  1289) 
unsere  Quittungen  als  ein  ccvxt'ypacpov  a/Koyjic,  bezeichnet  werden. 
Ob  man  daraus  den  Schluss  ziehen  darf,  dass  alle  übrigen  Quittungen 
die  einen  derartigen  Vermerk  nicht  tragen,  Originalurkunden  und 
nicht  Abschriften  sind,  bleibt  a  priori  zweifelhaft.  Für  die  Frage, 
zu    welchem    Zweck    solche    dvTiypaspa   angefertigt  wurden,    ist   von 


spricht  Plutarch  ganücht  von  tiiielcii  Ale.vauders  „au  Uarius  u.  A.",  wie  num 
aus  Viereck's  Worten  schliessen  könnte,  sondern  ganz  allgemein  von  seinen 
Briefen  überhaupt.  Also  „der  amtliche  und  geschäftliuhe  Verkehr"  kann  nicht 
mit  Viereck  in  Gegensatz  dazu  gestellt  werden ,  ist  \ielmehr  durchaus  mit  ein- 
geschlossen. Uebrigens  ist  es  ja  selbstverständlich,  dass  es  in  einer  solehen  Frage 
der  Höflichkeit  keine  festen  Vorscliriften,  sondern  nur  eine  Sitte  giebt,  der  sich 
das  Individuum  eventuell  entziehen  kann.  L'm  so  lienierkenswerter  ist,  mit  welcher 
ßcgelmilssigkeit  in  den  Briefen  aus  Pselkis,  die  von  Soldaten  an  den  vorgesetzten 
Optio  gerichtet   sind,  sieh  das  xa(fEiv  findet  —  und  das  im   III.  Jahrh.  n.  t'hr.I 


TIiriiAXrsCHE   ERHEBERQTTTTrNGEN   AUS    WM    KArsKÜZlClT.      S7 

Bcdt'iituiiii',  ilass  z.  B.  in  ölo  auch  das  mx'.'(px'fry^ ,  j^aiiz  wie  eine 
Onginahukiinde,  eine  Subscription  von  zweiter  Hand  trägt.  Also 
auch  diese  Abschriften  haben  anitliclun  Charakter!  Natiirlicli  winl 
hier  durch  das  avxtypacpov  die  Originalquittung  nicht  cassirt,  wie 
in  den  oben  S.  78/0  besprochenen  Fällen.  Das  avtiypacpov  ist  eine 
identische  und  durch  die  Subscription  beglaubigte  Abschrift. 

Ganz  eigenartig  und  von  höchstem  Interesse  ist  ein  Zusatz,  den 
Nr.  (')62  trägt:  ä;  (^scil.  die  gezahlten  1?1Vl>  D^vchinen)  xal  5ca- 
Yp(ät]joji£v)  ItlI  TYjv  Syj(|ioai'av)  xpa7i(£!^av).  Damit  ist  uns  der 
Geschäftsgang,  durch  den  die  Steuer  aus  der  Hand  des  Zahlers  durch 
Vermittelung  des  Erhebers  an  die  Bank  gelangt,  klar  vor  Augen 
geftihrt.     Vgl.  darüber  Kap.  VI. 


IV.  Quittungen,    die  die  Bank  au.-stellt. 

Bis  vor  Kurzem  war  es  überhaupt  unbekannt,  dass  in  der 
Kaiserzeit  das  Institut  der  königlicheu  Bank  fortbestanden  hat.  Noch 
im  Rheinischen  Jahrbuch  glaubte  ich  daher  das  Gegenteil  versichern 
zu  dürfen.  Erst  die  neueren  Erwerbungen  des  Berliner  Museums 
und  anderer  Sammlungen  haben  uns  eines  besseren  belehrt  (vgl. 
Ka]i.  VI\  und  durch  die  Ostraka,  wie  wir  sie  jetzt  auffassen,  finden 
sie  ihre  Bestätigung.  Nach  mancherlei  Mühen  und  Kämpfen  bin  ich 
zu  der  Ueberzeugung  gelangt,  dass  auch  in  der  Kaiserzeit  die  Erheber 
den  Zahlern  lediglich  in  der  Briefform  quittirten,  wie  sie  es  schon  in 
der  Ptolcmäerzeit  getlian  hatten  (abgesehen  von  II),  und  dass  daher 
alle  anders  gearteten  Quittungen  der  Bank  zuzuschreiben 
sind.  Ich  werde  die.?e  These  bei  den  einzelnen  Gruppen  nachzu- 
weisen haben. 

Aehnlich  wie  in  der  Ptolcmäerzeit  die  Baukquittungen  im  Laufe 
der  Jahrhunderte  mancherlei  Veränderungen  aufweisen,  so  können 
wir  auch  durch  die  drei  er.sten  Jahrhunderte  der  Kaiserzeit,  über 
die  unser  Material  sich  erstreckt,  eine  fortwälirende  Entwickelung 
des  Formulars  verfolgen.  Im  Anfang  knüpfen  sie  an  die  letzte 
Entwickelungsstufe  der  Ptolemäerzeit  an;  gleichzeitig  aber  entwickeln 
sich  schon  neue  Formen,  die  wieder  von  anderen  abgelöst  werden. 
Den  sämmtlichen  thebanischen  Bankquittungen  der  Kaiserzeit  ist 
aber  Eines  gemeinsam:  sie  nennen  nicht  den  Erheber,  wiewohl  dieser 


88  111.  KAl'lTEL. 


ganz  wie  in  der  Ptoleniäerzeit  der  Ueberbringer  des  Geldes  der 
Steuerzahler  war,  sondern  lediglich  den  Zahler,  von  dem  der  Erheber 
das  Geld  gebracht  hat.  Sie  befolgen  also  ein  Princip,  welches  wir 
schon  für  das  III.  Jahrhundert  v.  dir.  oben  kennen  gelernt  haben. 
Dass  daraus  auf  eine  Veränderung  des  praktischen  Geschäftsganges 
zu  schliessen  sei,  glaube  ich  nicht;  es  ist  nur  von  rein  formaler  Be- 
deutung. Wie  wir  es  schon  für  dass  III.  Jahrhundert  v.  Chr.  wahr- 
scheinlich zu  machen  suchten,  so  möchten  wir  auch  für  die  Kaiser- 
zeit annehmen,  dass  diese  Bankquittungen,  wiewohl  sie  den  Zahler 
(regelmässig  in  3.  Person)  nennen,  dennoch  dem  Erheber  eingehändigt 
wurden,  und  eben  nichts  anderes  sind  als  die  Quittungen,  die  der 
Erheber  erhielt.  Vgl.  oben  S.  69.  Wir  halten  also,  um  es  zusammen- 
zufassen, durchgehends  in  den  thebauischen  Bankquittungen  der 
Kaiserzeit  den  Schreiber  für  den  Trapeziten,  die  in  der 
Quittung  genannte  Person  für  den  Zahler  und  den  Em- 
pfänger für  den  Erheber.  Bei  dieser  Auffiissung  findet  auch 
eine  Erscheinung  ihre  Erklärung,  die  sonst  schwer  zu  erklären  sein 
dürfte:  es  kommt  nämlich  mehrfach  vor,  dass  in  ein  und  derselben 
(Quittung  die  Zahlung  mehrerer  Personen  bescheinigt  wird.  Das  sind 
einfach  verschiedene  Zahler,  die  in  das  Revier  desselben  Steuer- 
erhebers gehören.  —  Wir  lassen  nun  die  einzelnen  Gruppen  folgen. 

!"• 

TitWATu-i    —  für    Abgabe   —    der    Zahler    —   Summe.      Datum. 
Vgl.  1545,  aus  der  Zeit  des  Augustus. 


Der  Zahler  —  rkaxTai  —  für  Abgabe  —  Summe.  Datum.  Sub- 
gci-iption  des  Trapeziten.  Vgl.  35(3,  357,  358,  1304,  1540,  alle  aus 
der  früheren  Zeit  des  Augustus. 

Eine  Anknüpfung  an  die  Ptolemäerzeit  sehe  ich  in  der  Ver- 
wertung des  Wortes  iiaaea\)-a.i,  das  sich  in  diesen  Quittungen  zum 
letzten  Jlal  findet,  um  dann  durch  SiaYpx'.pe'.v  völlig  verdrängt  zu 
werden.  Das  Schema  1"  schliesst  sich  eng  an  das  ptolemäische 
Schema  II  an.  Dagegen  ist  in  P  die  Voranstellung  des  Namens 
eine  Neuerung.  Ich  will  hier  ein  für  alle  Mal  einschieben,  dass, 
was    uns    als    neu    unter  Augustus    entgegentritt,    vielleicht    schon 


THEBANISCHE  BAXKQUITTrXDEX    Al.S    1)1;K    KAISKRZKIT.  ^t<) 

im  T.  .Tahrliunclert  v.  Chr.  unter  den  Ptoleniäorn  Brauch  gewesen  ist. 
Wir  müssen  diese  Möglichkeit  jedenfalls  oflcn  lassen,  da  wir  ptole- 
niäische  Texte  des  I.  Jahrhunderts  v.  Chr.  nicht  besitzen,  oder  wenig- 
stens nicht  mit  Sicherheit  als  solche  erkennen  können.  —  Dass  wir 
die  hier  entgegentretenden  Namen  mit  Recht  auf  den  Zahler  und 
den  Trapeziten  beziehen,  lässt  sich  im  einzelnen  nachweisen.  In 
1364  steht  hinter  dem  Namen  au  der  Spitze:  xoupeu;  (Barbier). 
Damit  ist  gesichert,  dass  wir  es  hier  nicht  etwa  mit  dem  Erheber, 
sondern  mit  dem  Zahler  zu  thun  haben.  Andrerseits  nennt  sich 
der   unterzeichnete   Beamte   selbst   in   1364    und   1540   ausdrücklich 

TpaTTE^fxYjS. 

2. 

Der  Zahler  —  di ayf yQcccpiiXfv  —  für  Abgabe  —  Summe.  Datum. 
Vgl.  360,  vom  22.  J.  des  Augustus. 

Dies  Schema  ist  mit  l**  identisch ,  nur  ist  "ciaasoit'a:  durch 
Stayparpeiv  ersetzt.  Ueber  dieses  Wort,  das  von  nun  an  durch  die 
drei  ersten  Jahrhunderte  unserer  Zeitrechnung  das  herrschende  bleibt, 
möchte  ich  hier  einige  Bemerkungen  einschieben. 

Schon  Amadeo  Peyron  hat  in  seiner  Abhandlung  über  SiaypaqjiQ 
(Pap.  Taur.  I  S.  144  ff.)  auf  die  Klassikerworte  hingewiesen,  die  für 
unseren  Terminus  in  Betracht  kommen,  nämlich  auf  die  Worte  Suidas's. 
Zi.OL'^pä.'i^ccnoq:  „Ttveg  (lev  dvxi  toO  xaxaßaXovtos  xalxaxa&lvxos. 
evto'.  5e  dvxi  zoü  Std  xpaTOJ^vjS  dp[-9'|j.Yjaavxos  ü)?  "kb^o^tv  sv  x"^ 
a'jvrj{)-£ta",  und  auf  S.  146  sagte  er:  StaypdtJ'at  non  tantum  erat 
pecuniam  mimerare  ex  mensa  trapezitae,  venmi  etiam  pecuniam 
nnmerare  trapezitae,  und  verweist  auf  LXX,  Esth.  3,  'J  und 
II  Makk.  4,  9.  Die  letztere  Bedeutung  ist  es,  die  wir  in  den  Ostraka 
für  5i«Ypä(p£LV  in  Anspruch  nehmen  müssen.  Es  heisst,  wie  Suidas 
sagt,  nichts  anderes  als  „zahlen,  auszahlen",  also  xaxaßdXXeiv,  d.  h. 
„das   Geld    hinwerfen    auf  den    Zahltiseh".^)      Aiaypäi^etv    hat    also 

')  KaxaßdXXsiv  in  der  Bedeutung  „bezahlen"  ist  in  der  aegyptisehen 
Kanzleisprache  seit  dem  III.  Jahrh.  t.  Chr.  nachweisbar.  Vgl.  Petr.  Pap.  (I) 
[SO]  6,  (II)  [38]  7,8.  Auch  im  Eevenue-Pap.  48,10  heisst  es:  xaxaßaXXs- 
tcoaav  sitl  xyjv  ßaa'.Xtxrjv  -cpctTcs^av.  Vgl.  ibid.  52,15,  18  und  23:  74,2; 
75,5.  Für's  11.  Jahrh.  vor  Chr.  vgl.  xaxaßoXij  =  Zahlung  in  Pap.  Paris. 
62,  5,  12.  Grosse  Verbreitung  fand  das  Wort  aber  erst  in  der  byzantinischen 
Zeit,  und  das  ist  zum  Verständnis  der  Suidasstelle  von  Interesse.  KaxaßäXXeiv 
hat  in   dieser  späten   Zeit   neben  itapEXS'-v   (s.  unten)   das   S'.'XfpdtfBi'/  geradezu 


90  in.  KAPITEL. 


ganz  ähnliclie  Bedeutung>\v:\ii(lluiit;i'ii  duicligeniacht  wie  das  enl- 
sprechende  latriiiische  Wort  pertfcrihere ,  wofür  ich  auf  Älommsen's 
Ausfülirungcn  im  Hermes  XII  S.  111  verweise.  Zumal  mir  von  be- 
freundeter Seite  brieflich  mancherlei  Bedenken  gegen  diese  Bedeutung 
von  Siaypaifstv  geäussert  wurden,  halte  ich  es  nicht  für  überflüssig, 
einige  Belege  anzuführen.  Zunächst  die  sclion  von  Peyron  angeführten 
Stellen,  Esth.  .-5,  9 :  ~/.a^((a  oiaypa^'W  £■?  "^^  ya^o^uAäxiov  xoü  ßaaiXId) j 
OL^'^upiou  laXavta  [iupia.  und  II  Makk.  9:  Tcpö;  ok  xodxoic,  ÖTt£a)(V£lTO 
xal  Izzptx.  (seil.  ziXot.v-%)  0'.(x\'pä'\)Sii.  Die  Bedeutung  „zahlen"  hat 
Siaypi^Eiv  ohne  Zweifel  in  den  Zoispapyri  (I  18,  19,  21,  29,  vgl.  11) 
'aus  dem  II.  Jahrlumdert  w  Chr.  In  dem  grossen  Erlass  über  die 
Steuerverpachtung  (Pap.  Paris.  02),  gleiehft^lls  aus  dem  IL  Jahrhundert 
V.  Chr.,  heisst  es  in  Col.  IV  21:  xa  oe  auva)(6'r;aö[X£va  oiaypacpryasxai 
bIc.  -zb  ßaa'.X;y.6v,  d.  h.  „das  wird  baar  ausgezahlt  werden  au  die  könig- 
liche Bank".  In  einem  Auszug  aus  einem  Darlehenscontract  aus  dem 
II.  Jahrhundert  v.  Chr.  fPap.  Paris.  8,  9)  heisst  es:  |;f'  wt.  \xoi  5ca- 
Ypä'|ioi)a!  (nicht  O'.aypäcpouaö)  [xoi  auxa  sv  x(T)t  $apjxoO{)-'.  [ly^vl  xxX, 
d.  h.  „unter  der  Bedingung,  dass  sie  es  mir  zurückzahlen  im  Monat 
Pharmuthi".  Von  besondei'er  Wichtigkeit  ist  eine  Stelle  im  Petr. 
Pap.  (II)  XLVI  c  13  aus  dem  J.  202/1  v.  Chr.,  wo  es  heisst: 
[o]taY£Yp(acp£v)  (nicht  £t];Y£Yp")  iri  X7,v  Iv  K(poxo5£tX())v)  n6(Xz: 
ßa(aiXtxr/.')  xp(a7i£l^av) ,  1^'  -ffi  Eupwva^.  Vgl.  hierzu  Gott.  Gel. 
Anz.  ISDö  S.  162.  Das  ist  genau  dieselbe  Verbindung  wie  in  unseren 
Ostrakal  Noch  weiter  hinauf  führt  Petr.  Pap.  (I)  XVI  2,  aus  dem 
J.  2.31/0  V.  Chr.,  wo  die  Bedeutung  „zahlen"  gleichfalls  unzweifelhaft 
ist.  Als  Synonymen  steht  hier  daneben  Tiocpiyza^x'.  (s.  unten).  Auch 
im    Revenue-Papp-us   (Philadelphos'    Zeit)    begegnet    Sia.fpä.'-^ziw   in 


verdrängt  und  findet  sich  daher  am  Eingang  der  Quittungen.  So  beginnt  z.  B. 
die  Berliner  Quittung  P.  2C95:  -f-  KatsßaXEV  My]vä;  ('/j  Solidus).  Es  steht 
aber  auch  bei  Naturallieferungen.  Vgl.  P.  2C97  (publieirt  in  meinen  Tafeln 
z.  alt.  griech.  Palaeogr.  XX"):  KaTEßaXa(v)  ol  inö  Kx^aig  (Artaben  SO'/a)- 
K.  Wessely  hat  dies  Wort  völlig  missverstanden,  wenn  er  in  Mitteil.  Pajj. 
Kain.  III.  S.  2G3  eine  Quittung  der  Eainer-Sammlung,  die  mit  den  Worten 
y.ateß?.^  San'.avs  ap"  ji07i°;  beginnt,  folgendermassen  übersetzt:  „Zugemessen 
wurde  dem  Bäcker  Damianos."  Davor  hätte  ihn  schon  das  o  über  KOTt  be- 
widiren  müssen ,  das  den  Dativ  aussehliesst.  Es  heisst  nach  Obigem  vielmehr : 
Bez.ahlt  hat  der  Bäcker  Damianos  (1'/.^  Keratien).  In  derselben  Bedeutung  be- 
gegnet y.axaßdXX^tv  aucli  in  den  byzantinischen  Papyri  bei  Keiiyon,  |i.  '-'00 
201,    205. 


THEBANISCHE  BANKQUITTUNGEN   AUS   DKK    KAISKUZKIT.  Ül 

dieser  Bedeutung.  Vgl.  col.  32,  II,  wo  es  von  der  Zahlung  durch 
die  Bank  steht  (ganz  wie  bei  Suidas  an  zweiter  Stelle),  ferner  col. 
.■)4,  '2'2;  77,  4,  an  letzterer  Stelle,  wie  bei  uns,  von  der  Zahlung  an 
die  Bank:  Staypa^ito)  Se  et;  tö  |j[a'j]t).txdv. ')  IMerkwürdig  ist,  da.ss, 
wiewohl  hiernach  schon  iu  der  Ptolemäerzcit  SiaYpa^stv  in  der  Kanzlei- 
sprache die  Bedeutung  „zahlen"  hat  oder  haben  kann  ,  es  in  den  Ste.uer- 
(juittungen  dieser  Zeit  doch  durchaus  hinter  TÜTZitiy  luid  Täaasa-9-at 
zurücktritt.  Nur  ein  einziges  Beispiel  (1528)  ist  uns  bekannt  (siehe 
oben  S.  80,  Schema  II  8).  Erst  jetzt,  unter  Augustus  und  Tiberius, 
musste  in  den  Steuerquittungen  das  alte  Taaa£a&at,  das  einst,  wie  wir 
sahen,  das  noch  altertümlichere  TtiTixstv  verdrängt  hatte,  allmählich 
dem  Staypa^cLV  Platz  machen.  Kach  Tiberius  begegnet  meines  Wissens 
das  Wort  läaaeaö'ai  in  diesem  Zusammenhange  nicht  mehr,  viel- 
mehr ist  das  übliche  Wort  sowohl  für  die  Zahlungen,  die  der  Zahler 
dem  Erheber  leistet,  als  für  diejenigen,  die  der  Erheber  wieder  an 
die  höheren  Instanzen  leistet,  von  uun  an  ausschliesslich  Staypdc'^eov. 
Noch  ein  Wort  zu  der  merkwürdigen  PerfectbildungocaYsypaiyr/xa. 
In  der  Ptolemäerzeit  noch  sagte  man,  wie  sich's  gehört:  Soaylypa^sv. 
Vgl.  Zoispap.  I  2!':  oiaysypa^ivat.  So  auch  in  1528,  wo  Staypeyaiy ev 
für  Stay£ypa(f£V  verschrieben  ist.-)  In  den  Ostraka  der  Kaiserzeit 
dagegen  findet  sich,  wo  überhaupt  das  Wort  ausgeschrieben  ist, 
die  Bildung:  StayeypäcfT;-/,«.  Vgl.  Nr.  6,  7,  10,  12,  16,  1322. 
Demnach  ist  überall  diese  Form  von  mir  hergestellt. 

3. 

ImyeyQMfipisv  im  tip'  iv  Ortsname  tqü^ts^uv  —  der  Zahler  —  für 
Abgabe  —  Summe.  Datum.  Subscrlpüon  des  Trapeziten.  Vgl.  362, 
1371,  beide  aus  der  Zeit  des  Tiberius. 

Die  Analogie  mit  der  ptolemäischen  Klasse  II  (>''  (S.  72)  liegt 
auf  der  Hand. 


')  Daucbeu  begegnet  SiaYpoicfeiv  im  Revenue  -  Papyrus  auch  in  der 
ursprünglichen  Bedeutung  des  „aufschreibens".  Vgl.  col.  13, .S;  43,7;  43,20. 
Zu  BiaYpacfvi  in  der  Bedeutung  „Zahlungsanweisung"  vgl.  meine  „Actenstückc 
aus  der  königlichen  Bank   zu  Theben"  S.  30. 

-)  Eine  solche  Behandlung  als  verbum  contractum  ist  mir  für  ä'.aYpä^siv 
in  der  Ptolemäerzeit  nicht  bekannt,  wohl  aber  für  andere  Composita  von  YP^cifEiv. 
So  steht  im  Revenue-Pap.  (III.  Jahrh.  vor  Chr.)  27,18:  ävaY£[Y?a]<fr|y.iva'.. 
Vgl.  33,1. T.    Ebenso  in  86,12:  ä7iOYeYpacpY|Xsvai. 


92  III.  KAPITEL. 


4. 

^hnygyQtt(fijX£i'  f'.Ti  r/^r  zov  dehu^  TQUTis^ur  —  der  Zahler  —  für 
Abgabe  —  Summe.  Datum.  Subacrijdion  den  Trapeziten.  Vgl.  o5'J, 
i;518,  1365,  1366,  1376,  1Ö41— 1543,  1556,  aus  der  Zeit  des 
Augustus,  mit  Ausnahme  von  1376  und  1556,  die  aus  dem  Anfang 
der  Regierung  des  Claudius  stammen. 

Wir  stehen  hier  vor  einer  neuen  Formel,  die  sich  bis  jetzt  lediglich 
liir  die  fi-ühere  Kaiserzeit  nachweisen  lässt.  Wenigstens  ist  mir  aus 
der  Ptolemäerzeit  kein  Beispiel  dafür  bekannt,  dass  die  königliehe 
Bank  als  i^  Toö  oetvos  xpaTis^a  bezeichnet  würde.  Damals  sagte 
man  -fi  xpaTiel^a,  £9'  ■^j  6  Oetva.  Die  hier  gewählte  Bezeichnung 
ähnelt  vielmehr  der  Art,  wie  man  Privatbanken  benennt.  Vgl.  BGU I 
Index  s.  v.  xpanei^a.  Die  Möglichkeit,  dass  auch  hier  Privatbanken 
gemeint  wären,  ist  a  priori  zuzugeben,  denn  mau  konnte  ja  vermittelst 
dieser  den  Steuerbetrag  an  die  Behörden  auszahlen  lassen.  Dann 
würden  die  obigen  Quittungen  Privatquittungen  sein.  Aber  es  wäre 
doch  auffallend,  wenn  immer  in  denselben  Jahren  plötzlich  eine 
grössere  Zahl  von  Steuerzahlern  darauf  verfollen  wäre,  sich  der 
Privatbanken  zu  bedienen.  Man  bedenke  auch  die  Geringfügigkeit 
der  Summen.  Demnach  möchte  ich  in  unseren  Texten  doch  au  die 
königliche  Bank  denken  und  daher  auch  die  Versuchung,  in 
1376  und  1556  "/o  xpa^  in  xo/.(Xuß[axtXYjv)  xpa7x(e^av)  aufzulösen, 
von  der  Hand  weisen. 

Dass  die  in  diesen  Quittungen  genannten  Personen  wirklich  die 
Zahler,  nicht  etwa  die  Erheber  sind,  wird  durch  1365  bestätigt,  wo 
der  Stand  der  Person  mit  Ttaaxo(tf opo? )  angegeben  ist. 

5. 

AinysyQacfrptiv  diu  rljg  tov  Ssiroc  t()H7iKijg  —  der  Zahler  —  für 
Ahf/abe  —  Summe.  Datum.  Vgl.  361,  1317,  1319,  1320.  Weitere 
Beisjiiele  dieser  Gruppe  finden  sich  unter  den  neueren  Erwerbungen 
von  Leiden.  Ich  notirte  folgende  Nummern  als  zu  demselben  Schema 
gehörig:  Leiden  Ae.  S.  74,  12(1,  122,  134,  138.  Eine  baldige  Publi- 
cation  dieser  wichtigen,  aber  schwierigen  Stücke  ist  sehr  zu  wünschen. 
Alle  Texte  dieser  Gruppe  stammen  aus  der  Zeit  des  Augustus. 

Die  Verbindung  Staypa^etv  5tä  XYJ?  xpaTis^Yjj  ist  in  diesem 
Zusammenhango  merkwürdig.  Man  könnte  auch  hier  leicht  auf  die 
Vermutung  verfallen,    dass   die   betreffenden  Zahler  nicht  direct  (i^ 


TIIEBANISCHi:    ÜANKCJUITTUNGEX   Afs   DER   KAISKÜZICIT.  '.);} 

Otxou),  sondern  durch  Veriuitteliiii«;-  ihres  I'rivatliankiers  die  Suniine 
gezahlt  hätten.  Doch  aus  den  obigen  Erwägungen  möchte  icii  auch 
hier  die  Deutung  auf  die  königliche  Bank  vorziehen,  und  wenn  es 
heisst,  der  Zahler  habe  vermittelst  der  Bank  gezahlt,  so  hat  man 
etwa  ein  j3xaiA£T,  wie  es  in  den  alten  Ptolemäertcxtcn  steht,  hinzu- 
zudenken; an  den  Kaiser  zahlt  man,  durch  Verniittelung  der  könig- 
lichen  Bank. 

6«. 

.  liays-j'QOKpjxsf  (später  fiitjQax^iEi')  —  der  Zahler  —  für  Abgabe 
—  Summe.  Datum.  Subscription  de-i  Trapeziten.  Manchmal  demotische 
Bekchriflen.  Vgl.  363,  366  —  375,  377,  387,  389,  391,  392, 
394,  395,  398—401,  403-407,  409.  411,  424,  425,  436,  443, 
446,  453,  454,  456—459,  462,  469,  470,  474—476,  481—490, 
492,  494—490,  534,  540,  628,  647,  648,  653—656,  667,  [673], 
1238,  1240,  1280,  1284,  1323—1327,  1373—1375,  1377,  1380- 
1385,  1387—1393,  1396—1398,  1400—1403,  1406—1409,  1414, 
1440,  1444,  1448,  1547—1550,  1553—1555,  1557,  1558,  1561, 
1562,  1566,  1623. 

6"- 

Dasselbe,  ohne  Subscriptio7i.  Vgl.  388,  ."iOo,  408,  419,  422, 
423,  427—435,  437—442,  444,  445,  447—450,  452,  4.55,  460, 
461,  403,  465,  466,  472,  473,  480,  510,  1281-1283,  1285,  1378, 
1379,  1418,  1560,  1563. 

Während  die  vorhergehenden  fünf  Klassen,  die  teils  Eudimentc 
aus  der  früheren  Zeit,  teils  Keuerungen  aufweisen,  nur  vorübergehend 
in  Gebrauch  gewesen  sind,  ist  diese  sechste  Klasse,  die  sich  aus  den 
früheren  losgelöst  hat,  zu  weiter  Verbreitung  gelaugt  und  hat  jene 
früheren  Ansätze  völlig  absorbirt.  Das  vorliegende  Formular  ist  das 
herrschende  bis  zur  Mitte  des  IL  Jahrhunderts  und  darüber  hinaus 
geblieben  und  geht  dann  mit  gewissen  Modificationen  auch  in's 
III.  Jahrhundert  hinein. 

Teils  durch  die  Analogie  der  Stsypa'jiev- Quittungen  in  Svene, 
teils  durch  unrichtige  Lesungen  bestimmt,  haben  wir  bis  vor  kurzem 
die  vorliegenden  Urkunden  für  Quittungen  gehalten,  die  von  den 
Erhebern  {r^päyi.roptc,)  ausgestellt  seien,  und  leider  drückt  sich  diese 
Auffassung  auch  in  dem  Textdruck  der  fi-üheren  Bogen  aus  (vgl. 
jetzt  die  Nachträge  am  Schlus.s).     Es  ist  jedoch  unzweifelhaft,  dass 


94  in-  KAPITKL. 


sie  vielmehr  von  tlen  Trapeziteu  ausgestellt  unil  subseribirt  sind. 
Beweis  ist  namentlich  ?vr.  1387,  wo  in  grosser,  deutlicher  und  jeden 
Zweifel  ausschliessender  Schrift  geschrieben  stellt:  Bdcaao;  d£X[iou 
■cpaTiCe^t-crj;)  a£a7]([Ji£tü)[jiaO-  Desgleichen  ist  beweisend  Nr.  401,  wo 
nach  meiner  am  Original  jüngst  vorgenommenen  Revision  zu  lesen  ist: 
Bäaao;  A£-/.(li°u)  Tpa(7:£^iTrj?)  a£ar;(|i£tü)jiat).  Ebenso  in  390  und 
in  dem  nicht  publicirtcn  Ostrakon  zu  Berlin  P.  4433.  Der  Aus- 
ililiuung  dieses  Resultates  auf  alle  entsprechenden  Nummern  steht 
nichts  im  AVege,  wie  ich  mich  weuig.?tens  für  die  Berliner  Urkunden 
bei  einem  flüchtigen  Besuch  im  Sommer  1895  überzeugen  konnte. 
Vgl.  die  Corrigenda  am  Schluss  von  Buch  II.  Andrerseits  findet 
dieses  Ergebnis  seine  innere  Bestätigung  durch  die  vorhergehenden 
Schemata,  im  Besonderen  durch  Nr.  3.  Unser  Formular  ist  oflenbar 
durch  Kürzung  aus  Nr.  3  entstanden,  indem  man  das  unnötige  ItiI 
Tr,v  —  zpi-.tZ^oi.^  fortliess.  Mau  kann  hier  also  eine  ganz  ähnliche 
Entwickolung   der   Fornuilare    beobachten  wie    in    der  Ptolemäerzcit. 

Dass  ferner  die  in  den  Quittungen  genannten  Personen  wirklich 
die  Zahler  sind,  wird  durch  die  Thatsache  erhärtet,  dass  an  dieser 
Stelle  mehrfach  Frauennamen  begegnen.   Vgl.  473,  494,  654  u.  s.w. 

Bemerkenswert  ist,  dass  in  den  älteren  Quittungen  das  Perfectum 
(5iaY£Ypa9T//.£v)  üblich  ist,  während  der  Aorist  ('ci'ÄYpa.'\izV)  erst 
später  weitere  Verbreitung  findet.  In  den  uns  vorliegenden  Texten 
begegnet  der  Aorist  zuerst  im  J.  40  n.  Chr.  (1374).  Wohl  kommt 
das  Perfectum  noch  mehrfach  im  I.  Jahrhundert  vor,  zum  letzten 
Mal  in  Nr.  486  vom  J.  96  n.  Chr.  Doch  für  das  II.  Jahrhundert 
habe  ich  keine  Belege  mehr  für  eine  Verwendung  des  Perfectum  in 
diesen  Bankquittungen  gefunden.  In  den  Texten  des  I.  Jahrhunderts 
ist  es  übrigens  oft  schwer,  mit  Sicherheit  zu  sagen,  welche  von  beiden 
Formen  gemeint  ist,  da  die  Schreiber  gerade  dieses  Eingangswort 
sehr  stark  zu  kürzen  oder  zusammenzuziehen  lieben. 

Die  Sul)scrii)tionen  der  Trapcziten  haben  wie  ein  und  denselben 
Sinn,  so  im  Grunde  auch  ein  und  dieselbe  Form.  Die  äusseren 
Unterschiede  entstehen  nur  durch  Ellijasen.  In  den  angeführten 
Texten  lassen  sich  folgende  xVrten  unterscheiden  (wenige  Citate 
mögen  genügen): 

1.  Name,  Titel  ( TpaiX£^txYji;),  a£crrjjx£i(0|iat.  Vgl.  401,  1387. 
Dies  ist  die  vollständigste  Form,  die  stilLschweigend  auch  in  den 
anderen  Fällen  zu  suppliren  ist. 


•I'lIKHANIStllK    liANKQUITTUNGEN    AU>'    DKU   KAISERZEIT.  95 


2.  iS'aiuc,  asarj |X£ttoiiat  (olme  TituI).     Vgl.  363,  403,  40b. 

3.  Name,  Titel  (uhue  a£ar(|i£o'o)|X3ci).     Vgl.  367  ff. 

4.  Name  (ohne  Titel  und  atarj\idw\iO!,0-  Vgl.  391,  394, 
395,  409,  1388. 

Auch  iTray.oXo'jxJ'etv  (s.  oben  S.  76  f.)  wurde  von  den  Bankbeaniteu 
gebraucht.  So  steht  unter  einem  demotischen  Text  (Brit.  Mus.  12612) 
aus  dem  2.  Jahre  des  Augustus,  der  nach  Kevilluuts  Uebersetzung 
von  der  Bank  ausgestellt  zu  sein  scheint,  die  griechische  8ubscri})ti()n: 
]  .  w?  'IXapicovoj   ST^rjxoAoü 9'YjXa    (vgl.  Revue  Egypt.  IV.  S.  185). 

Zu  der  Bezeichnung  ävxt'ypa^ov  a7to)c^g  in  1558  vgl.  oben 
S.  So  f.  Eine  merkwürdige  Absonderlichkeit  zeigt  Nr.  672.  Es 
heisst  da:  „Atsyp^a^Y])  8t'  i^|jiü)v  KXauSEo'j  Ilepvaiou  y.cd  (\vizöy^wy) 
%p!X%(x6pb)v)  —  für  Abgabe  —  övo(|Jiaxos)  des  Zahlers  —  Summe. 
Datum."  Hält  man  den  Text  für  correct,  so  muss  mau  daraus 
folgern,  dass  hier  der  Erheber  bescheinigt,  auf  den  Namen  des 
Zahlers  an  die  Bank  gezahlt  zu  haben.  Ich  halte  diese  Deutung, 
durch  welche  das  Ostrakon  ganz  aus  dem  obigen  Rahmen  heraus- 
fallen würde,  für  sehr  imwahrscheinlich  und  möchte  annehmen,  dass 
hier  wie  so  häufig  in  vulgären  Texten  Gjitbv  für  r|jiöv  zu  lesen  ist. 
Dann  bleibt  die  Quittung  eine  Bankquittung,  was  sie  auch  ihrem 
ganzen  Schema  nach  zu  sein  scheint,  und  es  ist  nur  der  für  Theben 
singulare  Fall  zu  constatiren,  dass  die  Trapeziten  angeben,  durch 
welchen  Erheber  ihnen  die  Summe  gezahlt  ist.')  Dass  sie  ihn  in 
2.  Person  anreden,  bestätigt  nur  unsere  Annahme,  dass  die  Bank- 
quittungen den  Erheben!  eingehändigt  wurden  (s.  oben  S.  88). 

7. 

.7(f;()«ififj'  —  Datum  l^ilonai,  Ta;/,  Jahr)  —  der  Zahler  [oder 
iiyufiaro^'  des  Zahlers)  —  für  Abgabe  —  Summe.  Suhscription. 
Vgl.  665,   1472,  1474,  1594,  alle  aus  dem  III.  Jahrh.  nach  Chr. 

Wir  lassen  dieses  Schema  dem  vorigen  sogleich  folgen,  weil 
es  eine  zwar  sachlich  unwesentliche,  formell  aber  doch  charakte- 
ristische Umwandelung  des  Vorigen  darstellt:  das  Datum  ist  von 
der  letzten  Stelle  an  die  zweite,  hinter  Sieypx^'EV  gerückt,  und  zwar 

')  In  den  Faijümer  Quittungen  auf  Papyrus,  die  nach  meiner  Vermutung 
■von  der  Bank  ausgestellt  sind,  ist  es  ganz  gewölmlicli,  dass  der  Erheber  mit 
genannt  wird.  Das  geschieht  entweder  in  der  Form ;  ,,S'.£Ypa4'^''  —  durch  (dtä) 
den  Erheber  —  der  Zahler"  (vgl.  BGU  99,  212,  214,  219  etc.)  oder  „SiE-j-patJjsv 
—  dem  Erheber  —  der  Zahler"  (vgl.  BGU  G6,   213,   220,   221,  270  etc.). 


96  III-  KAPITEL.  ■ 

steht  regelmässig  der  Mouat  vorau.  Es  ist  merkwürdig,  wie  solche 
sachlich  ganz  gleichgültigen  Kleinigkeiten  doch  allgemeine  Ver- 
hreitung  finden.  Die  augefülirten  Beispiele  stammen  aus  der  Zeit 
der  Philippe  und  des  Valerian  und  Gallien.  Wir  liaben  hier  ofienbar 
die  im  III.  Jahrhundert  üblich  gewordene  Form  der  Bankquittungen 
vor  uns,  die  die  vorige  Form  (G)  verdrängt  hat.  "Wir  werden  in 
Nr.  10  eine  Abkürzung  unseres  Formulars  kennen  lernen,  das  neben 
ihm  in   Geltung  war. 

In    1474    steht   statt   des   Namens   des    Zahlers   im    Nominativ  ' 
vielmehr  öv6([i.aT0i;)    mit  dem  Genetiv  des  Namens.     Dabei  ist  das 
Verbuni  nicht  etwa  in  Sieypa'^rj  verändert,  wie  man  erwarten  sollte, 
sondern    es    lautet   hier    zufallig   ausgeschrieben:    ot[eYpa]t};£v.     Vgl. 
unten  S.  108  TZOLpioytQ  öv6|iaTO?. 

8. 

Der  Zahler  —  für  Abgabe  —  Sum)ne.  Datum.  Vgl.  1369, 
426,  451,  467,  471,  477,  478,  493,  666,  668,  669. 

Ich  halte  dieses  Schema  für  eine  Verkürzung  von  Nr.  6,  mit 
dem  es  im  Wesentlichen  identisch  ist,  nur  dass  das  regierende  Verbum 
(StaYsypa^TjXSv)  als  selbstverständlich  fortgelassen  ist.  Von  den 
angeführten  Nummern  gehört  1369  in  die  Zeit  des  Augustus,  auch 
666  in  den  Anfang  der  Kaiserzeit,  alle  übrigen  aber  in  die  2.  Hälfte 
des  I.  Jahrhunderts,  in  die  Zeit  von  Otho  bis  Trajan.  Diese  scheinen, 
zum  Teil,  von  dereelben  Hand  geschrieben  zu  sein  und  behandeln 
dieselben  Personen,  vi-ie  'Apvoöpig  'A7to?.X(jL)vtou,  'AtioAXw?  'Apvoii- 
ptos  u.  s.  w.  Offenbar  stammen  die.se  alle  aus  demselben  Bureau; 
aus  welchem  Orte,  ist  nicht  genauer  bekannt. 

9. 

Für  Abgabe  zuv  x.  iiovg  —  Datum  —  der  Zahler  —  Summe. 
Suhscr!pf!on  t/cs  TrapezHen.  Vgl.  468,  479,  1413,  1564,  1565, 
alle  aus   der  Zeit  des  Domitian. 

Diese  Nummern  bieten  wieder  eine  andere  Umstellung  derselben 
Elemente.  Mit  dem  vorigen  Schema  ist  ihnen  gemeinsam  das  Fehlen 
des  regierenden  Verbums.  Eigentümlich  ist  ihnen  die  Voranstellung 
der  Abgabe.  Au.sser  in  1564  findet  sich  in  allen  Nummern  vor  dem 
Namen  des  Zahlers  die  Sigle  Cp,  die  ich  leider  noch  immer  nicht  ent- 
rätseln konnte.  Auch  hier  kommt  man  auf  den  Gedanken,  dass  die  an- 
geführten Nummern  vielleicht  aus  einem  und  demselben  Bureau  stammen. 


THKBANISCHE   BANKQUITTUXGEN   AUS    DF.K    K  A  Isi;i{ZEIT.  97 

10. 

Datum  (Monat,  Tag,  Jahr)  —  oiü/iaru^  de-''  Zali/crn  —  /"/• 
Abgabe  —  Summe.  SubscrijMon  des  Traj)eziten.  Vgl.  659,  6()1, 
063,  674-679,  681—700,  1333,  1334,  1457,  1466,  1469,  147«), 
1473,  1478,  1595. 

Aufh  hier  haben  wir  es  offenbar  mit  einer  elliptischen  Form 
zu  tliun.  Wir  irren  wohl  nicht,  wenn  wir  dieses  Schema  als  eine 
Verkiirznng-  von  Nr.  7  betrachten,  mit  der  sie  die  merkwürdige 
N'oranstellung  des  Monats  gemein  hat;  nur  fehlt  hier  das  Verbum 
Staypacpetv.  Man  vgl.  1473  und  1474!  Dieses  Formular,  das 
sich  durch  grosse  Kürze  auszeichnet,  scheint  die  alte  Stlypx'^sv- 
Form  (Nr.  6)  in  der  2.  Hälfte  des  IL  Jahrhunderte  verdrängt  zu 
haben.     Es  begegnet  dann  im  III.  Jahrhundert  neben   Nr.  7. 

Wir  waren  nicht  in  der  Lage,  für  die  letzten  Klassen,  7 — 10, 
aus  den  einzelnen  Texten  den  Beweis  dafür  zu  erbringen,  dass  diese 
Quittungen  wirklich  von  der  Bank  ausgestellt  sind.  Doch  das 
liegt  nur  an  unserem  Material,  indem  in  den  Subseriptionen,  wenn 
solche  überhaupt  da  sind  —  oft  fehlen  sie  ganz  — ,  keine  Titel 
genannt  werden.  Ich  glaube  aber,  dass  die  Abhängigkeit  dieser 
Formulare  von  einander  und  die  enge  Verwandtschaft  mit  Klasse  6 
ausser  Zweifel  stellt,  dass  wir  uns  mit  der  Erklärung  derselben  als 
Bank(|uittun<!:en  im   Rechte  befinden. 


Theben  und  Hernioiithis. 

Quittungen  über  Naturallieferungen. 

A.  Ptolemäerzeit. 

I.  Quittungen,  die  der  Erheber  ausstellt. 
j  Der  Erheber  —  dem  Z(dder  —  yainitr.     "EyM  —  Summe.    Datum. 

Vgl.  755,  1358. 

Wie  zu  erwarten  war,  quittiren  die  Erheber  und  Pächter  der 
I  Naturallieferungen,  ebenso  wie  die  der  Geldsteuern,  ihren  Zahlern 
in  der  briefartigen  Form.  Aus  der  Ptolemäerzeit  liegen  zufallig 
nur  diese  beiden  Beispiele  vor.  Wir  werden  unten  sehen,  dass  sie 
auch  in  der  Kaiserzeit  an  dieser  Form  festgehalten  haben,  und 
zwar  ausschliesslich. 

WiLCKEX,  Oblraka.  * 


98  111.  KAriTKI,. 


Ganz  isolirt  steht  einstweilen  der  merkwürdige  Brief  1525,  in 
dem  ein  Jlanu,  den  wir  wohl  für  den  Btcuercrheber  halten  dürfen, 
dem  Zahler  schriftlich  giebt,  wieviel  er  ihm  noch  schuldet  (wcptXet? 
{lo:).  Wenn  dieser  Brief  auch  sachlich  nicht  hierher  gehört,  so  ist 
es  doch  formell  nicht  uninteressant,  dass  er  eine  Subscription  trägt: 
Aai|iay^o;  i7n]xoXoüö-Yj(xa).  Wir  wiesen  schon  oben  darauf  hin, 
dass  wohl  auch  schon  in  der  Ptoleraäerzeit  die  briefartigen  Quit- 
tungen des  Erhebers  Subscriptionen  getragen  haben  mögen,  wenn 
wir  auch  bis  jetzt  kein  Beispiel   dafür  kennen. 

II.  (|)uit  tungen,    die   der  Thesauros  ausstellt. 

1. 

Datum  (Jahr,  Monat,  Tag)  —  der  Erheber  (?)  —  für  Abgabe 
—  Summe.     Subymption.     Vgl.  711,   133G. 

Diese  Quittungen  gehören  beide  dem  III.  Jalirh.  vor  Chr., 
wohl  der  Zeit  des  Philadelphos,  an.  Wie  die  Analogie  der  nächsten 
Selieraata  zeigt,  haben  wir  hinter  dem  Datum  ein  [X£[i£TpY]X£V  zu 
ergänzen.  Wir  haben  hier  in  diesen  altertümlichen  Urkunden 
dasselbe  Streben  nach  Kürze,  das  wir  oben  für  die  Bankquittungen 
derselben  Zeit  hervorhoben.  Auch  dort  liebte  man  es  in  dieser 
Zeit,  eventuell  tiItttwxev  fortzulassen,  und  wie  die  Bankquittungen 
allmählich  immer  wortreicher  und  klarer  werden,  so  werden  wir 
dasselbe  auch  für  die  Thesaurosquittungen  constatiren  können.  Wir 
finden  also  in  den  Quittungen  der  beiden  Schatzverwaltungen  dieselbe 
Entwickelung. 

Dass  die  in  den  beiden  Quittungen  genannten  Personen  die 
Erheber  seien,  kann  ich  nicht  strict  beweisen.  Doch  legt  die 
Analogie  der  nächsten  Schemata  es  nalie,  ebenso  die  Vergleiehung 
mit  der  Bankquittung  1491,  die  den  unsrigeu  durchaus  entspricht. 
Immerhin  ist  daran  zu  erinnern,  dass  im  III.  Jahrh.  v.  Chr.  wenig- 
stens in  den  Bankquittungen  meist  die  Zahler  genannt  zu  werden 
])flegten. 

Die  unterzeichnenden  Personen  werden  wir  für  Beamte  des 
Thesauros  zu  halten  haben.  Wir  werden  unten  in  Kap.  VI  genauer 
darlegen,  dass  die  Beamten  der  Staatsmagazine  oder  d-qaixupoi,  die 
dem  Trapeziten  an  der  Trapeza  entsprechen,  die  artoXöyot  gewesen 
sind.     Der  ApoUonides  (?),  der  1336  unterzeichnet,  wird  daher  <lor 


THEBÄNISCHE  THESAUROSQUITTITXGEN   Al'S   PTOLEMÄERZEIT.      9'J 


Sitologe,  resp.  ein  Vertreter  gewesen  .sein.')  Für  das  Geseliäft,  das 
in  711  vorliegt,  koinnit  freilieh  der  Sitologe  iiielit  in  Betracht,  denn 
hier  handelt  es  sich  um  Weiulie.ferungen  l'iir  die  a7io[iGtpa  und 
oivoAoyca.  AVahrseheinlieh  werden  die  grossen  Staatsweinkellereien 
auch  zu  dem  Gesammtbereich  des  Thesauros  gehört  haben.  Aber 
wie  die  mit  diesem  Zweige  betrauten  Beamten  geheisseu  haben,  ist 
nicht  überliefert.  Vielleicht  darf  man  den  subscribireuden  'Epjxtag 
im  Anschluss  an  die  erwähnte  oEvoXoyta  als  oivoXoyo;  bezeichnen, 
was  eine  gute  Analogie  zum  aoxoXoyo;  wäre. 

2«. 

Datum  (Jahr,  Monat,  Tag)  —  |Ji£[i£TpyjX£v  sie,  xöv  Iv  Ortmame 
%'r\QTjpb''J  ■ —  für  Abgabe  —  der  Erheber  —  Smnme.  tSubscription 
lies  Hitologen.  Mehrfach  demotische  Beischriften.  Vgl.  709,  718, 
721,  723—731,  734—736,  740,  745—748,  750,  752,  754,  1255, 
1349,  1350,  1353,  1505,  1509,  1511,  1521,  1524,  1527,  1529. 
Vgl.  auch  741,  743. 


Dasselbe  ohne  Subscription.  Vgl.  702,  704,  742,  1341,  1533. 
Vgl.  auch  737. 

Diese  Thesaurosquittungen  entsprechen  im  Wesentlichen  den 
Bankquittungen,  welche  begannen:  TtsTCTüJxsv  oder  xsTaxtai  stcI 
tYjV  £v  Ortsname  xpaTie^av.  Sie  gehören,  soweit  sie  sich  sicher 
datiren  lassen,  alle  dem  II.  Jahrhundert  v.  Chr.  an. 

Im  Rheinischen  Jahrbuch,"-)  wo  ich  zuerst  dieses  Formular 
hergestellt  und    erklärt   habe,   nahm   ich   irrig   an,    dass  die  in  der 

')  Nachträglich  sehe  ich,  da.ss  Revillout,  der  den  Text  iu  den  Melange« 
S.  129  nochmals  bringt,  Z.  4  liest:  'AitoX>.{B(vtos)  01x0X0705,  während  ich  im 
vorigen  Jahre  'ATtoX^oiviScy;;)  (?)  zn  sehen  glaubte.  Da  auch  ich  im  Druck  die 
3  letzten  Zeichen  dureli  die  Punkte  als  unsicher  bezeichnet  habe,  wäre  es  wohl 
möglich,  dass  hier  etwa  AitoXX'"  aC^  stünde.  Ausgesehriebeu,  wie  bei  Revillout, 
ist  das  Wort  jedenfalls  nicht.  Dagegen  halte  ich  in  Z.  .S  mein  II[£]pl  Gyj(ßa5) 
gegenüber  seinem  (xöitcu)  aufrecht. 

ä)  Rhein.  Jahrb.  S.  236  ff.  und  256  ff.  Dort  ist  auch  auf  die  früheren 
Arbeiten  hingewiesen.  Wesselr,  Denkschr.  Wien.  Akad.  1889.  S.  214,  hat  die 
ptolemäischen  Beispiele  falsch  aufgefasst,  wenn  er  sie,  tyjv  STi:'(pa.^ri-i  in  das 
Schema  hineinzieht.  Damit  ist  vielmehr  eine  bestimmte  Abgabe  gemeint. 
Vgl.  Ka]..  IV  §  46. 


100  III-  KAPITEL. 


Quittuug  genannte  Person  der  Zahler  sei.  Vielmehr  i.st  sie  aueli 
liier,  ganz  wie  in  den  entsprechenden  trapezitisehen  Quiftnngen,  der 
Erbeber.  Beweisend  ist,  wie  schon  oben  erwähnt,  Nr.  1255,  in  der 
sie  mit  ihrem  Titel  als  6  e^aXifjcptüs  d.  li.  als  der  Pachter  aus- 
drücklich bezeichnet  wird.  Damit  sind  alle  Zweifel  gehoben,  und 
wir  dürfen  dies  Ergebnis  auch  auf  <lie  anderen  Urkunden  desselben 
Schemas  ausdehnen. 

Die  Subscriptionen  der  Sitologen  zeigen  folgende  verschiedene 
Formen : 

1.  Name.     Vgl.  Tü'J,  718,  721,  724  u.  s.  w. 

2.  Name,  Titel  (aiXoXöyoi;).  Vgl.  734,  735  u.  s.  w.  Diese 
Nummern  sind  von  grösster  AVichtigkeit,  da  sie  uns  die  Sicherheil 
geben ,  dass  die  Quittungen  dieser  Gattung  eben  von  den  Sitologen 
ausgestellt  sind. 

3.  Name  |i£(|i£Tp7]|Jiat),  Summe  (d.  h.  Wiederholung  der  em- 
pfangeneu Artabeusumme).  Vgl.  709,  .724,  725,  736  u.  s.  w.  Im 
griechischen  Textdruck  habe  ich  in  den  früheren  Bogen  noch  die 
Auflösung  ji£([X£Tpy)X£v)  vorgeschlagen.  Ich  möchte  dies  jetzt  schon 
wegen  des  Subjectswechsels,  den  man  dann  annehmen  müsste,  be- 
anstanden. Auch  glaube  ich,  dass  es  dem  Wesen  der  Subscription 
mehr  entspricht,  dass  der  Subscribent  seine  eigene  Thätigkeit  her- 
vorhebt, nicht  die  des  Zahlers.  Vgl.  lypa'^a,  a£avj|X££{i)|iat ,  ItüTj- 
■/.oXo6-8-rjy-a  u.  s.  w.  Ich  schlage  daher  vor,  wie  oben,  jji£(|j,e- 
Tpirjjj,at)  zu  lesen,  was  bedeutet:  „Ich  habe  es  mir  vermessen." 
Das  ist  geradezu  soviel  wie:  ,,Ieh  habe  es  empfangen."  So  las  ich  im 
Pap.  Lond.  CCXCV  die  Worte:  6ii.oXo'((b  [i£jj.£xpY/a&ac  xai  aTica/Yj- 
x£va'..  So  quittirt  ein  Sitologe  in  BGU  61,14  mit  den  Worten: 
KaoxcDp  "Hpwvo;  |ji£ji£Tpr/(X£  xaxög  7ip6x[£[]Tat,  nachdem  es  vorher  ge- 
heissen  hat  (i£(X£Xpif;[ji£'8'a,  d.  h.  ,,wir  haben  empfangen".  Vgl.  Pap. 
Lond.  CCX VII,  IG:  Sapa-a(i|xwv  aixo/aÖYOc)  |ji£|ji£XpyjjJi(at)  wg  izipi- 
X£txa0-  Vgl.  auch  BGU  67,6:  [i£[X£xprj|X£i)-a  dv  iH^aaupft,  gleichfalls 
von  Sitologen  gesagt.    Weitere  Belege  BGU  I    Iudex  u.  |i£xp£iv. 

Auch  bei  diesen  Quittungen  kommt  es  ganz  ähnlich  wie  bei 
den  Bankquittungen  vor,  dass  der  Beamte  'nebenbei  eine  Summe 
notirt,  die  grösser  ist  als  die  in  der  Quittung  genannte.  So  steht 
/,.  B.  auf  dem  Verso  von  709  erst  die  quittirte  Summe,  7f  Artaben, 
darauf  noch  „102^^  Artaben".  Letzeres  muss  die  Gesammtsumnie 
sein,    die   der  Sitologe   bis  dahin  erhalten  hat.     Vgl.  oben  S.  7r>,6. 


TIIKliANI.-CIIlC   THKS.UÜOSQUITTUNGEX    AUS    rTol.lCMÄKKZKIT.    101 


Im  einzelnen  finden  sich  auch  hier  wieder  allerlei  Ab- 
weichungen vom  Schema,  die  meist  ohne  grosse  Bedeutung  sind.  So 
wird  in  718  die  Abgabe,  in  lü49  der  Ortsname  übergangen.  So 
Sicht  in   1349  e?s[ji£|i£i:pYjX£v  statt  des  Simplex. 

Eine  besondere  Rubrik  bilden  Nr.  737,  741,  743,  in  denen 
Uei'erungen  s;;  xö  sÄxio'JpYS^CiV  bescheinigt  werden.  Dies  erklärt 
>icli  daraus,  dass  es  sicli  iiici-  um  die  Vermessung  der  Krotonpflanze 
handelt,  die  zur  Oelfabricatiou  an  die  königliche  Oelfabrik  abge- 
liefert wird.  Nach  Nr.  727  und  729  wurde  Kroton  jedoch  auch  in 
den  Thesauros  vermessen. 

Noch  einer  Eigentümlichkeit  müssen  wir  gedenken,  die  einige 
Thesaurosquittungen,  dieser  und  der  näclisten  Gruppe,  aufweisen. 
Bi'i  i\Ianclien  steht  nämlicli  oberhalb  der  ersten  Zeile  etwa  in  der 
Mitte  das  Wort  fspoO  mit  einer  darauf  folgenden  Zalii,  meistens 
einem  Bruch.  Vgl.  736  (Corrig.),  740,  746,  747,  1341,  1521,  und 
von  der  nächsten  Klasse  710,  749,  1343.  Es  ist  dies  die  Gruppe, 
die  von  E.  Revillout  in  seinen  „Melanges",  wie  ich  soeben  sehe, 
als    Upoü    ai(TGu)    gelesen    wird.      Zur    Sache    vgl.    Kap.  IV    S;  60. 

3" 

Datwm  (Jahr,  Monat,    Tag)   —  für  Abgabe  —  der  Erheber  — 

Summe.     Sub/^cripiion  des  Sitologen.    Vgl.  321,  701,  703,  710,  720, 

722,  732,  749,  753,  756,  1253,  [1254=]1489,  1311,  1355,  1360, 

1498,  1500,  1520. 

3''- 

Derselbe,  ohne  Subscriptlov.  Vgl.  706,  708,  713,  717,  733, 
1312,  1313,   1342,  1343,  1356,  1512. 

Dies  Fornndar  unterscheidet  sich  vom  Vorhergehenden  im 
Wesentlichen  nur  dadurch,  dass  der  Zusatz  etg  x&v  {t-r^aaupöv  fehlt, 
der  natürlich  zu  ergänzen  ist.  Aehnlich  hatten  wir  oben  eine 
Rubrik  unter  den  Bankquittungen,  in  der  Itü  xrjv  xpOTsI^av  fehlte 
(II  7).  In  1520,  wo  es  sich  um  Sesamlieferungen  handelt,  wird 
vielleicht  e:;  x6  EXaiOupyeTov  zu  ergänzen  sein.  Auch  hier  werden 
wir  wie  bei  den  Bankquittungen  die  Annahme,  dass  dieses  kürzere, 
schlichtere  Formular  die  ältere  Vorstufe  zu  dem  vollständigeren  ist, 
bevorzugen,  zumal  wenn  wir  bedenken,  dass  zwei  Nummern  darunter 
sind  (1253  und  1489),  die  der  Zeit  des  Philadelplios  angehören.  Die 
übrigen    stammen    wohl    meist    aus     dem    II.   Jahrhundert   v.  Chr. 


102  ni^-  KAPITKL. 


Diese  beiden  alten  Quittungen  unterscheiden  sifli  vnii  den  jüngeren 
nur  darin,  dass  sie  eE;iJL£ii£xpy]X£V  sagen,  was  sich  freilich  sonst  auch 
bei  jüngeren  Texten  findet  (vgl.  Nr.  1849). 

Die  Sul)scriptionen  gleichen  in  allem  Wesentlichen  denen  der 
vorigen  Klasse.  Nur  die  Abart  „Name,  Titel,  Summe"  (Nr.  720) 
kam  dort  zufiillig  nicht  vor.  Hier  ist  natürlich  [iz\xiTpriixoL:  zu 
ergänzen.  Nr.  1360  ist  subscribirt:  At'  'Epji    . 

4" 
Datum  (Jahr,  Monat,    Tag)   —  Tiapaoeowxsv  —  für  Abgabe  — 
der  Erheber  —   a.yüpOD   —  Ummne.     Hubacripüon.     Vgl.  738,  744, 
1352,   1501.  1513,  1514,   1511». 

4b. 

Dableibe,  ohne  Sub^cripHon.     Vgl.  707,  715,  751. 

4c. 

Datum  (Jahr,  Monat,  Tag)  —  (ji£([i£xpr]X£v)  £t;  t6  ßaatXixöv 
der  Erheber  —  dyjjpou   —   Summe.   —   Datum.     Vgl.  705. 

"Wir  haben  diese  Quittungen,  die  von  den  Spreulieferungen 
handeln,  aus  sachlichen  und  formellen  Gründen  für  sich  gestellt. 
Wohin  die  Fuhren  von  Spreu  (aycDyat  heissen  sie  hier  in  der  Ptole- 
mäerzeit  regelmässig)  geschafft  wurden,  geben  unsere  Texte  leider 
nicht  an.  In  705  heisst  es:  £i;  x6  ßaacXcxöv.  Das  ist  ein  ganz 
allgemeiner  Begriff,  unter  den  z.  B.  ausser  dem  Thesauros  auch  die 
Bank  fiillt.  Wahrscheinlich  werden  die  Spreulieferungen  zum  Ressort 
des  Thesauros  geliört  haben,  aber  sie  scheinen  docli  mindestens  ein 
gesondertes  Departement  gebildet  zu  haben.  Ich  besinne  mich, 
auf  einem  der  Ostraka  von  Sayce  den  Ausdruck  zig  X7jv 
d-/'jpof)'rj7.rjV  gelesen  zu  haben,  den  auch  die  Iliasscholien  kennen. 
Das  mag  der  Name  füir  dies  Departement  gewesen  sein,  und  die 
Männer,  die  hier  subscribiren,  mögen  die  Beamten  dieser  3t.yvpo- 
■S'rf/.Yj  sein.  Formell  kommt  Nr.  705  den  Thesaurosquittungen  am 
nächsten.  Sie  steht  bis  jetzt  allein,  denn  alle  übrigen  verwenden  statt 
(lExpEtv  regelmässig  das  Vcrbum  TiapaStSovac,  seil,  x'/üpou  dywyd?. 

Dass  der  Quittungsempfänger  der  Erheber  ist,  wird  z.  B.  durch 
744  wahrscheinlich,  wo  Aiovuato;..  xal  ot  jxlxoyot  genannt  werden. 
also  eine  Genossenschaft.     Ebenso  in   1.51!'. 


TIIEBAXISCIIE    QUITTUNGEN.  1().") 

Zu  4"  gehört  auch  das  Ostrakou,  das  Sa}-ce  in  Petr.  Pap. 
(II)  S.  43  mitteilt.  lu  Z.  2  wird  7:apx5£5w(x£v)  sie  ib  y.a8-(Tjxovj 
zu  lesen  seiu,  iu  Z.  4  äytoyäs  statt  [Jitü'.a. ') 

R.  Kaiserzeit. 

Auch  von  den  Naturalquittungen  der  Kaiserzeit  gilt,  was  wir 
oben  für  die  Geldquittunsrcn  dieser  Periode  ausführten,  dass  die 
Stoucrerhcbor  sich  den  Zahlern  gegenüber  lediglich  der  Bricflonii 
bedienten,  dass  also  alle  anderen  Varietäten,  die  uns  entgegentreten, 
auf  Rechnung  der  Thesaurosbeamten,  der  Pitologcn,  die  den  Trape- 
ziten  in  jenem  anderen  Departement  entsprechen ,  zu  setzen  sind. 
Nach  diesem  Grundprincip  sondern  wir  das  vorliegende  Material 
in  der  folgenden  Weise. 

III.    (Quittungen,    die    der    Erheber    dem    Zahler    ausstellt. 

1. 

Der  Erheber  —   dem  Zahler  —  yaiQetv.  " Eiiti  {oder  ähnlich)  —  für 

Abgabe  —   Summe  (oder  „die  Abgabe",  ohne  Summe).     Datum.   Sub- 

serlptmi  des  Erheber».     Vgl.  782,  784,  812,  86.5,  86G,  927,   1012. 

2. 

Dasselbe,   ohne  Subscription.     Vgl.  775,    780,   781,   784—787, 

780,   795,  797,   798,   801,  80(),  807,  810,  819,  844—846,  853, 

854,  [875],  914,  936,  961,  973,  1009,  1010,  1015,  1020,  1415, 

1417. 

3. 

Dasselbe,    ohne   ;(«/(<?()■,    mit  Snbscriplion.     Vgl.  818,    835,  839, 

857,  863,  871,  906,  916,  1013. 

4. 
Dasselbe,  ohne  jaiQEir,   ohne  Subscrijdion.      Vgl.  763,  765,  796, 
815,   834,   841—843,   849,  856,   862,  864,  877,  882,  885,  919, 
924,  928,  932,  955,  1446,  1452. 


')  Danach  würde  der  Text  lauten:  'Exous  v.-(  «tapiicüa-:  X  j:apa5£5o)(y.EV) 
eJSXÖ  [x]aa-(f;xov)  -coO  aOxoD  sxou;  nsxEaoux<o>S  Xivoßoaxos  (oder  XT|Voßooxoö?) 
ixi^ipou)  Kß-fir^^iy  xpiaxcvxa  ,  X.  Die  Sultseriptionen  hat  Sayce  nicht  voll- 
stäniUg  mitgeteilt. 


104  III-  KAPITEL. 


Audi  unter  diesen  Urkunden  liofiudet  sieh,  wie  wir  es  oben 
auch  für  die  entsprechenden  Quittungen  der  Gelderheber  constatiren 
mussten.  kein  Beispiel,  das  mit  Sicherheit  iu's  III.  Jahrhundert 
n.  Chr.  gesetzt  werden  niüsste.  Sie  reiehen  vielmehr  wie  jene  nur 
bis  zum  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts.  Es  liegt  sehr  nahe,  diesen 
thatsäehlichen  Befund  mit  dem  Ergebnis  von  Wcssely's  Unter- 
suchungen der  Quittungen  der  byzantinisch -arabischen  Zeit  in  Ver- 
bindung zu  bringen,  wonach  unser  briefartiges  Fornuilar  in  jener 
spaten  Zeit  nicht  mehr  vorkommen  soll  (Denkschr.  d.  Wien.  Akad. 
XXXVII  1 889.  B.  224).  Man  könnte  hiernach  leicht  zu  der  An- 
nahme kommen,  dass  um  200  n.  Chr.  die  Erheber  aufgehört  hätten, 
in  Brieflbrm  den  Zahlern  zu  (piittiren,  oder  allgemeiner,  dass  über- 
haupt damals  diese  Form  abgekommen  sei.  Doch  dieser  Schluss 
wäre  gewiss  übereilt;  man  braucht  nur  auf  die  Quittungen  aus 
Pselkis  hinzuweisen,  die  dem  III.  Jahrhundert  nach  Chr.  entstammen 
und  doch  iu  Briefform  verfasst  sind.  Dass  wir  in  Theben  kein 
Beispiel  für  das  III.  Jahrhundert  haben,  kann  sehr  leicht  ein  Zufall 
sein,  zumal  wir  aus  diesem  überhaupt  nur  noch  vereinzelte  Ostraka 
besitzen.  Wenn  sich  ferner  unter  den  von  Wessely  a.  a.  O.  publi- 
cirten  Quittungen  der  späteren  Zeit  wirklich  keine  briefartigen 
Quittungen  fänden,  so  könnte  auch  dies  sehr  leicht  ein  Zufall  sein. 
Sehr  gewagt  ist  es  daher,  wenn  Wessely  a.  a.  O.  dem  Abdruck 
meines  Schemas  aus  dem  Eheinischeu  Jahrbuch  S.  245  (s.  oben  S.  5i^ 
Anm.)  die  Worte  hinzufügt:  „Da  jedoch  die  Epistola  ganz  in  das 
Wesen  derContracte  überging,  fiel  diese  Form  für  die  (Quittungen  ausser 
Betracht."  Selbst  wenn  man  annehmen  wollte,  dass  aus  dem  vorliegen- 
den Material  notwendig  folge,  dass  die  briefartigen  Quittungen  auf- 
gehört hätten,  so  möchte  ich  doch  die  von  Wessely  vorgeschlagene 
Motivirung  dieses  Vorganges  nicht  für  zutreffend  halten.  Denn  wenn 
die  Briefform  in  die  Contracte  eindringt,  warum  soll  dies  die  Quittungs- 
aussteller veraidassen,  ihrerseits  auf  diese  seit  Jahrhunderten  übliche 
Form  zu  verzichten?  Vor  dieser  Gedankenverbindung  musste  auch 
schon  die  Beobachtung  schützen,  dass  nach  dem  von  Wessely  vor- 
gelegten Material  die  Briefflirm  im  geschäftliehen  Verkehr  auch  noch 
der  späteren  Zeit  eine  sehr  weite  Verbreitung  gehabt  hat.  Sind  doch 
die  meisten  Zahlungsanweisungen  in  Briefform  verfasst.  Denn  wenn 
die  auf  S.  238  ff.  von  ihm  publicirtcn  Anweisungen  das  Schema 
haben  ,/0  oelva  t(o  SsTv..  ITapäa/ou"  y.xX.  oder  „Tto  oslvt  6  Setva. 


THEBANISCHE  EEHEBEKQUITTUNGEN   AUS   DER  KAISERZEIT.     105 


|[apaa)(0'j"  xxX,  so  ist  das  nichts  audurcs  als  dif  Brieffbrin.  JFaii 
wird  sich  an  dem  Fehlen  von  yv.^v.v  nach  den  obigen  Ausführungen 
nicht  stossen,  und  dass  in  gewissen  Fällen  der  Dativ  gern  voran- 
gestellt wurde,  habe  ich  früher  nachgewiesen.  Aber  wenn  ich 
nicht  irre,  befindet  sich  sogar  eine  Quittung  in  Hriett<)rni  in 
W'essely's  Publication  selbst.  Die  Richtigkeit  seiner  Lesung  voraus- 
gesetzt, ,möchte  ich  die  unterste  Nummer  auf  S.  2;-52  folgendermasseu 
auffassen: 

[-f  i]uv    9'£(ö.     Myjv]«?   Sfta)   ritaoiou   XoYOYp(a?ou)   ujiTv  xoT? 

[caib  }(wp£ou] 

[Kepxeaouxwv  ]opo'jc.     KT.ia.^t^Xri'/.ioi.'zt)  Icp'  'i,'^(S.<i) 

äpo'jp(wv) Ttov  ay'wv  £xxXYj[cLas  .  .  . 

l'xTyj;  äpT(ä^a;)  (icf  |io(vas). 

Sollte  hier  eine  Ungenauigkeit  in  der  Publication  vorliegen 
und  liinter  Tj{ji(ä5)  in  Z.  2  noch  etwas  zu  ergänzen  sein,  so  würde 
man  nach  dem  in  den  Prolegomena  S.  17  von  Wessely  mitgeteilten 
Text')  einen  Namen  daselbst  ergänzen  und  lesen:  KaTaߣ,3XrjX(ev) 
[6  Selva].  Dieser  Name  würde  wohl  den  Vertreter  des  Adressaten 
bezeichnen.  Wie  dem  auch  sei,  jedenfalls  haben  wir  eine  Quittung 
vor  uns,  und  zwar  in  der  von  Wessely  vermissten  Briefform. 
Danach  möchte  ich  die  Erwartung  aussprechen,  dass  wenn  weiteres 
^[aterial  vorliegt,  sich  auch  weitere  Belege  für  das  Fortbestehen 
dieses  Quittungsformulars  finden  werden.  Einstweilen  verweise  ich 
auf  die  in  den  „Tafeln  z.  alt.  griech.  Palaeogr."  XIX  b  von  mir 
publicirte  Quittung  aus  byzantinischer  Zeit,  die  gleichfalls  in  Brief- 
form verfasst  ist. 

^Vir  haben  hier  bei  der  Getreideverwaltung  genau  dasselbe 
Formular  und  dieselben  vier  Abarten  wie  oben  bei  der  Geldver- 
waltung (III).  Ich  brauche  daher  auf  die  Bedeutung  des  Formulars 
nicht  zurückzukommen.  Auch  über  y^aSpecv  ist  dort  das  Nötige 
gesagt.     An  Subscriptioneu  finden  wir  hier  folgende  Arten: 

1.  Name,  a£(jyj[i££ü)jji.at.     Vgl.  782,  812. 

2.  Name.     Vgl.  863,  866. 

3.  S£aY]|ji£tü)(iac.     Vgl.  927. 

4.  Name,  Titel,  Enr^xoXouxhjxa.     Vgl.  857. 


')  Zu  dem  stark  veräuderten  Wiederabdruck  dieses  Textes  a.  a.  O.  S.  232/:! 
-ind  meine  -VusfiUirungen    in  Zeitsclir.  Aeg.  Spr.   1883  S.   1G2/3  zu  vergleichen. 


10()  ni.  KAPITEL. 


Zu  siraxoXou&e'tv  vgl.  ubeu  S.  7(j  f.  Hier  ist  von  Interesse, 
dass,  während  die  £-:xrjpryTal  •S-vjaaupoö  in  der  Adresse  genannt 
werden,  der  TsAtovr^;  (i)'r;aaupoO)  subscribirt.  Dasselbe  Verhältnis 
lieirt  z.  B.  auch  in  863  vor,  wo  der  teXwvyjs  'Eptsu;  (vgl.  SÖ2) 
freilich  nur  .seinen  Namen  nennt.  Im  Allgemeinen  ist  zu  sagen, 
dass  die  Subscriptioneu  hier  später  auftreten  als  bei  den  Geld- 
quittungen, was  gewiss  Zufall  ist.  Das  erste  Beispiel  bietet  wohl 
Nr.  782  vom  Jahre  90. 

Der  Empfang  wird  hier  auf  mannigfaltigere  Weise  bestätigt 
als  l)ei  den  Geldcjuittungen,  was  sich  durch  die  Verschiedenartigkeit 
der  in  Empfang  genommenen  Objecte  erklärt.  Es  finden  sich  hier 
folgende  Ausdrucksweisen : 

1.  'Iv/w.     Vgl.  785. 

2.  'Ka/ov.     Vgl.  780. 

y.  'Eaxr/x(a).     Vgl.  936,   1452. 

4.  '0|xo>.(oY(I))   exetv  xxX.     Vgl.  1010. 

5.  Wniyw.     Vgl.  775,  784,  786,  787. 
G.  \\-z^/m.     Vgl.  781,  782,  795. 

7.  M£|i£(TpTjxa?)  oder  [i£|X£(tpT)(iaO?     Vgl.  1009. 

8.  TsxeXfExas).     Vgl.  801,  806. 

9.  nap£xö|i'.a«;.     Vgl.  906,  961,  1U15. 

10.  Uocpecsy^Ei.     Vgl.  1012,  1013. 

11.  napsXäßajjiev.     Vgl.  914. 

12.  -Elocpov.     Vgl.  927. 

Ob  aucli  hier  wie  bei  den  Geldquittungen  dieser  Form  das 
Praesens  iy^w  und  ä7i£}(W  altertümlicher  ist  als  der  Aorist  und 
das  Perfect,  lässt  sich  nicht  so  klar  wie  dort  entscheiden,  da  wir 
für  das  I.  Jahrh.  n.  Chr.  ein  geringeres  Material  haben.  —  Ganz 
eigenartig  ist  loRl:  '0\xoX{oy  .  .)  £)(tv  x-fjv  au^EVXtx^jV  aTio^rjV 
äy;jp[ou]  '{6\iO'j  svö.;  ou  eSwxas  xxX.  Der  Schluss  des  Textes  ist 
leider  nicht  erhalten.  Wie  ist  6|io  aufzulösen?  Das  nächstliegende 
c\i'jXv(ryj\).zw,  ilas  ich  a.  a.  O.  vorgeschlagen  habe,  giebt  keinen  be- 
friedigenden Sinn.  Denn  iiieiit  die  a.-/upxpioi  empfangen  die  authen- 
tische Quittung  über  die  von  Adressaten  gelieferte  (eowxag!)  Spreu, 
sondern  der  Spreulieferant.  Aber  auch  gegen  6\).oXo'{Eli;,  wodurch 
der  richtige  Sinn  herauskommen  würde,  habe  ich  grosse  Bedenken, 
denn  es  ist  meines  Wissens  ohne  Beispiel,  dass  der  Quittungs- 
schreilier   die    CjioXoYia    des    Adressaten    aussagt.     Ich    glaube,    wir 


TUKBASISCUi;  EUilEBKKtiUinX'XGEX   ALS  Uüli  KAISERZEIT.     lOT 

liaben  6|ioX(oyoö[1£v)  l/stv  <^xxiot,y  tyjv  aOO-svxtx-Jjv  otTCojci^v  zu  emeii- 
(lireu:  „Wir  haben  gemäss  dieser  autlientischeii  Quittuiiir  erhalten"  etc. 
Der  Genetiv  y6[i.ou  evd;  findet  vielleicht  in  dem  verloren  gegangeneu 
Schluss  seine  Erklärung.  —  M£[i£(Tprf/.a5)  resp.  nz[ii{xprf[iocC)  —  beides 
hätte  gleich  guten  Sinn  —  steht  in  einem  Text  der  augusteischen 
Zeit.  —  TsTslcXa;  wird  au  beiden  Stellen  von  demselben  Zollpächter 
"Ispa^  gebraucht.  Für  die  Wahl  dieses  Wortes  ist  vielleicht  mass- 
gebeud  gewesen,  dass  es  sich  in  beiden  Fällen  um  Zoll  (ÄusflihrzoU) 
handelt.  Wiewohl  bekanntlich  teXeIv  auch  allgemein  „Geld  ent- 
richten" heisseu  kann,  scheint  es  doch  besonders  gern  von  Zollzahlungen 
gebraucht  zu  werden.  So  sah  ich  im  British  Museum  einige  mit 
ieteXi  c7.£v  I  beginnende  Quittungen,  die  vom  Thorzoll  handeln.  Vgl. 
Kap.  IV  §  151.  —  Die  drei  Ostraka,  in  deueu  7iap£-/.i[iiaa;  steht, 
handeln  von  Lieferungen  von  Spreu  und  Gerste  für  militärische  Zwecke. 
Das  Verbum  betont  den  Transport.  Es  sind  Quittungen,  die  vom 
a.y\>po~pä.y.z(i)p  resp.  dem  Ttpaxxwp  aiXLxfjS  ausgestellt  sind.  Ebenso 
die  unter  10  und  11.  Dagegen  ist  die  unter  12  von  der  Militär- 
verwaltung ausgestellt.  In  letzterer  ist  ungewiss,  ob  der  Adressat 
der  Zahler  oder  der  Erheber  ist. 

Bemerkenswert  ist,  dass  das  Wort  Tiapr^stv  schon  am  Ende  des 
II.  Jahrhunderts  als  technischer  Ausdruck  in  den  Quittungen 
vorkommt  (s.  10).  Die  Kanzleisprache  kannte  das  Wort  zwar  schon 
seit  alter  Zeit  in  der  Bedeutung  „entrichten,  zahlen,  liefern".  Vgl. 
Petr.  Pap.  (I),  XVI  2  (vom  J.  231/0  vor  Chr.),  wo  es  sich  um 
die  Rückzahlung  einer  Geldsumme  handelt,  Z.  13:  läv  Sä  [ir^  5:a- 
Ypä'|w  [xal]  [lYj  Tiapaaxwjia'..  Auch  in  Z.  8  ist  wohl  r:ap£]c£a&ai 
statt  Txjcc'jö-a'.  zu  ergänzen.  Auch  im  Revenue -Papyrus  begegnet 
das  Wort  häufig,  sowohl  im  Activ  wie  im  ^Medium,  wie  es  scheint 
ohne  Unterschied.  Aber  in  den  Quittungen  der  früheren  Zeit  ist  es 
uns  bis  jetzt  nicht  entgegengetreten.  Dagegen  hat  dies  Wort  später 
in  der  byzantinischen  und  arabischen  Zeit  auch  in  den  Quittungen 
die  weiteste  Verbreitung  gefiinden,  uud  ist  geradezu  die  häufigste 
Bezeichnung  für  „zahlen,  liefern",  sowohl  in  Naturalquittuugen,  wozu 
wir  hier  die  Anfange  kennen  lernen,  als  auch  in  Geldquittungen 
'geworden,  sodass  es  fi£xp£lv  und  Staypa^Eiv  verdrängt  hat.^) 

')  Vgl.  zahlreiche  Beispiele  in  den  Pariser  Quittungen  bei  Wessely, 
Denkschr.  Wien.  Akad.  t889,  ebenso  in  den  noch  unpublicirten  Texten  zu 
Berlin,  auch  bei    Kenyon,    Catal.  Gr.   Pap.  S.  221.     Wessely  (S.  223/4)   scheint 


108  III.  KAPITEL. 


Ob  763  mit  Recht  in  diese  Rubrik  gesetzt  ist,  Icann  zweifelhaft 
erscheinen.  Dodi  sieht  Teßf;!.  wie  ein  Dativ  aus.  Es  würde  anzu- 
nchiueu  sein,  dass  s/w  oder  ein   .Vequivalent   ausgelassen  ist. 

HaQtlaßiw  —  für  Ahgahe  —  naga  Zahler  oder  Erheber?  — 
Summe.  Datum.     [SubscripHou'].     Vgl.  901,   1259. 

UuQia-ft^  —  öivfiuTOi;  (hv  Zahlers  —  für  Abgabe  —  Summe. 
Datum.     Subscrijition.     Vgl.  1479. 

Ich  stelle  diese  sehr  merkwürdigen  Formulare  hierhin,  weil  sie 
durch  die  eben  besprochenen  Urkunden  am  besten  erklärt  werden. 
Im  Hinblick  auf  die  Quittungen,  die  (nach  der  Adresse)  mit  m  I 
TiapIXaßov  und  Tzoi.piay(zq  begannen,  ist  es  mir  sehr  wahrscheinlich, 
dass  wir  die  vorliegenden  Formulare  als  hybride  Weiterbildungen 
des  Briefstils  zu  betrachten  haben.  Die  Adresse  fehlt  vollständig! 
Dafür  ist  der  Name  des  Adressaten  in  den  Urkundenkörper  selbst 
hineingekommen.  In  5"  steht  er  hinter  izapix,  in  5''  ist  das  Subject 
zu  TZOLpiar/t:;  in  sehr  ungeschickter  Weise  mit  öv6[iaT0S  eingeführt. 
Der  Xame  des  Schreibers  aber  ist  aus  der  Adresse  in  die  Subseription 
gewandert,  während  er  in  der  eigentlichen  Quittung  garnicht  erscheint. 
Einen  ähnliehen  Fall  werden  wir  unten  in  Nr.  28  für  Elophantiuc 
kennen  lernen. 

Ich  niöchte  in  b'  die  Vorstufe  zu  einem  Quittungsfornuilar 
sehen,  das  in  der  b_yzantinischen  Zeit  zu  den  gebräuchlichsten  gehen t: 
'E/to  (oder  la/ov  oder  £G£^a|jiyjv  oder  inXr^püid-rfy  oder  ähnlich) 
h((o  6  osiva  Tiapä  aoO  zoü  Setvo?  xzX.  Vgl.  zahlreiche  Beispiele 
bei  Wessely,  Denkschr.  d.  Wien.  Akad.  XXXVII  (1889)  S.  202  ff. 
Dieses  Formular  hat  den  Vorzug,  dass  der  Qnittungsschreiber  seinen 
Namen  in  der  Quittung  selbst  nennt. 


zu  glauben,  dass  die  Verbiuduug  itapiaxsv  0~ip  äiaYpacff);,  diu  häufig  in  ilicsen 
byzantinischen  Quittungen  begegnet,  für  das  ältere  5'.4i'pa'.|)Ev  steht.  Viilimlir 
ist  »tapäaxsv  allein  Acquivalent.  Mit  üJtsp  S'.aypaifrj;  ist  eine  spezielle  .\l)^';ibe 
bezeichnet.  Daher  giebt  es  aueli  genug  Fälle,  in  denen  statt  dessen  eine  andere 
Veranlassung  genannt  wird,  so  in  P.  G05G  (vgl.  meine  „Tafeln  zur  alt.  grieeli. 
Palaeogr."  XX  '' ):  i:ap»iox(Ev)  -^  inä  |j,Epo(us)  ävoix({ou),  oder  in  P.  2GG3:  ü7i(ep) 
ivoixi[ou],  und  in  zahlreichen  anderen  Fällen,  auch  in  den  Pariser  Texten  bei 
Wessely  S.  22C  oben,  2.31  unten  u.  s.  w. 


THEBANISCHE    KKHEBERQUITTUNGEN   AUS  niCH    KAISi:i:/,i:ir.      Id'.l 


Zumal  in  901  und  1259  die  Subscriptionen  nicht  erhalten 
sind,  bleibt  es  zweifelhaft,  von  was  für  Personen  sie  geschrieben 
sind.  Das  Nächstliegende  wäre  anzuiulimcn,  d:i«s  es  (Quittungen 
der  i^preuerheber  —  denn  um  ay'jpov  handelt  es  sieh  —  an  den 
Zahler  seien.  Vgl.  914,  1012,  lOi;!.  Es  bleibt  aber  auch  die 
Möglichkeit,  dass  sie  von  der  betrefl'enden  Militärbehörde  ausgestellt 
sind,  ebenso  wie  Nr.  927   (sXaßovj. 

Noch  ein  Wort  zu  der  Verwendung  von  Xaßslv  und  TiapaXaßslv. 
"EXocßov  sagt  in  927  ein  i-ömischer  Chiliarch.  Ebenso  sagen  regel- 
mässig die  Soldaten  in  Pselkis  sÄaßov  (vgl.  1128  ft'.  und  1265). 
Das  synonyme  7:ap£Xaßov  gebraucht  in  914  wiederum  ein  Römer. 
Sonst  konnuen  diese  Verben  in  unseren  Ostraka,  wenn  ich  recht 
gesehen  habe,  nicht  vor.  Ist  dies  Zufall  oder  darf  man  es  damit 
in  Verbindung  bringen,  dass  in  der  römischen  Quittung  der  Kuiser- 
zcit  das  accepi  (=£Aaßov)  die  übliche  Formel  wurde,  während  die 
habere-Quittungen  (=  £)(w,  &Tzi-)(_w)  der  fi-üheren  Zeit  angehörten? 
Vgl.  Henry  Erman,  Zur  Geschichte  der  römischen  Quittungen  und 
Solutionsacte  (1883)  S.  1  ff.  Dass  gelegentlich  auch  einmal  ein 
Römer  der  Kaiserzeit  ä.r.iy_(ii  sagt  (vgl.  1011),  würde  noch  nicht 
gegen  die  zweite  Annahme  sprechen.  Andrerseits  wollen  wir  alier 
doch  auf  BGU  69  hinweisen,  einen  Darlehn scontract  vom  Jahre  120 
u.  Chr.,  in  dem  der  römische  Soldat  Valerius  Longus  erst  6[xoAoYö) 
£)(S:v  und  nachher  in  der  Subscription  IXaßov  xaS-w?  Tcpoxoxat  sagt. 
j\Ian  würde  also  doch  wohl  zu  weit  gehen,  wenn  man  in  der  obigen 
Thatsache  mehr  als  einen  Zufall  sehen  wollte.  Immerhin  hielt  ich 
es  für  meine  Pflicht,  auf  den  Thatbestand  hinzuweisen.  Vielleicht 
kann  durch  neues  Material  die  Frage  doch  noch  von  Bedeutung 
werden. 

IV.  Quittungen,  die  der  Thesauros  ausstellt. 

Wie  schon  oben  bemerkt,  halten  wir  die  sämmtlichen  folgenden 
Quittungen  für  solche,  die  von  den  Thesaurosbearaten  geschrieben 
sind.  Viel  Mühe  hat  es  gekostet,  ehe  ich  zu  dieser  Ansicht  durch- 
gedrungen bin.  Ja,  Manches  schien  direct  dafür  zu  sprechen,  dass 
einzelne  der  folgenden  Rubriken,  z.  B.  die  mit  ixizp^xa.  beginnenden,  von 
den  Erhebern  ausgestellt  seien.  So  fiel  mir  auf,  dass  in  790,  einer 
mit  [Ji£TpYj|ia  anfangenden  Quittung  aus  d.  J.  101  n.  Chr.,  ein 
'Aniwv  unterzeichnet,    dass   ein   'A7ito)(v)    aber   durch    786    für    lias 


1  1 0  III-  KAPITEL. 


Jahr  95  und  diircli  789  für  das  Jalir  98  als  TSAtovr^;  bezeugt  wird. 
tJceu  den  Gedanken,  in  dem  Subscribeuten  und  dem  xsXwvrjj 
dieselbe  Persönlichkeit  zu  sehen,  ist  zunächst  darauf  hinzuweisen, 
dass  in  der  Unterschrift  die  Lesung  ÄTCt"»,  wie  im  Text  auch  an- 
gedeutet ist,  niclit  völlig  sicher  steht.  Vielleicht  ist  die  Lesung 
'A|ji«'=  'Anwvto;  nicht  ausgeschlossen.  Aber  selbst  die  Richtigkeit 
(irr  Lesung  vorausgesetzt,  würde  mich  bei  der  grossen  Häufigkeit 
des  Namens  Apion  dieser  Thatbestand  niclit  mehr  bewegen  können. 
an  meiner  Ansicht  irre  zu  werden,  dass  die  Erheber  nur  in  Brief- 
form quittiren,  und  dass  auch  die  mit  [iexpr;!!»;  beginnenden  Quit- 
tungen, die  doch  offenbar  nur  eine  Verkürzung  derer  mit  dem  Anfang 
|i.£|i£xpyiX£V  sind,  von  den  Sitologen  ausgefertigt  sind.  Ich  ziehe 
also  vor,  zwei  verschiedene  Apion  anzunehmen,  einen  Sitologen  und 
einen  Steuerpächter.  Ebenso  zweifle  ich  auch  nicht,  dass  der  Horos, 
der  in  871  als  Steuerpächter  für  das  Jahr  14.3  n.  Chr.  genannt 
wird,  eine  andere  Persönlichkeit  ist  als  der  Horos,  der  wenige 
Monate  später  die  Nr.  874  ([iejxexpTjTaf  xiX)  unterzeichnet.  Letzterer 
muss  vielmehr  Sitologe  sein.  Schon  allein  unser  Index  kann 
darüber  belehren,  dass  Horos  einer  der  landläufigsten  Namen  ist. 
Den  positiven  Nachweis  dafür,  dass  die  mit  [i£[i£xp7jy.£V  beginnenden 
Quittungen,  wie  in  der  Ptolemäerzeit  (s.  oben  S.  98  f),  so  auch  in 
der  Kaiserzeit  lediglieh  von  den  Thesaurosbeamteii  geschrieben  sind, 
werden  wir  unten  zu  bringen  haben.  Daraus  ergiebt  sich  aber  auch, 
dass  alle  daraus  abgeleiteten  Formulare  gleichfalls  von  den  Sitologen 
ausgestellt  sind.  Hierbei  ist  ein  grosser  Unterschied  gegenüber  der 
Ptolemäerzeit  zu  constatiren:  Die  in  der  Quittung  genannte 
Person  ist  nicht  mehr  der  Erheber,  sondern  der  Zahler. 
Das  wiril  durch  die  zahlreichen  Frauennamen,  die  uns  an  dieser 
Stelle  begegnen,  über  alle  Zweifel  erhoben.  Dies  Resultat  entspricht 
genau  dem,  was  wir  oben  8.  87  f.  für  die  Bankquittungen  der  Kaiserzeit 
constatirten ,  und  wir  sehen  die  Formulare  der  beiden  Schatzver- 
waltungen in  völlig  j)arallelen  Linien  verlaufen.  Auch  hier  werden 
wir  wie  dort  annehmen,  dass  diese  Urkunden,  wenn  sie  auch 
den  Namen  des  Zahlers  nennen,  dennoch  dazu  .bestimmt  waren,  den 
lOrhebern  eingehändigt  zu  werden  und  ihnen  als  Quittung  zu  dienen. 
Auch  hier  .spricht  wieder  dafür,  dass  oft  in  einer  und  derselben 
(Quittung  über  die  I^ieferungen  mehrerer  Zahler  quittirt  wird.  Vgl. 
■/..  B.  Nr.  778,  779   n.  s.  w.     Wenn   derartige  Quittungen,    die  den 


■xnEBANISCHE  THESAUEOSQUITTÜNGEN  AUS  DER  KAISERZEII .     1  1  1 


Namen  des  betreffenden  Erhebers  garnicht  erwähnen,  dennoch  ge- 
nügten, ihm  dem  Thesauros  gegenüber  völlige  Sicherheit  zu  geben, 
so  setzt  dies  voraus,  dass  jeder  Erheber  verpflichtet  war,  bei  einer 
Reilie  bestimmter  Persönlichkeiten,  die  in  den  Listen  als  in  sein 
Revier  gehörig  eingetragen  waren,  die  Abgaben  zu  erheben.  Weiteres 
in   Kap.  VI. 

ja. 

Datum  {Jahr,  Monat,  Tag)   —  [ifi^a'rntf/.tr  —   der  Zahler  —  für 
Abgabe  —  Summe.   Datum.    Vgl.  764,    auch   1544. 


Datum  (Jahr,  Monat,  Tag)  —  (it'iQrj{jiu)  ■d-ijouv^ov  —  der  Zah- 
ler —  Summe.   Vgl.   1596. 

Wir  haben  diese  Rubriken  zusammengestellt,  weil  sie  die  einzigen 
sind,  in  denen  nach  alter  ptolemäischer  Sitte  das  Datum,  und 
zwar  mit  Voranstellung  des  Jahres,  an  der  Spitze  steht  (in  764 
fehlt  Monat  und  Tag).  Nr.  764  und  1544  stammen  aus  der  Zeit  des 
Augustus,  die  ja  auch  für  das  Urkunden wesen,  wie  wir  sahen,  so 
recht  eine  Zeit  des  Ueberganges  war.  Während  in  diesen  beiden 
Nummern,  der  Sitte  der  Kaiserzeit  gemäss,  der  Kaisername  im  Datum 
genannt  wird  CEtou;  xß  Kataapos),  heisst  es  in  1596  noch  nach 
ptolemäischer  Weise:  Lyj  'EtleT^i  to.  Dies  ist  fiiir  die  Kaiserzeit  ein 
Unicum  in  unserer  Sammlung.  Die  Zeit  ist  leider  nicht  genau  zu 
bestimmen.  Der  Schrift  nach  habe  ich  das  Ostrakon  in  das  I.  oder 
auch  II.  Jahrhundert  n.  Chr.  gesetzt.  Die  Verwendung  von  (i£TpYj[i.a 
statt  einer  Verbalform  spricht  vielleicht  mehr  füir  den  Ausgaug  als 
den  Anfang  des  I.  oder  aber  für  das  II.  Jahrhundert  (s.  unten). 

Wir  haben  1544  neben  764  gestellt,  wiewohl  gewisse  Ab- 
weichungen im  Schema  auf  der  Hand  liegen.  Diese  Nr.  1544  hat 
eine  interessante  Subscription :  „Name  eTnrjxoXou&rjxa  Summe."  Die 
Summe,  die  auf  eTraxoXouS-elv  folgt,  ist  natürlich  die-selbe,  über  die 
quittirt  wird.  Einen  speziellen  Beweis  dafür,  dass  diese  und  die 
beiden  anderen  Nummern  von  den  Sitologen  des  Thesauros  ausge- 
stellt sind,  habe  ich  nicht.  Aber  die  Analogie  der  gesammten 
unter  IV  hier  vereinigten  Urkunden  spricht  dafüi'. 


112  ILI.  KAPITEL. 


2. 

Xame  —  Titel  (a'.zoXo-^oq)  —  Summe.  Datum.  Vgl.  76(1. 
Dieser  griechische  Text  (aus  der  Zeit  des  Augustus)  ist  nichts 
anderes  als  die  Bubscription  zu  dem  ihm  vorangehenden  demotischen 
Text.  Die  eigentliche  Quittung  ist  also  demotisch  geschrieben.  Vgl. 
ein  ähnliches  Beispiel  ans  der  Bankverwaltung,  gleichfalls  aus  der  Zeit 
des  Augustus,  oben  S.  95.  Unserer  Nr.  766  ist  das  Berliner  Ostrakon 
V.  157Ü,  das  nur  durch  ein  Versehen  nicht  in  unsere  Sammlung 
aufgenommen  ist,  völlig  analog.  Den  demotischen  Text  übersetzte 
zuerst  Revillout  in  der  Revue  Egypt.  VI  S.  10,  darauf  mit  starken 
Abweichungen  Heinrich  Brugsch  im  Thesaur.  Inscr.  Aegypt.  V  S.  1047. 
Den  griechischen  Text,  den  ich  in  der  Revue  Egypt.  a.  a.  O.  mitteilte, 
lese  ich  jetzt  nach  erneuter  Revision,  die  mir  durch  eine  Abzeichnung 
von  Krebs  ermöglicht  wurde,  folgendermasscn : 

'AuoXXwvwg  Euap£axo[u  aizoX{6yoq)'] 
l7iy]x(o)X(oij^xa)  Tat?  +  "•'  d-{h[o-qy.ovza.'] 
Zöo  gy.Tov  /  +  ^  7tß  [c] 

Lei)-  Ka[a(apo?)  .  [ 

5      xal  x5  y.al  x[ a.  i2;i.  t.  ch.. 

Wir  werden  hiernach  auch  in  Nr.  766  uns  ein  iTi'yjXoXouö-yjxa 
hinzuzudenken  haben. 

Der  Zahler    —  für  Abgabe   —    Summe.     Demotkche   Beisclirifl. 
Vgl.  760—762.    Vgl.  auch  716. 


Der  Zahler  —  tvV  &)jüavQm'  —  jevi'jfturu^  rov  x.  troi»,'  —  Summe 
Datum.     Vgl.   1367. 

Diesen  Urkunden  (aus  der  Zeit  des  Augustus)  ist  gemeinsam, 
dass  in  ihnen  ein  Verbum  wie  |jL£(i£TpYjX£v  fehlt.  Im  Uebrigen 
liegen  die  Unterschiede  auf  der  Hand.  Dass  die  an  der  Spitze  ge- 
nannte Person  der  Zahler  ist,  lässt  sich  nachweisen:  In  760  und 
761  wird  A'joi|ia-/o?  'ATioXXwvt'ou  genannt,  derselbe,  der  in  .35'.i, 
765,  767,  auch  in  dem  demotischen  Text  der  eben  besprochenen  766, 
immer  in  der  Rolle  des  Steuerzahlers  erscheint. 


THEBAXISCIIE  THESAUROSQl'ITTUNGEN  AUS  DER  KAISERZIUT.     113 

Ich  neige  jetzt  aus  palaeographischcn  und  sachliclien  GriindcMi 
der  Ansicht  zu,  Nr.  71(!,  die  ich  unter  die  Ptolemiierurlcunden  ge- 
stellt habe,  vielmehr  in  die  Zeit  des  Augustus  zu  setzen.  Das 
Schema  ist  recht  verworren.  Man  kann  es  vielleicht  am  besten  mit 
7G0  und  7Ül   vergleichen. 

Ms^aiTQijXH'  —  der  Zahler  —  su'  i'fijaccvQhr  —  yei'iifiuzo^  zov  x.  fVoUs' 
—  Siimme.  Datum.  Subscription  den  Sitolor/en.  Vgl.  767,  768,  774, 
77'.i,   154(;. 

4"- 

Meue'rQ)jy.sv  —  eig  d-^t^avour  —  yEvijuazog  rov  x.  fzovi  —  der 
Ziihkr  —  Summe.  Datum.  Sub-scription  des  Sitologen.  Vgl.  771  —  773, 
7i)l. 

40. 

Mfiinnijzut  —  f/V  &riauvQVv  (oder  &ijaavnov  oder  &>jCi(iVQW^  — 
ysrrif.iuzog  zov  x.  tzov.;  —  für  Abgabe  —  örvuarog  des  Zahlers  — 
Summe.  Datum.  Stibscription.  Vgl.  770,  778,  783,  794,  800,  ^14, 
816,  855,  859,  874,  891,  966,  1328. 

4d. 

Mnn>iuu  —  et'g  d-tjanvQor  —  yevi'jfiuzog  rov  s.  fzovg  —  Datum  — 
orofiazog  des  Zahlers  —  für  Abgabe  —  Summe.  SubserijMon.  Vgl. 
788,  790,  805,  809,  820,  .^21,  825—832,  836—838,  840,  852, 
858,  860,  868,  870,  883,  899,  1017. 


Me'zni^fia  &ißavQov  —  ym'jituTog  zov  x.  i'zovg  —  Datum  —  uröiicTog 
des  Zahlers  —  fiir  Abgabe  —  Summe.  Subscription.  Vgl.  792,  793, 
799,  802—804,  813,  817,  822—824,  833,  847,  848,  850,  851, 
861,  867,  869,  872,  873,  s76,  878-881,  884,  886—890,  892— 
897,  900,  902—904,  907—913,  915,  917,  918,  920—923,  925, 
926,  929  —  931,  933—935,  938  —  942,  944  —  950,  952—954, 
956—960,  962—965,  967—972,  974—1008,  1016,  1019,  1260, 
1294—1297,  1450,  1451,  1455,  1456,  1459,  1465,  1468,  1471, 
1568,  1571,  1589,  1590,  1592,  1593,  1614. 

WiLCKEN,  Ostraka.  8 


114  III-  KAPITEL. 


Wir  hiiheu  diese  fünf  Üulniken  uuter  einer  Nummer  vorgeführt, 
um  schon  äusserlich  anzudeuten ,  dass  sie  auf  das  Engste  mit  ein- 
ander verwandt  sind  und  offenbar  nichts  Anderes  als  Variationen 
ein  und  desselben  Grundschema'«  darstellen.  Es  sind  rein  formale  Um-- 
wandlungen  der  alten  ptolemäischen  Formel  der  Thesaurosquittungen. 
Wir  haben  sie  in  der  Reihenfolge  aufgeführt,  in  der  sie  uns  zeit- 
lich entgegentreten,  und  in  der  sie  sich  auch  entwickelt  haben 
mögen.  4''  reicht  noch  in  Augustus'  Zeit  hinein,  4^  und  4^^  setzen 
unter  Nero  ein.  4"*,  das  nur  eine  unwesentliche  Abweichung  von 
4"^  zeigt,  tritt  unter  Nerva  auf,  und  4'',  das  dann  im  IL  Jahrhundert 
die  vorherrschende  Form  bleibt,  unter  Trajan.  Doch  ich  will  nicht 
unerwähnt  lassen,  dass  das  von  jjieTpETv  abgeleitete  Eingangswort 
vielfach  so  verkürzt  und  zusammengezogen  ist,  dass  es  sehr  schwer 
ist  zu  sagen,  welche  Form  gemeint  ist,  ob  man  z.  B.  jji£|X£TpY(Ta: 
oder  jistpr^ixa  auflösen  soll.  In  der  Sache  kam  ja  auch  nichts  darauf 
an.  Der  Entwickelungsgang  scheint  der  zu  sein,  dass  die  activische 
Construction  ([i£fi.£TpYjy.£v  6  SeIvx)  durch  die  passivische  ((jL£|i£TpY,Tai 
Cv6|iaxos  ToO  2£tvo?)  verdrängt  wird,  und  statt  letzterer  dann  das 
elliptische  |i£TpYjiJia  eingeführt  wird.  Dass  ich  im  Rheinischen  Jahr- 
buch 2.")()  f  mit  der  Aufstellung  dieser  Nominalform  recht  hatte, 
i'and  ich  kürzlich  durch  Nr.  1471  bestätigt,  wo  das  ganze  Wort 
(ieTpYjfjia  ausgeschrieben  ist. 

Dass  diese  Urkunden  von  den  Tbesaurosbeamten  ausgestellt 
sind,  wird  für  4"  und  4''  durch  die  Subscriptiouen  erwiesen,  in  denen 
.■'ich  der  Sitologos  ausdrücklieh  nennt;  vgl.  767  und  772.  Danach 
unterliegt  es  wohl  keinem  Zweifel,  dass  auch  die  anderen  Klassen, 
die  ja  nur  formale  Umwandelungen  jener  sind,  gleichfalls  von  Bito- 
logen  geschrieben  sind.  Die  für  4'"  scheinbar  entgegenstehenden 
Bedenken  haben  wir  schon  oben  S.  lüS)f  zurückgewiesen.  Wir  können 
aber  auch  einen  directen  Beweis  für  diese  [isTpYjua-Khisse  iieibringen. 
In  983  hatte  ich  bereits  im  Rheinischen  Jahrbuch  S.  260  die  Sub- 
scription  folgendermassen  gelesen:  'A\i(j)(yiOQ)  ai('zoX6'{oz')  +  ß.  Später 
glaubte  ich  statt  a'.~  vielmehr  avj^  lesen  zu  sollen,  d.  b.  a(£a)r(- 
([XE(tü|iai)  (vgl.  Buch  II).  Letzteres  ist  mii*  nachträglich  an  der 
Hand  der  Abzeichnung,  die  ich  mir  früher  gemacht  habe,  wieder 
zweifelhaft  geworden,  und  icli  glaube,  dass  ich  mit  O'.-  doch  das 
Richtige  getroffen  hatte.  Damit  hätten  wir  einen  directen  Beweis 
auch  für  diese  Klasse. 


THEBANISCUE  TUESÄUEOSyriTTl-XGEN  AUS  DEE  KAISEKZEIT.     115 

Dass  die  in  der  Quittung  genannte  Person  der  Zahler  ist,  unter- 
liegt keinem  Zweifel,  da  in  sehr  vielen  Fällen  Frauenuamon  begegnen. 
Vgl.  z.B.  817,  821,  832,  838,  852,  858,  867,  902,  Ü21,  !)23, 
II2I)   u.  s.  w. 

Wir  haben  zu  dem  Schema  noeh  hinzuzufügen,  dass  der  Zusatz 
„für  Abgabe"  sich  nicht  in  allen  Urkunden  findet,  und  zwar  scheint 
aus  dein  vorliegenden  Material  hervorzugehen,  dass  er  überhaupt 
nicht  von  vornherein  dazugehört.  Er  begegnet  zuerst  in  820,  in 
der  Form  Xäpaxo?,  wofür  man  häufiger  sagt  UTzlp  Xccpaxog.  Fast 
regelmässig  steht  hier  hinter  bTzhp  ein  Lokalname,  der  das  Revier  Ije- 
zeichnct,  für  welches  die  Naturalabgabe  erhoben  wurde.   Vgl.  Kap.  IV. 

Singular  ist,  dass  in  918  der  Name  des  Zahlers  am  Anfang 
vor  ^kiprjiax  wiederholt  i.-^t. 

In  zahlreichen  Fällen  ist,  wie  auch  bei  den  Geldzahlungen,  die 
Abgabe  nicht  durch  den  Zahlungspflichtigen,  sondern  durch  irgend 
einen  Vertrauensmann  oder  Untergebenen  abgeliefert.  In  diesen 
Fällen  ist  hier  wie  dort  der  Ueberbringer  mit  Sia  hinzugefügt.  Hier 
bei  den  Naturallieferungen  ist  der  Fall  sehr  häufig,  dass  die  Alv 
lieferung  durch  die  yewpYOt,  die  Pächter,  die  das  Grundstück  des 
Zahlungspflichtigen  bebauen,  erfolgt.  Diese  werden  mit  der  Formel 
otd  yswpYoO  eingeführt.    Vgl.  z.  B.  8G9,  035,  939,  945,  953  u.  s.  w. 

Selten  wird  der  Zahler  statt  mit  övöii.aTOC  mit  aüo  eingeführt. 
Vgl.  z.  B.  930. 

Auch  bei  dieser  Klasse  ist  die  Subseription  üldich,  aber  nicht 
notwendig.  Jedoch  ist  zu  bemerken ,  dass  sie  hier  nur  sehr  selten  fehlt. 
Unter  den  zahlreichen  Beispielen  von  4*^  entbehren  z.  B.  nur  793, 
817  und  1002  der  Subseription.    Wir  unterscheiden  folgende  Formen: 

1)  'I^ypa.Qlicc)  Name,  Titel  (piioli^'o^).     Vgl.  767,  772. 

2)  Name,  Titel  (aaoXoY&c),  Summe.    Vgl.  983  (s.  oben). 

3)  Name,  Titel  ([io-qd-öc),  azariHziw\i.a.:.     Vgl.  867,  8(i8. 

4)  Name,  a£ay(|i£Ö(0|iai  Summe.     Vgl.     874,  886,  1450. 

5)  Name  durch  (5ta)  Name,  aEar^iisttona'.  Summe.    Vgl.  1451. 

6)  Name,  a£aYj[j.£t(ü^ac.     Vgl.  870  und  passim. 

7)  Name,  Summe.    Vgl.  881. 

8)  Name.    Vgl.  870. 

Hiervon  ist  die  erste  Form  die  altertümlichste.  Zu  der  Auf- 
lösung ^ypatj^a  (nicht  lypa'jisv,  wie  im  Text  gedruckt  ist)  vgl.  oben 
S.  63.     Die  anderen  Formen  bieten  uns  nichts  Neues. 


116  in.  KAPITEL. 


AiiL'li  tliese  Thesaurosquittungen  werden  gelegentlich  als  änoya}. 
bezeichnet.     Vgl.  771:  avxtYpaC^ov)  OLTzoyJjiz). 

Zum  Sdiluss  sei  erwähnt,  dass  1018  wohl  in  keine  dieser 
Klassen  hiueingehört,  wohl  überhaujit  keine  Quittung  ist.  Es  ist 
vielleicht  nur  ein  Vermerk  über  verschiedene  Eingänge  an  Getreide. 
Ich  lasse  daher  auoli  dahingestellt,  wie  Z.  1  zu  ergänzen  ist.  Dieser 
Besonderheit  des  Textes  verdanken  wir  wohl  auch  die  Hinzufiigung, 
dass  das  Getreide  ipi^oxm  [lexpw  (vgl.  Kap.  X)  gemessen  sei.  Eine 
derartige  Bemerkung  findet  sich  nirgends  in  den  Quittungen  unserer 
ftnnmlung. 

5. 

Für   Ab(/fibe  rov  x.  i'rois'   —   orouato^   des   Zahlers  —  Summe. 

Dies  Formular,  das  in  unserer  Sammlung  nur  in  der  einzigen 
Nummer  1405  (aus  Vespasian's  Zeit)  repräsentirt  ist,  entspricht  ge- 
nau den  Geldquittungen,  die  wir  oben  S.  96  als  IV  9  behandelt 
haben.  Hier  wie  dort  ist  die  Abgabe  an  die  Spitze  gestellt,  und 
fehlt  das  regierende  Verbum  (hier  [i£|j.£Tprjy.£v).  Ich  finde  in  meinen 
Papieren  noch  ein  Ostrakon,  das  dasselbe  Schema  zeigt.  Ich  habe 
es  in  mein  Buch  nicht  aufgenommen,  weil  meine  Lesungen  mich 
früher  zu  wenig  befriedigten.  Nachdem  ich  etwas  weiter  gekommen 
bin,  sei  es  hier  nachträglich  mitgeteilt.  Es  ist  das  Ostrakon  British 
Mus.  12688  und  lautet: 

no( )  SL  N£p(uv[oc 

Haiitüvö-ou  'Ap'j(i)\)-[o'j  .  .  . 

a  ~r  t£pa(Ttxöv  ?)  Y] ,  5Lo(t5ci^a£ü);)  y; ,  i£(paTix(i)v)  tS ,  älQ.oc)  .  [.  .  . 

.  r~  ££(paTixwv)  Yo'ß)  oto(r/.r,a£a);)  aß',  h(pa.zt.y.G)v)Z,  ..[... 

5  /  5io(i-/.T^a£(o;)  xi^tß,  S£(pa~:x(I)v)  v.5g. 

6. 

Datum  {Monat,  Ta'j,  Jahr)  —  für  Abgabe  —  hvüfiaTOi  ck-s 
2^Mers  —  Summe.     Subscription  (dis  Sitologen). 

Auch  dieses  Schema  begegnet  in  Unserer  Sammlung  zufällig 
nur  ein  Mal,  in  14G7  aus  dem  Ende  des  IL  oder  ^\jifang  des  111. 
Jahrhunderts.  Sowohl  das  vorhergehende  wie  dieses  Schema  führen 
die  interessante  Thatsache,  auf  die  ich  schon  öfter  hinwies,  deutlich 
vor   Augen,    dass    die   Thesaurosquittungen    dieselben   Abarten    unil 


THEBANISCHE  THESAUROSQUITTDNGEN  AUS  DER  KAISEEZEIT.      117 

Varietäten  zeigen,  vrie  die  Bank(iuittungen,  und  dass  diese  Entwicke- 
liing  in  beiden  Schatzverwaltungen  zeitlich  gleichen  Schritt  frehaltcn 
hat.  Das  vorliegende  Formular  ist  identisch  mit  IV  10  der  Baiik- 
i|uittungen  (S.  97).  Wie  dort  fehlt  das  Verbuin,  und  wie  dort  steht 
der  Monat  voran!  Auch  für  dieses  Schema  kann  ich  aus  meinen 
l'apieren  noch  weitere  Beispiele  hinzufügen:  das  Berliner  Ostrakon 
P.  44117  und  das  Londoner  Ostrakon,  Brit.  Mus.  12711,  zeigen 
genau  dasselbe  Formular  wie  14ü7.  —  Von  einer  Vermischung 
dieses  Schemas  mit  dem  Hauptformular  (4),  wie  wir  es  bei  den 
Geldquittungen  für  das  III.  Jahrhundert  n.  Chr.  in  IV  7  kennen 
lernten,   liegt  hier  bis  jetzt   kein   Beispiel   vor. 

Zum  Schluss  behandeln  wir  einige  Quittungen,  die  wir  in   keine 
der  vorhergehenden  Rubriken  einrangiren  können. 


riaQsy.öiuae  —  der  Zahler  oder  Erheber?  —  ayyoov  —  Summe. 
Lkdum.     Subsa'i2)tion.     Vgl.  1436. 

b. 

llaQsxoftia&jj  —  für  Abgabe  —  vröiiutO';  des  Zahlers  oder  Er- 
hebers?  —  ujyQov  —  Summe.  Subseription.  Vgl.  !I05,  937,  943, 
951,  1014,  1447,  1453,  1458,  1461,  1464,  1475,  1476,  alle 
aus  der  zweiten  Hälfte  des  II.  Jahrhunderts  n.  Chr. 

Diese  Quittungen,  die  alle  von  Spreulieferungen  handeln,  haben 
gemeinsam  die  Verwendung  von  Trapaxofjit^etv  statt  [lExpsTv,  da  sie 
die  Spreu  nach  Fuhren  oder  Lasten  berechnen.  Diese  Fuhren 
heissen,  wie  in  der  Ptolemäerzeit  ay^yai,  so  hier  regelmässig  y&[io; 
I  die  Lesung  a[Y(i)Ya;  in  1011  ist  ganz  unsicher). 

Von  wem  sind  diese  Quittungen  ausgestellt?  Wenn  wir  auch 
annehmen,  dass  die  Erheber  den  Zahlern  lediglich  in  Briefform 
quittirt  haben,  so  bleiben  hier  doch  zwei  ^löglichkeiten:  die  Urkunden 
können  von  dem  Thesauros  resp.  der  a)rupo-9"i^XYj  ausgestellt  sein 
oder  aber  von  der  Militärverwaltung  (vgl.  oben  S.  109).  In  einem 
einzigen  Falle  glaube  ich  die  Frage  entscheiden  zu  können:  in  905 
quittirt  ein  Antoninus  dem  nava[ji£Ü;  A:o;y.O'jpi3o'j  xal  \i.i-ioyo'..  Hier 
kann  der  Quittungsempfanger,  da  ihm  zusammen  mit  [xsioyo:  quittirt 


118  III-  KAl'ITEL. 


wird,  wohl  nur  der  Steuererheber,  also  der  cc)('jpoTipa%Ttop,  nicht  der 
Zahler  sein.  Dies  wird  also  keine  The«iuroi?(|iiittui:g  sein,  denn  diese 
nennen,  wie  wir  sahen,  den  Zahler.  Danach  niiichte  ich  den  Antoninus 
für  einen  römischen  Militär  halten,  der  wie  der  Chiliarch  in  '.127  über 
eine  Spreulicferuug  quittirt.  Ich  lasse  es  einstweilen  dahingestellt, 
wie  weit  man  dieses  Resultat  auf  die  analogen  Fälle  ausdehnen  darf. 
Auch  in  1436  und  1447  quittircu  Römer  (Vitrasius  und  Nepotianus), 
in  den  anderen  aber  Männer  mit  griechischen  und  aegyptischen  Namen. 
Letztere  könnten  freilich  trotzdem  Soldaten  sein.  Vgl.  Kap.  VIII. 
Sollten  sie  alle  von  der  ^Militärbehörde  geschrieben  sein,  so  würde 
sich  ergeben,  dass  die  Spreulieferungen,  die  in  der  Ptolemäerzeit  an 
den  Thesauros  (de,  xö  jjaatX'.xov)  gingen,  in  der  Kaiserzeit  direct  an 
die  Truppenteile  von  den  Erhebern  abgeführt  und  hier  quittirt  wurden. 
Zur  Sache  vgl.  Kap.  IV  §  21. 


Elepluintiiie  und  Syene. 
Quittungen  über  Geldzahlungen. 

A.  Ptolemäerzeit. 

I.  Quittungen,  die  der  Erheber  ausstellt. 
Derartige  Quittungen  sind  in  unserer  Sammlung  nicht  vorhanden. 
Ich  zweifle  aber  nicht,  dass  sie  ebenso  wie  in  Theben  in  Bricttbrui 
abgefasst  waren,  zumal  wir  für  die  Kaiserzeit  diese  Form  auch  für 
Elejjhantine-Syene  nachweisen  können.  Auch  das  oben  für  Theben 
(III.  Jahrh.  vor  Chr.)  unter  I  1  nachgewiesene  Formular  ist  hier 
bekannt  gewesen,  wie  Pap.  Leid.  Q  (aus  der  Zeit  des  Philadelphos) 
zeigt:  'Eyei  Xr/.dcvwp  zpaxTWp  Ttapa  'Opaevo'j-^to;  "/.xX.  Vgl. 
oben  S.  61. 

II.  Quittungen,  die  die  Bank  ausstellt. 

Datum  (Jahr,  Monat),  —  tiraxzac  im  T»/r  iv  OrUname  iQanfXM , 
i(p  tjg  der  Ti-apezit,  —  für  Abgabe  —  der  'Erheber  (?)  —  Summe. 
Siibscripüon  des  Trapez'den. 

Dieses  Formular,  das  in  unserer  Sammlung  nur  durch  Xr.  1 
vertreten  ist,  entspricht  genau  dem  the])anischen  Formular  II  6'' 
(S.  71  t).     Da.ss  die  in  der  Quittuug  genannte  Person  der  Erheber 


GELDQUITTUNGEN    AUS    ELEPHANTINE.  11!) 

ist,  haben  wir  nur  aus  der  Analosie  dieser  thebanischen  Quittungen 
geschlossen,  doch  wird  es  durch  die  hoho  Summe  (500  Dniclmicn) 
-o  gut  wie  bestätigt.  Die  ^löglichkeit  ist  freilich  orten  zu  lassen, 
dass  in  Svene  damals  (II.  Jahrhundert  v.  Chr.)  die  Rank  den  Zahler 
nannte.  —  Auch  hier  findet  sich,  wie  häufig  in  den  thebanischen 
(Quittungen,  am  Rande  von  der  Hand  des  Trapeziten  eine  Summe 
udtirt,  die  grösser  ist  als  die  quittirte.  Vgl.  dazu  oben  S.  75  f.  Wir 
irren  wohl  nicht  in  der  Annahme,  dass  auch  hier  in  Svene  ver- 
schiedene Entwiekelungsstulen  dieses  Schemas  einander  gefolgt  sind. 
Einstweilen  haben  wir  kein  weiteres  Material  als  diese  einzige  Nummer. 

B.  Kaiserzeit. 

III.  (Quittungen,   die  der  Erheber  ausstellt. 

1. 

Der  Erheber  —  dem  Zahler  —  ytanfir.  "F/fbi  (oder  ähnlich) 
—  für  Abgabe  —  Summe.  Datum.  Suhscripiion.  Vgl.  35,  43,  83, 
150,  235,  262,  .302—304,  1276. 

Dies  ist  dasselbe  briefartige  Formular,  das  oben  für  Theben 
ausführlicher  besprochen  ist.  Dass  der  Adressat  der  Zahler  ist, 
wird  dadurch  bestätigt,  dass  in  83  eine  Frau  genannt  wird.  Die 
Suhscription  steht  nur  einmal,  in  304,  nach  dem  Schema:  Name 
y.T.i'/iä.  In  35  ist  statt  dessen  eine  demotische  Suhscription  bei- 
gefügt. Es  darf  vielleicht  als  Bestätigung  unserer  obigen  Aus- 
führungen über  yaipc'.v  angeführt  werden,  dass  die  einzige  Quittung, 
in  der  hier  die  Grussformel  fehlt  (Nr.  235),  an  einen  Sklaven  ge- 
richtet ist  (vgl.  oben  S.  85  f.).  —  Als  Verbum  steht  hier  meistens 
ä-r/w,  auch  s/w,  im  Praesens.  Nur  einmal  (235)  findet  sich  der 
Aorist  (im  J.  158).     Vgl.  oben  S.  86. 

2. 

"Eioi  —  Tianu  Zahler  —  für  Abgabe  —  Summe.  Subseriptloji. 
Datum.     Vgl.  28  (vom  J.  76  n.  Chr.) 

Wir  wiesen  schon  oben  S.  108  darauf  hin,  dass  diese 
Nummer  mit  901  und  1259  verglichen  werden  kann.  Auch  hier 
steht  der  Name  des  Schreibers  nicht  in  der  Quittung,  sondern  in 
der  Suhscription.  Auch  diese  Nr.  28  nimmt  sich  wie  eine  Ver- 
kürzung der  Brietform  aus. 


120  lll-  KAI'ITIiL. 


Jia-jtyqäqrixir  (später  ö({';'e«üJ«0  —  der  Zahler  —  für  Ahrjahe 
—  Datum.  Summe.  Suh.-<erlptlon  des  Erhebers.  Vgl.  3,  5,  7,  8, 
12,  18,  20,  23-27,  29—31,  33,  34,  36—42,  44,  46,  47,  49- 
53,  55-57,  59,  60,  62,  64,  65,  67,  69-82,  85,  86,  100,  1U2. 
1U4,  loT. 

3^- 
Dasselbe,   ohne  Subscri2ytio».     Vgl.  4,   6,    10,    Iß,    19,    21,  66, 
68,  280,  1322. 

4«- 

Der  Erheber.  JiaysyQäqrixsr  (spätem-  diiygaipef)  —  der  Zahler  — 
für  Abgabe  —  Stimme.  Datum.  Snbscription  de»  Erhebers.  Vgl.  8-4. 
87,  88,  90,  92,  93,  103,  108,  112,  120,  122,  136,  139,  144. 
148,  164,  172—174,  179,  180,  186,  212—216,  222,  229,  241, 
242,  [248],  265,  266,  271,  272,  281,  293,  1274. 

4.,. 

Dasselbe,  ohne  Subscription.  Vgl.  13 — 15,  17,  22,  48,  89,  91. 
95—99,  101,  105,  106,  109—111,  113—119,  121,  123—135. 
137,  140—143,  14.5—147,  149,  151—163,  165—171,  175— 
178,  181—185,  187—191,  193—211,  217—221,  223-228, 
231—234,  236—239,  243—247,  249-261,  263,  264,  267,  268, 
273,  274,  276—278,  283,  285,  286,  288—292,  1268,  1270- 
1273,  1573,  1609,  1610. 

Wir  stehen  hier  an  dem  schwierigsten  Punkte  unserer  Unter- 
suchung. Betrachten  wir  die  beiden  vorliegenden  Schemata,  3 
und  4,  lediglich  nach  der  formalen  Seite,  so  bieten  sie  allerdings 
keinerlei  Schwierigkeit:  Gruppe  3  ist  völlig  identisch  mit  der  oben 
für  Theben  nachgewiesenen  Gruppe  IV  6,  und  4  unterscheidet  sich 
davon  nur  dadurch,  dass  :uu  Kupfstüek  der  Beamte  im  Praeseript 
genannt  ist.  Aber  sachlich  besteht  ein  gewaltiger  Unterschied 
zwischen  der  thebanischen  und  unserer  Grui>pe:  jene  ist  von  Trape- 
ziten,  diese  von  Erhebern  subscribirt;  mit  anderen  Worten,  jenes 
sind  Bank<iuittungen,  dieses  Erheberquittungen.  Die  ITeber- 
tinstimmung  ist  also  lediglich  eine  formale.  An  der  Richtigkeit  dieser 
Thatsache  wird   kaum  gezweifelt  werden  können.    Denn  wie  wir  für 


GELDQUITTUNGEN   AUS    ELEI'HA.NTINE.  121 


Theben  den  Titel  xpaTi:(£l^!xY]5)  in  den  Subscriptionen  sicher  nach- 
weisen konnten,  so  begegnet  hier  eben  so  sicher  an  derselben  Stelle  der 
Titel  Tipaxxwp  oder  ein  verwandter.  Diese  Thatsaclie  führt  aber 
zu  den  grössteu  Schwierigkeiten,  die  ich  namentlich  in  zwei  Punkten 
linde.  Einerseits  fragen  wir  uns  vergeblieh,  in  welcher  Weise  denn 
die  Bank  den  Erhebern  quittirt  hat,  wenn  diese  5t£YP^4'^^"I''oi"™ulare 
nicht  von  ihr  verwendet  wurden.  Abgesehen  von  Nr.  2  (.s.  unten  IV), 
die  noch  in  die  augusteische  Uebergangszeit  gehört,  haben  wir  nun 
kein  Bcii^piel  einer  Bankquittung  für  Syenc-Elei)liantine.  Andrerseits 
\-crwundern  wir  uns,  dass  die  Erheber,  die  den  Zahlern  doch  schon 
in  der  Brietibnn  quittirteu  (s.  oben  III  1),  daneben  noch  zu  dem- 
selben Zweck  sich  dieser  Siiypa'jiEV- Formel  bedient  haben  sollen. 
Auf  der  einen  Seite  fehlt  uns  etwas,  auf  der  anderen  haben  wh- 
etwas  zu  viel.  Unter  diesen  Umständen  liegt  es  sehr  nahe,  den 
Versuch  zu  machen,  ob  man  diese  Stiypa'jisv-Quittungen  nicht  doch 
in  eine  Beziehung  zu  der  Bank  bringen  könnte.  Aber  ich  bekenne, 
zu  einem  mich  befriedigenden  Ergebnis  nicht  gelaugt  zu  sein. 

Man  könnte  z.  B.  auf  eine  Reihe  von  Fällen  hinweisen,  in 
denen  in  der  Subscription  der  Titel  T^pdcxTiop  nicht  steht,  sondern 
nur  ein  Name  ohne  Titel,  und  könnte  meinen,  dies  seien  Bauk- 
quittungen,  die  formell  den  oteypa'lEV-Urkunden  der  Trpaxxops;  gleich 
wären.  Ich  meine  Subscriptionen  wie  in  Nr.  3:  'AttoÄCAwvco;) 
^TiY^xoCXoüx^rf/a).  Vergleicht  man  diese  Nummern  mit  den  theba- 
nischen,  so  liegt  ja  allerdings  der  Gedanke,  dass  der  Subscribent 
wie  dort  Trapezit  sei,  äusserst  nahe,  aber  ich  halte  es  doch  für 
unmethodisch  und  unerlaubt,  hier  wo  der  Titel  fehlt,  einen  anderen 
einzusetzen  als  den,  der  in  den  Subscriptionen  mit  Titeln  genannt 
wird.  Wir  werden  vielmehr,  bis  wir  etwa  durch  neues  Jlaterial 
widerlegt  werden,  auch  diese  Subscrijitionen  den  Erhebern  zu- 
schreiben müssen.  Somit  können  wir  in  der  That  für  Syene-Ele- 
phantine  keine  kaiserlichen  Bankquittungen  (ausser  Nr.  2)  nach- 
weisen. Dies  wäre  noch  nicht  das  Bedenklichste,  denn  man  könnte 
ja  annehmen,  dass  uns  zufällig  keine  überliefert  sind,  oder  auch, 
dass  es  in  Elephautine  Sitte  wurde,  dass  die  Bank  den  Eiliebern 
auf  Papyrus  quittirte,  wie  es  im  Faijüm  der  Fall  gewesen  zu  sein 
scheint  (vgl.  BGU  62,  63,  65,  215,  273  und  dazu  oben  S.  22  f). 
Die  Hauptschwierigkeit,  die  wir  nicht  beseitigen  können,  besteht  viel- 
melir  darin,  dass  die  Erheber   in  Elephantine   sich   genau  desselben 


122  111.    KAl'lTKL. 


Formulars  bedienten ,  das  in  Theben  die  Trapeziten  gebrauchten,  und 
das,  wie  uns  schien,  durch  mancherlei  Umwandelungen 
aus  der  alten  ptoleraäischen  Bankquittung  sich  entwickelt 
hatte.  Welchen  Zweck  sollen  zudem  diese  neben  den  briefartigen- 
Quittungen  ausgestellten  Be!*cheinigungen  gehabt  haben?  Vorüber- 
gehend kam  ich  auf  den  Gedanken,  dass  sie  vielleicht  die  Belege 
seien,  tue  die  Erbeber  in  ihrem  Bureau  deponirteii.  um  danach  ihre 
monatlic'hen  Berichte  an  die  Bank  zusammenzustellen.  Doch  ist  dies 
gewiss  abzuweisen,  denn  Quittungen,  die  einem  Anderen  über- 
wiesen wurden,  sind  diese  Urkunden  sicherlich.  Das  geht  u.  A.  auch 
aus  Nr.  50  hervor,  wo  sich  am  Schluss  die  ganz  singulare  Bemerkung 
findet:  Ziic  tö  -(apa)T:£7itü)('7ivaO  t-?|V  T.^'jz{kp0i-i)  feG/fi^v).  Wir 
haben  darüber  schon  oben  S.  78  gehandelt.  Hier  ist  für  uns  von 
Wichtigkeit,  dass  die  Urkunde  selbst  damit  indirect  als  eine  a.-oyj] 
bezeichnet  wird,  also  als  eine  Quittung,  die  dazu  bestimmt  ist,  einem 
Anderen  Sicherheit  zu  geben.  So  komme  ich  doch  wieder  zu  dem 
nächstliegenden  Schluss,  dass  diese  Quittungen  vom  Erheber  dem 
Zahler  ausgestellt  wurden,  dass  also  in  Elephantine-Syene  die  Er- 
heber bald  in  Brieflbrm,  bald  in  der  hier  behandelten  Form  quit- 
tirten.  Wir  werden  unten  auf  S.  126  auf  ein  Kriterium  stosseu, 
das   diese  Äleinung   zu   stützen   geeignet  ist. 

,  Ich  kehre  nunmehr  zu  der  formellen  Seite  der  Gruppen  3  und  4 
zurück.  Ueber  3  ist  nicht  viel  zu  sagen,  da  sie,  wie  bemerkt,  mit 
dem  thebanischen  Schema  IV  6  völlig  übereinstimmt.  Neu  ist, 
dass  Nachträge  gelegentlich  mit  der  Formel  onriiiü^  iyjx»  äXkaq  xxX 
eingeführt  werden,  so  in  53  und  60.  Dieser  Wechsel  von  Stsypa'^^EV 
und  £•/ w  ist  sehr  bemerkenswert  und  bestätigt  den  (Juittungscharakter 
unserer  Urkunden.  Aebnlich  wird  gelegentlieh  l)ei  Zahlung  einer 
letzten  Rate  hinzugefügt:  auv  al?  ea^ov  TTpöxspov  (oder  ähnlich), 
vgl.  74,  75,  76.  —  Auf  gewisse  Umstellungen  innerhalb  des 
Schemas  brauchen  wir  nicht  einzugehen. 

Ganz  originell,  und  bisher  mir  nur  fiir  Syene-Elephantine  be- 
kannt, ist  die  Gruppe  4,  deren  CharakterLsticum  das  Praescript  ist. 
Im  Uebrigen  stimmt  sie  durchaus  mit  der  Gruppe  3  überein.  Der 
quittirende  Beamte  ist  damit  aus  der  Subscription  an  die  Spitze 
der  Urkunde  getreten,  und  längere  Zeit  scheint  <lie  Praescriptio  die 
Subseriptio  überflüssig  gemacht  zu  haben.  ^^'ährend  jene  von 
Claudius'  Zeit  an  häufig  begegnet,  erscheint  die  Subscrijjtio  in  dieser 


GELDQUITTUNGEN    AUS    ELEPHANTIXE.  123 

Gruppe  erst  unter  Trajan.    Wie  die  obige  Tabelle  zei|rt,  ist  es  aber 
auch  fernerhin  gebräuchlicher  gewesen,  keine  Subscription  hinzuzufügen. 
Wir  können  folgende  Fonneu  von  Praescriptionen  unterscheiden 
(wenige  Citate  mögen  genügen) : 

1.  Name.     Vgl.  13,   14,   15,  17  etc. 

2.  Name  oii  Name.     Vgl.  48. 

3.  Name  Sta  Name,  Titel.-   Vgl.  129. 

4.  Name,  Titel.     Vgl.  84. 

5.  Name,  Titel  Sc«  Name.     Vgl.  97. 

6.  Name,  Titel  Stä  Name,  Titel.     Vgl.  95,   lUG. 

7.  Name,  Titel  Gt'  £|ioö  Name,  Titel.     Vgl.  291. 

8.  Name,  Titel,  ETcaywoXouS-o'jvtwv  .  . .,  o;ä  Name.    Vgl.  194. 

9.  Name,  Titel  oüv  Name.     Vgl.  205. 
10.  \ix  Name.     Vgl.  109. 

Man  sieht,  die  Praescriptio  ist  grundsätzlich  verschieden  von 
der  Subscriptio,  insofern  sie  niemals  eine  Zahlung-sbestätigung  enthält, 
sondern  lediglich  bestimmt  ist,  die  Namen  der  beteiligten  Beamten 
(Ttpay.xope;  oder  \i:ad-(X)xa.'.  oder  EäiTYjpYjTaE  etc.)  anzugeben.  Meist 
ist  in  der  Praescriptio  nicht  nur  der  spezielle  Beamte  genannt,  der  im 
einzelnen  Falle  die  Zahlung  entgegengenommen  hat,  sondern  die 
ganze  Firma,  die  ganze  Gesellschaft  der  associirten  Beamten  oder 
Pächter  tritt  uns  hier  am  Kopfstück  entgegen,  sei  es  dass  die  ein- 
zelnen Namen  aufgeführt  werden,  oder  nur  Einer  oder  Zwei  genannt 
und  die  Uebrigen  mit  xal  ot  ouv  aÜTW  oder  ähnlich  angefügt  werden. 
Einzelne  Ostraka  gehen  in  der  Angabe  der  Associationen  so  weit, 
dass  sie  sogar  über  gewisse  Verschiebungen  innerhalb  der  Gesell- 
schaft Mitteilung  machen,  so  Nr.  271  (ävaooS-evcs;  zlc.  xXfjpov 
Ävti  .  .  .).  Vgl.  272,  285.  Vgl.  hierzu  Kap.  VI.  Das  ist  ein  zweiter 
wesentlicher  Unterschied  von  der  Subscription,  da  in  dieser  immer 
nur  der  Einzelne  genannt  wird,  oder  aber  wenn  Mehrere,  so  doch 
.Jeder  für  sich.  Welchen  Zweck  man  bei  der  Einführung  des 
Praescripts  verfolgt  hat,  ist  schwer  zu  sagen.  Formell  erinnert  es  an 
die  Kopfstücke  der  amtlichen  Erlasse,  die  gleichfalls  nur  den  Namen 
des  betreffenden  Beamten  im  Nominativ  enthalten.  Vgl.BGU  7  und  18. 

Die  Subscriptionen  sind  hier  in  Syene-Elephautine  —  nach 
dem  uns  vorliegenden  Material  —  mannigfaltiger  als  in  Theben. 
Wir  können  folgende  Gruppen  unterscheiden: 


124  II'-  KAl'ITKL. 


I 


1.  a)  Name  £7rr,y.oIo'j\V,-/.a.     Vgl.  3. 
b)  Name  sTiyjXoXou&YjZa  Butume.     Vgl.  5,  7,  8. 

2.  a)  Käme  «[tiso^ov]  Summe.     Vgl.  100. 
b)  Name  ouvazET/ov.     Vgl.  266,  271,  272. 

3.  a)  Name  lypx'^x.     Vgl  12,  23—27,  29.  J 

b)  Name  gy^a-^a.     Datum.    Vgl.  18. 

c)  Name,     Titel     {-piv.ziap,     auch     '{pot.\i.[ioi.zt{)c)    z'(pc(.'\)!x. 
Vgl.  37,  38. 

d)  Name,  Titel,  i^px^K.  Datum.     Vgl.  41,  46. 

e)  Name,  Titel,  lypa'-Jjx  oiä  Name.  Datum.     Vgl.  78. 

4.  a)  Name  a£ar;[i£t(ü[J.a:.     Vgl.  102. 

b)  Name,  Titel,  a£ar;|i£ia)|iat  Summe.     Vgl.  84. 

c)  Name,  a£(ay([ji£iü)|iaO  övö|i(aTOc)  .  .  .  Summe.    Vgl.  265. 

5.  a)  A'.a  Name.     Vgl.  56,  60. 

b)  A'.a  Name,  Titel.     Vgl.  85  (iTz:Tr,pr,-r,i). 

c)  Aia  Name,  Summe.     Vgl.  20. 

d)  Atd  Name,  Datum.     Vgl.  104. 

Auf  einzelue  Absouderliehkeiten,   wie   z.  B.   die  Voranstellung 
des  Namens  in  46,  verlohut  es  sich  nicht  genauer  einzugehen. 


Dei-  Zahler  —  für  Abgabe  —  Summe.  Subseription  des  Erhebers. 
Vgl.  32,  45,  54,  61,  63. 

5'- 

Der  Erheber.  Der  Zahler  —  für  Abgabe  —  Summe.  Datum. 
Vgl.  94. 

Diese  Formulare  unterscheiden  sich  von  den  vorhergehenden 
Schemata    3    und    4   nur  dadurch,    dass   o;£Ypa']'£V   ausgelassen   ist. 


Datum  (Jahr,  Monat,  Tag)  —  ditjQaU'tr  —  der  Zahler  — 
für  Abgabe  —  Summe.  Siibticrlption.  Vgl.  269,  270,  275.  Das 
Formular  unterscheidet  sich  von  dem  Hauptschema  3  nur  durch  die 
Voranstelluncf  des  Datums. 


I 


ELEPHASTINISCHE    FORMULARE.  125 


IV.  Quittuugeu,    die  dir   I);iiik  aiLsstellt. 

Datum  (Jahr,  Monat,  Tag)  —  zsTaxtai  f.Ti  tlv  iv  Ortsname 
rnc'cTis^av,  i(f  ij.;  der  Trapezit,  —  für  Abgabe  —  da-  Zahler  — 
■^umme.     Subsci-iption  des  'Prapeziten.     Vgl.  2. 

Wie  oben  bemerkt,  ist  dies  bis  jetzt  das  einzige  sichere  Beispiel 
i'iuer  Bankquittung  aus  der  Kaiserzeit  für  Syene.  Dies  Ostrakon, 
aus  dem  Jahre  \o  n.  Oir.,  zeigt,  dass  wie  in  Theben  auch  hier 
die  alte  ptolemäische  Form  sich  bis  in  die  Zeit  des  Augustus  er- 
halten hat. 


Elepliautiiie  und  Syene. 
Quittungen  über  Naturallieferungen. 

A.  Ptolemäerzeit. 

I.  Quittungen,  die  der  Erheber  ausstellt, 

sind  bis  jetzt  nicht  bekannt.     Sic  waren  jedenfalls  in  BrieSorm  ab- 
gefasst. 

II.  Quittungen,  die  der  Thesauros  ausstellt. 

Datum  (Jahr,  Monat)  —  eüfteue'TQijxsv  «/,•  tuv  ir  0)is)iame 
&^auvQ<JV  —  für  Abgabe  —  der  Erheber(f)  —  Summe.  Subseri2}tion 
des  Sitologen.     Vgl.  29.Ö.     Vgl.  auch  1608. 

Dieses  Formular  entspricht  genau  dem  thebanischen  Formular  II 
2*  (S.  99).  Dass  die  in  der  Quittung  genannte  Person  der  Erheber 
sei,  schliessen  wir  nur  aus  der  Analogie  der  thebanischen  Quittungen. 
Die  Möglichkeit,  dass  man  in  Syene  den  Zahler  genannt  habe,  ist 
einstweilen  offen  zu  lassen.  —  Xr.  1G08  gehört  in  diese  Gruppe 
hinein,  nur  erfolgt  die  Lieferung  (Kjfoton)  statt  an  den  Thesauros 
an  das  iXci.:oMp'(Vj'i.  Aehnliche  Fälle  wurden  oben  auch  füi'  Theben 
namhaft  gemacht. 

In  allen  drei  Quittungen,  die  wir  aus  der  Ptolemäerzeit  haben, 
Nr.  1,  295  und  1608,  wii-d  im  Eingang  nur  Jahr  und  Monat  genannt, 
nicht   der  Tag.     Es   ist   sehr  fi-aglich,    ob   das    mehr   als  Zufall  ist. 


126  UL  KAPITEL. 


li.  Eaiserzeit. 

III.  Quittungen,  die  der  Erheber  ausstellt. 

Der  Erhebe):  'EfierQtjaev  —   b  Suva  —  für  Abgabe  —  ovöfiaTos  ' 
des  Zahler»  —  Summe.  Datum.  Sub-icription.    Vgl.  296 — 301,   1460. 

Dieses  Formular,  das  wir  bisher  lediglich  für  83-ene-Elephau- 
tine  nachweisen  können,  ist  ein  vollständiges  Pendant  zu  den  oben 
unter  III  4  behandelten  Geldquittungen  der  Erhebcr.  Charakte- 
ristisch ist  für  beide  Gruppen  die  Praescriptinn.  Wir  verweisen  auf 
unsere  obigen  Ausführungen.  Eine  Bubscription  steht  nur  in  3()1. 
Es  unterzeichnet  hier  der  Tipdcvatop   atTOifj?  SorjVYjS. 

Nur  in  301  wird  der  Zahler  direct  mit  ejiltpTyaev  verbunden. 
In  den  anderen  Fällen  steht,  wie  oben  bemerkt:  6  ostva  —  övö- 
[iaxo?  des  Zahlers.  Das  kann  wohl  nur  heissen,  dass  die  erstge- 
nannte Person  (in  296,  299  und  1460  ebe  Frau!)  die  Lieferung 
im  Namen  der  zweiten  Person,  des  Zahlungspflichtigen,  gebracht 
resp.  übergeben  und  vermessen  hat. 

Sehr  bemerkenswert  ist  eine  sprachliche  Ungenauigkeit,  die  sich 
in  298,  299  und  300  findet.  Es  heisst  da:  l|i£Tprja£v  6  Selva 
—  -TO  iTiißdcXAov  aoL  [lipog,  wo  statt  aoc  vielmehr  aüxw  stehen 
müsste.  Dieser  Lapsus  des  Schreibers  —  es  ist  immer  derselbe, 
M.  Annius  Nemonianus,  der  es  allerdings  zu  verschiedenen  Zeiten, 
a.  173  und  176,  geschrieben  hat  —  ist  für  die  Frage  nach  der  Be- 
tleutung  und  dem  Zweck  dieser  Quittungen  nicht  unwichtig,  und  wir 
werden  um  so  grösseres  Gewicht  darauf  legen,  wenn  wir  bedenken,  dass 
dies  Formular  formell  identisch  ist  mit  den  unter  III  3  und  4  be- 
handelten Geldquittungen,  deren  Deutung  besonderen  Schwierigkeiten 
unterlag.  Ich  meine,  wenn  dem  Schreiber  aus  Versehen  ein  ao: 
statt  «t'TqJ  in  die  Feder  kommt,  so  setzt  das  voraus,  dass  der  be- 
treffende Mann  ihm  gegenübersteht  und  er  für  ihn  die  Quittung 
schreibt.  Damit  dürfte  es  so  gut  wie  gesichert  sein,  dass  unsere 
Urkunden  doch  nichts  anders  sein  können  als  Quittungen,  die  der 
Erheber  dem  Zahler  ausstellt,  und  bei  der  völligen  Analogie  mit 
III  3  und  4  dürfen  wir  weiter  folgern,  dass  "auch  die  cd^poi.'lizy- 
(^uittungen  von  El(]iliantinc  (mit  oder  oliue  Praeseript)  denselben 
Sinn  haben.  Dies  vorausgesetzt,  ist  zu  constatiren,  dass  die 
Erheber  in  Elephantine  ausser  in  BrieflJbrm  auch  in  dieser  ob- 
jeetiv   stilisirten  Form    den   Zahlern   quittirt   haben,    dass    wir   aber 


Ql-ITTl-XG:*FOKMl'LARi:    IX    KI.KrilANTIXK    UND    KOPTOS.  127 

Beispiele  von  Bankquittungen  aus  Elcphantine  füv  die  Kaiserzeit 
(abgesehen  von  Nr.  2)  einstweilen  nielit  naeliweisen  können.  Wir 
sehen  liicraii^,  wie  verschieden  das  Quittungswesen  sich  in  verschiede- 
nen Städten  entwickelt  hat.  Die.«('llio  Bcohachtung  ist  auch  schon 
früher  für  andere  Gebiete  des  Urkuudeuwesens  gemacht  worden, 
und  man  liat  wohl  zwischen  unteraegyptischen  und  oberaegyptischen 
Formularen  geschieden.  Nachdem  diese  Untersuchungen  gezeigt 
haben,  dass  auch  innerhalb  Oberägyptens  Städte  wie  Theben, 
Krokodilopolis  (s.  unten),  Svene  ihre  Eigentümlichkeiten  im  Ur- 
kuiidcnwcscn  aufweisen,  wird  es  vielleicht  richtiger  sein,  nicht  zu 
verallgemeinern,  und  statt  von  unteraegyptischen  und  oberaegyp- 
tischen Formularen  vielmehr  von  mempliitischcn,  ar.sinoitisehcn,  theba- 
nischen  etc.  zu  sprechen. 

IV.  (Quittungen,  die  der  Thesauros  ausstellt, 
sind  in   unserer  Sammlung  nicht  vorhanden. 


Die  als  Nr.  1080^1090  publicirten  Urkunden  aus  Koptos 
(vgl.  auch  1G16')  sind  Quittungen,  die  der  Erheber  dem  Zahler 
ausstellt.  Das  Formular  ist  die  bekannte  Briefform,  über  die  oben 
zur  Genüge  gehandelt  worden  ist.  Irgend  welche  Abweichungen 
von  den  entsprechenden  Urkunden  aus  Theben  und  Syene  sind  hier 
nicht  zu  finden,  wenn  man  nicht  auf  7:po;5E-/o[Jia'.  *)  in  1089  (für 
v/m)  hinweisen  will.  Wie  schon  oben  S.  82  bemerkt  wurde,  steht 
am  Schluss  von  1083  das  seltene  eppwao;  doch  ist  es  recht  wahr- 
scheinlicli,  dass  diese  Nummer  eine  Privatquittung  ist.  Vgl.  das 
Fehleu  des  Titels  hinter  'Ep|j.öowpo;  wie  in  Nr.  1080,  die  jedenfalls 
privaten  Charakter  hat  (vgl.  '{f^^  jioy;.  Auch  1502,  wo  gleichfalls 
j'ppwao  steht,  ist  eine  Privatquittung.  Nr.  1234,  eine  Bankquittung 
aus  Koptos  vom  Jahre  120/19  vor  Chr.,  zeigt  keine  Abweichungen 
von  dem  thebanischen  Schema  II  G'' 


')  IIpi;5E/.£a9-a!.  (^  annebmen,  empfangen  i  ist  mir  sonst  in  diesen  Quit- 
tungen nicht  begegnet.  Das  synonyme  T:apa5sy.sa9-a'.  findet  sich  auf  der 
Hess'schen  Holztafel  (s.  oben  S.  CT   Anm.). 


12S  Ilf-   KAPITEL. 


Sedment. 

Die  I^rklärung  der  schwierigen  Formulare  von  Sedment  hängt 
zu  sehr  mit  der  sachliclien  Interpretation  zusammen,  als  dass  ihre 
rein  formale  Behandlung  hier  zweckentsprechend  wäre.  Wir  werden 
unten  in  Kap.  VIII  die  Urkunden  von  Sedment  einer  besonderen 
Untersuchung  unterziehen. 

Pselkis. 

Die  Mehrzahl  der  Urkunden  von  Pselkis  sind  Quittungen,  in 
denen  romische  Soldaten  dem  OjJtio  den  Empfang  der  ihnen  zu- 
stehenden Naturallieferungen  bestätigen.  Es  gehören  hierhin  Nr.  1128 
—1134,  1136,  1137,  1139—1144.  Zur  sachlichen  Erklärung  vgl. 
unten  Kap.  VIII.  Hier  sei  nur  darauf  hingewiesen,  dass  diese 
Quittungen  alle  in  der  üblichen  Briefform  ausgestellt  sind.  Ueber 
iXoc^o'v,  das  hier  regelmässig  als  Formel  der  Empfangsbescheinigung 
begegnet,   vgl.   oben  S.  109. 

Die  Grussfbrniel  yoJ.pzvi  fehlt  in  diesen  Quittungen  niemals, 
was  gewiss  kein  Zufall  ist,  da  sie  au  den  Optio  adressirt  sind 
(s.  oben  S.  85  f.).  Bemerkenswert  sind  einige  Subscriptioueu.  So  wird 
die  Soldatenquittung  1131  von  einem  Centurio  unterzeichnet,  zu 
dessen  Centurie  wohl  der  Quittungsschreiber  gehörte. 

Nr.  lloö  ist  eine  Anweisung,  durch  die  die  TrapaX^jiTCxat  aixou 
vom  Optio  zu  einer  Getreidelieferung  aufgefordert  werden.  Was 
die  T^päxTOpc;  in  Nr.  1138  an  die  Frau  AioaxopoOg  zu  schreiben 
hatten,  ist  nicht  mehr  zu  ermitteln. 

Krokodilopolis. 

Aus  dem  oberaegyptischen  Krokodilopolis  liegen  uns  3  Bank- 
quittungen aus  dem  II.  Jahrh.  v.  Chr.  vor:  1617,  1618,  1620. 
Sie  sind  alle  drei  nach  folgendem  Schema  abgefasst: 

Datum  (Jahr,  Monat,  Tacj)  —  rstanrai  im  tiiV  iv  KQoy.oÜiXwv 
TioXei  TQÜnf^av,  icp  7jg  der  Trapezit,  —  für  Abgabe  —  der  Zahler 
—  Summe.     Sid)scription  des   Trupeziten. 

Auf  den  ersten  Blick  scheint  dies  Formular  mit  dem  für  Theben 
und  Syene  nachgewiesenen  völlig  identisch  zu  sein.  Aber  ein 
Unterschied  besteht:  während  dort  der  Erheber  genannt  wird,  steht 
hier  der  Name  des  Zahlers!     Dies  geht  unzweifelhaft  daraus  hervor, 


QUITTUNGSFOEMULARE.  1  L".  • 


dass  in  1617  und  lßl8  Frauennameu  begegnen.  Es  sind  die  Töchter 
des  Drvton,  die  un?  aus  Grenfell's  Papyri  (Gr.  Pap.  I)  bekannt 
sind.  Leider  ist  mein  Material  für  Krokodilopolis  zu  kloin,  um 
weitere  Schlüsse  über  das  Quittunsiswesen  in  diesem  ( )rte  ziehen 
zu  können.  Dass  auch  der  naveßyoOvic  in  l(j20  der  Steuerzahler 
ist,  wdllcn  wir  einstweilen  nach  Analogie  annehmen.  Wir  kiinueu 
nur  coustatiren,  dass  die  Bank  in  Krokodilopolis  im  11.  .lahriumdert 
V.  Chr.  die  Jlethode  befolgt,  die  wir  oben  tiir  Tiieben  für's 
III.  Jahrh.  v.  Chr.  und  wiederum  für  die  Kaiserzeit  nachgewiesen 
haben.     Vgl.  auch  unsere  Ausführungen  auf  S.  74,  Anm.  2. 

Manches  spricht  dafür,  dass  auch  Nr.  1(519,  1(321  und  1(322 
(Naturalquittungen)  ans  Krokodilopolis  stammen.  Sie  zeigen  fol- 
gendes Formular: 

Datum  (Jahr,  Monat,  Tag)  —  fiftitToi^xtv  —  für  Abgabe  —  der 
Zahler if)   —  Summe.     Sub-seription   ((/&<   Sifo/of/m). 

Unter  der  Voraussetzung,  dass  auch  in  Krokodilopolis  die 
Bank-  und  die  Thesaurosquittungen  sich  gleichmässig  entwickelt 
haben,  nehmen  wir  bis  auf  Weiteres  an,  dass  die  in  der  Quittung 
genannte  Person  entsprechend  den  oben  behandelten  Nummern  auch 
hier  der  Zahler  sei.      Eine  Bestätigung  bleibt  abzuwarten. 

Es  sei  noch  hervorgehoben,  dass  auch  in  1026  der  Zahler, 
nicht  der  Erheber  genannt  zu  werden  scheint.  Denn  dass  Moa)(iu)V 
der  Besitzer  der  bOO  leider  so  schwer  verständliehen  Steuerobjecte 
ist,  dürfte  doch  das  Wahrscheinlichste  sein.  Leider  ist  nicht  genauer 
bekannt,  aus  welchem  Ort  das  Ostrakou  stammt. 

Arbeitsqiiittungen. 

Zum  Schluss  möchte  ich  auf  diejenigen  Quittungen  hinweisen, 
in  denen  es  sich  nicht  um  Zahlungen  in  Geld  oder  Getreide,  sondern 
um  Arbeitsleistungen  handelt.  Ueber  die  sachliche  Bedeutung 
dieser  Quittungen  vgl.  unten  Kap.  IV.  Hier  sei  nur  hervorgehoben, 
dass  die  Beamten  meist  in  der  briefartigen  Form  quittiren.  So  in 
1043—1047  (vgl.  Corrigenda),  1(J58,  1399,  1410,  1411,  1567. 
Altertümlicher  scheint  die  Form  zu  sein,  die  in  1023  (III.  Jahrh. 
V.  Chr.)  vorliegt:  „'AuetpyxaTai  —  der  Arbeiter  —  so  und  so  viele 
Naubia.  Subscription:  Name  des  Beamten."  Aehulich  1025  (gleich- 
falls aus  dem  III.  Jahrh.  v.  Chr.). 


WlLCKEN,  (»straka. 


IV.  KAPITEL. 
Die  Abgaben. 

In  diesem  Kapitel  haben  wir  die  Abgaben  im  weitesten  Sinne, 
d.  ii.  die  Gebühren  und  Steuern,  auch  die  privaten  Abgaben,  die  in 
unseren  Ostraka  begegnen,  zusammengestellt  und  haben  versucht, 
unter  Heranziehung  auch  anderen  Materiales,  die  Xatur  der  ein- 
zelnen Abgaben  zu  erklären.  Leider  mussten  wir  oft  mit  einem 
„non  liquet"  schliessen,  doch  einige  wichtigere  Grundzüge  Hessen 
sich  auch  jetzt  schon  erkennen.  Ohne  Zweifel  wird  durch  die 
fortgesetzten  Papvruspublicationen ,  hofientlich  auch  durch  weitere 
Ostrakaeditionen,  unsere  Kenntnis  von  den  Steuern  sich  noch  immer 
mehr  vertiefen,  sodass  dieser  erste  Versuch,  der  hier  gewagt  ist, 
in  vielem  bald  überholt  sein  wird.  Möchte  für  diese  weiteren 
For.schiuigen  die  hier  gebotene  Zusammenstellung  sich  als  eine  nütz- 
liche Vorarbeit  bewähren  I   Dann   hat  sie  ihren   Zweck  erfüllt. 

Wir  geben  die  einzelnen  Abgaben,  mit  den  griechischen  Bezeich- 
nungen der  Texte,  in  alphabetischer  Folge.  Bei  zusammengesetzten 
Ausdrücken  entscheidet  der  Anfangsbuchstabe  des  Steuerobjectes. 
Also  Wörter  w-ie  xsXog,  tpöpo;,  eloog  sind  nicht  berücksichtigt,  wenn 
sie  in  Verbindung  mit  dem  Steuerobject  auftreten.  Dass  wir  auch 
die  ■zi[s.a.i,  wiewohl  sie  keine  Abgaben  sind,  eingereiht  haben,  möge 
man  damit  ent.-^chuldigen,  dass  ihre  Besprechung  auch  für  die  ent- 
sprechenden Abgabenverhältnisse  nicht  ohne  Xytzen  ist.  Ausschliessen 
mussten  wir  diejenigen  Ostraka,  in  denen  die  Bezeichnung  der 
Abgabe  entweder  im  Text  verstümmelt  und  daher  unlesbar  ist,  oder 
aber,  wiewohl  gut  erhalten,  bisher  noch  nicht  von  uns  entziffert 
werden  konnte.     Es  sind  folgende  Nummern:     185,  227,  239,  265, 


§  1.     DIE    ÄGORAXOMIE-STEUER.  131 

L'TS,  294,  301,  358,  361,  362,  365,  431,  437,  491,  499,  500, 
:,ii7,  .')!(),  535,  557,  558,  583,  6l0,  638,  678,  689,  695,  703, 
T.)9,  76(1,  761,  788,  999,  1079,  1277,  1317—1319,  1338,  1405, 
1444,  1473,  1503,  1568,  1578,  1584,  1586,  1588,  1594. 

Am  Scliluss  findet  sich  ciue  Zusammenstelliuig  weiterer  für 
Aegypteii  nachweisbarer  Steuern,  sowie  ein  Versuch,  etwas  Ordnung 
in  (Uvs  Chaos  zu  bringen. 

§  1.  TsAo;  dYopavo|i(ia5"). 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  1053,   1330,   1331,   1333,  1419. 

In  1330  findet  sich  die  vollständigste  Schreibung:  ayopayoP-, 
in  1419  ayopl^,  in  1053  und  1333  nur  «yo,  in  1331  eine  Abbre- 
viatur von  Letzterem.  Man  könnte  auch  an  die  Auflösung  äyopa- 
vofJif/.dv  oder  dyopavojjiwv  denken. 

Die  ursprüngliche  Aufgabe  der  ayopavoiio;  war  bekanntlich, 
den  jNIarktverkehr  zu  regeln  und  zu  leiten,  also  die  Marktpolizei 
zu  üben.  Daraus  hat  sich  weiter  ihre  Befugnis  entwickelt,  C'ontracte 
über  Eigentumsveränderungen  etc.  aufzustellen.  ^1  Diese  zwiefache 
Competenz  tritt  uns  auch  hier  bei  der  Agoranomieabgabe  entgegen. 

Wir  müssen  hier  wie  immer  von  dem  Namen  der  Steuer  aus- 
gehen. TeXog  ayopavoixi'a;  wird  eine  Abgabe  bezeichnen,  die  für 
die  Agoranoraie,  für  tlen  Unterhalt  und  die  Salarirung  der  Agora- 
nomen  erhoben  wurde.  A\'ir  werden  unten  ähnliche  Abgaben  für 
die  Praktoren,  die  Sltologen  u.  s.  w.  kennen  lernen.  Die  Agoranomie- 
Steuer  wurde  jedenfalls  von  denjenigen  erholten,  für  die  die  Agora- 
nomen  thätig  waren,  d.  h.  die  Händler,  die  auf  dem  Markt  ihre 
Waren  feil  boten.  In  1330  und  1331  ist  der  Steuerzahler  ein 
Fischhändler  (vgl.  §  6).  In  1419  wird  die  Abgabe  genauer  als 
[tsAgc]  ayopavojiua;)  wvEwv  bezeichnet,  also  bot  der  Zahler  jeden- 
falls Marktwaren  (wvta)  feil.  Natürlich  hatten  alle  diese  Händler 
ausserdem  ihre  Gewerbesteuer  zu  zahlen  (S  6  und  §  135).  AYenn 
nach  1419  die  Abgabe  pro  Monat  berechnet  wurde,  so  müssen 
Händler  in  Frage  stehen,  die  regelmässig  den  ]Markt  besuchten, 
dort  wohl  ihren  festen  Stand  hatten.  Die  Existenz  einer  solchen 
Marktsteuer  legt  die  Frage  nahe,  ob  es  überhaupt  erlaubt  war. 
ohne  Aufsicht  der  Agoranumeu  ]Marktwaren  zu  vertreiben. 


')  Mitteis,    Eeiohsri'cht    u.   Volksr.    S.  52.     AVessely,    Jlitth.  PR  V.   S.  83. 

9* 


\:V2  IV.  KAPITEL. 


Entsprechend  dem  notariellen  Charakter  der  Agoranomen  ^vird 
in  10ö3  ein  ziXo^  jjtia&wasw:  —  es  handelt  sich  um  die  Pacht 
eines  Grundstückes  —  unter  den  allgemeinen  Begriif  des  teXo; 
äYopavo[j.(a;  subsumirt.  Dafür,  dass  der  Pachtcontract  vor  dem 
Afforanomos  geschlossen  ist,  wird  das  teao;  an  den  xeXwvYj^  ficYOp«- 
vojitxoO  gezahlt.  Wir  würden  eine  solche  Abgabe  eher  für  eine  Yer- 
kehrssteuer  halten.  Der  Name  zeigt  aber,  dass  auch  dies  als  eine 
Abgabe  für  den  Agorauomos  aufgefasst  wurde. 

§  2.     'Ynlp  y   ayopocaias. 

Nur  in    1225,   aus  byzantinischer  Zeit. 

Was  diese  Abgabe,  die  als  ein  tsXo;  bezeiclmot  wird,  bedeutet, 
wage  ich  nicht  zu  bestimmen,  ehe  nicht  für  y  eine  evidente  Auf- 
lö.sung  gefunden  ist.     Der  Möglichkeiten  giebt  es  mehrere. 

§  3.     Et;  T7  ?oai[v-a]   h(t,)( ). 

Für  Theben  belegt  durch   i;]49  i.II.  Jahrli.  v.  Chr.). 

Weder  für  diese  Wendung  noch  für  den  Gesammtinhalt  der 
Quittung  wüsste  ich  einstweilen  eine  Erklärung  vorzuschlagen.  Ich 
will  nur  hervorheben,  dass  wir  hier  einen  der  wenigen  Fälle  vor 
ims  zu  haben  scheinen,  in  denen  in  natura  gezahlt  wii'd,  ohne  dass 
von  Grundsteuer  die  Rede  ist.  Vielleicht  handelt  es  sich  hier  aber 
garnichl  um  eine  Abgabe,  sondern  um  eine  geschäftliche  Lieferung. 
Sollte  in  Z.  4  va'jxX(rjpos )  statt  vog  v}-  zu  lesen  sein,  was  mir  frei- 
lich palaeographisch  bedenklich  erscheint,  so  würde  es  nahe  liegen, 
ayo  etwa  in  äyu)(yt{Jia)  aufzulösen.  Dann  würde  der  Schiffsherr 
auf  Rechnung  der  ihm  überwieseneu  Fracht  die  10  Ai'taben  Weizen 
abliefern.      Doch  hier  ist  einstweilen  alles  unsicher. 

S  4.    Ai'^  (?). 

Für  Theben  belegt  durch  408,  419,  422,  423,  429,  431,  4.34, 
437,  438,  444,  448,  452,  461,  465,  466,  472,  480,  1281,  1282, 
1379,   1613,  alle  aus  der  Kaiserzeit. 

Während  das  Wort  «:"''-  in  den  meisten  Fällen  wegen  der 
Flüchtigkeit   der  Schrift  nur  schwierig  zu  erkennen  ist,   steht  es   in 


§  1  —  4.  ISP. 

1379  klar  und  (knitlich  <rcscliriebeii,  sodass  jeder  Zweifel  ausge- 
schlossen ist.'j 

Was  es  bedeutet,  weis.s  ich  uielit.  Von  griecliisclien  Wörtern, 
die  mit  «C-  beginnen,  käme  h(')chsteus  oi.ly.ix  in  der  Bedeutung  „In- 
jurie" in  Betracht.  Dann  würden  diese  Zahlungen  Bussgelder  für 
die  Zufüguug  von  Injurien  sein.  Doch  diese  Deutung  sclieint 
dadurch  ausgeschlossen,  dass  die  hier  vorliegenden  Zaiiiunt;en  Jahr 
für  Jahr  wie  eine  ordnungsmässige  Abgabe  erhoben  werden. 

Für  die  Charakterisiruug  der  Al)gabe  ist  Folgendes  hervor- 
zuheben : 

1.  Die  Ostraka,  auf  denen  at''  begegnet,  stammen  sämmtlieh 
aus  ein  und  derselben  Ortschaft,  Nöto?  xal  AE^'-  N^ur  in  1379 
ist  nach  damaliger  Sitte  (im  J.  43)  kein  Lokal  genannt,  und  in 
423  steht  Atf£<>,  in   IGIO  Msjivoveiwv. 

2.  Die  Ostraka  mit  «'.''-  sind,  wenigstens  in  der  vorliegenden 
Sammlung,  auch  zeitlich  eng  begrenzt.  Sie  stammen  aus  der  Zeit 
von  43—109  nach  (lir. 

3.  Da  auch  hier  vielfach  Ratenzahlungen  vorliegen,  i.st  es 
schwer,  über  die  Höhe  und  Bemessung  der  Abgabe  etwas  zu  sagen. 
Bemerkenswert  ist,  dass  Ka|i,Yjtt;  Ka|ji7;T:o;  sowohl  für  79/80  als  für 
83/4  und  85,6  immer  dieselbe  Summe,  je  2  Drachmen  11  Oboleu 
und  2  Chalkus  zahlt  (vgl.  1281,  4G1 ,  465).  Dagegen  tritt  bei 
anderen  Persönlichkeiten  in  den  verschiedenen  Jahren  ein  bedeu- 
tendes Schwanken  des  Satzes  hervor.  jMan  vergl.  z.  B.  für  den 
Vater  des  oben  genannten  Kametis,  Kx[xy;Ti;  lIsTsapTipyjOus,  die 
Nummern  419,  422,  429,  431,  434,  438,  448.  Andrerseits  zahlt 
1''£vaevTi8'0f,s  im  J.  79,80  ebenso  wie  der  jüngere  Kaiirjn?  die  oben 
genannte  Summe.  Dagegen  zahlt  er  im  Jahre  85/6  3  Drachmen 
4i  Obolen,  während  jener  2  Drachmen  14  Oboben  2  Chalkus  zahlt. 
Es  ist  mir  nicht  gelungen,  aus  diesen  Thatbeständen  einen  Schluss 
auf  den  bei  dieser  Steuer  zu  Grunde  liegenden  Modus  der  Auflage 
zu  ziehen. 


')  Vorübergelipud  habe  ich  an  eine  gauz  andere  Lösung  gedacht :  a.'.'"'-  =  ai 
x(a9-r;"/.ouaa'.)  oder  ahnlieli.  Palaeographisch  wäre  es  möglieh.  Das  fiel  mir  bei 
137  9  ein,  vco  für  das  y,to]ia-:!.y.öv  1  Dr.  2,J  Ob.  gezahlt  werden,  darauf:  a'.''- 
6  Dr.  4  Ob.,  eine  Summe,  die  gerade  für  yja\ictz:y.6'/  das  liebliche  ist.  Danach 
würde  al  v.{a^r,v.0UQa.:)  die  Normalhöhe  angeben  nach  einer  voraufgehendeu 
Kate.     Aber  andere  Stellen  sprechen  dagegen. 


134  IV.   KAPITEL. 


§  5.     'AxpoSpuMv. 

Für  Svene  belogt  durch  Nr.  1  und  2  (vgl.Corrigenda'),  für  Theben 
durch  1278,  131Ü,  1344,  1346,  1491. 

'Ay.pöopuov  oder,  wie  es  hier  mehrfach  geschrieben  ist,  axpö- 
Tp'jov  bezeichnet  sowohl  den  Fruchtbaum  (vgl.  Geopouic.  X.  66,2), 
als  auch  die  Baumfrucht,  und  zwar  werden  sjieziell  die  Früchte 
mit  holziger  Schale  darunter  verstanden. i) 

BetrachtiMi  wir  zunächst  die  thebanischen  Ostraka.  In  diesen 
wird  die  Steuer  regelmässig  als  eine  exxYj  bezeichnet,  d.  h.  als  ein 
Sechstel  vom  jährlichen  Ertrage.  In  127S,  1316  und  1344  wird 
sie  ausserdem  als  ein  teXo;  töttou  bezeichnet,  womit  besonders  dai-auf 
hingewiesen  ist,  dass  sie  nach  den  Toparchien  auferlegt  und  erhoben 
wird  (vgl.  unten  §  124).  Wiewohl  wir  diesen  selben  Hinweis  ge- 
rade bei  der  Grundsteuer  häufig  finden  werden  (a.  a.  O.),  ist  in  unseren 
Fällen  hier  an  eine  Grundsteuer  dennoch  nicht  zu  denken.  Wir 
werden  unten  den  Nachweis  führen,  dass  die  Grundsteuer  in 
Aegypteu  in  Form  einer  festen  Taxe  pro  Arure  aufgelegt  wurde  (vgl. 
unten  §  46),  während  wir  es  hier  mit  einer  Ertragsquote  zu  thun 
haben.  Für  das  Obstland  wird  jene  Grundsteuerberechnung  durch 
den  Londoner  Papyrus  CXIX  Z.  53  (axpoSpuwv  «va  ^  x)  und 
CXIX  A  Z.  5.  (TTXpaoebwv  xal  diy.poZpüta'^  ävä  ^X)  ausdrücklich 
bezeugt,  wonach  die  Arure  Obstlaud  bald  mit  20,  bald  mit 
30  Drachmen  besteuert  wurde.  ]\Ian  könnte  einwenden,  dass  dieses 
Zeugnis  aus  dem  IL  Jahrh.  n.  Chr.  stammt,  während  unsere  Texte 
hier  dem  III.  und  II.  Jahrh.  vor  Clir.  angehören.  Es  ist  aber  mehr 
als  unwahi'scheinlieh,  dass  in  der  Ptolemäerzeit  für  das  Obstland 
ein  anderes  Berechuungssystem  bestanden  haben  sollte  als  für  die 
anderen  Bodenarten. 

Ich  glaube  daher,  dass  wir  es  hier  vielmehr  mit  nichts  anderem 
zu  thun  haben  als  einer  speziellen  Abart  jener  a-C|ioipa,  über 
deren  Neuordnung  durch  Philadelphos  Grenfell's  Revenue-Papyrus 
uns  soeben  neues  Licht  gebracht  hat  (vgl.  §  17).  In  diesem  Gesetze 
des  Philadelphos  hcisst  es  Col.  24,11  ft': 


')  Geoponica  X  74  (ed.  Beekh):  1  'Or.mpa.  Xifszai  ■?)  x^<2">8r)  -röv  xapTiov 
sX^'J^a,  o'.ov  Sidpax'.vä,  iiriXa,  äiiTiiSia,  5a|iaaxr^vd,  xat  öaa  (i'J)  Ix^t  egü)9-£v  v. 
ju/.öJäE;.  2  'Axpiäpua  tk  y.aÄstxai  öaa  e;(o9-sv  -/AXu-^ci;  ex^t,  oiov  fotä,  Tf.a- 
-.'j.Y.:oL,  ■/.■i.z-%-1%.  v.'A  'jZ'j.  ;'jÄu)5r)  tiv  y.apniv  IjcüS-ev  \'/ß:. 


§  5.     DIE    OBSTABGABE.  135 

Twv  Se  TzapaSeiatov  iiuvTHirjOcio;  xf,[z ] 

[ .  .  .  .  li-iEVY^;   Tzpö;   äpY'Jpiov   ttjV    cV.tt^v  t[ ] 

[..  .]   a:v. 

Also  von  dem  Ertrage  der  Gartonerzeugnisse  soll  ein  Sechstel 
an  die  Göttin  Arsinoe  Philadelphos  jährlieh  gezahlt  werden,  und 
zwar  in  SillxT.  Können  nun  aber  die  5;xpc5pua  unter  den  v<im 
dem  Gesetz  genaiuiten  Y£vr||ia"a  (vgl.  Col.  oG,  18)  der  7:KpaSitaot 
mit  verstanden  werden?  Ich  glaube,  das  wird  durch  einen  Flinders 
Petrie  Papyrus  (III.  Jahrb.  vnr  Chr.)  mehr  als  wahrscheinlich.  Im 
Petr.  Pap.  (II)  XXVII  1  ist  eine  auvTtjjiyja'.;  erhalten,  wie  sie  in 
jenem  Gesetzesparagraphen  gefordert  wird.  Darin  bereclinet  der 
Steuerpflichtige  erstens  die  Sx^yj  von  seinem  ä[j.7i£Xwv,  und  zwar 
in  natura,  zweitens  die  exttj  twv  äxpoop'JWV  v.oC:  aT£:fav(i)v,  und 
zwar  in  Geld.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  diese  auvxfiiY^at; 
für  jene  ä7:ö|io;px  gemacht  ist.  Danach  entsprechen  aber  hier  die 
'Jiv.^00^'j7.  und  axE'^avo'.  den  Y£VY||iaTa  der  -apaSsiao'.  im  Revenue- 
Papyrus.  Damit  erledigen  .sich,  wie  mir  scheint,  die  Einwendungen 
von  ilahafly,  Rev.  Pap.  p.  XXXIII.  Uebrigens  vgl.  unten  S.  157  A.  2. 
Sonach  sind  wir  berechtigt,  auch  in  unseren  Ostraka  die  SxtYj  von 
den  axpoSpua  als  einen  Teil  jener  von  Philadelphos  neu  geordneten 
X7i6|i0'.pa  zu  betrachten. 1) 

Die  beiden  Ostraka  aus  Syene  (eines  aus  Ptolemäerzeit,  das 
andere  aus  Augustus'  Zeit)  weichen  darin  von  den  thebanischen 
Urkunden  ab,  dass  sie  die  Abgabe  nicht  als  exxrj  bezeichnen.  In 
Xr.  1  scheint  gleichfalls  auf  die  To^jarchie  hingewiesen  zu  sein  vne 
in  Theben,  vielleicht  auch  in  2.  Ich  wage  nicht  zu  entscheiden, 
ob  wir  es  auch  hier  mit  der  'iv.vq,  also  der  ä7io[i,o;pa  zu  thun 
hallen,  oder  ob  es  sich  hier  um  die  Grundsteuer  für  das  Olistland 
handelt.  In  letzterem  Falle  würde  äxpoopux  hier  in  dem  Sinne 
von  „Fruchtbaum"  (seil.  Y7)l  stehen.  Dass  diese  Grundsteuer  in 
Geld  gezahlt  würde,  wäre  den  Angaben  jener  Londoner  Papyri 
entsprechend. 


")  In  1491,  das  aus  dem  III.  Jahrh.  vor  Chr.  stammt  (wohl  Euergetes  I.), 
wird  der  Vorschrift  des  Philadelphischen  Gesetzes  entsprechend  in  Silber  gezahlt. 
Bei  <ien  Kupfevzahlungen  des  II.  Jahrluinderts  finden  sich  in  den  vorliegenden 
Fällen  keim-  besonderen  Charakterisirnngen  des  Kupfers.     Vgl.  Kap.  X. 


13(3  IV.   KAI'ITIJL. 


§  6.    TiXog  ^£Tap6X(ü)v)  aXiswv. 

Für  Theljen  belegt  chircli  Xr.  G47  und  1449  (II.  Jahrh.  n.  Chr.). 

Wie  der  Textdruck  zeigt,  lialie  ich  lange  geschwankt,  wie  die 
Worte  |ji£-aß  oder  |ji£Ta^o^-  und  aXi-  oder  «Äiewv  zu  verbinden  sind. 
Entgegen  meinen  früheren  Vorschlägen  glaube  ich  jetzt  das  Richtige 
zu  treffen,  indem  ich  jietäßoXo;  als  Adjectivum  fasse,  das  die  Art 
des  ä^.icü;  genauer  definirt.  Wohl  .steht  es  gewöhnlich  substantivisch, 
gleichbedeutend  mit  lietaßoAsüg  (Kleinhändler).  Vgl.  Rev.-Pap.  47,12: 
48,3  und  7.  P^benso  in  LXX  und  sonst^),  auch  in  Nr.  1331,4.  Aber 
auch  die  adjectivische  Verwendung,  die  durch  das  folgende  ccXiiisiv 
hier  nahegelegt  wird,  ist  sprachlich  möglich.  Ich  finde  es  so  in  dem 
Palmyrenischen  Steuertarif  (ed.  Dessau,  Hermes  XIX  S.  516),  wo  es 
heisst:  6[Jioiwc  qiaxioTTwIac  |j,£-caßoXoi  TzwXoüvzzg  iv  ty)  nöXzi.-)  Das 
"ceAo;  |i£TaßöÄwv  ä/.dwv  ist  hiernach  die  Gewerbesteuer,  die  von 
den  Fischern  erhdben  wird,  die  ihre  Ware  verkaufen.  Wir  werden 
im  nächsten  Paragraphen  sehen,  dass  die  Fischer  dafür,  dass  sie 
ti.schen  durften,  eine  andere  hohe  Abgabe  zu  zahlen  hatten.  Unsere 
Abgabe  hier  zahlen  sie  lediglich  für  den  Kleinhandel  mit  Fischen, 
iür  die  (XETa^o/r^.^)  Dass  dieser  Handel  auf  dem  Markt  stattfand, 
sahen  wir  oben  in  §  1. 

Ueber  die  Höhe  der  Steuer  lässt  sich  aus  den  vorliegenden 
Urkunden  nichts  Sicheres  gewinnen.  Bemerkenswert  ist,  dass  in 
G47  eine  Gesellsehatt  von  Fischern  die  hohe  Summe  von  72  Drachmen 
für  einen  Monat  zahlt.  Wie  alle  Gewerbesteuern  wurde  auch  diese 
pro  Monat  berechnet. 

In  1449  wird  die  Abgabe  von  einem  ETCLTrjpYjT^j;  teaou;  [lETa- 
ßÖAiöv  äXiewv  erhoben. 


')   In  einer  Inschrift  aus  Cos  iRev.  Etuil.  Cirec.  IV  S.  .^59  ff.  372)   l)egegiieii 

-)  Mein  früherer  Vorschlag,  aXisiüv  für  Verschreibung  von  äX'.s'.ßJv  zu  halten, 
hat  nur  das  Beilenkliehe,  dass  dann  f;  äXiEia  den  concreten  Sinn  von  ,,Fisclier- 
waren"  halien  müsste.  —  Die  nächstliegende  Lösung,  |ji£TaßoXfjg  äXieiuv  zu  lesen, 
ist  mir  darum  unwalirscheinlich ,  weil  in  den  Gewerbesteuerquittungen  immer 
die  Personen  hinter  yTiep  genannt   werden.     Vgl.  §  1.35. 

")  Eine  Inschrift  aus  Karthago  nova  (CIL  II  S.  .■)929)  nennt  jiiscalores 
et  propolae,  also  Fischer  und  Hüker,  als  Dedicanten.  Vermutlich  sind  auch 
diese  propolae  entsprechend  unseren  |iEiäßoXoi  iXistg  als  Fischhändler  auf- 
zufassen, woraus  sich  am  leichtesten  erklären  würde,  dass  sie  mit  den  piscatores 
zusammen  einen  Verein  bilden.     Vgl.  Liebenam,   Rom.  Vereinswes.  S.  87. 


§   G 7.      AIJCiAliEN    DJilt    l'ISCIIlJANJiLEl:    IM)    FlSClIliU.  li>7 

i;  7.     IT   TSTapTYi  aAiicov. 

Für  Theben  belegt  dureli  Nr.  32G,  331,  337,  339,  340,  34Ü, 
349,  1029,  1233,   1347,   1348,  1522.    Vgl.  343. 

Die  von  den  Fif;elieni  erhobene  Abgabe,  die  in  1029  und 
1233  xäXos  heisst  (vgl.  aueh  1233j,  wird  regelmässig  als  TexäpTYj 
bezeichnet,  meist  als  xstäpTY]  äXiewv,  einmal  auch  zzzipvTj  '.-/ß-'j'.v.G)'^ 
aXiswv  (331).  Mit  letzterem  Ausdruck  ist  343  zu  vergleichen 
(aus  dem  Jahre  255  4  vor  Chr.),  wo  nur  i^^&utxwv  gesagt  ist,  ohne 
Hinzufügung  der  Quote.  Da  Nr.  331  der  Mitte  des  III.  Jahrh. 
V.  Chr.  angehört,  so  sehen  wir,  dass  im  III.  wie  im  IL  Jahrh.  vor 
Chr.  die  Fischer  ein  Viertel  ihres  jährliehen  Ertrages  an  den  König 
abliefern   mussteu   (vgl.  331:  [jo.O'.lzl). 

Leider  geben  uns  die  Texte  keine  volle  Klarheit  darüber,  wie 
diese  Abgabe  aufzufassen  ist.  Kur  das  Eine  steht  ausser  Zweifel, 
dass  die  Zahlungen  sämmtlich  an  den  König,  rcsip.  die  königliche 
Bank  fliesseu.  Die  Auffassung  der  Abgabe  wird  davon  abhängen, 
ob  man  den  König  oder  aber  die  Fischer  als  die  Eigentümer  des 
im  einzelnen  Falle  ausgeübten  Fischereirechtes  betrachtet.  Dass  der 
König  auf  dem  Nil  und  den  Seen  au.sgedehnte  Fischeruirechte  be- 
sass  1),  ist  selbstverständlich  und  wird  auch  ausdrücklich  überliefert. 
Bekannt  ist  Herodot's  Erzählung  (II  149,  III  91)  von  dem  reichen 
Ertrage,  den  die  Fischerei  im  Moerissee  für  den  König  — •  damals 
den  Perserkönig  —  abwarf-),  und  Diodor  I  52  illustiürt  diese  An- 
gabe durch  die  Mitteilung,  dass  für  die  Flinpökelung  der  kolossalen 
Fischmassen  aus  dem  Moerissee  kaum  Arbeitskräfte  genug  zu  finden 
waren.  Wenn  man  diese  Angabe  verallgemeinert  und  annimmt, 
dass  der  Könitr  auf  Fluss  und  Seen  allein  das  Fischereirecht  ge- 
habt  habe,  mit  anderen  Worten,  dass  die  Fischerei  ein  königliches 
Monopol  gewesen  sei,  so  fragt  es  sich,  wie  dieses  Monopol  gehaud- 
halit  worden  ist.  Sind  etwa  die  einzelnen  Fischereien  verpachtet 
gewesen,  so  sind  unsere  äXizic,  Pächter  des  Königs,  und  die  TStapTY] 
ist  nichts  anderes  als  die  Pachtsumme.')     Diese  Auffassung  scheint 


')   Für  die  alten  Zeiten  vgl.   Erman,   Aegj'pten  und  aeg.  Leben   S.  125. 

-)  Täglich  1  Talent:  während  des  UebeisehHenmuingsbalbJahres  aber  nur 
20  Minen  pro  Tag. 

^j  Auch  heute  noch  bringt  die  Verpachtung  der  Fischerei  in  Aegy)ii(n 
der  Krone    grosse  Summen    ein.     Allein   der  Menzale-Sec    bringt   heute  jährlich 


138  IV.   KAPITEL. 


mir  dadurch  ausgeschlossen,  dass  die  zzzipzr,  als  leXo;  bezeichnet 
wird.  Dieser  Ausdruck  würde  —  unter  der  Aunahme  des  Monopols  — 
eher  zu  der  Annahme  fuhren,  dass  der  König  von  den  in  seinen 
Diensten  stehenden  Fischern  eine  Abgabe  von  ^  des  jülirliolien 
Ertrages  verlangt  habe.  Doch  auch,  dies  scheint  mir  nicht  zutretlend. 
Sollte  der  König,  wenn  ihm  als  alleinigem  Herrn  der  gesammte 
Ertrag  zustand,  sich  mit  einem  Viertel  begnügt  haben?  So  neige 
ich  vielmehr  der  Ansicht  zu,  dass  die  Fischerei  in  Aegypten  nicht 
ausschliesslich  königliches  Monopol  gewesen  ist,  dass  vielmehr  auch 
Private  und  Priesterschafteu,  vielleicht  auch  Gemeinden  Fischerei- 
rechte besessen  haben. i)  Sehen  wir  in  den  Fischern  unserer  Ostraka 
Leute,  die  solche  Fischereirechte  etwa  in  derselben  Weise  besassen 
wie  Andere  Aecker  untl  Weingärten  ihr  Eigen  nannten,  so  ist  die 
"stÄpXT]  einfach  die  Ertragssteuer,  die  ihrer  Bedeutung  nach  mit 
der  Grundsteuer,  die  Jene  zu  zahlen  hatten,  auf  einer  Stufe  steht. 
Die  Xormirung  auf  ^  des  Ertrages  scheint  mir  bei  dieser  Erklärung 
verständlich. 

Die  Fischereiabgabe  begegnet  auch  sonst  in  den  Urkunden. 
Im  Pap.  Paris.  63,  4,  98  tritt  sie  unter  dem  Namen  lyO'UTjpx  (seil. 
ih'/-q)  auf.  Wahrscheinlich  ist  auch  mit  der  XEiapxYj  im  Pap.  Paris. 
t)7,lö    nichts    anderes    gemeint.      In    dieser    Aljrechnung    über    die 


gegen  1,248,000  Mark.  Vgl.  v.  Fircks  „Äegypt.  1894"  S.  117.  Vgl.  auch 
^Viedemanii,  Herodot's  11.  Buch  S.  537.  —  Aus  dem  Altertum  liegen  auch  sonst 
Xachrichten  vor,  dass  das  Fischerei  recht  den  Staaten  oder  Gemeinden  gehörte  und 
von  ihnen  verpachtet  wurde.  Für  Byzauz  vgl.  Pseudo-Arlstot.  Oecouom.  II  2,  3 
(-■^S  ^a/.äTTYj;  TT|V  4Ä'.£tav),  wo  der  Text  leider  verdorben  ist.  Vgl.  Boeckh, 
Staatshaushalt  d.  Athen,  l"  S.  372.  Interessant  ist  eine  ephesisehe  Inschrift,  die 
E.  Curtius'im  Hermes  IV  S.  187  herausgab,  in  der  ot  ird  iö  te7.Ü)viov  tr,;; 
iyiyviy.i];  "paYliaTEUCirsvot  begegnen.  Curtius  meint,  dass  an  diese  teXwvai 
die  zuständige  Tenipelbehörde  den  ergiebigen  Fischfang  verpachtet  habe  (S.  189). 
Vielmehr  war  der  Fischfang  an  Fischer  verpachtet.  Die  TeXöivai  können  nur 
die  Steuerpächter  sein,  die  die  Erhebung  der  jenen  auferlegten  Fischereiabgabe 
(iX^'U'.XTj)  gepachtet  hatten.  Weitere  Belege  bei  Zangemeister,  Corresp.  d.  West- 
ileutsch.  Zcitschr.  8,   1889,  S.  7  f.,  worauf  mich  Mommseu  freundlichst  hinweist. 

*)  Im  Pap.  Leipz.  11  Verso  12  f.  (ed.  Wcssely  S.  252)   findet  sich  folgender 
Passus : 

'ATtoX?vü)g  ^kyO-Xiiäz  iXisüj  >>ilivrjs 

ra|i(üi  (??)  5oDX((;;)  'AvT'.aS-Evo(usi  ätäa3xäX(ou)  cf\. 

Dieser  Apollos  (nicht   .Vpollon,  Wess.j  scheint  auf  dem  genannten  See  ein 
Fischereirecht  besessen  zu  haben.     Vgl.  Wessely  a.  a.  0. 


§  7.     DIE    FISCniiUEIAUUABE.  139 

eiuzelnen  Steuern  ist  die  XETap-ry)  nach  meiner  Lesung  mit  20  Talenten 
59S0  Drachmen  aufgeführt.')  Leider  wissen  wir  nicht,  auf  welchen 
Ort  resj).  auf  welchen  Steuerdistrikt  sich  die  Angaben  dieses  Papvrus 
beziehen.  Um  so  erfreulicher  ist  es,  dass  wir  durch  einen  soeben  von 
Eugene  Revillout  edirten  neuen  Pariser  Papyrus-)  erfahren,  wie  hoch 
die  Erhebung  der  Fischereiabgabe  gerade  in  Theben,  woher  ja  auch 
unsere  Ostraka  stammen,  um's  Jahr  130  vor  Chr.  verpachtet  wurde. 
Diese  äusserst  wichtige  Urkunde  ergielit,  dass  damals  im  Peri- 
thebischen  Gau  die  Erhebung  der  Fisdiereiabgabe  (sie  heisst  hier 
nur  Yj  TöJv  aXtewv,  seil,  wv^,  Z.  9)  normaler  Weise  mit  '2b  Talenten 
[u-o  Jahr  vergeben  wurde,  was  voraussetzt,  dass  mau  den  jährlichen 
Ertrag  der  dieser  Abgabe  unterworfenen  Fischerei  des  genannten  Gaues 
auf  rund  lllO  Talente  abscliätzte.^)  In  dem  in  dem  Pariser  Pajnrus 
erhaltenen  Erlass  des  Königlichen  Schreibers  Heliodoros  erhält  der 
(3i-/.ovo[iG;  ToO  Ilipl  0T,i3xg  einen  Verweis  dafür,  dass  er  die  Pacht  zu 
niedrig  ( für  22  Talente)  vergeben  habe,  anstatt,  da  es  sich  in  diesem 
Falle  um  ein  Uebergebot  handelte,  das  vorgeschriebene  eTitSsxatov, 
d.  h.  1(1  Procent  Zuschlag,  also  im  Ganzen  21i  Talente  zu  verlangen. 
Er  wirtl  daher  unter  Hinweis  darauf,  dass  er  mit  seinem  eigenen 
Vermögen  einzustehen  habe,    energisch    zur  Reraedur  aufgefordert.^) 


')  Lumbvoso,  Eecherches  S.  306,  dachte  an  die  TEXäpxYj,  die  am  roten 
Meer  als  EiufulirzoU  erhoben  wurde  (vgl.  §  205).  Doch  liegt  es  jetzt  näher,  an 
die  -iXapxr)  iX'.eiav  zu  denken.  Auch  die  Steuern  xpo(f^5  und  wohl  auch  dpax|ifjg, 
die  in  dieser  Pariser  Liste  aufgeführt  werden,  scheinen  nicht  mit  ihrem  vollen 
Namen  genannt  zu  sein.  Dass  in  Z.  9  des  Pariser  Textes  wv  s[ca]'.v  statt  ü)vs'.[ä)]v 
zu  lesen  ist,   er« ahnte  ich  schon  an  anderer  Stelle. 

-)  Revue  Egyptol.  VII  S.  39  f.     Melanges  S.  300  ff. 

^)  Der  kolossale  Fischreichtum  des  Nil  ist  bekannt  genug.  Vgl.  Diod.  I  3G,  1 : 
Xwplg  Si  zun  £ip-/i!xsvo)v  S-Tipiiov  t  NsiXo;  Ixsi  iiavxota  Y^vr,  ly^^iio-/  zai  y.axa 
-i  T.X%^oi;  äu'.Gxa.  Nach  Klunzinger  giebt  es  heute  nicht  weniger  als  70 — 80  Arien 
von  Fischen  im  Nil.  v.  Fircks  a.  a.  0.  spricht  sogar  von  100  Arten.  Wirt- 
schaftlich spielte  der  Fisch  eine  ausserordentlich  wichtige  Kolle,  da  er  namentlich 
in  gedörrtem  oder  gepökeltem  Zustande  statt  des  Fleisches  das  Hauptnahrungs- 
mittel des  Volkes  bildete  (vgl.  Diod.  a.  a.  0.).  In  einem  Wirtschaftsbuch  aus  dem 
III.  Jahrb.  v.  Chr.,  dem  sogenannten  Papyrus  Sakkakini,  den  Revillout  zuerst 
entziflert  hat  {Eev.  Egyirt.  III.  118  ff.),  erscheint  unter  den  zum  Haushalt  nötigen 
Ausgaben  neben  Brot  und  Gemüse  fast  jeden  Tag  xxp'.xi;,  worunter  man  gewiss 
Pökelfisehe  zu  verstehen  hat.  Nur  einmal  (S.  125)  erscheint  daneben  Fleisch  (xpiaj). 

■*)  Der  Text,  wie  ihn  Revillout  vorgelegt  hat,  ist  im  Grossen  und  Ganzen 
verständlieh.     Nur   in   der   mittleren    Partie   fühlt   man  sich  versucht,  z.  T.  al)- 


140  IV.  KAPITEL. 


Aus  unsereu  Ostraka  ist  über  die  Höhe  der  gesammten  Jahres- 
pacht nichts  zu  erschliessen ,  da  wir  es  hier  lediglich  mit  ganz  un- 
regelmässigen Ratenzahlungen  zu  thun  halieii.  Dennoch  ist  die  Betrach- 
tuno- der  einzelnen  Summen  in  diesem  F:d!e  nicht  ganz  unnütz.  x\.bge- 
sehen  von  102U  und  123^  sind  die  uns  hier  beschäftigenden  Urkunden 
sämmtlich  Quittungen,  die  die  Bank  den  Steuerpächtem  ausstellt 
(vgl.  Kap.  III).  Es  ist  nun  ein  glücklicher  Zufall,  dass  wir  in  zwei 
Fällen  mehr  als  eine  Quittung  aus  ein  und  demselben  Jahre  be- 
sitzen. Nach  339  zahlte  der  Steuerpächter  Simon  —  es  ist  derselbe, 
der  sich  in  1233  (vom  Jahre  vorher)  21t^Jiü)v  'la^äp&u  6  s^eiXtj^öds 
T-^jV  ~t~ä.prr,y  Twv  aXiswv  £i;  xo  v.Tj  L  nennt  —  am  4.  Hathyr  des 
29.  Jahres  (142;  1  vor  Chr.)  214ü  Drachmen  für  die  besagte  Abgabe 
an  die  königliche  Bank.  Der  Bankier  Ptolenuiios  uotirt  bei  dieser 
Gelegenheit  am  Rande  „2460  Drachmen",  was  nach  unserer  im 
III.  Kapitel  S.  76  gegebeneu  Deutung  besagen  will,  dass  er  bis 
dahin  im  Ganzen  2460  Drachmen  erhalten  habe.  Für  die  Beant- 
wortung der  Frage,  ob  sich  diese  Notiz  auf  das  ganze  Jahr  oder 
aber  auf  den  betrefienden  Monat  bezieht,  verwiesen  wir  a.  a.  O. 
gerade  auf  die  vorliegende  Untersuchung.  Die  Frage  wird  nämlich 
durch  Nr.  340  entschieden.  Danach  zahlte  derselbe  Simon  drei 
Monate  später  (am  29.  ]Mcchir)  für  dieselbe  Abgabe  an  dieselbe 
königliche  Bank  580  Drachmen.  "Wenn  nun  die  Randbemerkungen 
der  Trapeziten  sich  auf  das  ganze  Jahr  erstreckten,  so  müssten  wir 
erwarten,  dass  hier  notwendig  jene  2460  Drachmen  hinzuaddirt 
wären.  Das  geschieht  aber  nicht,  vielmehr  steht  am  Rande:  ,,670". 
Damit  haben  wir  das  Resultat  gewonnen,  dass  die  Randbemerkungen 
des  Trapeziten  lediglich  das  zusammenfassen,  was  in  dem  betreffenden 
Monat  gezahlt  ist.  Wir  gewinnen  andrerseits  einen  tieferen  Ein- 
blick in  die  Steuererhebung,  indem  wir  sehen,  was  auch  durch 
andere  Urkunden  bestätigt  wird,  dass  die  Steuerpächter  allmonatlich, 
oft  in  Raten,  an  die  Bank  ablieferten,  was  sie  im  Monat  von  den 
Steuerzahlern  eingetrieben  hatten.  Die  Ostraka  zeigen  uns  zugleich, 
was  an  sich  selbstverständlich  ist,  dass  diese  monatlichen  Zahlungen 
der  Steuerpächter  von  sehr  verschiedener  Höhe'  waren.  Das  haben 
wir  uns  bei  jeder  einzelnen  derartigen  Quittung  vor  Augen  zu  halten. 

weichende  Ergün/.uiigeu  zu  iiropoiiireii.  Doch  liesse  sich  das  uiir  am  OrJL'inal 
mit  Sicherheit  machen,  lu  Z.  18  ist  wohl  jeileniiills  statt  des  grammatisch  un- 
möglichen y.cd  [ao'j]   äsov-o;  zu  schreiben:     Kai  [au]   Seovtoc. 


§   7.      DIE    FISOIIEREIAIiCAlii;.  1  I  1 


—  Zu  demselbeu  Resultat  führt  auch  die  Vergleichung  von  349 
und  1Ö22,  die  über  die  Ratenzahlungen  desselben  Steuerjiächters, 
Bi-qpixc,  für  dasselbe  Jahr  (J.  ^41  des  Euergetes  II.)  (|uittircn.  Ich 
verweise  aui'  die  Texte. 

Abwciehend  von  den  anderen  Ostraka  sind  1(J29  und  12o3 
(Quittungen,  die  die  Steuerpiichter  —  es  sind  dieselben  Personen, 
^i(xwv  und  'i2pos,  die  wir  dort  als  Quittungsem pfiinger  kennen 
lernten  —  den  Steuerzahlern  ausstellten.  In  12oo  wird  einem 
Fischer  (juittirt,  der  mit  seinen  Söhnen  das  Geschäft  betrieb  (vgl. 
Corrigenda). 

Wenn  auch  die  vorliegenden  Ostraka  säninitlieh  der  Ptolc- 
mäerzeit  angehören,  hat  doch  die  Fischereiabgabe  auch  in  der 
Kaiserzeit  fortbestanden.  BGU  220  und  221  bezeugen  eine  Abgabe 
von  den  äXtsI;  für  die  Zeit  um  200  n.  Chr.  In  220,13  hatte  ich 
statt  9[6p(ou)]  aX'.EWv  vielmehr  ß'  aXoswv,  d.  h.  5E|iocpov  äX'.scüv  vor- 
geschlagen. Danach  wäre  die  Abgabe  von  den  Kaisern  enorm 
in  die  Höhe  geschraubt,  insofern  die  Fischer  statt  des  Viertels 
nun  gar  zwei  Drittel  ihres  Ertrages  dem  Kaiser  zu  zahlen  hatten. 
Doch  nach  nochmaliger  Prüfung  des  Originals  ( 1 896)  ist  mir  mein 
ß'  ebenso  fraglich  geworden  wie  das  !p[6p(ou)]  der  editio  princeps.  Ich 
glaube  S:  zu  erkennen,  worauf  vielleicht  noch  ein  verstümmelter  Buch- 
stabe vor  äX:£(üv  folgt.  Wiewohl  die  Stelle  einstweilen  noch  dunkel 
ist,  ist  doch  soviel  sicher,  dass  es  sich  um  eine  Fischerabgabe  handelt. 

Auch  in  BGU  485  aus  dem  II.  Jahrb.  n.  Chr.  wird  die  Abgabe 
genannt  und  zwar  mit  der  alten  Bezeichnung:  [•/S-uYjpa.  Ueber  die 
Höhe  ist  leider  auch  an  dieser  Stelle  nichts  zu  ersehen.  Wohl  aber 
besagt  der  Text,  dass  die  Erhebung  der  Abgabe,  wie  in  den  alten 
Zeiten,  verpachtet  war.  Vgl.  Z.  6:  a)v  staiv  oci  oöaai  ätcö  t£Xw[v] 
Kxpae,  \i'.od-(i>zali  ovctüv.  Darauf  folgt  die  Liste,  an  der  Sjjitze: 
l-/ß-oy]pöi.<;.  Was  die  Abgabe  yv/&w  aXieuTtxwv  (BGU  277  I  1,  aus 
dem   IL  Jahrb.  n.  Chr.)   bedeutet,  lasse  ich  einstweilen  dahingestellt. 

§  8.   'H  aXr/.ri. 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  305— 31G,  1227,  1337,  1340, 
1492—1494,  1624. 

'AX;x-rj  ist  von  äX;,  Salz,  abzuleiten  und  bedeutet  eine  Abgabe 
für  Salz.     Leider   sind    unsere  Texte,   die   sämmtlich   der  Mitte  des 


142  IV.  KAPITEL. 


III.  JalirluiiKlerts  vor  Clir. ,  meistens  mit  SichcrliL'it  der  Zeit  de? 
Philadelpbos  angehören,  so  wortkarg,  dass  es  schwer  ist,  über  den 
Sinn  dieser  Abgabe  iu's  Klare  zu  kommen.  Sie  sagen  nichts  weiter 
als  Folgendes:  „An  dem  und  dem  Tage  hat  X.  für  die  äX'.XTj  durch 
die  Vermittelung  von  Y.  so  und  so  viel  gezahlt."  Nach  dem,  was 
wir  in  Kap.  III  (S.  G4  f.)  ausgeführt  haben,  ist  als  sicher  anzunehmen, 
dass  die  königliche  Bank,  also  der  König  der  Empfänger  des  Geldes 
war,  dass  ferner  unter  dem  Y.  der  Abgabenjjächter  zu  verstehen  ist, 
der  die  Erhebung  der  iXr/.rj  gepachtet  hatte.  Fraglich  bleibt,  wer 
der  Zahler  ist,  und  vor  allem,  wofür  denn  die  aXixr;  gezahlt  wird. 
,Wir  werden  von  der  Annahme  auszugehen  haben,  dass  wie  alle 
anderen  Bei-gwerke'),  so  auch  die  Salinen  Eigentum  des  Königs 
waren-)  und  die  Salzgewinnung  dem  Könige  allein  zustand.  Das- 
selbe wird  auch  von  dem  Seesalz  gelten.  Wir  haben  es  also  mit 
einem  königlichen  Monopol  zu  thun.^)  Es  fragt  sich  nur,  in  welcher 
Weise  dasselbe  gehandhabt  wurde.  Leider  geben  unsere  knappen 
Texte  keine  sichere  Antwort  auf  diese  Frage,  und  ich  muss  mich 
darauf  beschränken,  unter  den  Möglichkeiten  die  wahrscheinlichste 
hervorzuheben. 

Man  könnte  denken,  dass  die  Zahler  die  Zwischenhändler  seien, 
die  das  Salz  vom  König  kaufen,  um  es  weiter  im  Kleinhandel  zu 
verschleissen.  Solche  xaTrvjXoi  oder  [iexaßoXo;  oder  TcaXtvTipaToOvxs;, 
wie  der  Revenue -Papyrus  sie  uns  für  das  Oelmonopol  vor  Augen 
geführt  hat,  werden  wir  auf  alle  Fälle  als  Bindeglied  zwischen  der 


')  Vgl.  Varges,    de  stat.  Aeg.  S.  65. 

*)  In  Nr.  1227  steht  äXiy.Yj  teptöv.  Ist  dieses  t£p(7)v  als  Gegensatz  zu 
8ioi5cr|a£(fls  aufzufassen,  womit  nur  gesagt  wäre,  dass  der  Betrag  an  das  Tempel- 
ressort abgeführt  werden  solle?  Oder  setzt  dies  voraus,  dass  es  auch  Salinen  im 
Tempelbesitz  giebt? 

')  Auch  heute  spielt  das  Salzraonopol  im  aeg.vptischen  Staatsliaushalt  eine 
grosse  Rolle.  Im  Jahre  1893  ergab  der  Verkauf  von  Salz  luul  Natron  über 
3^  Millionen  Mark,  was  nach  Abzug  der  Verwaltungs-  uud  Erliebungskosten 
einen  Einnahmeüberschuss  von  über  2'  Millionen  Mark  ausmacht.  Vgl. 
V.  Fircks,  Aegypteu  1894,  S.  164/5.  —  Im  Altertum  ist  das  Salzmoiiiipol  au.sser 
für  Rom  (s.  oben)  für  Byzanz  überliefert.  Vgl.  Ps.  Aristot.  Oec.  II  2,  3,  wo 
man  wold  ::f|V  t(üv  ä;Äwv  äXoTtioXiav  zu  schreiben  hat.  Die  Form  &Xo7iü)Xr|f 
ist  jetzt  aucli  urkundlich  bezeugt.  Vgl.  nächste  Anmerkung.  Auch  in  dem 
Steuertarif  von  Palmyra  (Dessau,  Hermes  XIX  S.  518  ü'.)  ist  vom  recligal  salis 
die  Eede.  Leider  ist  der  aramäische  Text  unvollständig,  der  griechische  ganz 
verloren.      Dessau    sieht    darin    „eine   auf  dem    Kleinverkauf   lastende   Abeabe". 


§  8.      DIE    SALZSTEl-ER.  ]  4^5 


königlichen  Salinenvenvaltung  und  den  Consumenten  anzunelinicn 
haben.')  Dass  sich  unter  den  Zalilern  auch  Frauen  befinden,  könnte 
«regtu  diese  Deutung  wohl  nicht  ins  Feld  geführt  werden,  denn  icli 
könnte  mir  denken,  dass  auch  Frauen  zu  diesem  Salzhandol  zugelassen 
wären.  Al)er  wenn  wir  sehen,  dass  in  einer  unseren  Ostraka  gleicli- 
zfitigen  Vrkun<lt',  Petr.  Pap.  (II)  XXXIX  f,  ein  stolzer  Makedonier, 
'OÄüii-'-yG?  'Ay'^'^^''^-  gleichfalls  diese  xÄtxy;  zahlt,  so  ist  es  doch 
höchst  unwahrscheinlich,  dass  dieser  ein  solcher  Salzhändler  gewesen 
sei.  Eher  könnte  man  ihn  für  einen  Salinenpächter  halten.  Dann  würde 
die  aXcxvj  dem  vectigal  salinarum  der  Römer  entsprechen,  das  mit 
Jlommseu  (R.  Staatsr.  II''^  4oÜ  A.  7)  als  die  Abgabe  zu  betrachten 
ist.  die  die  Salinenpächter  an  den  Staat  zahlten.  Doch  gee;cn  diese 
Annahme  spricht  die  Kleinheit  der  von  Olympichos  gezahlten  Summe: 
er  zahlt  pro  Jahr  im  Durchschnitt  o  Drachmen.'-)  Auch  können 
wir  uns  die  Frauen  selbstverständlich  nicht  als  Saliuenpächter  denken. 
Sie  stehen  aber  durchaus  auf  einer  Stufe  mit  dem  Olympichos. 

So  wird  man  eine  dritte  Möglichkeit  in's  Auge  fassen  müssen, 
nämlich  dass  die  Zahler  die  Consumenten  sind,  die  das  Salz  für 
ihren  Hausstand  verbrauchen.  Die  Personenfrage  macht  dann  jedenfalls 
keinerlei  Schwierigkeiten,  da  Salz  in  jedem  Hausstand  gebraucht 
wird.  Man  hätte  dann  etwa  anzunehmen,  dass  die  Consumenten 
den  Kaufpreis  (zi\s.ri)  für  das  Salz  an  jene  Zwischenhändler  zahlten, 
ausserdem  aber  au  die  zuständigen  Abgabenpächter  die  äXtxYj,  die 
Salzabgabe,  <1.  h.  den  für  das  Jahr  fixirteu  Zusehlag  zum  Kaufpreis, 
durch  den  eben  der  König  sein  Monopol  fructiticirte.  Dass  diese 
aj.'.y.ri  für  das  Jahr  berechnet  wurde,  ergiebt  sich  u.  a.  aus  Nr,  312, 
wo  ausdrücklich  zlc,  xov  iviauTov  gesagt  ist.  Auch  der  von  Olympichos 
handelnde  Text  setzt  dies  voraus.  Unter  dieser  Annahme  würde 
also  die  Salzsteuer  nicht  indirect  von  den  Zwischenhändlern,  sondern 
direct  von  den  Consumenten  erhoben  sein.  Mir  scheint  diese  An- 
nahme unseren  Texten^)  am  ehesten  zu  entsprechen.    Fraglich  bleibt 


')  ' AJ~c,~m\f^c  ist  die  spezielle  Bezeichnung.  In  Arsinoe  gab  es  eine  Salz- 
ladenstrasse.    Vgl.  BGU   9   I   14,  IV  17:  Ev  -oCg  äXo)-ü)>.io'.s. 

-)  Ich  sah  1895  in  London  noch  weitere,  unpublicirte  Fragmente  dieser 
Urkunde  XXXIX.  Auf  einem  las  ich  den  Posten  &Xv/.%z  >-  e^  (5\  Drachmen), 
auf  einem  anderen  äXi>ir;g  *-  iß  \  (12  J  Drachmen).  Vgl.  auch  Jlahafly,  Petr.  Pap.  (Ili 
S.  36/7. 

äj   Vgl.  auch   Petr.  P.  (II)   IV,   11,   3. 


144  IV.  KAPITEL. 


uur,  wie  man  ck^ii  jälirliclien  Salzverbraucli  ermittelt  hat.  Dass 
durch  die  ZwiseheiiliiiiKller  der  factische  Cousum  des  Einzelnen 
gemeldet  wäre,  ist  wohl  undenkbar.  Sollte  etwa  je  nach  der  Kopf- 
zahl der  Familie  eine  Paii.schsurame  pro  Jahr  berechnet  worden  . 
sein,  so  würde  das,  wie  Ludwig  Elster  mir  bemerkt,  an  die  Salz- 
conscription  des  XVIII.  .Jahrhunderts  erinnern,  insofern  auch  hier 
nicht  der  factische,  sondern  ein  vom  Staat  berechneter  Consum  zu 
Grunde  gelegt  wurde.') 

Nach  Mommsen's  Aus-spruch  (a.a.O.)  hat  für  den  römischen  Staat 
der  Hauptzweck  der  Älonopolisirung  des  Salzhandels  darin  bestanden, 
„der  Bürgerschaft  reichliches  und  billiges  Salz  zu  verschaffen".  Ob 
dieser  Gesichtsjjunkt  aucii  für  die  Ptolemäer  massgebend  gewesen  ist? 

i;  9.    Ti[Ji-?j    %\ic,. 

Nach  Nr.  o41  (vom  J.  140  vor  Chr.,  Theben)  hat  ein  gewisser 
Chares  für  Salz,  welches  für  die  Fusstruppen  bestimmt  war,  3  Ta- 
lente 3700  Drachmen  gezahlt.  Der  Wortlaut  ist:  anö  TijiTi;  äXög 
XapTjS  "cü")  lolc,  "£^01;  (seil.  St5o[i£V0'j).  Es  handelt  sich  hier  also 
nicht  um  eine  Abgabe,  sondern  um  die  Entrichtung  eines  Kaufpreises 
(xifiT^).^)  Der  Zahler  Xäpyj?  muss  irgend  eine  Charge  bei  dem  in 
Frage  stehenden  Infanterieregiment,  das  offenbar  in  Theben  stationirt 
war,-  eingenommen  haben.  Der  Verkäufer  und  Empfanger  des 
Geldes  ist  die  Bank,  also  der  König.  Dass  der  König  Salz  verkaufte, 
bekräftigt  unsere  Annahme  im  vorhergehenden  Paragraphen,  dass 
das  Salz  monopolisirt  war.  Hier  ist  aber  nicht  von  aXiXTj,  sondern 
nur  von  einer  ttjjiTj  oiköc,  die  Rede.  Ich  glaube,  man  wird  annehmen 
dürfen,  dass  das  Heer  gegenüber  dem  Salzmonopol  eine  eximirte 
Stellung  eingenommen  hat.  Den  activen  Älannsehaften  wurde  offenbar 
das  Salz,  dessen  sie  zu  ihrer  Speise  bedurften,  von  der  Militärver- 
waltung frei  geliefert.  Dass  aber  die  Militärverwaltung  bloss  den 
eigentlichen   KaufJDreis,    nicht    auch    den    Zuschlag    zahlte,    den    der 

M  Vgl.  Hanihvörterb.  d.  Staatswiss.  Y   S.  iitO. 

■■')  Anfangs  las  ich  XPI^^'S'^  statt  x^pT^oxon.  Meine  Abzeichnung  >))richt 
für  Letzteres,     .\ucli  würde  sonst  das  Subjeet  zu  -cd-axTat  fehlen. 

')  Im  Papyrus  Sakkakini,  einem  Wirtsoliaftsbuch  aus  dem  III.  Jalirh. 
vor  Chr.,  findet  sicli  unter  dem  1.  Mesorc  und  dann  erst  wieder  unter  dem 
10.  ilesorc  der  Posten:  äXe:  2.,  d.  h.  „Salz  \  Obol"  cNB.  SilberwäJirnnL'!). 
Dies  ist  der  Kaufpreis. 


§  9.   sALZKAiF.  —  §  lu.    du:  wacensteuer.  145 


Kdnig  von  seinen  übrigen  I'ntcrtlianen  furdorte,  wäre  begreiflieh. 
Denn  die  ^lilitärkasse  war  ja  nur  ein  Teil  der  gesummten  könig- 
lielieu  Kasse,  und  schliesslich  hätte  der  König  nur  sich  selbst 
in  diesem  Falle  besteuert.  Es  ist  aber  auch  für  das  im  vorigen 
Paragraphen  untersuchte  Problem  insofern  von  Wert,  als  es  uns 
zeigt,  dass  die  dXi'/.Tj  etwas  anderes  ist  als  der  blosse  Kaufpreis.  — 
Die  Militärverwaltung  scheint  aljer  auch  insofern  eine  gesonderte 
Stellung  gehabt  zu  haben,  als  sie  offenbar  nicht  von  den  Zwischen- 
händlern, sondern  vielleicht  direet  von  den  kfiniglichen  .Salinen 
kaufte.     Jedenfalls  bezahlt  sie  den  Kaufpreis  an   die  l^>ank. 

Die  in  dem  Ostrakon  für  Salz  gezahlte  Summe  erseheint  enorm 
hoch.  Aber  es  ist  zu  bedenken:  1)  es  handelt  sich  nur  um  Kupfer- 
üeld,  2)  die  Zahlung  mag  für  das  ganze  Jahr  gelten,  3)  wir  wissen 
nicht,    wie    gross    der   in    Frage    stehende    Truppenteil    gewesen    ist. 

§  10.     TsXog  a|jia^(i)v. 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  392,  395,  1054,  1057,  12ül, 
alle  aus  der  Kaiserzeit. 

Ob  man  das  a|ia^'  in  ajia^öv  oder  in  äfia^txoO  auflösen  will, 
macht  sachlich  keinen  Unterschied.  Soviel  scheint  sicher,  dass  durch 
diese  Steuer  die  Besitzer  von  ajiacat,  d.  h.  von  Lastwagen,  getroffen 
wurden.  In  einigen  Fällen  wird  sie  ausdrücklich  als  ziXoq  ä|Jia^Yj; 
ao'j  bezeichnet,  wo  mit  aou  also  der  Besitzer  angeredet  ist.  Dieser 
Ausdruck  zeigt  zugleich,  dass  der  Wagen  .selbst  das  Steuerobject 
darstellt.  Das  Nächstliegende  ist  daher,  in  dieser  Wagensteuer  eine 
Vermögenssteuer  zu  erblicken.  Vermutlich  wurde  auch  der  Besitz- 
stand an  Wagen  jährlich  deklarirt  (Kap.  V),  und  wurde  danach 
die  Steuer  pro  Jahr  resp.  pro  Monat')  wohl  nach  der  Zahl,  aber 
auch  mit  Rücksicht  auf  ihre  Qualität,  berechnet. 

Diese  Deutung  würde  mir  ganz  zweifellos  sein,  wenn  nicht, 
abgesehen  von  1057,  überall  zugleich  das  teÄo;  dvYjXCaaia?)  erhoben 
würde  (vgl.  §  8<S).  Damit  kann  eine  Vermögenssteuer  nicht  gemeint 
sein.  Die  Abgabe  von  den  im  Besitz  befindlichen  Eseln  könnte 
nur   ziXoi   ovwv  o.  ä.  heissen.     Die  6vr|X(aa£ai    weist   vielmehr    auf 


'I  Die  Versleiehuni;'  von  392  mit  395  legt  tlie  Vermutung  nahe,  dass  die 
Firma  Kaii.f|-.s  Haxpatoy  -/.ai  nexoxo'.  für  Wagensteuer  und  für  övr|Xaaia  zu- 
sammen pro  Monat  75  Dr.  zu  zalilen  hatte. 


WiLCKEN,  Ostraka. 


10 


14C)  n.    KAl'ITEL. 


die  gewerbsmässige  Verwendung  der  Esel  hin,  und  so  wird  der 
Gedanke  nahe  gelegt,  ob  nicht  auch  mit  der  Wagensteuer  eine 
Abgabe  gemeint  sei,  die  für  die  Verwertung  der  Wagen  erhoben 
wurde.  Man  würde  da  zunächst  an  Vermietung  denken.  Die 
Vermietung  der  Lastwagen  spielt  in  Nr.  1180  eine  Rolle.  Da 
heisst  es:  [Jital^oü  a[ixE(i)V  ?  S'ß  (.^^  ^  ^^'^'^)  "'"'  |J^-^9-oö  ä[xi;7]v 
^a'^.  Also  die  iliete  für  einen  Lastwagen  beträgt  hier  pro  Tag 
2  resp.  li  Drachmen.  Der  Unterschied  in  der  Höhe  mag  auf  der 
verschiedenen  Dauer  der  Benutzung  berulien.  Auch  in  dem  grossen 
Wirtschaftsl)ueh  aus  Herraupolis  aus  der  Zeit  des  Vespasiau  (Pap. 
Lond.  CXXXI  Recto)  spielt  das  Mieten  von  a[jia£ac  eine  Rolle. 
Vgl.  Z.  500/1,  517,  565  f.,  579  f,  auch  Z.  30  (wo  2  Mistwagen. 
xo-pyjYoi,  gemietet  werden).  Gegen  diese  Auffassung  ist  jedoch 
wieder  einzuwenden,  dass  der  Ausdruck  u~lp  ty^;  «[lacrj?  aou  eben 
für  eine  N^ermögenssteuor,  nicht  aber  für  eine  Gewerbesteuer  spricht. 
Halten  wir  also  an  der  obigen  Deutung  von  Vermögenssteuer  fest, 
so  bleibt  die  Schwierigkeit  bestehen,  dass  zvrei  verschiedenartige 
Steuern  mit  einer  gewissen  Regelmässigkeit  mit  einander  copulirt 
erscheinen.  Dass  ein  und  dieselben  xsXwva:  beide  zusammen  ge- 
pachtet haben  (vgl.  1054),  ist  zwar  ohne  Bedeutung.  Aber  nach 
392  und  395  scheint  es,  als  wenn  für  lieide  Posten  zusammen  eine 
Summe  berechnet  worden  sei  (s.  145  Anm.  1).  Vielleicht  bringen 
neue  Texte  Licht. 

§  11.  Efc  xb  'A|ji|jl((ovc:gv). 

Vgl.  321,  702,  1341,  149S,  1527,  alle  aus  Theben,  aus 
dem  Ende  des  II.  Jahrhunderts  v.  Chr.      Vgl.  auch   1505. 

Während  in  den  beiden  letzten  Nummern  kurz  tlq  xb  'A[i[jLü)V£lov 
gesagt  ist,  findet  sich  in  den  drei  anderen,  tue  sämmtlieh  von  den- 
selben Steuerpächtern,  der  Firma  IIpolTo;,  Kovtüv  und  Compagnie 
ausgestellt  sind,  der  Zusatz:  lepäc,  vrpOM  IIoav£|iouv£ü)c.  In  321 
ist  der  lehrreiche  Zusatz  gemacht:  twv  Espswv  'Ajjiwvo;,  d.  h.  für 
die  Priester  des  Ammon.')      In   1505  steht  nur  IIoav£|XGOv.     Es  ist 


')  Dieser  Zusatz  zeigt,  dass  die  Abfiabe  wirlilicli  als  Tempelaljgabe  für 
den  AmnHiiitein|ii'l  aufzufassen  ist.  Daher  ist  die  audere  Möglichkeit,  in  'A|i;KO- 
VEiOV  uur  eine  Lokalangabe  zu  sehen,  abzulehnen.  Aus  Grenfell  (Gr.  Pap.  I) 
XXI  15  geht  nänilieh  hervor,  dass  mit  tö  'A|i|itov£tov  ein  Stadtteil  Thebens 
bezeichnet  wurde:  Ta  2s  /.oima)  otxö-säa  [y.ai  6;)/.oi  TÖi:c'.  (sie)  sv  Ato;  7:ö(/.e'.) 


§11.     FÜR    D^VS    AilMOXIDX.  147 


also  wulil  nur  eine  Eigentüralichkeit  dieser  Schreiljer,  dass  sie  sieh 
einer  solchen  Ausführlichkeit  befleissiiren,  und  wir  werden  berechtigt 
sein,  auch  in  den  beiden  anderen  Fällen  den  Zusatz  hinzuzudenken. 
Also  für  die  Priester  des  Ammontempels  auf  der  heiligen  Nilinsel 
Poaneniunis  (vgl.  Kap.  IX)  ist  das  Getreide  —  es  handelt  sieh 
überall  um  Weizenlieferungen  —  bestimmt.  Nichts  desto  weniger 
wird  es  nach  702,  15u5  und  1527  sie,  xöv  iv  Atög  toXel  ifii  ntyUrj'. 
■ö-Tjaaupöv  abgeführt,  also  in  den  grossen  Staatsspeicher  in  Theben! 
Dieser  scheinbare  "Widerspruch  löst  sich  durch  die  Annahme,  dass 
der  Zusatz  zlq  xö  'A[i.|jiwvctov  xxX.  nur  besagt,  dass  das  Getreide, 
das  zunächst  in  den  allgemeinen  Thesauros  gebracht  wird,  dazu  be- 
stimmt war,  später  dem  besagten  Ammontcmpel  überwiesen  zu  werden. 
Es  liegt  also  im  Grunde  nichts  anderes  vor,  als  wenn  sonst  das 
Getreide  in  den  •S-r^aaupög  Espwv  überführt  wird,  nur  ist  in  unserem 
Falle  die  spezielle  Bestimmung  genauer  ausgedrückt.  Dass  es  sich 
um  Grundsteuer  handelt,  ist  wohl  nicht  zweifelhaft.  —  In  1341 
findet  sich  oberhalb  des  Textes  die  Randbemerkung  tspoO  L  Q). 
Vgl.  dazu  §  60. 

§  12.  T-£p  äfiTisXwvwv  und  UT^sp  yso)\iExpiixz  ^[JiTrsXwvtov. 

Ersteres  für  Theben  belegt  durch  Nr.  375,  3i>7,  404,  1543, 
letzteres  gleichfalls  für  Theben  durch  407  und  580,  alle  aus  der 
Kaiserzeit.     Vgl.  auch  1301. 

Es  kann  sachlich  und  sprachlich  wohl  kaum  ein  Zweifel  darüber 
bestehen,  dass  die  als  ÖTisp  «[iTisXwvwv ,  d.  h.  „für  Weingärten" 
bezeichnete  Steuer  die  Grundsteuer  ist,  die  vom  Weiulande  erhoben 
wurde.  Diese  Auffassung  findet  darin  ihre  Stütze,  dass  in  den 
meisten  der  angeführten  Ostraka  der  besteuerte  Flächenumfang  an- 
gegeben ist.  Es  geschieht  das  in  folgender  Weise: 
In  1543  (a.  9/8  v.  Chr.)  wird  gezahlt  für  i  -^  Arure  [x  Drachmen]. 
In  375  (a.  33/4  n.  Chr.)  „  „  „  i^.  „  11  Dr.  H  Ob. 
In  397  (a.  47/8  „      )     „         „         „    4  „       20  Dr. 

In  404  (a.  52/3      „      )     „         „         „     i  „        10  Dr. 

'fj:  [i6Ya(Är,i)  ev  xcüt  'A|i(i(i)(vsiu)i)  [y.]aL  iv  xot;  KspaptEi'o'.g  ey^izto  'EcS-Xaääj. 
iSülche  Hausstellen  können  nicht  „im  Ammontempel",  sondern  nur  im  Quartier 
lies  Ammontempels  liegen.  Von  diesem  Quartier  wird  wolü  auch  in  einer  the- 
baliischen  Inschrift  gesprochen,  die  einen  ^u^axiTY,;  xoTtou  ' A\i.\i.mY.Z'.oij  nennt. 
Vgl,  Merriam,   Amer.  Journ.  of  archaeol.   188C,  S.  149. 

10* 


148  IV.  KAPITEL. 


Aus  dieser  Uebersicht  ergiebt  sich,  dass  für  die  Arure  "Weinland 
eine  bestimmte  fixe  Geld.summe  als  Gruudsteuer  erliobeu  wurde. 
Mau  denkt  unwillkürlich  an  das  Wort  dnapoupiov,  das  wir  unten 
§  43  nachweisen  werden.  Die  Uebersicht  ergiebt  zugleich,  dass 
in  375,  397,  404  für  1  Arure  40  Drachmen  gezahlt  wurden. 
Dieselbe  Abgabe  von  40  Drachmen  für  die  Arure  Weinland  liegt 
aber  auch  in  407  vor,  wo  \)n(ip)  Y£io[Ji(£Tptas)  dcn7c(eX(üV(i)v) 
quittirt  wird;  hier  werden  für  |  ^  Ai-ure  12 J  Drachmen  gezahlt. 
In  580,  wo  gleichfalls  uTiep  yewfJiETpta;  a|i7ieXü)Vti)v  gezahlt  wird, 
ist  leider  das  Flächcnmaass  nicht  angegeben.  Sollen  wir  nun  an- 
nehmen, dass  von  den  Weinlandbesitzern  sowohl  unzp  (i[ji7ieXü)VWV 
als  auch  \)~ip  ■^s.üi^izxp'.a.g  dfiTieXwvtüv  je  40  Drachmen  pro  Arure 
gezahlt  wurden?  Ich  denke,  mau  wird  nicht  fehlgehen,  wenn 
mau  darin  vielmehr  zwei  verschiedene  Ausdrücke  für  eine  und 
dieselbe  Sache,  nämlich  für  die  Grundsteuer,  erkennt.  Wir  werden 
unten  §  21  zu  untersuchen  haben,  wie  der  Ausdruck  uTiep  ftw^iExpiaq 
afiTceXwvwv  statt  des  einfachen  öuep  äfjLTteXwvwv  sprachlich  zu  er- 
klären ist.  Hier  kommt  es  mir  darauf  au  festzustellen,  dass 
alle  Wahrscheinlichkeit  dafür  spricht,  dass  mit  beiden  Wendungen 
dasselbe  gemeint  ist.  Auch  in  Nr.  1301,  die  wohl  ein  Auszug 
aus  dem  Kataster  ist,  werden  nach  der  Ueberschrift  reto({i,£Tpca) 
'Ayopüiv)  (d.  h.  Landesvermessung  des  Ortes  'Ayopac)  Wein- 
gärten genannt,  die  avä  ^  [i,  d.  h.  pro  Arure  mit  40  Drachmen  be- 
steuert waren. 

Die  Ostraka  zeigen  uns  also  eine  Grundsteuer  für  Weinland 
im  Betrage  von  40  Drachmen  pro  Arure.  Es  würde  sehr  nahe  liegen, 
dieses  Ergebnis  zu  verallgemeinern  und  zu  sagen,  dass  die  Grund- 
steuer für  Weinland  im  kaiserlichen  Aegypten  regelmässig  40  Drach- 
men betragen  habe.  Der  Londoner  Papyrus  CIX  A  belehrt  uns  aber 
eines  besseren.  Dieser  Papyrus '),  eine  der  wichtigsten  Urkunden 
für  die  Grundsteuerfrage  —  er  stammt  gleichfalls  aus  Theben  und 
ist  in  der  Mitte  des  II.  Jahrhunderts  n.  Chr.  geschrieben  —  zeigt 
uns,  dass  die  Weingärten  zur  Grundsteuer  in  sehr  verschiedener  Höhe 
veranlagt  werden  konnten.  Der  Satz  von  40  Drachmen  pro  Arure 
ist  zwar  auch  in  dieser  Urkunde  der  häufigste.  Vgl.  Z.  13,  33,  40,  46, 

')  F.  Kenyon,  Catal.  of  the  Greek  Pap.  in  tlie  Brit.  Mus.  1893,  S.  142  ff. 
Vgl.  dazu  meine  Bemerkungen  in  Gott.  Gel.  Anz.  1894,  Nr.  9,  S.  733  tf.  Das 
Weinland   ( ä|i;:E/.ü)v)  siebt  überall,  wo.  Kenyou  axa)  las. 


§  12.  GRUNDSTEUER  FÜR  REBEXLAND.  149 

(10,  74,  Tf),  9S,  104,  117,  131.  Danchcu  findet  sich  aber  gleich- 
zeitig auch  der  Satz  von  20  Drachmen  i)ro  Arüre  (Z.  33,  oben'), 
von  75  Drachmen  (Z.  105),  von  150  Drachmen  (Z.  33,  104,  117) 
und  gar  von  350  Drachmen  (Z.  48,  135,  139).  Es  scheint  also 
ein  reiner  Zufall  zu  sein,  dass  die  paar  O.^traka,  die  von  dieser 
Steuer  handeln,  soweit  sie  coutrollirl)ar  sind,  .sännntlicli  den  Satz 
von  40  Drachmen  aufweisen,  und  wir  müssen  die  ^Mcigliclikcit  orten 
lassen,  dass  in  580  und  1543,  die  sich  nicht  ircnauer  berechnen 
lassen,  vielleicht  andere  Sätze  zu  Grunde  liegen.  Diese  grosse  Ver- 
schiedenheit in  der  Besteuerung  des  Rebenlandes  —  die  Steuer 
schwankt  also  zwischen  20  und  350  Drachmen  pro  Arure  —  wird 
kaum  anders  als  durch  die  verschiedene  Qualität  des  Bodens  und 
der  Reben  sowie  durch  die  verschiedene  Lage  der  Gärten  ')  erklärt 
werden  können. 

Der  Londoner  Pa23vrus  lässt  uns  noch  tiefer  in  die  Behandlung 
der  "Weinland-Grundsteuer  hineinblicken.  Mir  ist  aufgefallen,  dass 
diejenigen  Summen,  die  nach  dem  Satze  von  20  oder  40  Drachmen 
pro  Arure  erhoben  werden,  regelmässig  für  die  Siotxvjacg  in  Anrechnung 
gebracht  werden,  dagegen  diejenigen,  denen  der  Satz  von  75,  150 
oder  350  Drachmen  zu  Grunde  liegt,  ebenso  regelmässig  für  die  tepdc. 
Mit  Sioo'xYjat;  und  hpi  werden  die  zwei  grossen  Ressorts  der  aegyp- 
tischen  Provinzialkasse  bezeichnet,  die  den  gesammten  Rechnungen 
des  Londoner  Papyrus  zu  Grunde  liegen  und  auch  in  unseren  Ostraka 
an  den  verschiedensten  Stellen  hervortreten  (vgl.  Kap.  VI).  Wir 
können  sie  etwa  als  Staats-  und  Tempelressort  unterscheiden.  Bei 
dem  bedeutenden  Umfang  der  Londoner  Urkunde  wird  man  in  der 
oben  mitgeteilten  Thatsache  kaum  einen  Zufall  erblicken  dürfen, 
sondern  wird  annehmen  müssen,  dass  aus  den  höher  besteuerten 
Weinländereien  die  Grundsteuererträge  nicht  der  S'.oiXTjacg,  sondern 
den  lEpx  zuflössen.  Eine  innere  Begründung  dafür  zu  finden,  dürfte 
schwierig  sein.  Aber  die  Thatsache  scheint  mir  fest  zu  stehen,  dass 
die  Grundsteuern  aus  den  besten  und  ertragsfahigsten  Weingärten 
der  thel>auischen  Landschaft  dem  Tempelressort  zugewiesen  wurden. 
Wir  werden  somit  nach  dem  Londoner  Papyrus  annehmen,  dass  die 
Beträge  unserer  Ostraka,  denen  der  niedrige  Satz  von  40  Drachmen 


'i   Dass  im  Falle  mangelhafter  Ueberschwemmung   Steuererleiciitening  ge- 
währt wurde,  zeigt  Grenf.  (II)  LYI.     Vgl.  Kap.  Y. 


150  IV.  KAPITEL. 


ZU  Grunde  liegt,  für  die  OioJxTjats,  nicht  für  die  5epa  bestimmt  waren. 
Und  icli  glaube  unsere  Texte  bestätigen  diese  Vermutung.  Wir 
worden  unten  (§  131)  sehen,  dass  die  Ostraka  zwischen  den  cpO'.vixwvE.; 
uikI  den  (foivtxöJves  lzpa.ziy.Cii  unterscheiden.  Unter  letzteren  vei- 
stehe  ich  diejenigen  Palmgärten,  deren  Grundsteuer  an  das  Tempel- 
ressort abgeführt  wird.  Da  nun  in  unseren  Texten  hier  lediglich 
von  iä{i7ieXwvE; ,  nicht  aber  von  d[j.7i£XtöVES  tepaxtxot  die  Rede  ist, 
so  sehe  ich  hierin  eine  Bestätigung  dafür,  dass  die  hier  gezahlten 
Beträge   für  die  StoExrjot?  bestimmt  waren. 

"Wir  haben  noch  einer  anderen  Beziehung  zwischen  dem  Londoner 
Papyrus  und  unseren  Ostraka  zu  gedenken.  Wir  werden  unten 
unter  oivo'J  zHoc,  (§  86)  die  Thatsaehe  zu  besprechen  haben,  dass 
die  Weinlandbcsitzer  ausser  der  Grundsteuer  noch  eine  „Weinsteuer" 
zahlten.  In  den  uns  beschäftigenden  Ostraka  begegnet  ein  ent- 
sprechender Zusatz  zweimal,  in  397  und  404.  In  beiden  Fällen 
beträgt  die  Grundsteuer  40  Drachmen  pro  Arure.  Auch  in  dem 
Londoner  Pap}Tus  wird  diese  Weiusteuer  erwähnt,  aber,  wie  wir 
unten  nachweisen  werden,  regelmässig  nur  bei  denjenigen  Grund- 
stücken, für  die  der  niedrige  Satz  von  4()  Drachmen  Grundsteuer 
gilt,  nicht  bei  denjenigen,  die  75,  150  und  350  Drachmen  bringen, 
mit  anderen  Worten,  nur  bei  denjenigen,  die  für  die  Dioikese  be- 
steuert werden.  Es  stimmt  also  mit  den  Angaben  des  Papyrus 
überein,  wenn  in  397  und  404  die  Weinsteuer  erwähnt  wird.  Wenn 
sie  in  375  und  407  nicht  genannt  wird,  so  ist  zu  bedenken,  dass 
man  sie  ja  nicht  notwendiger  Weise  zu  gleicher  Zeit  mit  der  Grund- 
steuer zu  zahlen  brauchte. 

Aus  dem  Gesagten  geht  hervor,  dass  die  Grundsteuer  vom 
Weinland  in  der  Kaiserzeit  zu  denjenigen  Steuern  gehörte,  die,  um 
mich  des  alten  ptolemäischen  Ausdruckes  zu  bedienen,  nicht  Kpoii 
Y£VY)[X.aTa,  sondern  Tipog  a.pyupio'^  erhoben,  d.  h.  nicht  in  natura, 
sondern  in  Geld  bezahlt  wurden.  W^erfen  wir  kurz  noch  einen  Blick 
auf  die  Ptolemäerzeit.  Für  das  III.  Jahrhundert  haben  wir  die 
Flinders  Petrie  Papyri  zu  befragen.  Bei  Mahaffy  (II)  XLIIIa  (bis 
Z.  26  iiu'l.)  haben  wir  laut  Ueberschrift  eine  Abrechnung  über  Ein- 
gänge für  den  ^ipoj  äjiTisXwvtüv.  Damit  ist  wohl  die  Grundsteuer 
gemeint,   die   vom   Weinlande  erhoben    wurde.')      Für   uns   ist   hier 

')  Die  aufgeführten  Personen  sind  die  Weinlandbcsitzer ;  es  begegnen  auch 
Frauen    darunter  (vgl.  6cOCf!J.a   in  Z.  22   und  wohl  auch   6aou;  in  Z.  2G).     An 


§  12.  GRUNDSTEUER  FÜR  REBEXLAND.  151 


nur  villi  Interesse,  dass  diese  Steuer  iu  Gold  gezahlt  wurde,  wie  die 
nebenstehenden  Summen  zeigen.  Leider  lässt  sich  die  Höhe  der 
Abgabe  nicht  berechnen.  Von  Z.  27  an  ist  der  Text,  wie  ich  am 
Original  erkannte,  von  dem  vorhergehenden  zu  trennen.  Gleichwohl 
handelt  auch  dieser  Abschnitt  (Z.27 — 44)  neben  anderem  (dxpoBputov) 
von  der  Weinland -Grundsteuer. ')  Aucb  hier  wird  sie  in  Geld  be- 
zahlt, wie  sich  aus  der  Art  erkennen  lässt,  in  der  hier  die  Wein- 
steuer (otvou  tgO  kOtcO  ä|i~£A(ii)Vo; )  erwähnt  wird.  Vgl.  unten  S  86. 
Ferner  finden  wir  die  Grundsteuer,  und  zwar  wiederum  als  Geldsteuer, 
im  Petr.  Pap.  (II)  XXIXa.  Endlich  findet  sie  sich  auch  in  der  Bitt- 
schrift des  KÄewv  AtoTE[iOu  (Petr.  P.  II.  XIII  17),  wo  er  sagt:  uapa- 
•(iYfX[i\i7.'.  xmi  -päy.Topt  w;  ö[9£(aü)v]  Tipi;  xä  ä|-i7:£Ät-/.a  tgö  XI —  hi], 
d.  h.  „ich  bin  vom  Praktor  mit  UO  Drachmen  im  Rückstand  für  die 
äij.7:£A:7.ä  des  30.  Jahres  notirt  worden."  Nach  dem  Obigen  werden 
wir  iu  diesen  ä\i.r.z'/.:y.i  nicht  mit  Mahaffy  „tlie  viue-tax",  sondern 
vielmehr  die  Grundsteuer  von  den  ä[j.T:£Aöi)V£S  sehen.  Der  Gegensatz 
in  der  Besteuerung  des  Weinlandes  in  Geld  gegenüber  der  des 
Weizenlandes  in  natura  tritt  hier  scharf  hervor,  indem  der  Schreiber 
fortfährt:  xal  xoü  x)X-  -'jpwv  xS  y  (seil,  apxxßas).  Wir  kommen 
somit  zu  dem  Endergebnis,  dass  vom  III.  Jahrhundert  v.  Chr.  an 
die  Grundsteuer  für  Weiulaud  regelmässig  in  Geld,  nicht  in  natura 
erhoben  wurde.  Nur  eine  Ausnahme  wüs-ste  ich  anzuführen,  aber 
eine  solche,  die  die  Regel  bestätigt.  Nach  dem  Dekret  von  Rosette 
Z.  'du  f.  befreite  Ptolemäus  V.  Epiphanes  im  8.  Jahre  seiner  Regierung 
die  Tempel  Aeg^'i^tens  von  ty);  ä[7:oT£TaY][i£vyjS  äpxaßrjj  17]',  apoupac 
-fj;  o£p«;  y^g  xal  xfjc  a[jLTi£?ixtOo;  6[io[[(i);]  xö  X£px[itGV  x^t  dpoüpa:. 
Die  Tempel  zahlten  also  bis  zu  diesem  Jahre  1  Keramion  Wein  pro 
Arure.  Schon  Lumbroso  (Recherches  S.  21t5 1  wies  daraufhin,  dass 
diese  Sätze  sehr  gering  und  wohl  nur  durch  die  privilegirte  Stellung 


Pachtzins  ist  hier  kaum  zu  denken,  da  auch  ein  IxaTOVTOtpoupo;  unter  den  Zahlern 
erscheint.  Freilich  ganz  ausgeschlossen  ist  es  nicht.  Der  Zusamiuenhane;  erf.'ieht, 
dass  es  hier  natürlich  köuiffliche  Pächter  sein  müssten.  Aber  auch  dann  würde 
der  Text  für  unsere  Frage  von  Interesse  sein,  da  der  Pachtzins  gewöhnlich  mit 
demselben  Zahlungsmittel  beglichen  wird  wie  die  Grundsteuer. 

')  Weil  ich  sagte,  dass  dieser  Text  zu  derselben  Urkunde  wie  die  folgende 
Seite  gehöre,  meinte  Grenfell,  dass  auch  dieser  von  der  IxTr,  xai  Sev.axr,  handeln 
müsse.  Das  ist  aber  nicht  nötie  und  auch  nicht  richtig,  wie  die  Erwähnung 
des  oivou  teXo?  zeigt. 


152  IV.   KAl'ITEL. 


der  Tempel  zu  verstehen  seien.  Wir  lernen  jetzt,  dass  die  Tempel 
nicht  nur  hin^ii-htlich  der  Höhe  der  Veranlagung,  sondern  auch  der 
Art  der  C'oiitriliution  bevorzugt  waren.  Denn  oftenbar  war  es  be- 
quemer und  vorteilhafter,  den  selbstjiroducirten  Wein  als  baares 
Geld  zu   lief'eni. 

Für  Syene-Elephantine  belegt  durch  101,  135,  für  Theben  durch 
556,  564,  579,  585,  601,  602,  606,  612,  614,  620,  627,  680. 
631,  635,  642,  651,  1290,  1437,  1583,  alle  aus  der  ersten 
Hälfte  des  II.  Jahrhunderts  n.  Chr. 

Die  Lesung  ava>'  steht  fest.  Nur  in  556  und  .564  könnte  man 
zwischen  ava  und  avy  schwanken,  doch  ist  ersteres  wohl  das  Richtige. 
Was  mit  avxv-  gemeint  ist,  weiss  ich  nicht.  Mit  Vermutungen 
will  ich  mich  nicht  aufhalten.  In  dem  hier  nicht  aufgenommenen 
Berliner  Ostrakon  P.  1 15(5  steht  u7i(ep)  ava'-'-  y_<>  Xa(pxxo5).  Auch 
dies  hilft  nicht  weiter.  Hoffentlich  bringt  einmal  ein  neues  Ostrakon 
die  evidente  Auflösung.  In  12!  10  steht  unep  fi£pia(j.(oO)  ava''  ija 
(=91?),  was  mir  völlig  rätselhaft  ist.  —  Nach  den  Ausführungen 
in  §  75  können  wir  nur  vermuten,  dass  auch  der  [i£pta|J.ö;  a.vx''- 
kopfsteuerartig  auf  die  Steuerzahler  verteilt  war.  Hierzu  würde 
stimmen,  dass  nach  631  drei  Personen  —  ein  Vater  und  zwei  Söhne  — 
die  gleiche  Summe  von  je  3  Obolen  zahlen.  Nach  630  zahlt  auch 
noch  eine  vierte  Person  dieselbe  Summe  für  dasselbe  Jahr. 

§  14.  Mspia|i,o?  av*. 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  559,  603,  604  (IL  Jahrhundert 
11.  Chr.). 

Ich  weiss  für  av5  einstweilen  keine  Auflösung  vorzuschlagen. 
Man  beachte,  dass  in  (Id.'!  ..für  so  und  so  viele  Aruren"  quittirt  wird. 

§  15.   TTisp  dv5p'.avt(ov. 

Für  Theben  belegt  durch  1430,  für  Syeue-Elephantiue  durch 
71—73,  94,  100,  105,  151,  152,  154  —  156,  171,  178—180, 
182,  183,  201,  249,  254,  261,  1272. 

Es  handelt  sich  hier  um  eine  Abgabe,  deren  Ertrag  zur  Her- 
stellung und  Ausbesserung  von  Statuen  oder  auch  Büsten  (7tpoto(xat) 


§12  —  15.  153 

verwendet  werden  soll.  In  einzelnen  Fällen  wird  die  darzustellende 
Persönlichkeit  n;eii;uint,  und  zwar  ist  es  einmal  Trajan,  ein  ander 
Mal  Hadriau,  und  ein  drittes  Mal  oJ  xuptoc  Kataapeg,  d.  h.  Marcu.s 
und  Verus.  Wir  dürfen  sicherlich  annehmen,  dass  es  auch  in  den 
anderen  Fällen  sich  um  Kaiser.«tatuen  handelt,  und  es  liegt  viel- 
leicht am  nächsten,  sich  diese  Statuen  in  Tempeln  aufgestellt  zu 
denken.  Wurden  doch  die  Kaiser  als  Nachfolger  der  Ptolemäer  in 
allen  Städten  Aegyptens  als  atjvvaot  ^£ot  verehrt.  Unsere  Kaiserstatuen 
wären  danach  also  zugleich  Götterstatnen.  Speziell  für  den  Tempel 
des  Jupiter  Capitoliuus  in  Arsinoe  habe  ich  früher  den  Nachwei.'^ 
geführt,  dass  er  mit  Kaiserstatuen  angefüllt  war.  Ich  erinnere  an 
die  interessante  Darstellung,  die  die  arsinoi'tischen  Temjielrcchnungen 
von  der  Aufstellung  einer  neuen  Kolossalstatue  des  Caracalla  (im 
J.  215)  gaben. 1)  Natürlich  soll  damit  nicht  gesagt  sein,  dass  man 
nicht  auch  ausserhalb  der  Tempel  Kaiserstatucn  in  Aegypten  er- 
richtet hätte.  -) 

Wenn  unsere  Ostraka  nur  für  die  Zeit  von  Trajan  bis  Marcus 
die  Errichtung  von  Kaiserstatucn  bezeugen,  so  ist  das  nur  ein  Zufall. 
Augustus  scheint  es  sogar  recht  eilig  gehabt  zu  haben,  seine  Statuen 
durch  ganz  Aegypten  zu  verbreiten.  Denn  schon  im  Jalire  24/3 
V.  Chr.  fanden  die  einbrechenden  Aethiopen  in  Philae,  Svene  und 
Elephantine  mehrere  Augustusstatueu  vor,  die  sie  dann  mit  sich 
fortführten.-^) 

In  den  Ostraka  werden  nun  folgende  Sammlungen  für  Statuen 
unterschieden : 

1)  Im  J.  104  n.  Chr.  wurde  für  eine  Statue  (ßnip  dvSpiävcos) 
gesammelt,  vermutlich  des  Trajan  (71- — 73). 

2)  Im  J.  114/5  desgleichen  für  eine  Statue  des  Trajan  (i)4, 
100,   105).     Hier  sind  die  Texte  ergiebiger:  uitsp  t-|J.>;S  v.al  5a7ia- 


')  Hermes  XX  S.  430  ö'.  uud  XXIII  S.  629  f.  Der  Text  ist  jetzt  mit 
wenigen  Aenderungeu  von  mir  neu  edirt  in   BGU  3G2. 

'   '^)  Vgl.  z.  B.  CIGr.  III  4680    und   dazu    meine  Ausführungen    im    Hermes 
XXVII  S.  294  A.  1. 

")  Strabo  XVII  p.  820.  Vgl.  dazu  Philolog.  LIII  S.  90  A.  Bekanntlieb 
wurde  es  für  den  ersten  Statthalter  Aegyptens,  G.  Cornelius  Gallus,  verhiingnis- 
voll,  dass  er  dem  Kaiser  hierin  Concurrenz  machte  (Die  Cassius  LIII  23,5). 
Vgl.  zu  dieser  Frage  meinen  Aufsatz  über  die  ,,Trilinguis  von  Philae"  in  der 
Zeitschr.  f.  aegypt.  Siirache   1897,  Heft  I. 


154  IV.  KAPITEL. 


v^fiaxo;  ävopiavxo;  Tpatavoö.  Die  xtfxi^  wird  den  an  den  Künstler 
zu  zahlenden  Preis,  das  cai^dcvr^fia  wohl  die  Unkosten  für  Trausport 
und  Aufrichtung  bedeuten. 

3)  In  den  .Jahren  12S/30  werden  Eatenzahlungen  für  eine 
Statue,  W'ohl  des  Hadrian,  eingezogen.  Die  Texte  sagen:  (jTzkp 
|iepia[i.oO  ^7rix£cpa?io'j  ävopiävTO?  (151,    152,   1272). 

4)  In  den  Jahren  131;'2  wird  für  die  Neuvergoldung  einer 
Statue  —  avSpiavio?  avxx£x(pua(i)|i£vou)  —  einkassirt.  Hier  ist  viel- 
leicht eher  an  die  Statue  eines  früheren  Kaisers  zu  denken  (151 — 156). 

5)  Desgleichen  zahlt  man  im  J.  138/40  für  eine  Xeuvergoldung 
(171,  182,  183). 

6)  Im  J.  141  wird  für  eine  Statue  und  eine  Büste  gesammelt, 
wohl  des  Antoninus  Pius  (178 — 180). 

7)  Im  J.  143/4  wiederum  für  eine  Neuvergoldung  (201). 

8)  Endlieh  zahlt  man  im  J.  l(il/2  für  2  Statuen  und  2  Büsten, 
nämlich  des  Marcus  und  Verus  (249,  254,  2(51),  und  später  noch- 
mals für  eine  Vergoldung  (261). 

Dies  alles  in  Svene -Elephantine.  In  Theben  wird  nur  eine 
Statue  des  Hadrian  erwähnt,  für  die  im  2.  Jahre  des  Antoninus 
Pius  gesammelt  wird  ( 14.')0J. 

Bei  der  Ausführlichkeit  der  Texte  bleiben  wir  glücklicherweise 
über  die  Natur  dieser  Statuensteuer  nicht  im  Unklaren.  'EntxetpaXtov 
heisst  sie  an  mehreren  Stellen.  Dai-aus  folgt,  dass  sie  nach  An 
einer  Kopfsteuer  umgelegt  und  erhoben  wurde,  also  pro  Kopf  in 
gleicher  Höhe.  Auch  die  Bezeichnungen  einzelner  Summen  als 
fji£p:a[i.o;  spricht  nach  §  75  für  diese  Auffassung.  Die  in  den  Ostraka 
genannten  Summen  bestätigen  dies.  So  werden  für  die  Statue  unter 
1)  in  allen  3  Fällen  je  3  Obolen  gezahlt,  für  die  unter  2)  des- 
gleichen in  3  Fällen  je  2  Drachmen  und  4  Obolen,  für  die  unter 
6)  je  4  Drachmen,  für  die  unter  8)  je  10.  Der  letztere  Posten 
zeigt,  dass  eine  Doppelherrschaft  für  den  Unterthan  auch  doppelte 
Unkosten  verursachen   kann. 

Wer  die  Statuen  errichten  hiess,  ist  unseren  Texten  nicht  zu 
entnehmen.  Wie  Mommsen  mit  Recht  bemerkt,  ist  Deeretirung 
durch  die  Lokalbeamten  das  Wahrscheinlichste.  Trotzdem  i^«t  Be- 
schlussfassung durch  die  Commuuen  für  Aegypten  nicht  völlig  aus- 
geschlossen. Vgl.  CIGr.  III  4699,  12:  £2o;£  toI;  octcö  xü)|j.r); 
Boua£{p£(j);  xoO  Ar;xo[7woX£i]TO'j  -apo'.xoOai  xal?  7i'jpa[icac  xal  xoT; 


§  15.    STATUEXSTEUER.    —    §16.     ASNON'A.  155 

iv  aüi[rj  XÄTaYStvofiivo'.;  TO-OYpa[i[xaT£0a:  xal  xwjxoypajiiJiaTe'jac 
'|)r,['^!a]cjaa{)-a'.  xal  [Äv]x*£Tvxt  a~y]Xr,'/  xtX.  Hier  beschlicssen 
die  Gemeindeangehörigen  zusammen  mit  den  Lokalbeamten  eine 
Ehrung. 

§   16.     T-£p  dvviüVYjg. 

Für  Elephantiue  belegt  durch  273,  für  Theben  durch  674, 
(379,  682,  698,  1016,  1019,  1479,  alle  aus  dem  Ende  des  II. 
oder  Anfang  des  III.  Jahrh.  n.  Chr.     Vgl.  auch  1264. 

Unter  der  (ouiona  versteht  man  Naturallieferuugen,  die  als 
Zusehlag  zu  der  Grundsteuer  erhoben  wurden.' i  In  der  Bezeichnung 
annona  liegt  der  besondere  Hinweis  auf  die  Bestimmung  dieser 
Xaturallieferungen  zur  Verpflegung.  In  Aegypteu  konmieii  zweierlei 
Arten  von  aunonae  in  Betracht,  die  für  die  Vei-pflegung  von  Rom 
[annona  urbü  oder  eivica)  und  Alexandrien,  sowie  die  für  die  Ver- 
pflegung der  in  Aegypten  selbst  statiouirten  Truppen  und  Beamten 
(annona  niilitaris).-) 

Auf  die  Bedeutung  des  aegyptischen  Getreides  für  die  Ver- 
sorgung der  Stadt  Rom  ist  si^äter  hinzuweisen,  wo  wir  von 
der  Grundsteuer  sprechen.  Wenn  ich  auch  keine  directen  Be- 
weise dafür  habe,  möchte  ich  doch  meinen,  dass  für  die  Bedürf- 
nisse der  annona  vrl/i-i  im  Princip  die  Grundsteuer  bestimmt  war, 
und  auch  in  der  Regel  für  sie  ausreichend  war,  dass  dagegen  für 
die  annona  militaris,  die  im  Lande  selbst  ihre  Verwendung  fand, 
eben  die  uns  hier  beschäftigende  Steuer,  die  annona  im  engeren 
Sinne,  ausersehen  war.  Wenn  unter  der  Letzteren  die  stadtrömische 
zu  verstehen  wäre,  würde  sie  vielleicht  in  unserer  Sammlung  eine 
grössere  Rolle  spielen. 

Für  diese  annona,  die  zweimal  als  Iz^i  ävvwvr),  d.  h.  als 
kaiserliche  bezeichnet  wird  (682,  1019),  werden  die  verschiedensten 
Naturalien  eingefordert,  entsprechend  den  mannigfachen  Bedürftiissen 
der  aegyptischen  Beamtenschaft  und  der  Garnisonen.  In  den  obigen 
Texten  werden  "Weizen,  Gerste,  Wein  und  Heu  genannt.  Vielleicht 
wird   man   auch   Nr.  9ül    und    101.3   hierher  ziehen   dürfen,   in  denen 


')  Marqiuanlt,    R.   Staatsv.   II'-'  S.  232  f.     Vgl.  0.  Steck,  Zeitschr.  f.  Soc.  n. 
Wirtschaftsg.  IV,  S.  329  f. 
-)  Marquardt  a.  a.  O. 


156  IV.  KAPITEL. 


Gerste  und  Bohnen  für  die  iTiTiels  stXYjS  'HpaxX;av^;  geliefert  wird, 
wiewohl  das  Wort  annona  hier  nicht  begegnet.  Doch  nicht  immer 
wurde  die  Steuer  in  natura  eingefordert.  Meist  liegt  eine  Um- 
wandlung der  Naturalien  in  Geldsätze,  also  eine  annona  adaeratu 
vori),  so  in  G79,  G9.S  (für  Gerste),  682  (für  Heu),  273,  674. 
Correet  wird  eine  solche  adaeratio  angedeutet  mit  der  Wendung 
ÜTzkp  ■ct|i'^;  (yjipzo'o  oder  v.p'.%-fic,  oder  ähnlich),  d.  h.  „für  den  Preis" 
(von  Heu  oder  Gerste).  Bemerkenswert  ist,  dass  auch  Geldzahlungen 
vorkonunen,  die  nicht  als  Ersatz  für  Naturalien  bezeichnet  sind.  So 
in  27o  (67i£p  dvvwvYj?,  vgl.  Corrigenda).  Vgl.  674.  Die  beiden 
letzten  Fälle  würden  jedenfalls  am  Iciclitcsten  ilire  Erklärung  finden 
durch  die  Annahme,  dass  die  Zahler  nicht  Grundbesitzer  sind,  und 
darum  eben  direct  in  Geld  (ohne  adaeratio)  zahlen.  Daraus  könnte 
man  folgern,  dass  alle  steuerpflichtigen  Unterthanen  zur  annona 
herangezogen  wurden,  nicht  nur  die  zur  Grundsteuer  beitragenden 
Grundbesitzer.  Doch  diese  Erklärung  wird, '  worauf  Mommsen  mich 
hinweist,  durch  die  Thatsache  zurückgewiesen,  dass  die  annona  immer 
eine  Bodenleistnng  ist,  selbst  wenn  sie  adaerirt  wird.  Eis  bleibt 
also  nur  übrig  anzunehmen,  dass  in  den  beiden  obigen  Fällen  eine 
unvollständige  Bezeichnung  vorliegt. 

Eines  ist  noch  zu  bemerken:  die  annona  wurde  nicht  nach  den- 
selben Principien  wie  die  Grundsteuer  aufgelegt.  Beweis:  die  AVein- 
bergbesitzer  zahlen  die  Grundsteuer  in  Geld  (s.  oben  §  12),  dagegen 
die  annona  in  natura.  Vgl.  1479:  Tzacpiayfec,  —  tnkp  Xoyofu  i 
(ä;vvtl)(v7]e)  otvou  5t7:(XoX£pa[xov)  a.  Sollte  in  1264  wirklich  elz 
xyyCo^/^ac/)  zu  lesen  sein  (s.  unten  S.  1.59),  so  würde  daraus  nur  folgen. 
dass  auch  hier  eventuell  adaeratio  eintreten  konnte. 

Die  annona  begegnet  aucli  in  di^-n  Pap}Ti  dieser  Zeit.  Vgl. 
BGU  336  (a.  216  n.  Chr.),  wo  Weizen  und  Gerste  in  natura  für 
die  annona  geliefert  werden.  Ebenso  in  BGU  529,  534,  aus  dem- 
selben Jahre.  Diese  Papyri  sowie  unsere  Ostraka  sind  meines 
Wissens  zur  Zeit  die  ältesten  Belege  für  das  Vorkommen  von 
annona  im  obigen  Sinne.  In  der  Literatur  liegcguet  das  Wort  wohl 
zum  ersten  Mal  in  der  Mitte  des  III.  Jahrb.  v.  t'hr.  bei  ]\Iodestinus 
(Dig.  XXVI  7,  32,  §  6),  worauf  Seeck  a.  a.  O.  hingewiesen  hat. 
Eine    desto   grössere    RoUe   spielt   das  Wort   seit  Diocletian.     Doch 


';  Marquartlt   a,  a.  O.  S.  233. 


§  16.    .VXNOXA.  —  §  17.   Aru.MiiinA.  157 

beruht  dieser  Unterseliied  wolil  nur  darauf,  dass  für  das  Steuerwesen 
der  vorhergehenden  Zeit  eine  so  viel  dürftigere  Tradition  vorliegt. 
Für  das  Vorkommen  in  der  Fapyrusliteratur  der  jüngeren  Zeit  ver- 
weise icli  auf  BGU  94,17  (aus  diocletianischer  Zeit):  Sr;|xoaia 
T^avxota  aiziY.«,  xe  xal  äpYupwä  xal  ccvv(ij[vav];  BGU  519  (Pacht- 
eontract  des  IV.  Jahrhunderts):  xiöv  SYjixoaJiov  xal  ii.yvow^  (sie) 
X3cl  7:avxo(wv  ETitßoXwv.  In  beiden  Fällen  tritt  der  Charakter  der 
anuoua  als  Zuschlag  zu  den  ordentlichen  Steuern  ( SYjjiöatÄ)  deutlicli 
zu  Tage.  Vgl.  auch  Grenf.  (II)  XCV  laus  l)yzant.  Zeit) :  £i;  ÄÖYOV 
ävvwvwv  xwv  Yevva:oxxxü)v  Sxu&öjv  'lo'jaxtvixvtbv,  wo  die  Be- 
stimmung für  die  militärische  Verpflegung  hervortritt. 

§  17.     Ttop  aTxojJiotpag. 

Für  Theben  und  Hermonthis  belegt  durch  o22,  332,  352, 
354,  355,  711,  12.34,  1235,  1315,  1345,  1518,  1526. 

lieber  das  Wesen  der  &iz6\ioipix  sind  wir  erst  neuerdings  durch 
Grenfell's  Revenue -Papyrus  aufgeklärt  worden.  Nach  der  vortreft- 
lichen  Behandlung  dieser  Abgabe  durch  den  Herausgeber '^)  kann 
ich  mich  darauf  beschränken,  nur  die  wichtigsten  Punkte  hier 
zur  Orientiruug  hervorzuheben. 

Die  ä.-!z6\i.oipx  war  ursprünglich  eine  Abgabe,  die  die  Eigen- 
tümer  von   Rebeuland    (ä[i7X£Xö)V£s)    und    Nutzgärten    (TixpaSsiaot)^) 


')  Vgl.  namentlicli  S.  94  fl".,  119  f.  Vgl.  auch  Mahaffy  in  der  Einleitung 
zum  Rev.  Pap.  p.  XXVII  sq.  Sein  Vorschlag  p.  LIV,  in  der  Inschrift  von 
Telniessos  [o£v]r)päs  statt  [aizjfjpäc,  iiuo\i.oipa-  zu  lesen,  wird  fünf  Zeilen  darauf 
durch  die  Inschrift  selbst  widerlegt. 

*)  Greufell  hat,  wie  mir  scheint,  überzeugend  nachgewiesen  (S.  94  f.), 
dass  in  den  7tapa5s'.ao'.  auch  Palmen  und  Obstbäume  der  verschiedensten  Art  stehen 
konnten,  während  Mahaffy  annimmt,  dass  die  TtapaSs'.aoi.  des  Rev.  Pap.  nur  Wein 
producirten.  Durchschlagend  ist  Grenfell's  Bemerkung:  Why  skould  l/ie  govern- 
inent  insist  nn  money-payment  of  the  tax  on  wine  produced  in  nitnuätinni,  bul 
not  on  wine  produced  from  uuniliiimf  Beweisend  ist  im  Besonderen  Petr.  Pap. 
(II)  XLIII  b,  wozu,  wie  ich  am  Original  gesehen  habe,  auch  XLIII  a 
Z.  i~  ff.  gehört.  Hier  wird  unter  der  üeberschrift  Ixxr^s  xal  Ssxäxrjs,  womit  die 
inöiio'.pa  gemeint  ist  (s.  unten),  nicht  nur  für  äpiKsXöJVES,  sondern  auch  für 
•jo'.v'.xwvs;  und  für  äxpöSpua  gezahlt.  Die  Inhaber  der  beiden  letzteren  besitzen 
eben  7:apa5^'.ao'. ,  die  vorwiegend  oder  ausschliesslich  Palmen,  resp.  Obstbäume 
enthalten.  Wenn  dagegen  in  XXXIX  i  die  TtapaSs'.aoi  neben  cfOLV.xöJvej  er- 
scheinen, so  sind  mit  ersteren  Gärten  gemeint,  die  verschiedenartige  Kulturen 
zeigen.    Vgl.  auch  XXVII  1,  wo  für  die  äJi6;j.0'.pa  (für  die  iziy;)  erst  der  Ertrag 


158  I^'-  KAPITEL. 


in  der  Höhe  von  einem  Sechstel  des  jährlichen  Ertrages  an  die 
Tempel  Aegyptens  zu  zahlen  hatten.  Ptolemaios  II.  Philadelphos 
hat  diese  Einnahme  den  alten  Göttern  Aegyptens  entzogen,  indem 
er  bestimmte,  dass  vom  22.  Jahre  seiner  Regierung  au  (  =  2(34,3 
vor  Chr.J  diese  (X-d|X0'.pa  der  jüngsten  Göttin  im  aegyptischen  Pan- 
theon, der  schon  früher  zur  Göttin  erhobenen  königlichen  Schwester 
und  Gemahlin,  Arsinoc  Philadelphos^),  entrichtet  werden  solle.  Formell 
■blieb  auch  jetzt  diese  'iy.xrj  eine  Tempelabgabe,  da  sie  für  den 
Kultus  (e!;  ty^v  d-\jaim  y.sO.  ttjv  otigvSyjv  Rev.  Pap.  3ß,  I9j  der 
neuen  Göttin-)  bestimmt  war,  und  mit  Recht  hat  Grenfell 
(S.  120  f.)  darauf  hingewiesen,  dass  auch  in  der  Rosettana  (Z.  13 
bis  15)  diese  Fictiou  darin  zum  Ausdruck  kommt,  dass  eben  diese 
«Tiofioipa  neben  den  Tzpö^ohoi  iwv  tepwv  und  den  auvta^Eii;  auf- 
gezählt wird.^)  Thatsächlich  aber  war  mit  dieser  Neuordnung  für 
die  königliche  Kasse  eine  bedeutende  neue  Einnahmequelle  erschlossen 
(vgl.  Mahafty  a.  a.  0.).  Denn  dass  wirklich  der  Gesanimtbetrag 
der  £7.I7J  für  den  Kultus  der  Philadelphos  und  der  später  zu  ihr 
hinzugetretenen  -ö-eoI  OiXoTiaxopeg  draufgegaugen  sei,  ist  mehr  als 
unwahrscheinlich.  Es  verdient  hervorgehoben  zu  werden,  dass  nicht 
etwa  die  Priestersehaften  der  OtXa5eX(yoc,  sondern  die  königlichen 
Behörden  nunmehr  die  Einziehung  und  Verwaltung  der  exir^  üljer- 
nahmen,  während  dies  bis  dahin  in  Händen  der  Tempelverwaltung 
gewesen  war.*)     Unsere  Ostraka  zeigen,  dass  die  von  den  Pächtern 


der  ä|n:E>.0)V£;,  dann  der  äxpdäpua  und  axäcfavo'.  eingeschätzt  wird.  I>a  auch  vor, 
den  Letzteren  die  Sv-ty)  berechnet  wird,  ist  damit  über  allen  Zweifel  erhoben, 
dass  auch  sie  unter  die  ä:tC(ioipa  fielen  (s.  oben  §  5).  Vgl.  übrigens  BGU  50,6, 
wo  Tou  eXaiÄvos  7tapa5£aou  die  Eedc  ist,  und  348:  cfotvtxaj  xouj  ev  t(j)  TiapaSiaip 

')  Ueber  die  Göttin  «tiXäSsXcf  05  vgl.  meine  Bemerkungen  bei  Pauly-M"issowa 
unter  „Arsinoe"  und  Gott.  G.  A.   1895,  S.  163. 

*)  In  dem  Berliner  Ostrakon  4412  (Ptolemäerzeit),  das  ich  nur  flüchtig 
copirt  und  deshalb  nicht  in  meine  Sammlung  aufgenommen  habe,  wird  vielleicht 
die  Göttin  ausdrücklich  genannt.  In  Z.  3  las  ich  ä7tö[ioipav[,  iu  Z.  4  'Apaivirj;. 
In  der  Lücke  danach  könnte  ['I>iXaäeÄcfou]  ergänzt  werden. 

')  Mit  Grenfell  sind  in  dem  Passus  y.a.1  tag  y.aO-T|>io'Jaas  änoiioipa;  tor; 
S-sot;  unter  den  Göttern  Arsinoe  Philadelphos  und  dife  9-soi  <t>0.OKdiops^  zu 
verstehen.     Dass  Letztere  augegliedert  wurden,  zeigt  Petr.  Pap.  (II)  XLVI. 

*)  Wäre  die  iy.ir,  schon  früher  etwa  vom  Staat  erhoben  und  nur  an  die 
Tempel  abgeführt  worden,  so  hätte  Philadelphos  bei  der  Reform  nicht  nötig 
gehabt,  über  den  umfang  der  Steuerobjecte  u.  s.  w.  eine  Enquete  zu  veranstalten. 
Vgl.  P>ev.   Pap.  36   niul   37. 


§  17.    du;  Ai'oMoiitA.  159 


erhobenen  Beträge  an  die  königliche  Bank,  resp.  an  die  königlichen 
Magazine  abgeführt   wurden. 

Zur  Geschichte  der  äKÖ^iO'.psi.  wollen  wir  nur  noch  hinzufügen, 
dass  sie  auch  iu  der  Kaiserzeit  fortbestanden  hat.  Xatiirlicli  kann 
sie  nicht  mehr  auf  den  Xahien  der  Philadelplios  erliobeu  worden 
sein,  und  wir  wissen  nicht,  welche  neue  Bestimmung  Augustus  ihr 
gegeben  hat.  Consequent  wäre  es  gewesen,  wenn  er  sie  an  den 
Etat  des  neuen  Kaiserkultus  überwiesen  hätte.  Früher  glaubte  ich 
das  Wort  öcTzi\ioip(x.  iu  Nr.  1264  (aus  dem  Jahre  183  n.  Chr.)  zu 
erkennen.  Doch  ist  mir  diese  Lesung  bei  erneuter  Revision  des 
Originals  (1896  i  sehr  zweifelhaft  geworden.  Die  Lesung  st;  avvö)v(av) 
ist  mir  wahrscheinlicher.  Dagegen  las  ich  mit  Sicherheit  in  dem 
Londoner  Papj-rus  CXCV  A  (aus  dem  I.  Jahrhundert  u.  Chr.),  dessen 
Durchsicht  mir  Mr.  Kenyon  freundlichst  gestattete,  die  Worte:  xal 
ei;  d7:ö[i.ot(pxv)  ä[i-£Ä(övG;)  v9'dav(a)  [^:]  ^  ^qß^,  d.h.:  „und 
für  die  a.T:6\i.0'.pa.  für  59]  Aruren  Weinland  [zu  je  10  Drachmen] 
592  Drachmen  und  3  Obolen."')  Ferner  las  ich  in  dem  Berliner 
PapjTus  P.  1422,  15  (II.  Jahrh.  n.  Chr.):  xxl  o)v  (seil.  -apaSstawv) 
«7iö[j.otp(av)  [ir;  äY£a9-x:. 

Wie  der  Revenue -Pap^Tus  lehrt,  war  schou  vor  der  Reform 
des  Philadelplios  diese  Abgabe  in  der  Weise  auferlegt,  dass  die 
Rebenlandbesitzer  die  r/.xr/  in  natura,  also  in  Wein  abzuliefern 
hatten,  während  die  Gartenbesitzer  in  baarem  Gelde  (Silber)  zahlten. 
Die  Verschiedenartigkeit  der  Zahlungsmittel  erklärt  sich  einfach  daraus, 
dass  der  Wein  durch's  Lagern  liekauutlich  nicht  schlechter  wird, 
während  die  Gartenfrüchte  dazu  nicht  tauglich  sind.  Trotzdem  ist 
in  einzelnen  Fällen  auch  statt  der  Weinlieferung  eine  Geldzahlung 
eingetreten.'')       Diese    Bestimmung    blieb    auch    uach     der    Reform 


')  Die  Lesung  H  (90)  verdanke  ich  einer  freiuuUichen  Mitteilung 
Kenyon's.  Derselbe  versicherte  mir,  dass  die  SOJ-  als  Aruren,  nicht  etwa  als 
Keramien  aufzufassen  siud. 

ä)  So  im  Pap.  Leid.  Q  und  Petr.  Pap.  (II)  XLIII  b.  Grenfell  glaubt, 
aus  Rev.  Pap.  30,20  ö'.  schliessen  zu  sollen,  dass  die  Geldzahlung  regelmässig 
zvl  erfolgen  hatte,  wenn  die  Weinbauer  nicht  rechtzeitig  den  Wein  ablieferten. 
Hätte  er  mit  dieser  Ausfüllung  der  grossen  Lücke  Recht,  so  hätte  es  factisch 
im  Belieben  des  Einzelnen  gestanden,  ob  er  in  natura  oder  in  Geld  zahlen 
wollte.  Dagegen  spricht  aber  die  Fassung  von  Rev.  Pap.  24  f.  ganz  entschieden. 
Zum  mindesten  müsste  man  annehmen,  dass  die  in  col.  31  festgesetzten  AVeiu- 
preise  exorbitant  hohe  gewesen  seien,  das  tritlt  jedoch  nicht   zu.     Aber  wie  ist  es 


1(30  IV.  KAl'ITEL. 


bestehen,  nur  gewährte  Philadelphos  —  wie  es  scheint,  nicht  von 
Anfang  an  —  einzehieu  Klassen,  wie  den  Militärcolonisten,  eine 
Steuererleichterung,  indem  er  sie  statt  der  sxtyj  eine  SsxatTj  zahlen 
Hess.  Dies  galt  jedoch  nur  für  die  Rebenlandbesitzer,  nicht  für  die 
Gartenbesitzer.  Danach  wurde  die  Abgabe,  wie  Grenfell  sah,  auch 
gelegentlich  als  'iy.xrj  xxi  osxxxrj  bezeichnet.^)  In  den  obigen 
Ostraka  lässt  es  sich  nur  zwei  Mal  mit  Sicherheit  erkennen,  ob  es 
sich  um  Besteuerung  von  äjiTrsXwvs;  oder  von  napäSeicot  handelt. 
In  711  (Mitte  des  III.  Jahrh.  v.  Chr.  i  werden  für  äii6\i.o'.py.  und 
oivoXoYta  zusammen  10  Keramien  geliefert.  Hier  ist  kein  Zweifel, 
da.ss  es  sich  um  Weinlandereien  handelt.  Die  Erhebung  in  natura 
entspricht  den  Bestimmungen  des  Revenue -Papyrus.  Ueber  die 
oSvoXoY-Ä  vgl.  unten  §  85.  Dagegen  ist  nach  den  oben  citirteu 
Worten  des  Londoner  Textes  in  der  Kaiserzeit  ein  Systemwechsel 
eingetreten.  An  die  Stelle  der  Ertragsquote  ist  die  feste  Taxe  pro 
Arure  getreten,  und  die  Zahlung  erfolgt  nicht  in  natura,  sondern  in 
Geld.  Dass  die  Kaiser,  die  nicht  in  Alexandrien  wie  die  Ptolemäer 
residirten,  mehr  Wert  auf  das  baare  Geld  als  auf  den  Wein  legten, 
ist  begreiflich  genug,  und  man  würde  es  verstehen,  wenn  Augustus 
die  Steuer  in  diesem  Sinne  reformirt  hätte.  Doch  wir  werden  gut 
thun,  ehe  wir  weitere  Schlüsse  ziehen,  Kenyon's  Publication  des 
Textes  abzuwarten. 

In  den  anderen  Ostraka,  die  sämmtlich  dem  II.  Jahrh.  v.  Chr. 
angehören,  ist  nicht  ersichtlich,  ob  es  sich  um  Wein-  oder  Gartenland 
handelt.      Grenfell,    dem   ich    schon    1895    mein    Material    vorlegte. 


denn  überhaupt  mötrlifh ,  in  ilieser  Weise  den  AVeinpreis  festzusetzen,  da  iloeli 
Sorten  des  allerverschiedensten  \Yertes  gebaut  wurden?  Das  sclieiut  mir  un- 
denkbar. Ich  glaube,  die  Lüelie  muss  ganz  anders  aiisgefüllt  werden.  Die 
Uebersehrift  des  Kapitels  lautet  ,,äJ:oxo(ii^E'.v  lii'i  ä7i6]j.oipav".  Es  wird  nnn 
gelieissen  haben,  dass  die  Weinbauer  in  bestimmten  Terminen  den  Wein  an  die 
königliehen  Kellereien  (i.Tlo56y^'.OL)  frei  abführen  (äTioxoai^s'.v)  mussten.  Wer  den 
Wein  aber  nicht  ablieferte,  der,  so  möchte  ich  vermuten,  musste  für  die  nunmehr 
vom  Staat  (genauer  von  den  ot  xriv  (üvTjv  E/ovieg)  zu  übernehmende  Abführung 
pro  Metretes  Wein  6  resp.  5  Drachmen  zahlen.  Damit  wäre  dann  die  Ent- 
schädigung  für   die  Transportunkosten   normirt.     Ich   lese   hiernach   in   Z.  2   f.: 

[ä;iOTl]väTtO     lOlX^     TT)V      (i)vf/v]     IX0U3'.     XflZ     £VOCpEiX!)U(liv»]J     aÜTOlJ     ä7t[0X0[ll3^5 

"ijv)  z:\s.y]v  xtX.    Grenfell  ergänzte  äTc[o]i.oina.g.    Ich  verweise  auf  48,4 ;  Ttapaxo- 
|i'.L^§T(üaav,  vgl.  ebend.  11 :  xd  ?e  ävr|/.o)|ia  t6  e";;  xt;v  (Ka]pay.0|i'.2Y|V.  Ebenso  werden 
hier  die  Unkosten  für  die  ä7:oy.O|r.?Yj  bestimmt,  da  es  sieh  um  ä7iGXG|it^E'.v  handelt. 
')  Vgl.   Petr.   Pap.  (II)  XLIII  b. 


§  17-  ly.  161 

nahm,  wie  auch  ich  es  damals  that,  an,  dass  es  sich  überall  um 
Weinland  handele,  und  da  die  Zahlung  in  Geld  erfolgt,  sehloss 
er  weiter  daraus,  dass  im  II.  Jalirli.  vor  Chr.  statt  der  Wein- 
lieferungen die  Geldsätze  eingeführt  seien.  „I  conjecture  that  pay- 
ment  in  kind  was  not  allowed  after  Epiphancs'  reign"  (Rev.  Pap. 
S.  121).  Die  ^Möglichkeit  kann  zugegeben  werden,  zumal  wir  oben 
sahen,  dass  gelegentlich  auch  schon  im  111.  Jalirh.  die  adaeratio 
eingetreten  war,  wenn  auch  nicht  in  dem  von  Gr(^nfell  angenommenen 
Umfiinge.  Doch  ist  dagegen  zu  betonen,  dass  in  den  obigen  Ostraka 
sich  absolut  keine  Andeutung  dafür  findet,  dass  es  sich  um  Wein- 
land handele.  Die  Texte  lassen  vielmehr  ebenso  gut  den  Gedanken 
an  die  7:apxo£:aoc  zu.  Dass  in  unseren  Ostraka  gelegentlich  die 
SxTYj  äxpoSpüwv  als  spezielle  Abgabe  begegnet,  spricht  nicht  da- 
gegen.i)  Ich  bin  daher  der  Ansicht,  dass  wir,  solange  nicht 
Beweise  für  eine  Aenderung  der  Bestimmungen  des  Philadelphos 
nach  Epiphanes  vorliegen,  anzunehmen  haben,  dass  die  obigen 
Ostraka  aus  dem  II.  Jahrh.  vor  Chr.  Belege  für  die  von  Philadelphos 
vorgeschriebenen  Geldzahlungen  für  TixpaZeiaoi  bieten. 

§  18.     Mzpic!\i.bc,   d7c6po)(v). 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  613  (143  n.  Chr.). 

Wenn  hier  urAp  [isptajxoü  d7iöp(o(v)  quittirt  wird,  so  kann 
damit  wohl  nur  auf  eine  Besteuerung  zum  Besten  der  «Tiopot,  der 
Unbemittelten,  der  Armen,  hingewiesen  sein.  Zahlten  etwa  die 
e(J7:opot-)  für  die  a— opot?  Ich  denke  an  die  Unterstützungen,  die 
z.  B.  in  Athen  die  Armen  und  Invaliden  aus  der  Staatskasse  er- 
hielten. Vgl.  Aristot.  'AO'rj.  ticX.  40, 4.  Doch  vielleicht  hat  Mommsen 
Recht,  wenn  er  zu  meiner  Deutung  bemerkt:  „Scheint  mir  zu  schön, 
um  wahr  zu  sein." 

§  19.    'Apyaiwv  itit^so^v. 
In  323  wird  folgendermassen  quittirt:  syw  "xpä  aoO  !-{)■  Uaywv 
&  äp/atwv^)  tT^TiEwv  Dr.  180.    Das  ä  wird  mit  Tlay^wv  zu  verbinden 

')  Man  wird  von  der  Ixtt]  äxpoSpütov  reden,  sobald  der  Steueri)fliehtige 
aus.schliesslich  Obstbäume  in  seiner  TtapaSs'.aog  bat. 

^)  Die  slTiof  Ol,  die  Wohlbabenderen,  als  besondere  Klasse  der  Bevölkerung 
in  BGU    18,  13.      91,  7.    194,  22.    23ö,  12. 

')  Vgl.  Arrian.  Anab.  III  12,2:  ol  äpxarci  xaXoü|iEvo:  pvc.  (im  Heere 
Alexanders).     Vgl.  Krause,    Hermes  XXV  S.  77. 

WiLCKEX,  Ostraka.  H 


11)2  IV.  KArrncL. 

sein  („am  ersten  Paehon"),  nicht  mit  dem  Folgenden.  Denn  wenn 
es  heissen  sollte,  dass  die  Zahlung  für  den  Monat  Pachou  erfolgt 
sei,  so  hätte  man  wohl  xoö  na)((bv  liTjvo?  xoü  ^^  oder  ähnlich 
gesagt.  'Apyatcüv  lu-itüw  wird  also  für  UTtsp  &py^xiwv  t7i7i£(j)v 
stehen.  Es  handelt  sich  danach  um  eine  Geldzahlung  für  den 
Truppenteil  der  o-p'jialo'.  tTiT^elj.  Ueber  die  Katur  dieser  Zahlung 
wage  ich  keine  Vermutung. 

§  20.     Efg  Xo-^o^  dpyixuvYjyöv. 

Nach  Nr.  1545  sind  unter  diesem  Titel  400  Kupferdrachmeu 
für  das  Jahr  9/10  nach  Chr.  gezahlt  worden.  Wir  haben  unten 
in  §  117  über  das  axs'^aviov  zu  sprechen,  die  Gratification,  die  ein 
apyr/.'jvrjyö;  im  Jahre  121/0  vor  Chr.  erhalten  hat.  Diese  ptole- 
mäischen  Oberjägermeister  sind,  wie  unser  Text  lehrt,  auch  in  der 
Kaiserzeit  im  Amt  geblieben,  und  auch  jene  von  der  Bevölkerung 
pflichtmässig  aufzubringenden  Gratifieationen  scheinen  geblieben  zu 
sein.  Denn  was  hier  als  „für  die  Rechnung  der  Obeijägermeister" 
erhoben  bezeichnet  wird,  dürfte  seinem  Wesen  nach  von  jenem 
aTc'^aviOV  nicht  verschieden  sein.  Mommsen  möchte  eher  an  ein  Jagd- 
geld denken,  das  etwa  als  Aequivalent  der  Jagddienste  gezahlt  wäre. 

Es  ist  übrigens  sehr  zweifelhaft,  ob  wir  uns  unter  diesen  OL^yj.- 
xuvYjYOt  ein  Hofamt  vorzustellen  haben.  Denkt  man  an  die  Jagd- 
schiffe  (§  70)  und  Jagdspiesse  (§  69),  für  die  von  den  Thebanern 
Beiträge  erhoben  wurden,  so  liegt  es  nahe,  in  dem  ap}(txuvr;Y&g 
lediglich  einen  thebanischen  Lokalbeamten  zu  sehen,  der  u.  a.  jene 
Nilpferdjagden  zu  leiten  hatte. 

§  21.    'AyupLxa  tsXyj. 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  705,  707,  715,  738,  744, 
751,  7(35,  776,  810,  854,  865,  866,  901,  905,  906,  914,  927, 
936,  937,  943,  951,  1010—1012,  1014,  1015,  1258,  1259,  1352, 
1431,  1433,  1436,  1447,  1453,  1458,  1461,  1464,  1475,  1476, 
1501,  1513,  1514,  1519. 

In  diesem  Paragraphen  sind  alle  -diejenigen  Ostraka  zusammen- 
gefasst,  in  denen  es  sich  um  Spreulieferungen  handelt.  Leider  ist 
aus  den  Texten  nicht  zu  ersehen,  nach  welchem  Princip  diese  Ab- 
gabe der  Bevölkerung  auferlegt  war.  Natürlich  konnte  sie  nur  von 
den   Grundbesitzern,    auf  deren   Tennen   Spreu   ausgeworfelt  wurde, 


);  L'U.  FÜR  DIK  OBKKJÄtiEKMEISTEE.  §  21.  SI'KKILIEFKRUNÜEN.     1Ü3 

i'i-lioben  werden.  Eingezogen  wurde  die  Abg;il)C  von  den  a,y_'jpo- 
-piy.xope^,  die  auch  dTia'.xrjxaJ  oder  T^apaXYjjji-Tat  xyüpo'j,  auch 
äy'jpxp'.oi   hiesseu. 

Ohne  auf  die  mannigfache  Verwendbarkeit  der  Spreu  (tö 
ayjpov)  genauer  einzugehen,  wollen  wir  hier  nur  zusammeu- 
slcllen,  was  die  Urkunden  darüber  lehren.  Nach  Petr.  Paj).  (II) 
XIV  2a  wurde  die  Spreu,  was  auch  .sonst  bekannt  ist,^)  als  Zusatz 
zum  Nilschlamm  bei  der  Ziegclfabrikation  verwendet.  Vgl.  Z.  13: 
■cä  ä/upa  Tipö;  tTjV  TiXivtt-oXxiav  (so  las  ich  am  Original  statt 
7iXtv8-ov  xat  av).  Vgl.  hiermit  LXX  Exod.  5,7:  Stoovat  äyupx 
iw  Xaip  etg  x'Jjv  TcÄLVil'O'JpYcav.  Danach  schlage  ich  vor,  in  1431, 
1433,  1582  (vgl.  1475)  et?  ■n:X(tv{)'oXxEav)  zu  lesen.  —  Yv^ehtiger 
ist  die  Rolle,  die  die  Spreu  in  dem  holzarmen  Aegypten  als  Feuerungs- 
material gespielt  hat.-)  Das  lehren  unsere  Ostraka,  in  denen  wir 
die  Spreu  in  den  meisten  Fällen  auch  da,  wo  es  nicht  ausdrücklich 
hervorgehoben  ist,  eben  als  Heizungsmaterial  zu  beti'achteu  haben 
werden.  Es  scheint,  dass  die  Spreulieferungen  meist,  wenn  nicht 
ausschliesslich,  an  die  Militärbäder  abgeführt  wurden.  Die  Ostraka 
unterscheiden  folgende  Fälle: 

1)  Eö;  OTiöxaiiatv  ßaXave'ou.  Vgl.  901,  905,  927,  93G,  1259, 
1447.  Hier  wird  die  Spreu  zum  Heizen  der  Bäder  abgeliefert. 
In  901  und  1259  wird  das  Bad  als  das  des  Militärlagers  von  Oücpoov 
bezeichnet,  in  905  als  das  der  OTiEipa.  In  927  quittirt  ein  Chiliarch 
der  cohors  II  Thraeum  über  den  Emjjfang  von  ayupov  Srj^öatov. 
Auch  in  1168,  die  als  Xö^foc,)  «."/ßpou  bezeichnet  wird,  heisst  es: 
et;  xi?  xa[X£Övo'JS  äytü(Yal)  v.l,  äv(a)  u  !^  a  o'to.  Also  eine 
aywyTj  hat  damals  den  Wert  von  400  Kupferdrachmen.  Nach  einem 
unpublicirten  Berliner  Ostrakon  (P.  206)  kostete  im  II/III.  Jahrh. 
n.  Chr.  ein  yöfioc  a/üpou  48  Dr.:  xal  U7i(£pj  X'.[i,ris  YÖ([j.ü)vJ 
dxüp(ou)  p  SMS- 

*)  Woenig,  d.  Pflanzen  im  alten  Aegypten  S.  158  f.  Vgl.  aueh  ilarquarilt, 
Privatalt.  S.  637  (Mommsen), 

*)  In  einem  Wirtschaftsbuch  aus  dem  III.  Jahrh.  v.  Chr.  (Pap.  Sakkakini, 
Eev.  Egypt.  III)  wird  zu  jedem  Tage  notirt:  gyXa  J  Obol.  Ich  lasse  dahin- 
gestellt, ob  dies  zum  Heizen  verwendet  worden  ist.  —  Heutzutage  wird  vielfach 
der  Mist  der  grösseren  Haustiere  als  Brennmaterial  verwendet.  „Die  Mädchen 
kneten  den  Mist  zu  Kugeln,  welche  gegen  die  Aussen  wände  des  Wohnhauses 
geworfen  und  dadurch  abgeplattet  werden.  Die  Mistscheiben  (gille)  bleiben 
au  den  Wänden  haften  und  erhärten  dort",  v.  Fircks,  Aegypt.   1894,  I.  S.  207. 

n* 


104  IV.  KAl'ITEL. 


2~)  Etj  Ty,v  7:ap£iJ,ßo),Tgv.  Vgl.  1461.  Vergleicht  man  hiermit 
ilOl  und  1209,  so  liegt  die  Vermutung  nahe,  dass  auch  diese  Spreu 
zur  Feuerung  des  Bades  abgeliefert  wurde.  Dieselbe  Vermutung 
liegt  auch  bei  den  nächsten  Gruppen  nahe. 

3)  Elq   axplaxrjtxd;)  yptia.Q  eiXv]?  'HpaxXe'.avf/;.     Vgl.  1012. 

4)  Eis  xTjv  oTztZpoLw.  Vgl.  937,  943,  1015,  1453.  Dasselbe 
begegnet  auch  in  der  Form:  £15  xyjv  ywpir/V.  Vgl.  1014,  147G. 
In  1014  wird  mit  xa'jafioO  auf  den  Zweck  der  Verbrennung  hin- 
gewiesen.   In   1015  heisst  es:  eij  Oüslpav  ß  0pax(ti)v). 

5)  Ek   tOa,v.     Vgl.  906,    1464.      In   906   heisst  es  genauer: 

zl<;   X-?jV    Iv    KÖTtXü)    £0>,T;V. 

6)  Ei;  'i29ix°.  Vgl.  1458.  Welche  Auflösung  auch  zu  wählen 
sei,  jedenfalls  dürfte  der  Name  des  thebanischen  Stadtteils  'Q'^[ 
darin  stecken. 

7)  EiQ  IIop'.pup£x(.  .).  Vgl.  951.  Ueber  das  Porphyr-Gebirge 
siehe  Kap.  IX.  Vielleicht  handelt  es  sich  hier  um  eine  Lieferung 
l'ür  die  dort  stationirten  Truppen. 

8)  In  776,  1011  und  1258  quittiren  Soldaten  über  den 
Empfang  von  ayupov. 

9)  Ei;  xö  y.ail'Yjy.oy  d)(up(ixöv),  seil,  ziloc,.  Vgl.  738,  744, 
1352,  1501,  1519.  Das  Wort  xsXo;  ist  nur  in  1352  geschrieben. 
Diese  Ostraka,  die  .«ämmtlich  dem  IL  Jahrh.  vor  Chr.  angehören, 
während  alle  in  1 — 8  genannten  aus  der  Kaiserzeit  stammen,  be- 
gnügen sich  damit,  die  Spreulieferungen  als  eine  pflichtmässig  zu 
liefernde  Abgabe  zu  bezeichnen,  ohne  die  sjDezielle  Zweckbestimmung 
anzudeuten.  Beides  fehlt  in  Nr.  705,  707,  715,  751,  765,  810, 
854,  865  (xö  «xupdv  aou  x^;  a^j  rjTiipou),  866,  914,  1436,  1513, 
1514,  von  denen  nur  1436  der  Kaiserzeit,  die  anderen  der  Ptole- 
mäerzeit   angehören. 

Es  sei  nur  noch  hinzugefügt,  dass  die  Benutzung  der  Spreu 
zur  Feuerung  für  Aegypten  auch  durch  das  Wirtschaftsbuch  von 
Hermupolis  (Pap.  Lond.  CXXXI  Recto)  bezeugt  wird.  Vgl.  Z.  388: 
|ita&oO  spYÄXOu  xOjSaXs'jovxo;  äyupo(v)  a.nb  xfjC  inoiüXziüc,  bIc,  oIxov 
zk  xö  ßaXfavElov).  Aehnlich  Z.  433,  509,  6l3.  Vgl.  auch  BGU 
14  III  17:  dxuprjyoövxe;  octzo  äXwvEa;  ir.oixiou  £t;  ÜTiöxauatv 
xa|i.£tvo'j  Äouxpöv  övot  tß.') 

')  Belege  aus  den  Papyrus  Erzh.  Rainer  bei  Wesscly,  Dtnksclir.  Wien. 
Akiul.  42,  1898,  S.  9,  Anm.  2. 


§  22.     DIE    BADSTEUER.  165 


§  22.    Tzlp  ^aXavsiwv. 

Kür  Thüben  belegt  durch  Nr.  366— 36S,  ;!70,  i]?:!,  ;!74,  .".Td 
bis  378,  384,  386,  387,  389—391,  398,  401,  403,  405,  406, 
409,  411,  424,  425,  429,  436,  443,  453,  456,  462,'  463, 
469,  470,  474,  481,  483,  486,  4S8,  492,  501,  516,  518—520, 
525,  526,  532,  534,  53(),  538,  539,  542—544,  ,54(i,  548,  555, 
565— 5()7,  569,  570,  573,  582—584,  5S(;,  .591,  598,  617,  619, 
623,  62Ö,  634,  636,  641,  645,  651,  665—667,  780—782,  784, 
786,  789,  795—798,  807—812,  815,  818,  819,  835,  842—846. 
849,  853,  857,  862,  863,  871,  875,  877,  882,  885,  91  (i,  919, 
924,  928,  9.32,  955,  1020,  1032,  1033,  1035—1037,  1061,  1243, 
1251,  1252,  1287,  1289,  1321,  1368,  1370,  1373—1375,  1378, 
1380,  1392,  1393,  1400,  1402—1404,  1409.  1414.  141.5,  1417, 
1425.  142(),  1428,  1429.  1452,  1549,  1552,  15(!2,  15(;6.  Aus 
Elephantine-Syene  liegt  bis  jetzt  kein  Beispiel  vor. 

Der  Name  des  besteuerten  Objeetes  kt  iu  den  vorliegenden 
Texten  niemals  vollständig  ausgeschrieben.  Meistens  ist  nur  ßa^  oder 
ßa  geschrieben,  seltener  ßaXa  oder  ßaX«.  Am  weitesten  gehen  die 
Schreibungen  ßaXav^  (411)  und  ßaAav^i  (666,  1321,  1378).  Letztere 
geben  den  Schlüssel  ffir  das  Verständnis:  es  kann  sich  nur  um  ßaXa- 
vela,  um  Bäder,  handeln,  wofür  ßaXavfjSC  eine  vulgäre  Schreibung 
ist.^  Die  Abgabe  selbst  wird  nun  verschieden  bezeichnet.  Mau  zahlt 
entweder  if  öpov  ßaX(av££ou),  so  in  1368,  aus  der  Zeit  des  Augustus^), 
oder  t6  -ziloi  ßaXavi^(ou)  (1321),  oder  xö  tsXos  xgO  ßaX(av£Eo'j)  (1370), 
oder  u-lp  ßaXavr/o'j),  oder  endlich  xö  ßaX«,  ßa,  ß«.  Im  letzteren 
Falle  muss  eine  adjectivische  Ableitung  von  ßaXxvelov  gebildet 
werden.  Schon  im  Rheinischen  Jahrbuch  S.  250  habe  ich  die  Auf- 
lösung xö  ßaXavixöv  vorgeschlagen.  Wenn  ich  auch  zur  Zeit  keinen 
Beleg  für  diese  Form  beibringen  kann,  so  ist  es  mir  doch  nicht 
unwahrscheinlich,    dass    sie    hier    einzusetzen    ist.      Das   lateinische 


')  Man  könnte  sonst  nur  noch  au  eine  Ableitung  von  ßäXavoj,  Eichel, 
denken.  Eine  Steuer  ßaXavri(pöv)  oder  pa?,avr,(pai  Hesse  sich  wohl  denken. 
Aher  ßaXav-   und  namentlich  ßaXv^    (583)  sprechen  für  ßaXavEicv. 

^)  $opog  wird  hier  kaum  als  Pachtzins  zu  fassen  sein,  denn  in  1370 
(gleichfalls  aus  Augustus'  Zeit,  vielleicht  von  demselben  ßaXavsus  'ÄTioX^  ge- 
sehriebenl  steht  an  der  entsprechenden  Stelle  zö  teX(o;)  toü  ßaX(avs;ou).  Freilich 
wäre  ja  trotzdem  möglich,  dass  er  in  1368  den  Pachtzins  für  ein  verpachtetes 
Bad  erhöbe. 


IGl]  IV.  KAPITKL. 


balneatinnn  kommt  einmal  vor,  in  583,  wo  ßxAve  geschrieben  ist. 
was  wohl  nicht  anders  als  ßaXv£(aT[.x6v)  aufgelöst  werden  kann. 
In  vielen  Fällen  kann  man  .schwanken,  ob  man  j3aX(av£tou)  oder 
ßaX(aytx6v)  auflösen  soll,  so  nach  uTisp.  Ich  habe  im  Textdnick 
meist  da.s  letztere  gethan,  doch  kommt  nicht  viel  darauf  an. 

Was  bedeutet  nun  diese  Abgabe  für  die  „Büder"?  Unter  bat- 
neaticum  versteht  man  sonst  das  Badegeld,  das  man  für  die  (ein- 
malige) Benutzung  eines  öflentlichen  Bades  zu  zahlen  hatte.  Da? 
ist  z.  B.  im  Papyrus  Sakkakiui  gemeint  mit  der  Bemerkung:  „ßaXavsI 
so  und  so  A-iel"  (Revillout,  Rev.  Egypt.  III  S.  121).  Diese  Be- 
deutung ist  hier  aber  schon  durch  die  Varianten  mit  tIXo;  ausge- 
.«chlossen.  Wir  haben  es  vielmehr  mit  einer  Abgabe  zu  thun,  die 
immer  für  ein  ganzes  Jahr  zu  zahlen  war.  Vgl.  tö  ßaX(av;x6vl 
Toij  X.  SToUfe.  Daher  wird  sie  auch  meist  durch  die  üblichen  Steuer- 
behörden einkassiit,  so  durch  den  Ttpxy.TWp  ßaXfavixoü)  (ÜHO,  10o7) 
oder  TipaxTtop  ipyup'.v.YjQ  (passimj,  und  daher  geht  auch  das  Geld  meist 
an  die  königliche  Bank  (vgl.  .3G6ff).  Ein  TipazTWp  ßa?.aVciou  ^'.Xoi.'(p'.ooz 
begegnet  in  den  arsinoitischen  Tempelrechnungen  (BGU  362  pag.  1,24). 
Nur  in  1368  und  1370,  die  beide  aus  der  Zeit  des  Auguslus  stammen, 
und  in  12()3,  aus  der  Zeit  des  Tiberius,  trägt  der  Erheber  einen  Sjie- 
zialtitel,  der  mit  ßa''  beginnt. i)  Wir  werden  daher  in  dem  ßaXavtxöv 
eine  Steuer  zu  sehen  haben,  und  die  schwierige  Frage  ist  nur  die, 
wer  zu  dieser  Steuer  verpflichtet  war.  Wurde  sie  von  allen  Orts- 
angehörigen gezahlt?  Dafür  könnte  sprechen,  dass  sie  gelegentlich 
als  Abgabe  des  und  des  Ortes  bezeichnet  wii-d.  Vgl.  862:  t6 
ßaX(avtxöv)  'Qcfir^ou.  Dann  könnte  man  vielleicht  annehmen,  dass 
die  Steuer  erhoben  wurde,  um  dem  Staate  ein  Aequivalent  zu 
bieten  für  die  Unkosten,  die  die  Instandhaltung  öffentlicher  Bäder 
verursachte.  Jlan  konnte  eine  solche  Abgabe  mit  demselben  Recht 
ein    ßaXavixdv    nennen,    wie    man    mit   yw[jiaT'.xdv    diejenige  Steuer 


')  Man  möchte  ein  Wort  bilden,  das  den  Erheber  des  ßa>.av'.xov  bezeichnete 
—  etwa  ßaX(avE'.oitpä>cx(i)p) ,  nach  Analogie  von  dxupoTcpäxxop.  Doch  das 
Nächstliegende  bleibt,  wie  im  Text  vorgeschlagen  ist,  ßaX(av£0;)  zu  lesen.  Man 
könnte  danach  annehmen,  dass,  als  Augustus  die  Steuer  einführte  (s.  unten),  er 
die  Erhellung  der  Jahrcsgelder  (hier  cfdpo;  und  TsXog  genannt)  zunächst  noch  dem 
Bademeister,  dem  ßaXavEÜs,  überliess,  der  ja  auch  vorher  die  einzelnen  Badegcldei 
(balneatica)  eingezogen  hatte.  Später  wurde  dann  auch  diese  Erhebung  den 
ordentlichen  Stcuercrhebern,  den  npäy.xofsf,  überwiesen. 


?^  22.     WK    1^AU!^TEUKK.  167 


bezeichnete,  die  die  Uukosten,  die  durch  die  Instandlialliiug  der 
Dämme  verursacht  wurden,  decken  helfen  sollte.  Ob  dann  für 
die  Benutzung  des  Bades  im  einzelnen  Falle  ein  Eintrittsgeld  zu 
bezahlen  war,  lasse  ich  dahingestellt.  Andrerseils  bleibt  die  Möglich- 
keit, dass  die  Abgabe  nur  von  denen  erhoben  wurde,  die  das  Bad 
benutzten.  Dann  wäre  das  ßaXavtxdv  iiu  Grunde  doch  nichts  anderes 
als  das  balneaticum,  das  Badegeld,  das  in  Form  einer  Steuer  in 
einer  Pauschalsumme  pro  Jahr  erhoben  wurde.  Ich  sehe  in  unseren 
Texten  bis  jetzt  leider  keine  Handhal)e,  um  diese  Frage  mit  Sicher- 
heit zu  entscheiden.  Ehe  wir  sie  weiter  untersuchen,  sei  auf  einen 
singulären  Ausdruck  in  ÜlT  hingewiesen.  Da  wird  quittirt  ünep 
(ji£p;a(|i.0'j )  ßaAiaveJwv)  ouo.  Dass  das  nicht  bedeuten  kann  „für 
zweimalige  Benutzung  des  Bades",  ist  klar.  Es  bleibt  wohl  nur 
übrig,  anzunehmen,  dass  es  in  dem  beti-effenden  Orte  zwei  Bade- 
anstalten gab,  für  die  die  jährliche  Abgabe  zu  erheben  war.  Es 
ist  dies  der  einzige  Fall,  in  dem  die  Zahl  der  Bäder  angegeben 
ist  Diese  Stelle  könnte  die  Deutung  nahelegen,  dass  unser  ßa- 
Xavtxov  nichts  anderes  wäre,  als  das  Pachtgeld,  das  die  [itail'WTal 
ßaXavsiO'j  aus  den  Eintrittsgeldern  aufzubringen  und  an  den  Eigen- 
tümer abzuliefern  hatten.  In  diesem  Falle  hier  hätte  der  Zahler 
zwei  Bäder  gepachtet.  Wiewohl  sprachlich  gegen  diese  Erklärung 
nichts  einzuwenden  ist  —  xo  ßaXav.xöv  x&O  x.  ziouq  wüi'de  gut 
dazu  passen  — ,  ist  sie  aus  sachlichen  Gründen  zurückzuweisen. 
Vor  allem  sind  die  Summen,  die  hier  gezahlt  werden,  viel  zu 
klein,  als  dass  wir  an  die  Ablieferung  des  Pachtgeldes  denken 
könnten  (s.  unten).  Auch  müsste  ja  danach  eine  Unmasse  von 
Bädern  für  Theben  angenommen  werden. 

Zumal  die  Ostraka  trotz  ihrer  grossen  Zahl  über  die  Natur 
des  ßa/.xvixöv  so  wenig  lehren,  sei  hier  kurz  auf  die  Angaben 
der  arsinoitischen  Tempelrechnungen  verwiesen  (vgl.  Hermes  XX 
4.")U  fi'.  und  BGXJ  ;)(!2).  Da  sind  zweierlei  Abgaben  für  das 
ßaÄavelov  des  faijümischen  Dorfes  ^tXaypi's  zu  unterscheiden : 
1)  die  ä-ocpopa  ßaXavcJcj  xwfXTjj  ^i^ayfiSoc.  Diese  ist  ver- 
pachtet au  einen  [j.iatl'WTris  (p.  IX  2).  2)  das  xiXsa^a,  das  der 
Tempel  des  Jupiter  Capitolinus  zu  Arsinoe  für  dasselbe  ßaXaveiov 
zahlt.  Vgl.  15.  VI  21,  X  24.  Dieses  wird  von  einem  upäxtwp 
erhoben.  Vgl.  jj.  I  24.  Wie  kommt  der  Jupitertempel  in  Arsinoe 
dazu,   die   letztere  Abgabe  zu  bezahlen?   Ich   habe  im  Hermes  XX 


168  IV.  KAPITEL. 


S.  450  angenommen,  dass  die  Dörfer  Tpixcofii'a,  Ilupptlx  u.  s.  w., 
für  die  er  gleichfall.s  xsXlajjLata  oder  Syjfioata  -ceXiaixaxa  zahlt, 
Eigentum  des  Tempels  gewesen  seien.  Ich  möchte  diese  Ansicht 
heute  dahin  niodificiren,  dass  der  Tempel  in  den  hetreffenden  Dörfern 
Grund  und  Boden  oder  Fabriken  oder  andere  Steuerobjectc  besessen 
habe,  für  die  er  die  Steuern  zu  zahlen  hatte.  Denn  dass  die  ge- 
sammten  Dörfer  ihm  gehört  hätten,  wird  durch  den  Text  nicht 
indieiit,  und  wird  durch  die  niedrigen  Summen,  die  er  zahlt,  jedenfalls 
nicht  wahrscheinlich.  Im  Dorfe  OtXaYP''?  gehörte  ihm  jedenfalls 
nur  die  Badeanstalt.  Denn  dass  er  etwa  als  Grundbesitzer  in  diesem 
Dorfe  auch  zu  dem  ßaXaviy.ov  habe  beitragen  müssen,  und  dass 
mit  anderen  Worten  dies  iiXea\i.x  unserer  Abgabe  gleichzusetzen 
sei,  wird  u.  A.  dadurch  ausgeschlossen,  dass  von  einem  Grundbesitz 
in  (iJiXaypt;  nie  gesprochen  wird.  Wir  gehen  daher  wohl  nicht 
fehl  in  der  Annahme,  dass  das  TeXssfia  die  Steuer  ist,  die  der 
Tempel  als  Eigentümer  der  Badeanstalt  zu  zahlen  hat,  dass  die 
von  ihm  verpachtete  ömo^opä.  dagegen  eine  Abgabe  ist,  die  er  von 
den  Bewohnern  von  OtXaypt?  erhob,  ebenso  wie  der  Kaiser,  nach 
unserer  obigen  Deutung,  ein  ßaXavtotov  in  den  Thebänisclien  Dörfern 
einforderte.  Wir  setzen  also  die  auocpopa  unserem  ßaXavcxov  gleich. 
Leider  giebt  auch  dieser  Papyrus  keine  Antwort  auf  die  Haupt- 
frage, ob  nur  diejenigen  zur  Zahlung  verpflichtet  waren,  die  das 
Bad  benutzten,  oder  ob  alle  Bewohner  des  Dorfes  herangezogen 
wurden. 

Wir  haben  noch  nachzutragen,  dass  das  jBaXavixöv  nicht  in 
allen  Nummern  von  den  kaiserlichen  Steuereinnehmern,  den  npiy,- 
xope;  ßaXavtxoü  oder  häufiger  äepyuptx'^s  (einmal  1061  äuaixTjTYjj 
HepiOjjioö  ßaXavixoü)  erhoben  wird,  sondern  in  einer  grossen  Zahl 
von  Fällen  vielmehr  von  den  xsAwvao  oder  eTHXYjpyjxal  {hjaaupoiJ 
Espöv  (vgl.  780  ff.).  Hier  handelt  es  sich  also,  wie  es  scheint,  um 
Badeanstalten,  die  nicht  von  der  kaiserlichen  Regierung,  sondern 
ganz  wie  in  dem  Berliner  Papyrus,  von  den  Tempeln  unterhalten 
wurden.  Das  ßaXavtxöv,  das  hier  von  xeXwvat  erhoben  wird,  gleicht 
also  jener  dmocpopä.,  die  in  dem  Papyrus  der  in  Diensten  des  Tempels 
stehende  jjuaS-wxi^s  einzog.  Die  XEXwvat  thjaaupoO  Espwv  unterlassen 
es  leider  fast  regelmässig,  die  Summe  zu  nennen.  Nur  an  zwei  Stellen 
wird  sie  genannt  (1251,  1252)  und  da  werden  nicht,  wie  man 
nach    dem    Titel    der    Männer    schliessen    sollte,    Artaben,    sondern 


§  22.     DIE    BADSTEUEK.  lÜ'J 

Drafliinen  genannt.  Anf  diese  schwierige  Frage  werden  wir  in 
Kap.  VI  einzugehen  haben. 

Versuchen  wir  endlidi,  ob  unsere  Texte  uns  über  die  Höhe, 
in  der  diese  Steuer  dem  Einzelnen  auferlegt  wurde,  Auskunft  geben. 
Die  Untorsuchung  wird  wiederum  dadureli  erschwert,  dass  wir  meist 
nicht  mit  Sicherlieit  sagen  können,  ob  Katen  oder  Jahresbeiträge 
vorliegen.  Auffüllig  ist,  dass  gewisse  Summen,  wie  1  Drachme 
l^/o  Obolen,  ferner  4^/5  Obolen  oder  auch  2  Drachmen  so  sehr 
häu^g,  auch  bei  verschiedenen  Personen,  wiederkehren.  Viel- 
leicht gelingt  es  einem  Anderen,  das  Princip,  nach  dem  die 
Höhe  berechnet  war,  aus  den  erhaltenen  Zahlen  zu  eruircu.  Ich 
möchte  die  Frage  noch  offen  lassen,  bemerke  aber,  dass  es  nicht 
unmöglich  ist,  dass  auch  diese  Abgabe,  ähnlich  wie  die  XaoypacpJa, 
innerhalb  der  Ortschaften  in  gleicher  Höhe  erhoben  wurde  —  aber 
vielleicht  zu  verschiedenen  Zeiten  in  verschiedener  Höhe.  So  zahlt 
z.  B.  Kaixrjxi?  XlExsapTipeo'j;  in  Noxo?  xal  Al'Ij  sowohl  im  J.  69/70 
als  84,5  je  4  Drachmen  (42!*,  4ß3),  während  'Aßw;  TipEaß'jxepo; 
Ifsxoatpioj  an  die  Steuerbeamten  von  Charax  sowohl  134/5  als 
aiich  ]37/8  und  139/40  je  2  Drachmen  1/2  Obolen  2  Chalkus  zahlt 
(570,  583,  598).  Diese  letztere  Summe  zahlt  aber  auch,  gleichfalls 
für  Charax,  'Etccüvuxo?  Kafjnrjxto?  im  J.  132/3  (555).  Das  sieht 
doch  aus,  als  sei  das  damals  der  Satz  für  Charax  gewesen.  In 
der  früheren  Zeit  scheint  man  in  Charax  weniger  gezahlt  zu  haben; 
da  sind  die  häufigsten  Sätze  4V3  Obolen  oder  1  Drachme  l^/j  Obolen 
oder  auch  1  Drachme  4  Obolen.  Andrerseits  ist  bemerkenswert,  dass 
der  höchste  Satz,  der  sich  bis  zum  II.  Jahrhundert  findet,  6  Drachmen 
4  Obolen  vom  J.  108/9  auf  die  Ortschaft  Apx(.  .  .)  beschränkt  ist, 
von  der  uns  keine  anderen  Sätze  vorliegen.  Die  hohe  Summe  von 
8  Drachmen,  die  sich  in  065  findet,  mag  sich  durch  das  Datum  — 
244/5  —  erklären.  Sollte  sich  diese  Auffassung  bestätigen,  so  hätten 
wir  anzunehmen,  dass  das  ßaXavL>iöv  nach  Analogie  des  Kopfgeldes 
aufgelegt  war.  Wie  weit  sich  diese  Analogie  erstreckte,  lässt  sich 
noch  nicht  sagen.  —  Völlig  rätselhaft  bleibt  mir  einstweilen  die  xp'!xTj 
iJaXavstou,  die  in  dem  noch  unpublicirten  Berliner  Papyrus  P.  1394 
(Zeit  des  Antoninus  Pius)  begegnet.  Zwölf  Drachmen  werden  dafür 
gezahlt.    Ebenda  wird  gebucht:  Trp[o;6o(wv)  ßajXxveiO'j  +  pq  dxo. 

Endlich  haben  wir  noch  darauf  hinzuweisen,  dass  die  Belege 
für  diese  Steuer  sämmtlich  der  Kaiserzeit  angehören,  von  Augustus 


170  IV.  KAPITEL. 


bis  zu  den  Philippi.  Für  die  Ptolemäorzpit  liat  sich  bisher  kein 
Beispiel  gefunden.  BaXaveTa  hat  es  sell)stvcrständlich  aucli  schon 
in  der  Ptolemäerzeit  gegeben  (vgl.  z.  B.  Mahaffy,  Flind.  Petr.  Pap.  II 
S.  32).  Aber  wir  wissen  nichts  von  einer  ähnlichen  Abgabe,  die 
darauf  lastete.  Man  mag  damals  einfach  ein  Badegeld  im  einzelnen 
Falle  gezahlt  haben.  Vgl.  oben  das  Citat  aus  dem  Papyrus  Sakkakini. 
Es  hat  danach  den  Anschein,  dass  erst  Augustus  diese  Steuer 
eingeführt  hat.  Auf  römischem  Gebiet  möchte  ich  an  das 
publicum  Inierdmnitum  vedkjul  huhicarum  (CIL  IX  5144)  erinnern. 
Vgl.  dazu  Marquardt,  Privatl.  d.  Römer  I-.  S.  273. 

In  der  römischen  Zeit  scheint  die  Verbreitung  der  Bäder  in 
Aegyjiten  eine  sehr  grosse  gewesen  zu  sein.  Nicht  nur  in  den  Städten, 
auch  in  den  Dörfern  waren  Badeanstalten  zu  finden.  Vgl.  ausser 
den  schon  oben  berührten  Beispielen  BGU  ISl,  12:  Iv  iw'.  £v  7M\).r^ 
Baxy.äooc  ,jaXav£iwi.  Ueber  Militärbäiler  vgl.  oben  S.  163  f.  Für 
den  mempliitischen  Gau  vgl.  Pap.  Leijjz.  27  Recto  5:  ßaXav[,  wo 
Wessely  ßaXXe  liest.  Auch  auf  dem  Gutshof  bei  Hermuj)olis,  der 
uns  durch  Pap.  Lond.  CXXXI  Recto  (vom  J.  78/9  nach  Chr.)  so 
nahe  gerückt  ist,  spielt  xö  ßaXavsTov  eine  Rolle.  Vgl.  Z.  24,  306, 
335  u.  s.  w.  Für  die  b^-zantinisehe  Zeit  vgl.  Paji.  Lond.  CXIII  6'' 
(vom  J.  633  n.  Chr.),  wo  ein  %zp\.yjjii]z  Syj[io(atou)  ßaXavEou  aus 
Ar.<innc  begegnet.  Derselbe  in  einer  Urkunde  bei  Wessely,  Denkschr. 
AVien.  Akad.  1880,  S.  23',t.  Die  öti'entlichen  Bäder  von  Alexandrien 
nennt  noch  das  XIII.  Edict  Justinians  (c.  14).  Diese  Bäder  sind 
ein  Kennzeichen  der  hellenistischen  Kulturl 

§  23.     TTtsp  yJsipMva^iou)  ßaXav£UT(ü)v). 

Für  Theben  durch  Kr.  527  (vom  J.  120/1  n.  Chr.)  belegt.  Der 
ßaXxveuTTj;  (gewöhnlicher  ßaXavs'Jc)  ist  der  Bademeister.  Das 
y^£tp(!)vx;;ov  ßaXav£'jxöi)v  ist  also  die  Gewerbesteuer,  die  er  für  die  Aus- 
übung seines  Geschäftes  zu  zahlen  hat.  Ueber  die  Höhe  der  Steuer  lässt 
sich  aus  diesem  einzelnen  Falle  nichts  erschliessen.  Zur  Gewerbesteuer 
im  Allgemeinen  vgl.  unten  §  135.  Es  ist  dies  in  unserer  Sammlung 
das  einzige  Beispiel  einer  Verwendung  des  Wortes  yscpwvaEiov  inTheben. 

g  21.     TeXo?  ßacfswv. 

Für  Theben  belegt  durch  700  (184/5  nach  Chr.),  1068  (1711 
n.  Chr.)  uiiil    1516  (141/0  vor  Chr.). 


S  22^  2b.  171 

Diese  von  den  „Färbern" ')  erhobene  Steuer  (in  der  Kaiserzeit 
als  TsXo?  bezeicluiet)  ist  als  Gewerbesteuer  zu  betrachten.  Ueber 
die  Höhe  der  Abgabe  lässt  sich  aus  diesen  drei  Quittungen  nichts 
Sicheres  gewinnen.  In  der  ptolemäischen  Quittung  1516  ist  nur 
gesagt,  wieviel  der  Steuerpäehter  in  dem  betreöcndcn  Monat  au  die 
Bank  gezahlt  hat.  Aus  1068  geht  hervor,  dass  auch  die  Färber- 
steuer, wie  die  anderen  Gewerbesteuern,  monatlich  berechnet  war. 
Vgl:  "Ea5(ov  —  tö  y.aS-(fjxov)  Te>.(oj)  [iYjVÖ(g)  Oufl-.  So  stehen 
diese  Ostraka  mit  unserer  Haupturkunde  über  Gewerbesteuer,  BGU  9, 
im  Einklang,  die  uns  zugleich  belehrt,  dass  damals,  Ende  des 
III.  Jahrh.  nach  Chr.,  die  Gewerbesteuer  der  Färber  ])ro  Jlonat 
24  Drachmen  betragen  hat  (vgl.  Col.  II  7  AT.).  Ob  dieselbe  Summe 
auch  schon  Ende  des  IL  Jahrh.  n.  Chr.  (Nr.  700  und  1068)  normirt 
war,  lasse  ich  dahingestellt.  Immerhin  werden  die  8  Drachmen 
4  Obolen  in  Nr.  700  sehr  wahrscheinlich  nur  eine  Rate  darstellen. 
Zur  Gewerbesteuer  im  Allgemeinen  vgl.  unten  §  135. 

§    25.       To    TOÖ    ßoYj^OÖ    TSAOC. 

Für  Koptos  belegt  durch  Nr.  1084  und  1089. 

BoTj-S-og  ist  eine  ganz  allgemeine  Bezeichnung  für  denjenigen, 
der  einem  Anderen  helfend  zur  Seite  steht.  Dass  in  dem  obigen 
Ausdruck  der  ßorj{>'6;  das  Steuerobject,  nicht  das  Steuersubject  ist, 
ist  sicher.  Unklar  ist  dagegen,  auf  wen  der  ßor/i^o;  zu  beziehen 
ist.  Man  hat  zwei  Möglichkeiten.  Entweder  bezieht  man  ihn  auf 
die  xaaaoTiotot,  denen  hier  die  Zahlung  ihrer  Gewerbesteuer  quittirt 
wird:  dann  würde  die  Abgabe  dafür  erhoben  sein,  dass  sich  der 
betreffende  xaaaoTiotoj  einen  [Boy]^^ös,  sagen  wir  einen  Geschäfts- 
führer oder  dgl.  hielt.  Oder  aber  man  bezieht  ihn  auf  den  quit- 
tirenden  Beamten,  den  Pächter  dieser  Gewerbesteuer:  dann  würde 
die  Abgabe  für  die  Mühewaltungen  dieses  Secretärs  des  Steuer- 
pächters resp.  als  Beitrag  zu  seiner  Salarirung  erhoben  werden. 
Letzteres  ist  mir  wahrscheinlicher.  Jedenfalls  sind  uns  solche  ßoYj&ot 
als  Secretäre  der  Steuererheber  gerade  durch  die  Ostraka  bekannt 
genug.     Vgl.  Kap.  VI. 


')  Ueber  die  Färberei  im  Altertum  vgl.  H.  Blümner,  Technologie  I  S.  215, 
im  Besonderen  220,  wo  über  die  aegyptisohe  Färberei  auf  Grund  von  Plinius  XXXV 
150  gehandelt  wird. 


17:3  IV.  KAPITEL. 


§  26.     Tiloc,  yspOLOV. 


Für  Theben  belegt  durch:  476,  574,  650,  660,  664,  680,  1040, 
1059,   1060,   1063,  1064,  1067,    1073,  1077,  1332,  1410,  1551. 

TipO'.oc  ist  eine  in  Aegyi>ten  häufige,  sonst  seltene  Bezeich- 
nung fiii"  den  Weber. i)  Das  xeX&g  yspScuv  ist  also  die  Gewerbe- 
steuer, die  die  Weber  für  die  Ausübung  ihres  Gewerbes  zu  zahlen 
hatten.  Ueber  die  Gewerbesteuer  im  Allgemeinen  vgl.  §  135.  Die 
Steuer  wurde  erhoben  durch  TsXövat  yepoCiaxoO)^),  die  auch  einmal 
■csXwvat  ieXous  YspSctov  heissen  (1067),  oder  durch  £7itir,pyjTal 
"j'£p5(taxoO)  (664). 

Die  Höhe  dieser  Gewerbesteuer  zu  berechnen  wird  dadurch 
erschwert  oder  unmöglich  gemacht,  dass  die  thebanischen  Schreiber 
nicht  wie  die  elephantinischen  die  Schlusszahlungen  als  solche  be- 
zeichnen. Wir  sind  daher  immer  in  Zweifel,  ob  wir  es  mit  Voll- 
zahlungen oder  Katenzahlungen  zu  thun  haben.  In  einigen  Fällen 
sollte  man  nach  dem  Wortlaut  annehmen,  dass  es  sich  um  Ersteres 
handelt.  Vgl.  650:  iy^onty  —  uTisp  t£[Xgu;]  ITaj^wv  [na]olvo  — 
Drachmen  4.  Vgl.  auch  1332:  Ersy^(o\itv)  —  x6  X£X(o;)  uu(kp) 
}jiT](v(I)v)  ©wö-  <l>a(I)y:  'Axi-üp  —  6  Drachmen.  Vgl.  endlich  660: 
lax(o[i.£v)  —  'J7^(£p)  äpt9'(jiyja£Wi;)  <I>a|i£V(b^  xai  Oap|ioO&t  xö 
X£X(os)  —  Drachmen  7  Obolen  1.  Hiernach  möchte  man  in  den 
beiden  ersten  Fällen  je  2  Drachmen,  im  dritten  je  3  Drachmen 
3'/,  Obolen  als  Normalsumme  pro  Monat  annehmen.  Das  Divergiren 
der  Zahlen  würde  zu  der  Annahme  fuhren,  dass  in  verschiedenen 
Jahren  die  Summen  verschieden  hoch  berechnet  waren.  Aber 
wahrscheinlicher  ist  mir,  dass  nur  die  Ausdrucksweise  des  Schreibers 
incorreet  ist,  und  dass  diese  Summen  doch  nur  als  Raten  aufzufassen 
sind.  Nach  664  werden  für  einen  Monat  allein  8  Drachmen  von 
einer  Person  gezahlt,  und  in  1551  wird  eine  Zahlung  von  4  Drachmen 
für  einen  Monat  ganz  unzweifelhaft  als  Rate  bezeichüet  {ä-b  xoö 
xeXo'jj  xoö  Toßi).  Dazu  kommt  nocli  eine  Nachtragszahluug  von 
2  Drachmen,  sodass  hier  mindestens  6  Dracliijien  den  Monatsbetrag 
ausmachen. 


')  Vgl.  II.  Bliininer,  Technologie  I   S.  Ifil. 

'-)  So   wird   aufzulösen    sein,   nicht   yspSluv,    wie    ich  im  Textdruck  meist 
getlian  habe.    Die  Form  ■{Bfd'.a.v.iy  entnehme  ich  dem  Berliner  Papyrus  P.  1500. 


§  ■J{\.    DIK  WEBEESTEUEH.  —  §  27.    l'ÜU  IHK  L.VXDVEEMESSUXG.     173 


s 


Die  Webersteuer  Ijegegnct  ausserdem  im  Berliner  Pa])vnis 
P.  1500  aus  dem  Faijum  (III.  Jalirh.  u.  Chr.),  und  zwar  unter  dem 
Xamen  YspS'.axdv.  Sie  wird  hier  sowohl  für  die  (lYjxpözoXts  (Arsinoe) 
wie  für  den  vo|i6s  (Herakleidesbezirk  etc.)  bezeugt.  Die  Weber 
waren  also  über  den  ganzen  Gau  verbreitet.  Auch  in  BGU  471,  1 
(IL  Jahrh.  n.  Chr.  Faijiim)  ist  mit  den  Worten  r.xpx  '(zpo'.wy  auf 
-ie  hingewiesen.  In  BGU  617  zahlen  eine  Weberin  und  in  I'ap. 
Grenf.  (II)  LX  ein  Weber  ihr  ysipwvä^tov.  Doch  ist  nicht  klar 
zu  erkennen,  ob  die  gezahlten  Summen  sich  nur  auf  diese  Gewerbe- 
steuer, oder  auch  auf  die  daneben  genannte  xoTi^  "^P'X^S  beziehen. 
Vgl.  unten  §  181.  Der  Ertrag  dieser  Webersteuer  rauss  bei  der 
grossen  Blüte  und  Bedeutung  der  Weberindustrie  in  Aegypten  kein 
geringer  gewesen  sein.') 

§  27.    Ttop  Ysa)|Ji£xp(a$. 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  513,  576,  587,  593—595,  599, 
677,  685,  688,  699,  1292,  1406,  1423,  1427,  1434,  1435,  1448, 
1470,  1561,  1572,  1579,  1581. 

Während  die  meisten  Texte  sich  Abkürzungen  erlauben,  bieten 
599  und  1435  das  Wort  ^eontzplxc,  (sie)  ausgeschrieben.  Auch 
in  dem  nicht  publicirten  Berliner  Ostrakon  P.  4362  findet  sich 
bnip  Y£W(j.£xp£ag. 

Es  besteht  wohl  kein  Zweifel,  dass  u~zp  Y£W[i,£TpEa;  der  all- 
gemeinere Ausdruck  für  eine  Abgabe  ist,  von  der  die  ÜTcäp  yso)- 
[itxpix^  ä|i7t£Xü)V(j)v  und  ^oivixwvtüv  (vgl.  §  12  und  §  131)  nur 
Spezialisirungen  darstellen.  Es  kann  sich  überall  nur  um  dieselbe 
Steuer  handeln.  Wir  haben  nun  schon  oben  darauf  hingewiesen, 
dass  die  Abgabe  u~kp  Y£W[i£xpta;  d[i7:£X(i)Vü)v  in  mehreren  Fällen 
nachweisbar  in  derselben  Höhe  erhoben  wird  wie  die  imep  a|ji:i£Xa)V(üv, 
d.  h.  wie  die  Grundsteuer  für  Rebenland,  und  bemerkten  schon  oben, 


^)  Büchsenschütz,  die  Hauptstätten  d.  Gewerbfleiss.  S.  62/3.  Für  die 
alten  Zeiten  vgl.  Erman,  Aegypten  S.  594  ff.  Wiedemann,  Herodot  II  S.  147  ff. 
—  Ein  Y^pS'.os  unter  den  Jipsagüxspoi  des  Dorfes  Muohis  im  Faijüm  BGU 
6,  13.  Mehrere  ylpöioi  auch  in  Ptolemais  Honiios  im  Faijüm,  nach  der  Charta 
Borgiana,  vgl.  III  10,  IV  13,  VII  34,  wo  überall  yspäi;  statt  J.äpS'.s  zu 
lesen  ist.  Sollte  das  rätselhafte  'OpS-oütpou  im  Pap.  Grenf.  (II)  LXXIX  1,  3 
vielleicht  öpS-oO^ou  zu  lesen  sein  (vgl.  XivoUcpo;)  und  eine  Weberspezijdität 
bezeichnen  ? 


174  IV.  KAPITEL. 


dass  liier  -wahrscheinlich  nur  zwei  verschiedene  Ausdrücke  für  ein 
und  diesellje  Sache  vorliegen.  Auch  ein  Blick  auf  Nr.  1301  be- 
stätigt diese  Annahme.')  ^^'ir  werden  danach  auch  in  den  hier 
vorliocrcndcn  Urkunden  Quittungen  über  Grundsteuer  sehen,  und 
es  fragt  sich  nur,  wie  es  denn  möglich  ist,  dass  Zahlungen  für  die 
Grundsteuer  als  ÖTiep  yscöpiexpiag  geleistete  bezeichnet  werden  können. 
Wir  werden  unten  §  46  ausführlicher  darlegen,  wie  die  Um- 
legung der  Grundsteuer  auf  der  Katastrirung  des  Bodens  beruhte. 
Diese  Katastrirung  aber  basirte  auf  der  yetojisTpi«,  der  Thätigkeit  der 
Y£())[ieTpa:,  der  Feldmesser.  Sowohl  Klassikertexte  als  auch  Urkunden 
lassen  uns  keinen  Zweifel  darüber,  dass  diese  Kataster  in  Aegypten 
sclion  seit  den  ältesten  Zeiten  geführt  worden  sind,  dass  aber  auch 
durch  die  alljährlichen  Nilüberschwemmungen,  die  vielfech  die  alten 
Grenzen    der   Grundstücke   veränderten    und    andrerseits   alljährlich 


')  Die  Abgabe  &7rsp  yEiojis-pia;  ist  mir  sonst  nur  noch  in  BGU  5V2 — 574 
begegnet,  einer  Liste  aus  dem  Anfang  des  III.  Jahrhunderts  nach  Chr.,  in  der 
in  alphalietischer  Folge  Grundbesitzer  mit  ihren  in  Geld  zahlbaren  Steuern  auf- 
gezählt sind.  Nach  Angabe  des  Umfanges  der  Grundstücke  (es  begegnen 
eXaiäve?,  äjiTtslüivES  und  ■napaSs'.aoi)  wird  der  Steuerbetrag  genannt,  und  zwar 
begegnen  folgende  verschiedene  Arten:  1.  Et5(ö)v).  2.  Ysa)(]i£ip£a5).  3.  v^  = 
TxevxTjXoaxiis.  4.  r,^  =  d-cäö^i?-  So  viel  ist  wohl  a  priori  sicher,  dass  einer 
dieser  Posten  die  Grundsteuer  bezeichnen  muss.  Die  beiden  letzten  scheiden 
aus,  da  die  Grundsteuer  nicht  als  Ertragsquote  erhoben  wird.  Man  kann  nur 
schwanken  zwischen  eidiöv  und  YSions-pias.  Gegen  die  Fassung  von  £l5og  als 
(jrundsteuer  spricht  aber  Folgendes: 

a.  In  Contracten  wird  mehrfach  von  dem  verkauften  Grundstück  aus- 
gesagt, dass  es  7ia8-apiv  äno  5r,|ioato)v  -xal  :;KVTd;  Ei5ou;  sei.  Vgl.  BGU  197,  14; 
227,  19;  237,  LS.  Hier  sind  mit  den  5rj|i6o:a  oö'enbar  die  nauptsteuern  (Grund- 
steuer und  Annona)  gemeint,  mit  Ttavxo;  (!)  eTSo'j;  aber  sonstige  Abgaben  oder 
Gebühren.  Vgl.  auch  BGU  334,2:  ÜTiEp  |iovo5Ea[i(vj;)  y^op-cmy  xai  äXXoJV  ixtüv 
(■=  Eiäffiv).  Vgl.  auch  236,  9,  wo  zavxif  siäouj  hinter  dem  äpif>|iYjTtx6v  ge- 
nannt  wird. 

1).  Die  im  obigen  Text  für  die  e'ioYj  gezahlten  Summen  sind  für  die  Grund- 
steuer entschieden  zu  klein.  So  werden  in  574,  5  für  mehr  als  71  Aruren  nur 
ca.  29  Drachmen  gezahlt,  also  pro  Arure  noch  nicht  4  Drachmen.  Das  ist  als 
Grundsteuer  ganz  undenkbar.  Vgl.  auch  573,  3.  Dagegen  passt  der  für  die 
YEO)|iexp(a  sich  ergebende  Betrag  durchaus  zu  den  für  die  Grundsteuer  bekannten 
Sätzen.  So  werden  in  572,  7  ungefiihr  36  Drachmen,  und  ebenda  10  ungefähr 
45  Drachmen  pro  Arure  gezahlt. 

Ich   komme  somit  zu  dem  Resultat,  dass  auch  dieser  Papyrus  dafür  sjiricht, 
dass    wir    in    der   Abgabe    ü-sp   ystoiiEXpJaj   die    Grundsteuer   zu   sehen    haben. 


:t. 


175 


die  Ertragsfahigkeit  des  Bodens  in  verschiedener  Weise  bestimnitoii. 
alljäliBÜche  Revisionen  des  Katasters  notwendig  waren.  Herodot 
II  109  erzählt,  Sesostris  habe  Jedem  einen  gleich  grossen  xXfjpog 
zugeteilt  und  danach  eine  arco^opYj  alljährlich  von  ihm  eingefordert. 
Ei  5e  Tivo;  xoö  xXTjpou  6  7roxa|iöi;  zi  TcxpiXoixo.  iX-ä'wv  «v  "pö? 
aÜTÖv  sai^iJiatve  xo  ycysvTjIiIvov.  '0  es  (seil.  ^Isowoxpi;)  B~t\iTzs. 
xo'j;  i-:'jy.z'\)0\i.iyo'Ji  ■/.%'.  ävxusxpvjaovxa;  Saw  IXdtaawv  6 
ywpo;  yl-'ove,  oy.wj  xoO  Äci-cO  -/.axä  'ki'{V)  xf,:  xsxayiJtsvr;;  ä-o-^opfj; 
xsAeo:.  Vgl.  Diod.  I  82,  2.  Diese  bewunderungswürdige  Genauigkeit 
in  der  Evidenzhaltung  des  Katasters,  die  die  gerechte  Erhebung  der 
Grundsteuer  zum  Zweck  hatte,  ist  ebenso  auch  in  der  Ptolemäerzeit 
und  auch  in  der  Kaiserzeit  weiter  durchgeführt  worden.  Schon 
aus  Strabo's  Worten  (XVII  p.  787),  „avxYXYj  Syj  ävaiiexpsloit'a'.  TixX'.v 
xal  -äX:v"  war  es  zu  entnehmen.  Die  Papyrusurkunden  führen 
uns  jetzt  noch  tiefer  in  das  Detail  hinein.  In  BGU  12  habe  ich 
einen  Text  publicirt,  der  den  Bericht  einer  Inspectionscommis.?ion 
enthält,  die  vom  14.  Juli  bis  14.  Oktober  181  n.  Chr.  (also  während 
der  Ueberschwemmung!)  den  Themistes  -  Bezirk  des  Arsino'i tischen 
Gaues  bereiste,  um  die  Dämme  und  sonstigen  Schutzvorrichtungen 
zu  inspiciren  (vgL  Z.  16).')  Ihre  Thätigkeit  wird  als  e-iaxs'ji'.s 
bezeichnet.  Im  Gefolge  der  zuständigen  Gaubeamten  befand  sich 
auch  ein  Geometer,  von  dem  es  Z.  27  heisst:  [Y]ew[X£XpoOvxoc  xal 
^'jXo|i,£xpo'jvxGg  0£o5(i)p[ou  xoü]  SwxYjpi^o'j  ÄTIO  vo[JioO  'Hpa[x]Ä£c- 
■ix(oX£xou)  Y2W[Jt£xpo'j.  Wenn  es  sieh  an  dieser  Stelle  auch  um  die 
Ausmessung  der  Dämme  etc.  zu  handeln  scheint,  zeigen  doch  wieder 
andere  Texte,  dass  gelegentlich  dieser  oder  ähnlicher  iiv.'TAk.'lfV.z, 
die  eventuellen  Veränderungen  im  Grundbesitz  vermessen  und  in  die 
Kataster  eingefügt  wurden.  So  heisst  es  in  BGU  563  I  11:  1^  dirta- 
x(e(];£ü)s)  q*^  [«JTzö  aix'.xwv  ^o:(v:x(i)vg;)   -.f:o(pt[io'j)  \-  rj.     Also  so 


')  Das  Bruchstück  einer  ähnlichen  Urkunde  habe  ich  in  BGU  490  pu- 
blicirt. Geometer  begegnen  auch  in  den  Flinders  Petri  Papyri  (III.  Jahrb.  vor 
Chr.).  Vgl.  Petr.  Pap.  (II)  I,  1  ('Aa-vivoSmpo'j  '(zis>y^i\i^ax>).  In  (II)  XXXVI 
werden  mit  Hilfe  eines  Geometers  die  fertiggestellten  Dammarbeiten  vermessen, 
ganz  wie  in  dem  oben  citirten  Berliner  Papyrus  (über  400  Jahre  später).  Als 
Geometer  erscheint  auch  hier  ein  Mann  mit  griechischem  Namen  ('Ap(i65'.cij), 
doch  ist  sein  Stellvertreter  ein  Aegypter  (.uaiaoüx'.og).  Ein  Grieche  ist  auch  der 
'AaxXTiTCäSTis  5  7tpoxsX£'-P'-0|J.Evos  :ipö;  t7)i  YenV^tpia'-  im  Pap-  Leid.  L  (II.  Jahrh. 
vor  Chr.). 


17(1  IV.  KAPITEL. 


und  so  viele  Aruren  waren  es  auf  Grund  der  lut'axetf't?  des  6ten 
Jahres.  Noch  genauer  ist  die  Angabe  ebenda  in  II  17:  xal  i^ 
SJ^Lax(£([ietü;)  TzpoQ  yeoixCexptav)  !^^  ■&'£o[ü]  Tpa[t]a[voO.  Vgl.  18: 
iE,  i-'.<j/.(i'\itiüi)  yS  Tißspiou  TLAstto  iTTftJypCafylvxa).  In  den  hier 
hervorgehobenen  Jahren  war  zum  letzten  Male  eine  Veränderung  in 
den  Grenzverhältnissen  der  betreffenden  Grundstücke  eingetreten  und 
notirt  worden.') 

Trotz  der  nahen  Beziehungen  zwischen  der  Landvermessung 
und  der  Grundsteuer,  wie  sie  aus  den  angeführten  Daten  hervor- 
gehen, ist  und  bleibt  es  sehr  auffallig,  dass  in  unseren  Quittungen 
UTtep  Y£(i)|ieTpta;  heissen  soll:  „für  die  (durch  die  Landverraessung 
festgestellte)  Grundsteuer".  Dennoch  scheint  mir  aus  den  oben 
augeführten  Gründen  diese  Deutung  gefordert  zu  werden.  Wir  werden 
unten  in  §  71  einen  ganz  ähnlichen  Bedeutungsübergang  in  der 
Formel  vnkp  Äaoypafftag  kennen  lernen.  Dies  übersetzt  man  all- 
gemein, und  mit  Recht,  „für  die  Kopfsteuer",  und  doch  bedeudet 
Xaoypa^ia  nichts  anderes  als  die  „Volkszählung".  Die  Volkszählung 
leistet  aber  für  die  Ermittelung  der  Kopfsteuer  dasselbe,  was  die 
Landvermessung  für  die  Ermittelung  der  Grundsteuer.  Es  steht 
also  in  beiden  Fällen  das  Mittel  für  den  Zweck. 

Was  für  Bodenarten  in  den  vorliegenden  Urkunden  gemeint 
sind,  in  denen  weder  aixTieXwvej  noch  i^otvcxwvej  erwähnt  werden, 
lässt  sich  nicht  bestimmen.  Da  die  Steuer  regelmässig  in  Geld 
bezahlt  wird,  können  wir  nach  unseren  sonstigen  Resultaten  nur 
sagen,    dass    es    sich   wahrscheinlich    um   Reben-   oder  Palmenland, 


')  Auf  die  Revision  der  Flurbücher  bezieht  sich  offentiar  der  Ausdruck 
Ttpis  ävaiiitpTjaiv  iu  zwei  Wiener  Pachtcontracten  vom  Jahre  301  und  305  n.  Chr. 
Vgl.  Cl'K  XL  und  XLI.  Man  wird  ihn  in  beiden  Fällen  auf  die  vorhergehende 
Angabc  des  Flächeninhaltes  der  Grundstücke  beziehen  müssen.  In  XL  ist  wohl 
nur  durch  Versehen  des  Schreibers  eine  andere  Bemerkung  dazwischengetreten. 
Fraglich  ist  nur,  ob  damit  auf  die  letzte  äva|i£Tpr,a'.5  hingewiesen  wird,  oder 
auf  die  bevorstehende.  Im  crsteren  Falle  hätte  mau  wohl  eher  Kaxä  statt  npig 
gesagt.  Es  soll  also  wohl  heissen:  So  und  so  viele  Aruren,  vorbehaltlich  der 
eventuell  bei  der  diesjährigen  Wiedervermessung  eintretfenden  Grenzverschiebungen. 
Doch  ist  die  andere  Deutung  wohl  nicht  ganz  ausgeschlossen.  Wessely's  Erklärung 
ist  auf  alle  Fälle  abzuweisen.  Auch  im  Pap.  Grenf.  (I)  LIV  10  steht  unmittelbar 
hinter  dem  Flächeninhalt  des  Grundstückes  der  Zusatz  Jtpöf  äva|iETpY|3'.v  ox^ivicu, 
wo  noch  besonders  auf  die  Benutzung  der  Messschuur  hingewiesen  wird.  Vgl. 
BGU   526,  13   und   iiamentliih   58G,  9.     Vgl.  auch  CIGr.  III  4957  Z.  GO/61. 


§  27  —  29.  177 

Obst-  oder  Gartenland  handelt.  Uelier  die  Höhe  der  Taxe  lässt 
sieh  ebensowenig  etwas  ermitteln. 'j  Ob  das  o'.  in  15(Jl,  2  zu  oivou 
zu  ergänzen  ist,  ist  sehr  zweifelhaft. 

TeXog  yvacpaXXoXoyMv. 
Siehe  unten  §  63  unter  t£/.o;  xaaaoTioiwv. 

§  28.    'Tr^kp  caTiUoucftov?). 
Am  Schluss  von  Nr.  1395  (Theben,  vom  J.  6G/7  n.  Chr.)  stehen 

die   Worte   uTcep   5x7l( ).     Zuerst  glaubte   ich,   oa7:(av/j[iaxo$) 

auflösen  zu  sollen.  Doch  folgende  Betrachtungen  führen  zu  einem 
anderen  Resultat.  Der  Form  nach  sieht  die  Urkunde  ganz  so  aus,  als 
wenn  sie  eine  Gewerbesteuerquittung  enthalte.  Vgl.  xb  ziloz  ©  w^)"  •I'aöjipt. 
Da  die  vorhergehende  Nr.  1394,  die  von  denselben  Personen  handelt, 
im  Wesentlichen  denselben  Text,  mit  Ausnahme  von  u)  Sx)  enthält, 
so  scheint  dieser  Zusatz  entbehrlich  zu  sein.  Hierzu  würde  die 
Annahme  passen,  dass  damit  das  spezielle  Gewerbe  bezeichnet  wäre. 
Unter  dieser  Voraussetzung  wüsste  ich  keine  andere  Erklärung 
vorzuschlagen  als  5a7:(:5'j^(i()v)  im  Sinne  von  „Teppichweber". 
Zwar  ist  dieses  Wort  durch  imsere  Nr.  1213  sowie  durch  Pap. 
Paris.  5,  col.  19,1  gerade  für  Theben  in  der  Form  xxnlou^cQ  belegt. 
Aber  auch  wenn  wir  nicht  bei  Schriftstellern-)  die  Nebenform  Sktlc; 
neben  xaict?  hätten,  würde  ich  ein  derartiges  Schwanken  in  den 
Dentalen  unserm  aegyptischen  Schreiber  W£[i[jiu)v9'y;;  durchaus  zu- 
trauen. —  Ist  dies  richtig,  so  ist  auch  1394  als  Quittung  für  die 
„Teppichwebersteuer"  aufzufassen. 

§  29.    Asapö. 

Für  Syene  —  Elephantine  belegt  durch  Nr.  1(J4,  106,  114 — 
119,  121,  123,  125,  128—130,  140,  141,  144,  148,  151,  152, 
154—156,  158,   165,  201,  alle  aus  dem  II.  Jahrh.  nach  Chr. 

')  Das  fj(iiau  in  1572  kann  wohl  nur  bedeuten,  dass  die  Hälfte  der  ganzen 
fälligen  Steuersumme  bezahlt  wird  (vgl.  iö  8  in  275),  oder  aber  dass  eine  halbe 
Arure  das  Steueroliject  ist.  In  576  und  1427  (beide  aus  demselben  Jahre)  steht 
e/  [lEpou;  ^  r.ip.T.zo'j  (iepcj;,  was  wohl  nur  bedeuten  kann,  dass  hier  i  der 
Gesammtsumme  gezahlt  wird.  Mit  der  Y^miJ-'tp-O'  speziell  hat  der  Zusatz  nichts 
zu  thun,   wie  er  denn  auch  bei  der  Dammsteuer  vorkommt. 

-)  Vgl.  z.  B.  Synes.  Epist.  61  (ed.  Hercher):  AxK'.Sa  \iB-xiXr,y  -wv  Alyur:- 
xiu)v  v.tX. 

WiLCKEN,  Ostraka.  12 


178  IV.  KAPITEL. 


Die  Erklärung  des  Wortes  5e!3[i6;  hat  schon  den  früheren 
Bearbeitern  der  Ostraka  grosse  Schwieriglceiten  bereitet.  Fröhner^) 
wies  zweifelnd  auf  oaofiög  hin  und  übersetzte  es  danach  mit  „dime". 
!Mit  grösserer  Entschiedenheit  trat  Conrad  Leemans'-)  dafür  ein, 
dass  ttG\i6i  nur  eine  dialektische  Variante  für  Saaiidj  sei.  Ich 
kann  mich  dieser  Aniialiiiie  nicht  anschliessen,  weiss  aber  leider 
lieine  sichere  Lösung  des  Rätsels  zu  geben.  Ich  beschränke  mich 
darauf,  einige  Thatsachen  hervorzuheben,  die  für  die  sachliche 
Erklärung  zu  berücksichtigen  sind. 

1)  A£a[i.oö  steht  immer  nur  unmittelbar  nach  der  Erwähnung 
der  Xaoypa'fia.  Wenn  diese  in  mehreren  Eaten  gezahlt  wird,  so 
folgt  &£a[xoO  der  Schlussrate.     Vgl.  123,  140. 

2.  AsajioO  tritt  mit  demselben  Augenblick  in  unseren  Ostraka 
auf,  wo  zum  ersten  j\Ial  die  Xaoypa^ta  von  17  Drachmen  auf  171 
erhöht  begegnet. 

3.  Für  den  osajjiö;  wird  stets  i  Obolos  gezahlt. 

4.  Die  Summen  für  Xaoypaiyta  und  0Ba\i.6c,  werden,  wie  etwas 
Zusammengehöriges,  regelmässig  zusammenaddirt  (zu  17  Dr.  1  Ob.). 

5.  In  Xr.  KiO  steht  zum  ersten  Male  17  Drachmen  1  Obol  für 
die  AaoyfÄ-^ix.  ohne  dass  der  Seafiöc  erwähnt  wird.  Darauf  in 
167,  182  u.  s.  w.  Dagegen  findet  sich  wieder  die  Trennung  in 
XoKi-(pa.tp'.a,  und  oto^iöq  (zu  17  Drachmen  J  Obol  und  J  Obol)  in  1(35 
und  201. 

Hieraus  ergiebt  sich:  Der  Seajxös  hängt  mit  der  Xaoypa^ta 
eng  zusammen,  ja  der  für  den  §£aji&;  gezahlte  halbe  Obol  wird 
geradezu  als  für  die  Xaoypa^ta  gezahlt  aufgefasst. 

So  viel  wüsste  ich  zur  Zeit  über  die  sachliche  Bedeutung  zu 
sagen.  Wie  alier  das  Wort  ozü\).6q  hiernach  zu  erklären  ist,  ist 
mir  völlig  unklar.     Auf  Vermutungen  will  ich  verzichten. 

§  30.     Ta  S7j[jL6aia. 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  7ü7,  898. 

T«  5rj|jLÖa:a  (seil.  TcXEOfiaxa)  ist  eine  sehr  gebräuchliche  all- 
gemeine   Bezeichnung    für    die    öffentlichen    Abgaben    und    I/isten. 

•)  Rev.  Aicheol.  XI   S.  427   A.  30. 

■-)  In  einer  besonderen  Abhandlung  über  „Rcwijzeu  van  betaalde  bebisting 
op  potsclierven"  in  „Mededeelingen  der  kouinküjlce  Akademie  van  VV'eteuscha])pen, 
Letterkunde  Dcel  XI"   Amsterdam  18G8. 


§29  —  32.  179 

Vgl.  BGU  18, 13.  39, 16.  87,  20.  94,  17.  103,  9.  15.3,  24.  11)7,  11. 
227,19.  234,19.-  339,21.  3ö0,  9.  468,21.  In  767,  wo  Srintwv 
oöenbar  für  SYj[xoat(!üv  verschviebeii  ist,  bedeutet  es  im  Spezielleren 
die  Grundsteuer.  In  898,  wo  es  in  einer  dem  rächtor  ausgestellten 
Privatquittung  neben  xb  Ix-^op'.ov  steht,  wird  es  allgemein  auf  die 
finanziellen  Verpflichtungen  hinweisen,  die  laut  Contract  der  Pächter 
übernommen  hat.  Auch  hier  kann  die  Grundsteuer  darunter  ver- 
standen werden.    Ueber  die  ^y\\s.öü'.x  in  Nr.  413  fl'.  vgl.  unten  ^  74. 


§  31.    Ttop  SioixT^ascog. 

Wir  erwähnen  diesen  in  den  Ostraka  mehrfach  begegnenden 
Ausdruck  hier  nur,  weil  man  leicht  auf  den  Gedanken  kommen 
könnte,  dass  damit  eine  bestimmte  Steuer  gemeint  sei.  Das  ist 
aber  nicht  der  Fall.  Vielmehr  bezeichnet  er  nur  das  Ressort,  in 
welches  die  betreffende  Steuer  abgeführt  wird.  jNIit  der  ototxyjatg  ist 
die  weltliche,  im  Besonderen,  wie  es  scheint,  die  Gemeindeverwaltung 
gemeint,  während  mit  dem  Parallelausdruck  ÖTiJp  lepaxixoü  oder 
I     tepöv  auf  die  Tempelverwaltung  hingewiesen  wird.     Vgl.  Kap.  VI. 


§  32.    Ttc^p  ootX&v. 

Für  Syene— Elephantine  belegt  durch  ]S"r.  85,  163,  164,  169, 
für  Theben  durch  578,  600,  605,  610,  613,  622,  625,  633,  637, 
1291,  1429,   1477,  alle  aus  dem  IL  Jahrh.  n.  Chr. 

Nur  in  163  und  164  steht  ö-£p  \itp:a\s.o\)  SiuXwv,  sonst 
immer  einfach  uTtIp  S'.-Xwv  (voll  ausgeschrieben  in  605,  613,  1291, 
1477).  Ich  habe  zur  Zeit  keine  Vorstellung  davon,  was  wir  uns 
unter  den  StuXä  zu  denken  haben.  Ich  erinnere  nur  daran,  dass 
in  den  „Actenstücken  zur  kgl.  Bank  in  Theben"  IV  17  tä  xk'Öt^- 
II  (xovxa)  oi7tX(ä)  begegnen.  Da  die  Abgabe  in  163  und  164  als 
''<  [J,£p'.a[x65  bezeichnet  ist,  so  wird  sie,  die  Richtigkeit  unserer  Aus- 
führungen in  §  75  vorausgesetzt,  kopfsteuerartig  verteilt  gewesen  sein. 
Dafür  könnte  man  anfuhren,  dass  Nr.  633,  637,  1291,  die  alle  für 
dasselbe  Jahr  quittiren,  dieselbe  Summe  (1  Drachme)  nennen. 
Andrerseits  müsste  in  164,  verglichen  mit  163,  eine  Ratenzahlung 
angenommen  werden. 

12» 


180  IV.  K^VriTEL. 


§  33.     i-'izzp  ctwpuyoc. 

Für  Elepliautiue  belegt  durch  Nr.  259,  für  Theben  durch  577. 
628,  673,  1440,  alle  au.s  der  Kaiserzeit. 

In  259  i.st  von  der  Lesung  (f_[op]GU  Siöpuyog  nur  das  zweite 
AVort  sieher,  das  ei-stc  dagegen  sehr  unsicher.  In  577  ziehen  är.oi.:- 
T/ixal  [jL£p'.a|ioO  oiwp'jyo;  PolöiIiyS^q  die  Steuer  ein.  Dieser  „Königs- 
kanal" begegnet  auch  in  1440,  wo  daneben  der  „Frauenkanal"  genannt 
wird.  In  628  vfird  bizip  SLti)pUY(os)  quittkt,  sowie  iu  673  urap  • 
6Ki)(puY0S)  $tX(üvo(s).  Es  ist  schon  im  Test  angemerkt  w^orden, 
dass  dieser  letztgenannte  Philonkanal,  der  hier  üiir  die  Kaiserzeit 
bezeugt  wird,  auch  im  Pap.  Paris.  66  begegnet,  der,  gleichfalls  aus 
Theben,  dem  III.  Jahrh.  vor  Chr.  angehört.^) 

Zu  dieser  „Kanalsteuer"  ist  wenig  zu  bemerken.  Für  die 
Wichtigkeit  der  Kanäle  Aegyptens,  dieser  wahren  Lebensadern  des 
Landes,  Belege  bringen  zu  wollen,  hiesse  Eulen  nach  Athen  tragen. 
Augustus  konnte  das  römische  Regiment  gar  nicht  besser  einführen, 
als  indem  er  das  unter  den  letzten  Ptolemäern  verkommene  Kanal- 
netz restaurirte  und  erweiterte.-)  Die  Kanalverwaltung  bildete 
einen  der  wichtigsten  Verwaltungszweige,  und  der  Kanaletat  wird  im 
Gesammtetat  eine  hervorragende  Rolle  gespielt  haben.  Zur  Deckung 
dieses  Etats  ist  eben  die  „Kanalsteuer"  bestimmt.  Denn  etwa  an 
eine  Kanalgebühr,  die  für  einmalige  oder  mehrmalige  Benutzung 
der  Kanäle  gezahlt  würde,  zu  denken,  wird  dadurch  ausgeschlossen, 
dass  die  Abgabe  für  das  ganze  Jahr  aufgelegt  (628)  und  Monat 
für  Monat  bezahlt  wurde  (673,   1440). 

In  welcher  "Weise  diese  Abgabe  umgelegt  wurde,  nach  welchem 
Princij)  der  Anteil  des  Einzelnen  bemessen  wurde,  ist  leider  aus  den 
vorliegenden  Fällen  nicht  mit  Sicherheit  zu  ersehen.  In  259  werden 
von  mehreren  Personen  zusammen  512  Drachmen  gezahlt,  doch  ist 
hier  leider,  wie  oben  bemerkt,  der  Zusammenhang  nicht  klar.  In  577 
zahlt  eine  Pei-son  2  Drachmen  5  Obolen  2  Chalkus  —  offenbar  eine 
Rate,    in    62S    ein    Anderer    für    das    Jahr    145/6    22  Drachmen 

')  Der  Papynis  scheint  zwei  Philonkanäle  zu  untei-seheiden,  erstens  (1.  41  f.) 
-fjV  -/.aJ.o'juivYjV  4>i>.tovos,  r^q  -ri  zz6\i7.  y.siia'.  sv  xßi  na9-uptTif)i,  und  zweitens 
(I.  40)  -cr,v  «tO.tavog  iTjv  sv  zf,:  itdÄEi.  Im  Petr.  Pap.  (II)  6,  5  begegnet  ein 
Kleonkanal.  Der  ist  oftenbar  nach  seinem  Erbauer,  dem  in  diesen  Texten  mehr- 
fach genannten  Baumeister  Kleon  genannt. 

-)  Suet.  .\ug.   18.     Dio  Ca.«s.  LI   18,1.     Aur.  Vict.  Epit.   1. 


äj  33.     DIE    KANALSTEUER.    —    §  34.  181 


SOboleii;  fiii-  ilasseÜH' .lalir  145  U  wcnlcii  in  14  In  tüi'  iliii  Königs- 
uutl  ilcn  Fraucnkanal  pro  ^loiuit  'Aop^avö;  2  Dracliinen  4  Obolcn 
gezahlt  (£i;  äplQ-iir^aiw  \vqvo:;  'ASpiavoO).  Diese  inniiatliehe  Be- 
rechnung liegt  auch  iu   GTo  vor. 

Daraus,  dass  die  einzelnen  in  Betracht  komiueudcn  Kanüle 
meist  mit  Namen  genannt  werden'),  scheint  mir  zu  folgen,  dass  nicht 
alle  Unterthaueu  zu  einer  allu'enieinen  „Kanalahgalie"  herangezogen 
wurden,  sondern  immer  nur  für  dcu  einzelnen  Kanal  die  anwuhneude 
Bevölkerung,  für  die  die  Instandhaltung  des  betreäeudeu  Kanales 
eine  Lebensfrage  war.  Ich  lasse  dahingestellt,  ob  daraus  folgt,  dass 
die  Bewohner  in  verschiedener  Weise  herangezogen  wurden.  Das 
Material  reicht  einstweilen  zur  Beantwortung  dieser  Frage  nicht  aus. 
Wir  werden  unten  bei  der  Dammsteuer  (§  136)  nochmals  darauf 
zurückkommen.  —  Die  vorliegenden  Urkunden  stammen  aus  der 
Kaiserzeit.  Es  ist  aber  wohl  kein  Zweifel,  dass  auch  die  Ptoleinäer 
diese  Abgabe  erhoben  haben.  Ilireu  Fortbestand  in  der  byzantini- 
schen Zeit  bezeugt  eine  Quittung  bei  Wessely,  Denkschr.  Wien. 
Akad.  1889,  S.  247,  wo  gezahlt  wird  bTz{e.p)  MsyäXYj;  Atwp('j)Y(o)s. 

Ausser  dieser  in  Geld  zu  zahlenden  Abgabe  hören  wir  von 
einer  Verpflichtung  der  Bevölkerung,  ihre  Arbeitskraft  der  Regierung 
zur  Instandhaltung  der  Kanäle  zur  Verfügung  zu  stellen.  Da  diese 
Kanalarbeiten  mit  den  Dammarbeiten  eng  zusammengehören,  so 
werden  wir  unten  in  §  lo6  beides  gemeinsam  behandeln. 

§  34.    TTLsp  cpax(tJifjs). 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  408. 

Nach  diesem  Ostrakon  zahlen  ein  Vater  und  sein  Sohn  öizep 
3p3tx((i'^;)  MepivoCvsJwv)  für  das  Jahr  57,8  n.  Chr.  zu.sammeu 
2  Drachmen.  Es  wird  also  jeder  1  Drachme  gezahlt  haben,  und  das 
wird  eben  die  Drachme  sein,  nach  der  die  Abgabe  ihre  Bezeichnung 
hat.  Zur  Erklärung  dieser  Abgabe  habe  ich  zur  Zeit  nichts  bei- 
zutragen. Ich  verweise  nur  darauf,  dass  auch  im  Pap.  Paris.  67,  13 
(II.  Jahrh.  vor  Chr.)  neben  verschiedenen  anderen  Steuern  wie  vtxpt- 
xfjs  etc.  auch  5pxx[J.7js  geschrieben  steht.  Und  in  Pap.  Par.  62  V  19 
wird  unter  den  Zuschlägen  bei  Zahlung  der  Biersteuer  auch  Er- 
wähnung gethan  x'^;  u-07.£:|ji£vr;i;  elc,  ttjv  STitaxeu'JjV  5pa)(|ifjS  a  (|itä?j. 

')  Vgl.  BGÜ  10,  17:  A'.ojp'JXo;  Bo'jßiao-O'j).  .\ueh  hier  ist  die  Steuer  als 
die  für  einen  bestimmten   Kanal  bezeichnet. 


182  IV.  KAPITEL. 


§  35.    EIBo;  oder  xlXc;  syxuxXiov. 

Für  Theben  belegt  durdi  1051,  10Ö6,  1378,  1454,  1599. 
Vgl.  auch  473. 

So  uusielier  auch  die  Erklärung  des  "Wortes  k-fKXJKXio^  ist 
(s.  unten),  so  kann  doch  über  das  Wesen  dieser  Steuer  kein  Zweifel 
bestehen.  Es  ist  eine  Verkehrssteuer,  die  die  Veränderungen  im 
Besitzstand  der  Bevölkerung  belastet.  Vor  allem  wurde  der  Kaui' 
(wvtq)  von  Mobilien  und  Immobilien  von  dieser  Abgabe  betroffen. 
Die  TZEVT/jy.oaxY)  wvi'wv,  die  wir  unten  in  §  138  besprechen  werden, 
ist  daher  ihrem  Sinne  nach  nur  eine  spezielle  Abart  des  allgemeinen 
Begriffes  des  xeXo;  ayotuv-Atov.  Immerhin  möchte  ich  die  Frage 
offen  lassen,  ob  tbatsächlich  nicht  ein  prinzipieller  Unterschied  zwischen 
beiden  bestanden  hat.  Das  iyxüy.X'.ov  ist  uns,  abgesehen  von  den 
obigen  Ostraka,  sonst  vielfach  durch  die  Beischrifteu  der  griechischen 
und  demotischeu  Contracte  überliefert,  in  denen  eben  über  die  Zahlung 
dieser  Abgabe  von  der  königlichen  Bank  quittirt  wird  (die  fälschlich 
so  genannten  „trajjezitischen  Register"),  und  zwar  wird  sie  —  bisher 
liegen  derartige  Beweise  nur  aus  der  Ptolemäerzeit  vor  —  in  der 
Hohe  von  -^  oder  -^  des  Wertes  erhoben  (s.  unten).  Die  Ver- 
mutung liegt  daher  nahe,  dass  dieses  eyxuxJvtov  nur  von  solchen 
Käufen  erhoben  wurde,  die  einer  contractlichen  Fixirung  bedurften, 
wonach  sie  etwa  unserer  heutigen  Stempelsteuer  entsprechen  würde, 
dass  dagegen  die  TTsvcrjv.oaxrj  (iviwv  eintrat,  wo  ein  solcher  Contract 
nicht  nötig  war,  wie  z.  B.  in  dem  gewöhnlichen  Marktverkehr.  In 
den  erhaltenen  Contracten  handelt  es  sich  meist  um  den  Kauf  von 
Häusern  oder  Bauplätzen,  auch  von  bestimmten  Rechten.')  Die 
Sklavenkäufe,  die  in  lOüG  und  1454  zum  ersten  Älal  in  Verbindung 
nüt  <lem  sy/'j/Aiov  auftreten-'),  würden  die  Vermutung,  dass  es  sich 
beim  syx'jxÄwv  um  contractlich  stiiiulirte  Käufe  handelt,  nur  be- 
stätigen. Sollte  eine  genauere  Untersuchung  dieser  Verhältnisse,  die 
sehr  nötig  ist,  zu  dem  Resultat  führen,  dass  ein  solcher  Unter- 
schied zwischen  dem  lyy.uy.Xtciv  und  der  TcevxTjXoaxY)  tüvicdv  nicht 
bestand,  so  müsste  man  nach    dem  bisher  vorliegenden  Material  an- 


i 


')  Vgl.  das  Beispiel  bei  Droysen,  Kl.  Sehr.   I,  S.  G. 

■•')  Auch    in  Kyzikos    war    das    Kaufen    von    Sklaven    (ävSpaTtoSoJvir,)    mit 
einer  Steuer  belegt.     Vgl.  Dittenberger,  Syll.  n.  .'J12. 


§  35.     DAS    ENKYKLION.  183 


nehmen,  dass  die  Kaufsteuer,  die  zur  Ptolemäerzeit  -^g  oder  jL  be- 
tragen hatte,  von  den  Kaisern  —  oder  einem  der  letzten  Ptolemiier  — 
auf  r,V  hcraliirpsetzt  worden  sei.  Einstweilen  ist  mir  diese  Annahme 
sehr  unwahrsclioiulieh. 

Das  iyv.uv.Xiov  umfasst  jedoch  nicht  ausschliesslich  nur  die  Kauf- 
steuer (xsXo;  wv^s).  Wir  haben  ein  Beispiel  dafür,  dass  auch  die 
Abgabe  für  eine  contractlich  stipulirte  Teilung  (Siaipsa:;)  unter  das 
lyvuv.Xio'^  fiel^),  und  auch  dieses  xeXo;  Oiaipeaew;  beträgt  ebenso  wie 
damals  die  Kaufsteuer  -fy.  Ferner  wird  in  der  von  Revillout-)  be- 
handelten Londoner  Bilinguis  auch  für  ocopsä  an  das  TEÄwviov^)  toO 
ifXüxXiou  gezahlt.  Auch  die  rätselhafte  yaÄxiata  flicsst  el)eu  dorthin 
(vgl.  §  15.5  u.  214).  Freilich  handelt  es  sich  hier  wohl  nur  um 
Zuschlagszahlungen.  Ich  vermute,  dass  auch  die  nach  Grenfell  (Ij 
XXVII  col.  3,10  für  eine  Trapay^wpTjOt;  an  die  Bank  gezahlte  Ab- 
gabe zu  den  iyvjy.Xioc  gehört.  "Wir  können  hiernach  diese  Steuer, 
die  den  Wechsel  des  Eigentums  trifft,  zu  den  Verkehrssteuern  zählen. 

Zur  Geschichte  dieser  Steuer  verweise  ich  auf  Revillout,  Proceed. 
Soc.  Bib.  Arch.  XIV,  S.  120  f.  Hier  seien  nur  die  Hauptpunkte 
hervorgehoben.  —  Schon  Psammetich  I.  hat  die  Steuer  eingeführt, 
und  zwar  als  osy-aTT;  (tV)-  Die  Ptolemäer  haben  sie  übernommen 
und  zunächst  in  dieser  Höhe  belassen,  bis  Ptolemaios  V  Epiphanes 
sie  auf  oig  herabsetzte.  Wenn  Revillout  aber  meint,  dass  Ejjijjhanes 
diese  Reduction  in  seinem  9.  Jahre  (vgl.  Rosettana!)  vorgenommen 
habe,  so  wird  diese  Annahme  durch  den  inzwischen  hinzugekommenen 
Petr.  Pap.  (II)  XL  VI  c  als  irrig  erwiesen.  Dieser  Text  zeigt  viel- 
mehr,  dass   die  Steuer   bereits    im  vierten  .Jahre   des  Epiphanes  -^^ 


')  Vgl.  ■\Vieu.  Pap.  26  bei  Wessely,  Wieu.  Stud.  III,  S.  5  f. 

-)  Vgl.  Proceed.  Soc.  Bibl.  Arch.  XIV,   1802,  S.  Gl. 

^)  Es  ist  m.W.  das  einzige  Mal,  dass  hier  auf  dem  Contract  die  Zahlung 
an  da-s  xsXwvtov  toO  ä'Cx.UY.XicD  notirt  wird.  Sachlich  kommt  dieser  Stelle  die 
Suliscription  des  (i'.39-a)Tr^;  im  Pap.  Paris.  1 7  am  nächsten.  Sonst  wird  ge- 
wöhnlieh ein  weiteres  Stadium  des  Geschäftsganges  gebucht,  nämlich  die  gemäss 
der  vom  ä.-n'.ypa.!fsi)i  gegengezeichneten  Abrechnung  (äiaypacpi^)  des  lEXcövr,; 
an  die  B;mk  (xpocTte^a)  vollzogene  Zalilung.  Wiewohl  in  diesen  Baukquittungen 
dem  Wortlaut  nach  der  Contrahent  es  ist,  der  die  Steuer  an  die  Bank  zahlt, 
thut  es  in  Wirkliclikeit  der  Steuerpächter,  nachdem  er  vorher  von  dem  Con- 
trahenten  das  Geld  in  seinem  ieXüv.ov  empfangen  hat.  Das  Merkwürdigste  ist, 
dass  hier  nicht  nur  der  Käufer,  sondern  auch  der  \'erkäufi'r  für  das  k-i-/.''y/.'/,:^'i 
zahlt.     Es  ist  m.  W.  das  einzige  Beispiel. 


184  rv.  KAPITEL. 


betnig.i)  Wann  die  Keductiou  vorgenommen  ist,  lasse  ich  dahin- 
gestellt. In  dieser  Höhe  von  ^l  ist  die  Steuer  dann  geblieben,  bis 
Euergetes  II.  sie  wieder  auf  -^  erhöhte.  In  der  griechischen  Tra- 
dition begegnet  diese  oexa-Tj  m.  W.  zum  ersten  jMal  wiedci-  im 
44.  Jahre  des  Euergetes  II  (=  127,6  vor  Chr.).'-) 

Für  die  Kaiserzeit  wird  der  Fortbestand  der  Steuer  ausser 
durch  obige  Ostraka  auch  durch  einige  Papyri  bezeugt.  Vgl.  Pap. 
Paris.  17,21:  'Epfj.oyevvj;  KatxtXtou  [iwS-wf^?  etSoug  lyxuv.Xcou  xal 
•j7:cx£i|iivtov  ßxatXr/.fj  ypa\i\>.oi,'CBiy.  xxX.  Er  quittirt  über  den  Em- 
pfang von  TO  Y^'"''^!^^'^'^'''  "cs^-^^s  "c^iS  7ipox£itJi£vr/S  wvfj?.  Die  wvi^ 
ist  in  dem  vorhergehenden  Kaufcontract  spezialisirt.  ^'gl.  ferner 
Pap.  Berl.  Bibl.  21,9:  iv'/.oxXzi(ou)  ^tx;  Pap.  Leipz.  5  Pect.  5:  £vxux- 
Xz'.ou  2[(a)  [ita9'[ü)T(Ji)v.  Im  Berliner  Papyrus  P.  6957  Col.  I.  (vom 
J.  48  nach  Chr.)  wird  das  evxuxXtov  für  einen  Kauf  von  Haus  und 
Hof  in  der  Stadt  Arsinoe  gezahlt.  Doch  über  die  Höhe  der  Abgabe 
ist  leider  allen  diesen  Texten  der  Kaiserzeit  nichts  zu  entnehmen 
(s.  oben). 

Was  bedeutet  hier  nun  das  Wort  eyxuxXto??  Seit  Boeckh  ist 
es  üblich,  es  mit  „gewöhnlich"  zu  übersetzen  und  diese  „gewöhnliche" 
Steuer  sich  im  Gegensatz  zu  „ausserordentlichen,  besonders  aufer- 
legten" Zehnten  oder  Zwanzigsten  zu  denken.^)  Allerdings  wird 
syx'jxXioj  u.  a.  auch  in  der  Bedeutung  „gewöhnlich"  überliefert. 
Ich  kann  mir  aber  nicht  denken,  dass  man  diese  Verkehrssteuer, 
die  doch  um  nichts  gewöhnlicher  war  als  die  Kopfsteuer,  die  Grund- 
steuer etc.,  speziell  als  die  „gewöhnliche"  bezeichnet  haben  sollte.    Ich 


')  Mahaffy  liest  hier  in  Z.  14:  tots  ^f<-i  =  "xai  xo  .  .  7]  z'.\i.oc,7  xvji 
c.,./J  yX  (_-  -.^,_  £Yxu-/.Xiu)i  si-ztoax'»)'.?)  zv.e  p.  Am  Original  las  ich  folgemlcrmassen : 
xö  -s  ~  >-  (ist  oben  übei-gcsohrieben)  cp;;  — c  "/.ai  x6  Ytvo|iEvov  x^'.  ä'[v.uv.X{iio:) 
^T/.z  p.  Die  kühne  Vermutung  von  Mahaify  (Empire  S.  314)  „the  imposing  of 
this  tax  may  have  beert  one  of  the  causes  of  Epiphanes'  murder"  hat  nichts  für  sich. 

*)  Im  Pap.  Turin,  n.  23G,  wo  ich  am  Original  las:  £[ig]  XY]v  l.  Für 
3000  Dr.  werden  300  Dr.  Steuer  gezahlt.  Lunibruso's  Edition  in  Atti  della 
R.  Acad.  d.  Tor.   1868/9,  S.  691  ff.  bedarf  mancher  Cprrectureu. 

')  Vgl.  Droj-sen,  Kl.  Schriften  I,  S.  17.  Anders  Revillout,  der  a.  a.  O. 
S.  Gl  xeXwv.ov  -oü  eyxuxXCou  übersetzt  mit:  „xsXüviov  de  cette  p^riode  de 
location  de  l'impöt".  Aehnlich  Lumbroso,  Rech.  S.  322:  „Le  terme  d'encyclion, 
avcc  lequel  on  designait  le  droit  du  dixieme,  du  vingtiJme,  donnS  en  ferme, 
en  exprime  bien  l'annualite,  la  periodicite."  Jlit  deuiselben  Recht  hätte  jede 
Steuer,   die   auf  ein  Jahr   verpachtet   wird,   svx'jx^tos  genannt  werden  können. 


§  35  —  37.  185 

möchte  von  der  Grundbedeutung  des  Wortes  ausgehen  und  sy/.'j- 
xXto;  als  das  sich  im  Kreise  bewegende  fassen.  Sollte  man  nicht 
unter  xa  h(vJj'^.'k'.(X.  die  Verkehrsobjecte  oder  besser  die  sie  repraesen- 
tirenden  und  im  rmlauf  befindlichen  Werte  als  „die  im  Kreise 
sieh  bewegenden"  gemeint  haben?  TeXo?  äyxüxXiov  würde  dann  im 
Sinne  von  izkoc,  xcöv  lyxuxXiwv  stehen  und  nichts  anderes  als  die 
„Yerkehrssteuer"  bedeuten.  Der  Umlauf  der  Werte  ist  es  ja  gerade, 
der  durch  diese  Steuer  getroffen  wird. 

§  30.    To  3t;xp'.ti-/.6v. 

Für  Syene-Elephantine  belegt  durch  Nr.  136,  [137]. 

Das  eJsxptTtxöv  wird  eine  Abgabe  sein,  die  für  das  Etgxpivea'ö'at, 
für  das  Hiueingewähltwerdeu ,  gezahlt  wird.  Den  Schlüssel  zu 
dieser  merkwürdigen  Abgabe  giebt  wohl  die  Thatsache,  dass  die 
Zahler  in  beiden  Fällen  ein  priesterliches  Amt  bekleiden.  Das  z'.q- 
xptxtxov  scheint  danach  eine  Gebühr  zu  sein,  die  der  König  (der 
Erheber  ist  ein  Tipaxxtop)  von  demjenigen  erhob,  der  in  die 
Reihe  der  xaaa^^dpot  'A[i[i(j)vos  (?)  hineingewählt  wurde.  Es  ist 
a  priori  nicht  unwahrscheinlich,  dass  auch  von  anderen  Priestern 
ein  solches  elgxptxtxov  eingefordert  wurde.  Es  wäre  zu  untersuchen, 
bei  welchen  Priestertümern  ein  sE^xpEvsa&xt  überhaupt  statt  fand. 
—  Es  ist  hervorzuheben,  dass  in  beiden  Fällen  —  von  verschiedenen 
Personen  —  dieselbe  Summe,    8  Drachmen  3  Oboleu,    gezahlt  wird. 

§  37.    'Excpopiov. 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  898,  1024,  1027,  1237,  1262. 
Ps.  Aristoteles  Oecon.  II  1,4  bezeichnet  als  die  wichtigste  Einnahme 
der  satrapischen  Oekonomie  die  ätiö  x'^i;  yT]?,  auxYj  Ss  lax'.v,  y,v  ol  jiev 
v/.<föp'.o^i  Ol  5£  SsxaxYjV  -po^aYOpEÜoiiaiv.  Wiewohl  hier  unzweifel- 
haft mit  dem  Wort  £X-^op:ov  die  Grundsteuer  bezeichnet  wird,  ist 
mir  doch  kein  einwandsfi-eies  Zeugnis  dafür  bekannt,  dass  diese 
Bedeutung  auch  in  den  Urkunden  der  Papyri  und  Ostraka  begegne. 
Vielmehr  bezeichnet  es  hier  regelmässig,  so  weit  ich  das  Jlaterial 
überblicke,  den  Pachtzins,  den  der  Grundeigentümer  (xl-qpo'T/oc 
oder  Y£oöX°S)  ^'°^  *^^™  Pachtbauern  (y£ü3py6s)  erhält.  Da  die 
Frage  im  Zusammenhang  noch  nicht  behandelt  ist,  mögen  einige 
Beispiele  hierher  gestellt  sein. 


186  I^'-  KAPITEL. 


1.  Petr.  Tap.  (II)  II,  1  (Zeit  des  Pliiladelphos ).  Mehrere 
Pächter  führen  KUige  gegen  den  exaTOVxäpoupoc;  Lysauder,  von 
dem  sie  den  xXfjpos  gepachtet  haben  ((na*waa[jL£V(öv  r,iiwv).  Die 
Pacliturkunde  hatte  den  Zeitpunkt  für  die  Zahlung  der  iv.tf6pix 
bestimmt.     (Z.  10.)  0 

2.  Petr.  Pap.  (II)  XXIX  b,  c,  d  (III.  Jahrh.  vor  Chr.).  Die 
drei  Urkunden  handeln  von  xXfjpo:,  die  ihren  Eigentümern  (vlr,- 
pofjx°0  abgenommen  und  et;  t6  ßaatXtxöv  zurückgezogen  sind. 
Diese  v.XrjpoO'/o<.  hatten  vorher  ihre  v.Xfipoi  an  yewpyoi  verpachtet 
(vgl.  b,  6:  auYY£Ypa(pö-ai  'AXxsTav  npö?  'HXiöSwpov  tov  yetüpyöv 
xoö  xX^pou  Mah.)  und  dabei  im  Contract  die  Höhe  des  exi^opiov 
festgesetzt  (vgl.  b:  excpopEou  TaxTOU).  Nach  meinen  am  Original 
gewonnenen  Lesungen  beträgt  das  Ix^optov  in  b  1  Artabe  (nicht 
31,  Mab.),  in  c  i)ro  Arure  3  Artaben  (nicht  93,  Mali.),  in  d  gleich- 
falls pro  Arure  3  Artaben  (nicht  93,  Mab.).  Diese  £xq;&pia  sollen 
nun  nach  der  Einziehung  der  xXyjpot  an  die  königliche  Kasse  ge- 
zahlt werden.^) 

3.  Für  die  Kaiserzeit  ist  vor  allem  eine  Stelle  im  Edict  des 
Ti.  Julius  Alexander  von  Bedeutung.  CIGr.  III  4957  Z.  31: 
"Actxov  yap  iozi  tgü;  wvyjaa[i£vou;  xTi^[JiaTa  xat  Xinäc,  aCcrwv  a;i&- 
SovTa;  (L;  SYjiJioatou;  yewpyous  excpopia  dcKociTEiad-ai  xwv  tSi'wv 
loatpwv.     Hiermit  ist  ausdrücklich  hervorgehoben,   dass  die  Grund- 


M  Die  Pächter  haben  nach  dem  Contract  500  Artaben  "Weizen  zu  zahlen. 
Um  diese  enorme  Summe  zu  begreifen,  wird  man  anzunehmen  haben,  dass  Ly- 
sander  ihnen  seine  sämmtliclien  100  Aruren  in  Pacht  gegeben  liat.  Das  würde 
für  die  Arure  ein  £y.cf6p'.ov  von  5  Artaben  ergeben  —  eine  Summe,  die  zu  den 
oben  angeführten  Beispielen  gut  passen  würde.  Zu  diesen  Verpachtungen  der 
y.?.^p&i  Tgl.  Petr.  Pap.  (II)  XXXVIII  a,  wo  zwei  Leute  von  einem  -upiay.ovTd- 
poupo;  1  seines  xJ.^po?,  also  20  Aruren  gepachtet  haben.  In  Petr.  Pap.  (II) 
XXIX  d  verpachtet  Lysanias  seine  25  Aruren  an  einen  Bauer;  Z.  8  ist  zu  lesen: 
ou]YY£Ypäcf9'a'.  Ausaviav  npig  •  [  ■  ■  •  tov  fBmpjöv']  zoü  xXVjpou  ]X!  ^-s- 

-)  Anders  fasst  der  Herausgeber  Mahaffy  die  Texte  auf.  Ich  construire 
folgendermasseu  (z.  B.  b):  ,,An  Acholpis  (Name  des  Beamten,  der  den  Befehl 
erhält).  Betreffs  des  x?,f,po;  des  Alketas,  der  zur  Domäne  eingezogen  worden 
ist  (lies:  Toü  'AÄ-/.itou  .  .  .  vJkripou  toO  ävEiX7j|ji|ji.Evou)  hat  uns  der  Urkunden- 
benahrer  Aiwllonios  einen  Contract  vorgelegt,  den,  wie  er  sagte,  Alketas  mit 
Heliodoros,  dem  Pachtbauer  des  y.Xf;po;,  unter  Festsetzung  von  1  Artabe  Pacht- 
zins geschlossen  hat,  und  sie  haben  den  üblichen  Eid  geschworen,  dass  die  Pacht 
auf  so  ^nel  von  ihnen  festgesetzt  sei.  Dieser  Pachtzins  soll  nun  in  die  könig- 
lichen Magazine  vermessen   werden." 


§  37.     DER    I'ACIITZIXS.  187 

eigentümer  nicht  zu  den  ix^opia  herangezogen  werden  dürfen,  sondern 
nur  Leute,  wie  beispiclshalber  die  oy,\>.6a'.o'.  YEWpyoi,  die  nicht  üo'.a 
ISäiy/j  bebauen.  Die  Grundeigentümer  zahlten  vielmehr  Grundsteuer. 
Folglich  sind  Grundsteuer  und  £x«p6pia  zwei  verschiedene  Dinge. 
Letzteres  bezeichnet  eben  den  Pachtzins,  den  der  Pachtbauer  zahlt, 
gleichviel  ob  er  von  einem  Privaten  oder  vom  König  das  Land  in 
Bebauung  genommen  hat. 

4.  Der  Wiener  Papyrus  31 1)  (Zeit  des  Augustus)  j^pricht  von 
Yswpyo'j?  ccpeQ.ovtag  iy.cfopia  ßaatXfixä).  Das  sind  Bauern,  die 
die  Bebauung  königlicher  Domäne  übernommen  haben.  Ihre  Ix- 
(popia.  werden  daher  correct  als  ßaatXtxa  bezeichnet. 

5.  Pap.  Leipz.  6  Recto  :ipricht  in  Z.  1  von  £x<p(6piov),  in  Z.  2 
von  [Aioil-fwaii;). 

6.  BGU  39  und  227  (vom  J.  18G  n.  Chr.  und  l.')l  n.  Chr.) 
sind  Pachtcontracte,  in  denen  die  vom  Pächter  zu  zahlenden  dxcpopia 
festsresetzt  werden.  In  3'J  werden  für  5  Aruren  221  Artabeu,  also 
pro  Arure  4|  Artaben,  in  227  für  1  Arure  6  Artaben  gefordert.  — 
In  BGU  360  werden  die  yetüpYO'',  die  Pachtbauern,  aufgefordert, 
das  excpoptov  an  die  neuen  Eigentümer,  die  das  Grundstück  gekauft 
haben,  zu  zahlen.  —  In  BGU  52ö  (Pachtcontract  vom  J.  8G/7) 
verpflichten  sich  die  Pächter,  im  Voraus  x-^jv  xwv  äx^opowv  -cijjirjv 
zu  zahlen.  • —  In  BGU  538  (vom  J.  lOU  n.  Chr.")  werden  gleich- 
falls die  ixcpipiy.  für  den  Pächter  festgesetzt. 

7.  BGU  408,  411,  Pap.  Genev.  13  .sind  Quittungen,  die  der 
Grundeigentümer  Qftouyß»^)  seinem  Pachtbauer  (yewpYOs)  für  Zahlung 
der  ix^öpta  ausstellt.  Ebenso  Pap.  Lond.  CXXXIX  vom  J.  48 
n.  Chr.,  ausgestellt  vom  Kleruchen  seinen  yetöpYGi.  Diese  leiten  zu 
unsei'en  Ostraka  über.-) 

Wir  dürfen  es  hiernach  wohl  als  ein  gesichertes  Resultat  be- 
trachten, dass  (las  ix^^dpLOV  den  Grundzins  des  Pächters  bezeichnet. 
Unsere  Xr.  1027  und  1262  schliessen  sich  diesem  Ergebnis  ohne 
Weiteres  au,  da  hier  ausdrücklich  gesagt  ist,  dass  der  Zahler  des 
ix<p6pcov  der  Pächter  des  Feldes  ist,  ebenso  Xr.  898  (vgl.  f/;  i'(t(hp- 
YTjaag  |iot  Y'^i?)-     ^^  letzterer  Xummer  werden  tö  Ix'^op'.ov  und  ix 


')  Wessely,  Wien.  StuJ.  IV.  1882.  Derselbe,  d.  griech.  Pap.  d.  K.iis. 
Samml.  Wien  1885.  S.  22. 

^)  Vgl.  jetzt  auch  die  M'ieuer  Pachtverträge  im  CPR  I,  die  unsere  obigen 
Ausführungen  bestätigen. 


188  IV.  KAl'lTEI.. 


Sifjjicata,  die  öffentlichen  Lasten,  unterscliieden.  Wir  werden  aber 
auch  berechtigt  sein,  in  1024  und  12o7  die  Zahler  für  Pächter  zu 
halten.  So  entsprechen  sie  ganz  den  oben  unter  Nr.  7  angeführteu 
Quittungen. 1)  Da  in  den  obigen  Ostraka  die  Verpächter  überall 
Privatpersonen  sind,  so  haben  wir  es  hier  nicht  mit  einer  öffentlichen 
Abgabe  zu  thun. 

Dass  ausser  dem  Wort  sx^öpicv  auch  cpopoi;  in  dieser  Be- 
deutung begegnet,  haben  wir  unten  in  §§  loo  ausgeführt.  Es  ist  daher 
wohl  nur  ein  Pleonasmus,  wenn  der  Pachtcontract  CPR  CCXL  2,  6 
von  ixtfjopiou  xai  lyopou  ä7io'ca[xTou]  spricht. 

§  38.    'EXaiV.a. 

Wir  stellen  in  diesem  Paragraphen  diejenigen  Ostraka  zusammmen, 
die  sich  auf  das  Oel  beziehen.  Im  Allgemeinen  verweisen  wir  auf 
GreufelTs  Eevenue-Papyrus,  der  uns  gelehrt  hat,  dass  Oelfabrication 
und  Oelhandel  vom  König  monopolisirt  waren.-)  In  den  Ostraka 
geschieht  des  Oeles  in  verschiedenen  Verbindungen  Erwähnung. 

Wer  Pflanzen  baute,  die  zur  königlichen  Oelfabrication  ver- 
wendet werden,  musste  natürlich,  wie  jeder  andere  Grundbesitzer, 
eine  Grundsteuer  zahlen.  Diese  wird  durch  unsere  Ostraka  mehr- 
fach bezeugt,  uud  zwar  für  Krotoupflanzer  durch  727,  729,  737, 
741 ,  743,  1608,  für  Sesampflanzer  durch  763,  1520,  für  Knekos- 
pflanzer  durch  730,  13.53.  Diese  Pflanzen  treten  auch  im  Revenue- 
Papyrus  als  die  für  die  Oelfsibrication  wichtigsten  hervor.^)  Wie 
MahaffÄ-^)  vermutet,  mag  die  Olive,  die  Strabo  (^XVIl  S.  809)  im 
Faljüni  und  in  den  alexandrinischen  Gärten  —  aber  sonst  nirgends 
in  Aegyj)ten  —  kennt,  erst  durch  die  griechischen  Colonisten 
eingeführt   sein.^)      Diese    Kroton-,   Sesam-    und    Knekoslieferungen 


')  Der  Schreiber  von  1022  meint  jedenfalls  aucli  in  erster  Linie  das 
sx<föp'.GV,  wenn  er  sagt:  ly_u)  xä  OTaS-Evxa  5ia  i:^;  n'.iS-mastüj  cj  siiiaS-toja  oot 
xz-Tipca.  Vgl.  auch  758  und  75'J.  Letztere  Nummer  wird  mir  erst  verständlich, 
wenn  ich  annehme,  dass  ao:  in  Z.  3  verschrieben  ist  für  |iOt. 

'■')  Eine  königliche  Oelfabrik  hatte  ich  schon  in  den  ,,Aetenstücken  der 
KgL  Bank   zu  Theben"  S.  ä!)/CO  nachgewiesen. 

■'i   Vgl.  die  Jlitteilungen  von  E.  P.  Wright  bei  ürenfell,   Rev.  Pap.  S.  124/5. 

*)  Rev.  Pap.  S.  XXXV  f. 

')  Oder  sollte  der  König  etwa  nur  die  Fabrication  von  Sesamöl,  Krotonöl  etc., 
nicht    aber    die    von  Olivenöl    monopolisirt    haben?     Vielleicht    sind    beide  Ver- 


§37—38.  189 

wealon  mm  teils  in  den  S'Yjaaupöc,  wo  sie  dann  zunächst  lagerton, 
ddcr  aber  direct  in  die  köuiglichcu  Oelfabriken  (sJvatoupyla )  abge- 
führt (so  in  7P)7,  741,  743,  16U8j.  Dass  diese  Lieferungen  nichts 
anderes  als  die  Grundsteuer  darstellen,  besagen  die  Texte  aus- 
drücklich. Vgl.  737:  eEs  xv^v  sraYpla^rjv),  743:  uTtep  tötiou.  Vgl. 
§  46  und  §  124.  Selbstverständlich  -wurde  diese  Grundsteuer  in  na- 
tura abgeliefert  und  nicht  durch  Geld  abgelöst,  da  man  ebei^  zur 
Fabrication  die  Katuralioii  lirauehte,  ein  Anderer  als  der  König 
sie  aber  nicht  verwenden  durfte.  Vgl.  Rev.  Pap.  39,19  f-  Dass 
diese  Grundsteuer  nach  demselben  Princip  wie  die  anderen  erhoben 
wurde,  zeigt  Kr.  763,  wonach  für  jede  Arure  3  Artaben  Sesam  zu 
liefern  waren. 

Weniger  klar  sind  diejenigen  Ostraka,  in  denen  über  die  xiijlt] 
iXaiou  quittirt  wird.  Vgl.  318,  659,  1502,  1595.  Hier  handelt 
es  sich  offenbar  überall  um  Erlegung  des  Kaufpreises  für  Oel. 
Nach  dem  Revenue-Papyrus  können  im  Allgemeinen  nur  zwei  Gruppen 
von  Käufern  in  Betracht  kommen,  einmal  die  xaT^vjXoo  etc.,  die  den 
königlichen  Beamten  das  Oel  zum  weiteren  Betineb  abkauften i),  und 
dann  das  Publicum,  das  von  diesen  Zwischenhändlern  sein  Oel 
bezog.  In  den  obigen  Ostraka  ist  es  nicht  immer  klar,  welches 
Verhältnis  vorliegt.  In  318  wird  einem  XoyeuTvic,  einem  Beamten, 
der  auch  im  Rev.  Pappus  eine  Rolle  spielt,  die  Zahlung  von  3000 
Kupferdraehmeu  bIc,  tcixtjv  eXaoou  quittirt.  Leider  ist  die  Mitte  des 
Textes  noch  nicht  genügend  entziffert.  Auch  659  und  1502  lassen 
manche  Frage  offen.  In  1502  ( wohl  Privatquittung)  ist  wenigstens 
Eines  klar,  dass  der  Zahler  das  Oel  empfangen  hat  (ou  £X.^-S^- 
In  1595  findet  sich  der  Zusatz:  xwv  IvTaü-S-a  axpax£U[iaxü)v  (vom 
J.  258  n.  Chr.).  Der  Zahler  wird  hier  ein  Militärbeamter  sein, 
der  für  die  am  Ort  stationirten  Truppen  das  Oel  kauft.  Da  diese 
(Quittung   ihrem  Schema    nach   für   eine  Bankquittung  zu  halten  ist 

mutungen  dahin  zu  combiniren,  d.iss  der  König  von  der  Monopolisiruug  des 
Olivenöls  Abstand  nahm,  um  zur  Einführung  der  Olivenkultur  in  Aegypton  zu 
ermuntern. 

')  Ich  glaube,  dass  dieser  Zwisclienhandel  nicht  freiwillig  war,  sondern 
als  Xs'.TOUpY'-a  betrachtet  wurde.  Sonst  hätte  es  ja  leicht  kommen  können,  dass 
einmal  keine  Kauf  leute  da  waren,  die  geneigt  waren,  dem  König  das  Oel  abzu- 
kaufen. Es  heisst  auch  Rev.  Pap.  47,14,  köjov  äii  —  TimXsiv.  So  haben  wir 
hier  wohl  die  Verhältnisse  vor  uns,  die  iu  Dig.  50,  4,  18,  19  berührt  werden: 
elaeemporia aptid  Äle.rftndrinos  patrimonii  viuniis  exütimatur. 


190  IV.  KAPITEL. 


(ebenso  wie  659),  so  folgt  daraus,  dass  dieser  Militärbeamte 
nicht  von  den  Zwischenhändlern  kauft,  sondern  direet  von  der 
königlichen  Verwaltung.  Dasselbe  ergab  sich  in  ;U1,  wo  Salz  für 
die  Tru]ipcn  gekauft  wird  (vgl.  S.  145). 

G:\uA  unbestimmt  drücken  sich  Nr.  687,  wo  ünkp  §Xaio(u),  und 
1230  aus,  wo  für  EÄaVv.öjv  quittirt  wird.  Eigenartig  ist  Nr.  333, 
wo  'eine  Zahlung  £•;  zb  £la:o(upYWv)  für  xp[a(i[a(T(i)v)]  [toO  «Sap- 
|x]o'jt1".  erwähnt  wird. 

Endlich  sei  erwähnt,  dass  in  1157  ztk&yai  sXaVpä;  begegnen. 
Doch  hat  der  Inhalt  der  Urkunde  mit  diesem  ihrem  Amt  nichts 
zu  schaffen.  Auch  auf  1603 — 1605  sei  hingewiesen,  in  denen  ein 
Sto'.xYjxVj;  die  £/,aio'jpYla  anweist,  gewissen  Personen  so  und  so  viel 
Oel  zu  verabfolgen.  Hieran  ist  interessant,  dass  noch  in  byzan- 
tinischer Zeit  eine  staatliche  Controlle  über  die  Oelfabrikeu  ausge- 
übt  wurde. ^)    ■ —  In  1236  werden   für   Krotonöl  4  Obolen    gezahlt. 

§  39.    To  iixßaBi5t6v. 

Für  Theben  belegt  durch  1024,  1237,  1262,  1358,  für  Koptos 
durch   1080,  alle  aus  der  Ptolemäerzeit. 

In  1024,  1237  und  1262  wird  das  i{i,ßa0Lxöv  neben  dem 
ix^cpiov  genannt.  Daraus  ergiebt  sich  (vgl.  §  37),  dass  auch  das 
e[jißa0!.7.6v  eine  Abgabe  ist,  die  von  den  Pächtern  an  die  Grund- 
eigentümer gezahlt  wurde.  Zu  dieser  Annahme  passt,  dass  es  in 
1080  heisst:  tö  evßaoiy.ov  -f;;  y/J?  [lou.  Auch  1358  setzt  dieser 
Annahme  kein  Hindernis  entgegen. 

Aber  was  bedeutet  ejißaoixöv?  A.bleitungen  von  zb  e[ißa56v 
oder  6  l[ißaoöc:,  an  die  ich  zuerst  dachte,  befriedigen  in  keiner 
Weise.  Die  richtige  Deutung  gab  Mommseu,  der  es  als  „eine  Ab- 
gabe des  Pächters  für  den  Eintritt  in  das  Grundstück"  auffasst. 
Wir  werden  xb  l[i.ßaSiy.dv  danach  von  -^  i[i^a.oix  ableiten,  das  im 
Lexicon  rhet.  Bekk.  An.  p.  249,  18  folgendermassen  erklärt  wird: 
'EußaxsOax:  7.al  l[ißaT£ia  £3-'.v  V)  vuvl  XEyojjilvyj  2tä  tgO  o  e[ji,ßaS£a, 
TÖ  TÖv  5av£'.a-'^jV  £|ißaT£Oaa;  xcd  zlqEld-er^  etg  xä  y.T)^|xxTa  xoO 
6üox,p£0'j  iwv/^jp'.ÖL^o'/za.  xö  Sav£'.ov.    Zu  dem  Wechsel  von  S  und  x 


I 


')  Dagegen  werden  in  B.GU  612  Oelfabriken  erwähnt,  die  oline  Zweifel  im 
Privatbesitz  sind  (a.  öG/7).  Vielleiclit  erkl.ärt  es  sicli  nach  dem  auf  S.  188 
Anm.  5  gesagten  dadurch,  dass  hier  OÜTenöl   jiroducirt  sein  mag. 


§38  —  40.  IUI 

vgl.  übrigens  Nr.  1;158,  wo  £(ißax;[x]oO  geschrieben  ist.  Andrer- 
seits vgl.  BGU  lOl,  16:  EvßaosÜEtv.  Diese  Abgabe,  durch  welche 
der  Pächter  für  die  Dauer  der  Pachtzeit  sich  in  den  Besitz  des 
Grundstückes  setzt,  wurde  je  nach  den  Bestimmungen  des  Contractes 
in  Geld  oder  in  natura  gezahlt.  In  1237  (Genuiseland)  wird  Geld, 
in   1.S58  Weizen  geliefert. 

Falls  meine  Ergänzung  in  358  lilioc,)  £n(ßaStx6v)  richtig  ist, 
so  nuisste  der  Zahler  ein  Pächter  von  königlicher  Domäne  sein,  da 
die  Zahlung  an  die  königliche  Bank  erfolgt.  Doch  ist  die  Ergänzung 
nicht  sicher. 

Mspia[xci?  ivXc''|inaToc  TSAtov'.y.oO. 
Vgl.  unten  §  138. 

§  40.     To  SVVOIAIOV. 

Für  Syene-Elephantine  belegt  durch  44,  für  Theben  durch 
325,  1510,  1540,  für  Hermonthis  durch  319,  324,  für  Krokodilo- 
polis  durch  1620. 

Das  äwöfitov^)  ist  schon  von  Boeckh  (CIGr.  I  1569)  als  vecti- 
gal  pecuarium,  als  Weidegeld  erklärt  worden.  In  derselben  Be- 
deutung, also  der  römischen  scriptura  entsprechend,  kehrt  es  in  dem 
Palmyrenischen  Steuertarif  wieder  (vgl.  Dessau,  Hermes  XIX  S.  523). 
Hier  ist  namentlich  die  Wendung  [x]G)v  Se  ItlI  vo^iyjv  \Lfzxjo- 
|i£V(üv  .  .  il'pefi.jiXTWv  ö-^eiXtad'Ct.i  .  .  von  Interesse,  weil  hiermit  aus- 
drücklich darauf  hingewiesen  wird,  dass  eben  die  Benutzung  der 
Weide  —  natürlich  der  Gemeindeweide  —  durch  das  Vieh  das 
Steuerobject  bildet. 

Dem  entsprechend  heisst  es  in  unserer  Nr.  319:  svvo^tov 
XTyj(vil)v)  —  „Weidegeld  für  das  Vieh".  Von  -besonderer  Bedeutung 
aber  ist  1540  (vom  J.  14/3  vor  Chr.),  wo  angegeben  wird,  dass  das 


')  Das  Weidegeld  begegnet  ausserdem  in  BGU  485.  Erwähnt  wird  es  bei 
Jlahaffy,  Petr.  Pap.  (II)  S.  [132].  Auch  BGU  478—480  berühren  diese  Ver- 
hältnisse. Es  sind  Meldungen  der  e7ctT7jpif]Tal  vojiSv  (so,  nicht  vö(iu)v)  $tXo)- 
TSptäos,  d.  h.  der  Aufseher  der  Weiden  des  Dorfes  Philoteris  an  die  ßißX'.ocpü- 
Xaxsj  8r||ioaiü)v  Xö-cojv.  Sie  melden,  wie  es  scheint,  dass  in  der  und  der  Zeit 
nichts  eingekommen  sei  in  ihrem  Aufsichtsdistrict  (sii'.xr/prjais),  „weil  es  kein 
Vieh  in  dem  Dorf  gebe".  Das  zweimalige  9-Ep|iaxa  muss  ein  Provinzialismus 
des  Schreibers  für  S-pefiiiaTa  sein.    Vgl.  das  häufige  xopy.65£'.>.og  für  xpoxöSsiXo;. 


Iil2  IV.   KArlTEI,. 


evvö|Ji[OV  für  42  Schafe  (Trpoßaxa)  gezahlt  wird.  Daraus  dürfte 
folgen,  dass  die  Höhe  des  £Vv6|jiiov  nach  der  Zahl  der  auf  die 
Weide  geti'iebeneu  Tiere  berechnet  wurde.  Es  braucht  nur  noch 
liinzuffefugt  zu  werden,  dass  es  sich  in  den  vorliegenden  Fällen 
überall  um  königliche  Weideplätze  handelt,  denn  die  Zahlungen 
erfolgen  au  die  königliche  Bank.  Die  Erhebung  dieses  Weidegeldes 
war  an  Pächter  vergeben.  Sicherlich  gab  es  auch  andere  Weiden, 
die  im  Besitz  von  Gemeinden  oder  von  Privaten  waren.  Wir 
werden  also  das  obige  lvv6{Jiiov  zu  den  privat^\ii"tschaftlichen  Ein- 
nahmen des  Königs  zu  rechnen  haben. 

§  41.    Tö  ivoLXiov. 

Für  Elephantine  belegt  durch  292,  für  Theben  durch  644. 
ÜöA,  661,  671,  1420,  1469,  1580,  alle  aus  der  Kaiserzeit. 

'EvoJxiov  bezeichnet  das  Mietsgeld,  das  der  Mieter  (evotxo;) 
seinem  Mietsherrn,  dem  Hausbesitzer,  zahlt.  Die  Wendung  unzp 
t/oi'/.ioo  Hesse  hiernach  die  Deutung  zu,  das  in  den  obigen  Quit- 
tungen die  Zahlung  des  Mietsgeldes  bezeugt  würde.  Doch  dann 
müsste,  da  es  von  den  staatlichen  Organen  eingetrieben  wird,  überall 
der  Staat  der  Hausbesitzer  sein,   was  sehr  unwahrscheinlich  ist. 

Gehen  wir  von  Nr.  292  aus.  Da  lieisst  es:  bTzip  Ivoiy.wu 
oixcöv  Y-  Hier  kann  unmöglich  das  Mietsgeld  gemeint  sein,  das 
der  Betreffende  für  seine  Wohnung  zahlt,  denn  durch  drei  Häuser 
hindurch  wird  niemand  zur  Miete  wohnen.^)  Vielmehr  kann  nur 
das  Mietsgeld  gemeint  sein,  das  er  aus  den  drei  ihm  gehörigen 
Häusern  bezieht.  Und  so  werden  wir  auch  in  den  übrigen  Fällen 
üräp  Svoixiou  deuten:  für  die  Miete,  die  der  Betreffende  als  Haus- 
besitzer einnimmt.  Wir  haben  es  also  mit  einer  Vermietssteuer  zu 
thun,  die  auf  den  Hauseigentümern  lastet.  Oder  mit  anderen 
Worten:  es  ist  eine  Gebäudesteuer,  die  nach  dem  Ertrag  der  Miete 
erhoben  wh-d.  In  welcher  Weise  die  Steuer  umgelegt  wurde,  lässt 
sich  aus  unseren  Texten  leider  nicht  erkennen.  Ich  will  nur  er- 
wähnen, dass  derselbe  XaxaßoO;  TlavaiiEws  im  J.  119  und  im 
Jahre  121  (vgl.  671  und  142(t^  je  84  Drachmen  zahlt.  Daraus 
folgt  nur,  dass  sein  Hausbesitz  sich  in  dieser  Zeit  nicht  verändert  hat. 

')  üeber  die  Verteilung  der  Familien  in  den  Häusern  geben  interessante 
Aufsehliisse  die  kürzlich  von  mir  edirten  Urlcundcn  KGIT  49.3 — 510.  Auch 
die  zahlreichen  v.a.''  ciy.iav  ä-OYpacat  bieten  viel   Material. 


§  40  —  44  l'J3 

§  42.    'iTOp  in{. . . .). 

Für  Theben  belegt  durch  Xo.  533  und  676. 

In  beiden  Urkunden  steht  bnizp)  £■*,  d.  h.  iizl^.  .  .  .),  xal  äXXuv. 
Der  Älöglichkeiten,  s?  zu  ergänzen,  sind  so  viele,  dass  ich  auf  einen 
Vorschlag  verzichten  muss. 

§  43.     ' Euapoupiov. 

Für  Theben  belegt  durch  332,  352,  1532,  für  Herniontbis 
durch  350,  für  Knptos  durch  1234,  alle  aus  dem  II.  Jahrh.  vor  Chr. 

Das  Wort  STkapoüptOV,  das  sich  voll  ausgeschrieben  in  350 
findet,  ist  unseren  Lexicis  bisher  unbekannt.  Die  Bedeutung^)  kann 
nicht  zweifelhaft  sein:  wie  eTt'.xscpaXtov  die  Steuer  bezeichnet,  die 
auf  dem  Kopfe  lastet,  so  muss  iTiapouptov  die  sein,  die  auf  der 
Arure  lastet.  Wir  haben  also  ein  Wort  vor  uns,  das  so  recht 
geeignet  ist,  das,  was  wir  Grundsteuer  nennen,  zu  bezeichnen.  Es 
ist  gewiss  nur  ein  Zufall,  dass  das  STcapoüpiov  in  den  obigen  Fällen 
immer  mit  Geld  bezahlt  wird,  also  in  Anwendung  auf  Wein-, 
Palmen-,  Obst-  und  Olivenland  steht.  Ich  wüsste  nicht,  weshalb 
man  nicht  auch  die  in  natura  gezahlte  Grundsteuer  für  Weizeu- 
und  Gerstenland  inocpoüpiow  hätte  nennen  sollen.  Zur  Grundsteuer 
im  Allgemeinen  vergl.  §  46. 

Das  Wort  begegnet  mir  auch  in  einem  Berliner  Papyrus 
(P.  142'2)  aus  der  Zeit  des  Kaisers  jVIarcus  ( £[TC]apouptO'j  'f/X^^" 
[cj]av).  Hier  wird  es  in  Beziehung  auf  Tiapxostaog,  auf  Gartenland, 
gesagt.  Bei  Grenfell  (U)  LXV  (aus  dem  11./ III.  Jahrh.  n.  Chr.) 
steht  ivapoup'.ov  als  Bezeichnung  für  eine  Abgabe.  Ich  vermute, 
dass  £/iapo'jptov  zu  lesen  ist. 

§  44.    TTilp  imßoX(-^s). 
In    1472  (Theben)   bezahlt   ein   gewisser  Panameus   ö-'tp   Itz:- 
ßoX(yis)  \  (=  xaÄdv-cwvj  ß  xoö  a(ÜToO)  ß  L  (=  254/5)  4  Drachmen. 
'ETütßoXT^  bezeichnet  eine  Abgabe,  die  als  Zuschlag  auferlegt  wird.-) 


•)  5  inäpoupos  ist  als  Gärtner  oder  „Landmann"  überliefert.  Wie  hier 
ävi^p ,  so  ist  bei  STiapoupiov  etwa  xsJ.sjjia  zu  ergänzen.  Daraus  erklärt  sich 
die  Verschiedenheit  der  Bedeutung. 

^)  In  dieser  Bedetitung  als  Zusehlag  spielt  die  SJf.ßoXi^  im  Justinianischen 
Recht  eine  Rolle.  Vgl.  Zachariae  T.  Lingenthal,  Gesch.  d.  Griceh.  Rom. 
Rechts',   S.  228f. 

WlLCKEK,  Ostraka.  13 


11)4  IV-  K.M'ITEL. 


Vgl.  BGU  519, 15  (IV.  Jalirh.  nacli  Chr.):  xwv  Srjjjioaowv  xal  ävvovSv 
y.ai  TaVTcitov  iTitßoXöv.  Pauameus  zahlt  also  die  4  Drachmen 
„für  den  Zweitalent-Zuschlag  des  Jahres  254/5".  Die  Art,  wie  das  Jahr 
angefügt  ist,  macht  es  wahrscheinlich,  dass  es  sich  nicht  um  eine 
ausserordentliche,  einmalige  oder  gar  nur  den  Panameus  betreffende 
Abgabe  handelt,  sondern  um  eine  allgemein  und  jährlich  erhobene. ') 
Im  Uebrigen  ist  mir  die  Bedeutung  dieses  Zuschlages  völlig  dunkel. 
Die  geringe  Summe  von  2  Talenten  legt  den  Gedanken  nahe,  dass 
die  Ei-hebung  der  Abgabe  auf  einen  bestimmten  Kreis,  sagen  wir 
auf  die  Ortschaft,  zu  der  Panameus  gehört,  beschränkt  war.  Voraus- 
gesetzt, dass  w-ir  es  hier  mit  einer  Vollzahlung  zu  thun  haben,  und 
dass  jene  2  Talente,  wie  wahrscheinlich,  kopfsteuerartig  distribuirt 
waren,  so  würden  die  2  Talente  oder  12(l00  Drachmen  auf  eine 
Bevölkerung  von  3000  Steuerpflichtigen  für  diese  Ortschaft  führen. 
Doch  die  Praemissen  sind  ganz  unsicher. 

§  45.    To  iraY2V7j[JL(x. 

In  1027  wird  das  iTZ'.-(b/ri\i(x  neben  dem  lx-.föpLov  als  eine 
Abgabe  erwähnt,  die  der  Pächter  eines  Grundstückes  dem  Grund- 
eigentümer zu  liefern  hat.  Das  Wort,  das  auch  sonst,  z.  B.  im 
Kevenue-Papyrus  häufig  gebraucht  wird,  begegnet  in  einem  ähn- 
liehen Zusammenhang  wie  hier  auch  in  Petr.  Pap.  (II)  IT,  I,  wo  in 
Z.  19  sTOyEVTjjiaat  (so  auch  Revillout,  Melanges  S.  272)  statt  ztü 
Y£vr,[iaai  (Mah.)  zu  lesen  ist.  Nur  ist  der  Unterschied,  dass  die 
iTZ'.'(V^ri\iO!,zx  dort  dem  Pächter  zukommen.  Es  wäre  denkbar,  dass  laut 
Pachtcontract  die  ini'^e.vfi[ixia.,  il.  h.  der  Ueberschuss,  der  über  die 
zu  erwartende  Ernte  (Y£Vi^|iaxa)  hinaus  erzielt  wird,  an  Pächter 
und  Veiiiächter  geteilt  würde.  Doch  können  die  Contracte  darüber 
sehr  verschiedene  Bestimmungen  getroflfen  haben. 

§  46.    'H  sraypacff^. 

Für  Syene  belegt  durch  295,  für  Theben  durch  703,  709, 
712,  722,  733,  735-737,  1253,  1489  (=1254),  1355,  1.356, 
ltJ19,   1G21,  1(J22,  alle  aus  der  Ptolemäerzeit. 


')  Darum  scheint   mir  die  andere   liedeutung  von  In'.ß^/.T,  als  ,, Geldstrafe" 
hier  nielit  am  Phitz. 


§  44  —  46.  195 

Die  angeführten  (Quittungen  liezielien  sieh  siinnntliili  auf  Na- 
turallieferuugeu.  In  712  werden  Linsen  vermessen,  in  7ii7  Krotou, 
in  1489  Gerste,  iu  allen  übrigen  "Weizen.  Die  Steuer  wird  regel- 
mässig mit  der  Wendung  (lEjisxprf/.sv  £i;  tYjV  £-'.y?ä'^9jv  toO  x. 
siouc  eingeführt.  Der  Ort  der  Ablieferung  wird  meist  ausserdem 
mit  tli  xov  {iTiaaupov  oder  einmal  tl-  tg  £}.a:ODpY!ov  bezeichnet. 
'H  iTz:'(px'fy]  ist  also  der  Name  der  Steuer,  für  welche  die  Natu- 
ralien geliefert  werden.  In  einigen  Fällen  ist  hinzugefügt,  dass 
diese  Steuer  für  einen  bestimmten  167105  gilt.  Das  geschieht  ent- 
weder mit  der  Wendung  \jr.ip  toü  töttcj,  wie  z.  B.  in  7i55,  oder 
aber  der  Topos  ist  im  Genetiv  direct  von  s-typa'fYj  abhängig  ge- 
macht, so  iu  1253,  1619,  1G20,  1622.  Wir  werden  unten  in  §  124 
n:uliweisen,  dass  hier  in  allen  Fällen  unter  xÖTio;  die  Toparchie  zu 
verstehen  ist,  der  Steuerdistrikt.  Dieser  besondere  Hinweis  auf  die 
Toparchie  ist  aber  an  und  für  sich  entbehrlich,  und  wir  werden 
ihn  auch  dort  suppliren  dürfen,  wo  die  iTZ'.'fpOL'ff]  ohne  xöizoQ  ge- 
nannt wird.  Wir  haben  es  also  in  allen  Fällen  mit  Natural- 
lieferungeu  zu  thun,  die  der  Steuerzahler  als  Angehöriger  einer 
bestimmten  Toparchie  zu  leisten  schuldig  ist. 

Was  bedeutet  nun  s-iypa'^i^?  Von  den  mannigfachen  Be- 
deutungen von  £7:'.Ypä'.f£tv  kann  hier  nur  eine  in  Betracht  kommen: 
i-'.'^pi(fzi^  IVA  V.  =  Jemandem  etwas  auferlegen.  In  der  Gerichts- 
sprache bezeichnet  es  das  Auflegen  von  Strafsummen  und  dergleichen, 
und  so  spricht  auch  unser  Ostrakon  1615  von  der  £-iYp(a'.fO|j,£vr;) 
^Y|jiia.  Im  Besonderen  aber,  und  das  trifft  für  unseren  Fall  zu, 
bezeichnet  es  das  Auferlegen  von  Steuern,  Abgaben  und  Lasten. 
So  sagt  Ps.  Aristoteles,  Oecon.  II  2,29:  Mlpwv  —  OEYjil'els  xpy,- 
;,iättüv  ETxlYpÄ't'^  tolg  TT/o'jaiWtä-iO'.s  a'jxwv  -Ifid-ic,  v.  äpY'Jpio'j. 
So  sagt  Polybios  XXV  2,  11  {ed.  Hultsch):  'E-£YP^r''i  ^e  xal  Mi- 
i>i'.5ä-r, — -piaxovrx  TaXavca.  Die  Beamten,  die  in  Athen  bestimmte 
Abgaben  zu  berechnen  und  aufzulegen  hatten,  hiessen  ETnyp^'-F^^S) 
was  Pollux  VIII  103  so  erklärt:  ouxot  xa  c-^£;Xö{i£va  I9'  £xxaxo'j 
ixxaxw  ETXEYpa^ov  —  £7i£Ypa'.fov  Se  xal  xa  x;[iYj(xaxa  kv.iaxoic,  xaxä 
iEiav.  Von  diesem  iTz-.'^pi-^v.w  ist  -^  et^yp^'t^  '^-'^  "*^^^  Auferlegte, 
die  auferlegte  Abgabe"'  abzuleiten.  In  dieser  Bedeutung  kommt 
z-iypoc-f-q    bei   den   attischen   Kednem    vor.i)      Es    ist    aber    auch, 

^)  Vgl.  Isocrates,  trapezit.  §  41:  sljcopx;  v,|itv  TipojTay.SsiJ'iS  Jt«'  ixspojv 
i-'.ypacpöv  YsvcjjisvMv. 

13* 


19(3  IV.  KAPITIOI.. 


abgesehen  von  unseren  Texten,  in  der  ptolcmäisehen  Kanzleispraolie 
nachweisbar.  In  dem  Pariser  Papyrus  63,  der  von  der  Liturgie 
der  Bestellung  der  königlichen  Domäne  handelt  (II.  Jahrh.  vor  Chr.  i, 
heisst  es  z.  B.  Col.  III.  TD:  "km.  \iriT  ivEo:;  "/.aTKoesaTlpav  toO  \xt- 
xpiou  XY]V  ir.r(pa.-^riv  yEvrjS'Yjva;,  wo  mit  der  Eraypa-^v^  eben  die 
Auflage  dieses  munus  gemeint  i.«t.  Vgl.  Z.  152  f:  £■/.  aujji'.pwvo'j 
o'ky.ioxQ'.g  \itp:a^'Q  xatä  tt/v  ST^'.ypaiyYjV  %  ixavö?  lazcci  -/.ata- 
■/.paxclv.  In  derselben  Bedeutung  steht  das  Verbum  ebeud.  Col.  VII  7 : 
y.al  zcdc.  aTCoaxeual;  «üxiöv  ^Tcoyeypa^-S'ai  yvjv,  d.  h.  die  Bebauung 
des  Landes  ist  ihnen  auferlegt.  Ebenso  Z.  91,  wo  zu  lesen  ist:  ihq  toO 
S'.d  ToO  7i:pocTäy[xaxo;  ti)pta|XEVOU  x£[(f]aXatou  Traai  —  iTiiysypai.t- 
[13V01I  (so  auch  Revillout,  Melanges  S.  255  für  £vy£ypa|ji[i£vouj. 
Endlich  heisst  es  von  den  Beamten,  die  die  Auflage  besorgen,  Z.  133: 
xav  xaTaXaiißavY][x]£  xivag  xwv  npoc,  xxT;  Tipoi.y\i.a.iziixic,  —  It::- 
yp(zcp£t[v]  [lY]  Suva[i£vous,  wo  Revillout's  Aenderung  (Melanges  S.  256) 
£— '.ypa-^£:[a9'a:]  sjH'achlieh  und  sachlich  gleich  unmöglich  ist.  Von 
£-iypx'.pai  redet  nach  meiner  Lesung  auch  die  Stele  von  AssuAn 
Z  (52:  [iiJpyupixÄs  lutypa^is,  d.  h.  „in  Geld  zu  zahlende  Abgaben" 
(Mahaify,  Hermathena  IX  S.  288  liest  £7:iypä['|]aa[-8-a[).  —  In  der 
Kaiserzeit  begegnet  mir  das  Wort  in  BGU  5G3  I,  8:  iE  £7tt- 
ax(£<p£Ci)g)  y^  TißEpoou  uXeiü)  l7t[t]yp(acp£vxa),  wo  es  von  der  Auf- 
lage der  Grundsteuer  gesagt  wird.  Denselben  Sinn  hat  das  Nomen 
im  Berliner  Papyrus  P.  1422  Z.  9:  wv  öctzö  iTi'.yp(cc:fric,)  xxX. 
Dagegen  bleibt  mir  die  spezielle  Bedeutung  unklar  in  der  folgenden 
Formel,  die  sich  mehrfach  am  Schluss  von  yEipöypix'^x  findet:  Tg 
C£  yz'.pi-^pixfm  xoOxo  Siaoöv  ypacfEv  y.a%'a.pm  a.Tib  iiciypa^fjc  -/.al 
(iXEcaSoc  (=  äXE'!-^axo?)  xüptov  £axw  xxX.  So  im  Pap.  Lond.  in 
Pal.  Soc.  S.  II  PI.  149.  Vgl.  BGU  578  und  666.  Hier  mag  die 
ETtiypatpiQ  sowie  die  Oelabgabe  zu  den  Gebühren  oder  Sportein  ge- 
hören, die  eventuell  für  solche  Contracte  erholjen  wurden. 

Aus  diesen  Beispielen  dürfte  zur  Genüge  hervorgehen,  dass 
i^  ETtiypacpyj  ein  ganz  allgemeiner  Ausdruck  für  das  dem  Bürger 
vom  Staat  Auferlegte  ist.  Ich  habe  keinen  Beleg  dafür  finden 
können,  dass  mit  diesem  Worte  s|)eziell  diejenigen  Abgalien  bezeichnet 
wären,  die  als  ausserordentliche  zu  den  ordentlichen  hinzugefügt 
wurden.  Ivigene  Revillout  hat,  wie  ich  noch  in  der  zwölften  Stunde 
sehe,  in  dun  „Melanges",  in  denen  er  ein  reiches  Material  zur  £7::- 
ypa-^YJ    vorgelegt   hat,    auf  dessen   Vervvertung   ich    zur    Zeit   leider 


§  40.    DIE    GKUNDSTEUER.  197 

verzichten  muss,  diese  letztere  Deutung  aufgestellt  und  sieht,  gestützt 
auf  seine  demotischen  Acquivalente,  in  der  lTCLYP*'fi^i  ,>i'n  impot 
mipplemeniaire".^ )  In  dem  griechischen  Worte  liegt  das  jedenfalls  nicht. 
Das,  was  Revillout  vorschwebt,  würde  griechisch  etwa  ■npoQe.ni'^poi.'.fr] 
heissen  (vgl.  Tcpo;5txYpacf£;v,  Trpocjisxpslv).  Ich  halte  daher  die 
iTitYpa^T^  unserer  Texte  nicht  für  eine  Zusatzstcuer,  sondern  für 
eine  ordentliche  und  Hauptsteuer,  die  ganz  allgemein  als  „die 
Auflage"  bezeichnet  wird.'-') 

lieber  die  spezielle  Natur  der  Abgabe  ist  damit  leider  nichts 
erschlossen.  Ich  glaube,  die  richtige  Deutung  gewinnen  wir  lediglich 
durch  einen  Ueberblick  über  die'gesammten  Quittungen  über  Natural- 
lieferungen  der  Ptolemäerzeit.  Abgesehen  von  den  wenigen  Nummern, 
die  sich  mit  speziell  genannten  anderen  Abgaben  befassen  (s.  unten), 
wird  eine  das  Wesen  der  Naturallieferungen  charakterisirende  An- 
gabe nirgends  gemacht.  Entweder  wird  das  Getreide  eJ;  ty^v  eni- 
Ypa^T^v  vermessen,  oder  67iep  TOTtO'j,  oder  es  steht  beides  beisammen, 
oder  aber  es  heisst  statt  dessen  einfach  £;g  t6  x  .  exo;.  Wenn  ich 
auch  keinen  stricten  Beweis  dafür  erbringen  kann,  so  halte  ich  es 
doch  für  sicher,  dass  es  sich  in  allen  diesen  Fällen  um  die  Zahlung 
der  Grundsteuer  handelt.  Wo  sollen  die  Grundsteuerquittungen, 
die  doch  ohne  Zweifel  mit  die  wichtigste  Rolle  gespielt  haben  werden, 
sonst  stecken?  Bei  welcher  anderen  Naturallieferung  hätte  man  die 
Erwähnung  der  Steuer  für  überflüssig  halten  können  als  bei  der 
( irundsteuer?  Ich  gebe  zu,  dass  der  Wortlaut  der  Eiuzelurkunde 
zu  dieser  Auflassung  nicht  zwingt.  Aber,  ich  möchte  sagen,  der 
(iesammtbefund  unserer  Urkunden  rechtfertigt,  ja  fordert  diese  An- 
nahme. Es  kommt  hinzu,  dass  ganz  ähnlich,  mit  geringen  Aus- 
nahmen,   auch    die    sämmtlichen    Naturalquittungen    der   Kaiserzeit 


')  Revillout  liest  das  betreffende  Wort  liot'n  lioti  und  erklärt  es  als  „le 
surplus  de  l'impöt".  Er  beruft  sich  S.  183  für  dieselbe  Bedeutung  des  griechischen 
sitiYpacpi^  auf  Lysias.  Leider  ist  es  mir  nicht  gelungen,  das  Wort  bei  Lysias 
zu  finden.  Uebrigens  bemerke  ich,  dass  das  Wort  gerade  wegen  seiner  völligen 
Allgemeinheit  uatürlich  auch  auf  Steuern  angewendet  werden  konnte,  die  ihrem 
Wesen  nach  als  Zusatzsteuem  zu  betrachten  sind.  Aber  das  Wort  selbst  drückt 
diese  Nuance  jedenfalls  nicht  aus. 

-)  In  unseren  Texten  haben  wir  nur  Belege  für  die  Ptolemäerzeit.  Aber 
Revillout  bringt  in  den  ,,Melanges"  S.  186  ein  Beispiel  für  das  Vorkommen 
dieser  Steuer  im  20.  Jahre  des  Augustus,  lülerdings  in  einem  demotischen  Texte 
nis  houo  hotil. 


198  IV.  KAPITEL. 


einer  speziellen  Erwäliuinig  der  Steuer  entbehren  und  sich  meist 
darauf  bescliränkeu,  die  Toparcliie  oder  den  sjieziellen  Ort  zu  nennen. 
Wir  werden  unten  seilen,  dass  es  auch  hier  .«ich  überall  um  Grund- 
steuer handelt. 

Der  alphabetischen  Anordnung  des  Stoffes  gemäss,  haben  wir 
die  einzelnen  Varietäten  der  Grundsteuer  au  verschiedenen  Stellen 
besprechen  müssen.  Vgl.  §  12  5~Ep  ä[i7iEX(i)V(i)v,  §  27  unkp  yeo)- 
liBxpiac,  §  4.3  sTiapo'jp'.ov.  §  124  (mip  xör.ou,  §  131  UTiep  cpotvtv.wvcov. 
Hier  unter  der  allgemeiusteu  Bezeichnung  der  Steuer  als  £7iiypa'.f^ 
wollen  wir  versuchen  zusammenzustellen,  was  sich  aus  dem  neuen 
Material  Neues  für  die  Grundsteuer  in  Aegypteu  ergiebt. 

Ich  möchte  kurz  vorausschicken,  was  wir  bisher  darüber 
wussteu.  Von  dem  allgemein  verbreiteten  Glauben ,  dass  man 
in  Aegypten,  bis  in  die  späte  Kaiserzeit  hinein,  ein  Fünftel  der 
Ernte  habe  zahlen  müssen,  hat  uns  Giacomo  Lumbroso  glücklich 
befreit.  Sein  Nachweis  (Recherches  S.  94),  dass  Orosius  I  8,  9  diese 
Nachricht  mitsammt  dem  „usque  ad  nunc"  aus  der  Genesis  47,  24  ff. 
abgeschrieben  hat,  ist  eines  seiner  glänzendsten  und  sichersten  Re- 
sultate, das  aber  leider  nicht  überall  beachtet  worden  ist.^)  Zugleich 
hat  Lumbroso  mit  Recht  darauf  hingewiesen,  dass  es  sich  in  der 
Genesis  nicht  um  Grundsteuer,  sondern  um  Pachtzins  handelt.  Damit 
fallt  dieses  Zeugnis  für  unsere  Frage  völlig  fort.  Lumbroso  hat 
dann  auf  S.  29.)  die  Vermutung  ausgesprochen,  dass  die  Grundsteuer 
(abgesehen  von  der  der  Tempel)  vielleicht  ein  Zehntel  der  Ernte 
betragen  habe.  Neuerdings  hat  Mommsen  (R.  G.  V  S.  573/4  A.  1 ) 
sich  folgendermassen  zu  der  Frage  geäussert:  „Ziffern  besitzen  wir 
weder  für  die  Domanial-  noch  für  die  Grundsteuerquote.  —  Die 
Domanialrente  kann  nicht  unter  der  Hälfte  betragen  haben,  auch 
für  die  Grund.steuer  möchte  der  Zehnte  (Lumbroso  a.  a.  O.)  kaum 
genügen." 

Wenden  wir  uns  zunächst  zu  der  Frage,  welche  Zahlungsmittel 
der  Staat  bei  der  Grundsteuer  angenommen  hat.  Auf  Grund  der 
Ostraka  imd  Papyri  können  wir  zum  ersten  jSIale  die  wirtschafts- 
geschichtlich  so  interessante  Frage  nach  dem  hierbei  hervortretenden 


V  So  findet  sicli  die  alte  Auflassung  uoeli  in  der  2.  .\uUii<:e  von  ManjuMidt- 
Staatsverw.  II  (1884)  S.  234.  Auch  O.  Seeek,  Zeitsclir.  f.  Soc.  u.  Wirtsch.  IV 
1895  S.  338  ff.,  scheint  Lumbroso's  Resultat  nicht  zu  kennen.  Ef  opcrirt  durcli- 
gehends  mit  dem  „Fünften". 


§  4(5.     DIE    GEUNDSTEUER.      arten    der    ZAHLUNGSMITTEL.      199 

Verhältnis  der  Naturalwirtschaft  zur  Geldwirtschaft  schärfer  an- 
fassen. Es  war  bereits  bekannt,  dass  mau  in  Aesypteu  die  Steuern, 
im  Besonderen  die  Grundsteuern,  teils  in  natura,  teils  in  Geld 
zahlte.  Das  bezeugte  die  Rosettana  Z.  28  ff'.,  wo  es  von  Ptole- 
maios  V  Ejiiphanes  heisst:  dtpyjxev  5^  y.ai  xä  £[v]  xolq  hpoXi;  d^£;- 
X6[ieva  £'4  xö  ßxoiXtxöv  —  ovxa.  st?  at'xou  xe  xal  äpyupJou  TiX'^O'OS 
OU>t  öXi'yov.  Dafür  sprach  auch  Z.  1 1  f .  derselben  Inschrift,  wo  es 
vom  König  heisst:  avaxIS-sixev  zig  xä  iepa.  apyiipixäs  x£  v.y.'. 
atxtxä?  TCpojoSoi);.  Mit  diesen  -pöqoZoi  sind  aber,  wie  uns  z.  B.  die 
Stele  von  Pithom  lehrt,  bestimmte  „königliche"  Einnahmen  gemeint, 
die  er  den  Tempeln  überwies.  So  hat  nach  dieser  Stele  Ptolemaios  II 
Philadclphos  im  21.  Jahre  seiner  Regierung  (2G.Ö/4)  den  Tempeln 
Aegyptens  die  Erträge  der  Häusersteuer  und  diverser  anderer  Steuern 
des  Jahres  überwiesen  (vgl.  Zeitschr.  f.  Aeg.  Spr.  XXXII,  S.  14).. 
Für  die  Kaiserzeit  hatten  wir  ein  entsprechendes  Zeugnis  in  dem  Edict 
des  Ti.  Julius  Alexander  Z.  46/7,  wo  sich  die  yewpyoOvxE?  über  neue 
x£X£a|j,axa  atxixä  xal  apyupixa  beklagen.  Diese  Thatsachen 
waren  bekannt  (vgl.  Marquardt,  Staatsverw.  II'-,  S.  19.3  A.  3).  Aber 
in  welchem  Verhältnis  die  Natural-  und  die  Geldleistungen  zu  einander 
gestanden,  nach  welchem  Gesichtspunkt  die  eine  oder  die  andere 
gefordert  wurde,  war  uns  unbekannt,  und  man  hat  sich  wohl  ver- 
schiedene Gedanken  darüber  gemacht  (vgl.  z.  B.  Varges,  de  statu 
Aeg.  S.  56).  Es  scheint  mir  eines  der  wichtigsten  Ergebnisse  unserer 
Ostraka  und  Papyri  zu  sein,  dass  wir  jetzt  in  der  Lage  sind,  diese 
Frage  mit  grösserer  Sicherheit  zu  beantworten.  Die  Urkunden 
lehren  uns  nämlich,  dass  die  Frage,  ob  in  natura  oder  in  Geld  zu 
zahlen  sei,  nicht  etwa  im  Belieben  des  Steuerzahlers  stand,  auch 
nicht  im  einzelnen  Falle  durch  die  besonderen  wirtschaftlichen  Verhält- 
nisse bestimmt  wurde,  sondern  durchgehends  und  regelmässig 
von  der  Kulturart  des  besteuerten  Bodens  abhing.  Das 
Resultat,  das  wir  im  Einzelnen  begründen  wollen,  lässt  sich  etwa 
folgendermassen  formuliren : 

I.  Für  Grundstücke,  die  Weizen,  Gerste,  Kroton, 
Sesam,  Knekos  tragen,  wird  in  natura  gesteuert. 

IL  Für  Grundstücke,  die  Wein,  Palmen,  Oliven, 
oder  Obst  tragen,  wird  Geld  gezahlt.  Gemüseland  wird 
bald  in  natura,  bald  in  Geld  besteuert. 


200  IV.  KAPITEL. 


III.  Für  alle  anderen  Steuern  als  die  Grundsteuer 
(zu  der  in  der  Kaiserzeit  die  annona  hinzutritt)  wird  in 
der  Regel  Geld  gezahlt. 

Vergleicht  man  die  beiden  Klassen  von  Bodenarten,  die  wir 
unter  I  und  II  aufgestellt  haben,  hinsichtlich  ihrer  landwirtschaft- 
lichen Bedeutung  mit  einander,  so  liegt  auf  der  Hand,  dass  der  bei 
weitem  grösste  Teil  der  Grundsteuern  in  natura  geliefert  wurde. 
Ob  das  aber  auch  <ler  grösste  Teil  der  gesammten  in  Aegypten  er- 
hobenen Steuern  war,  wage  ich  nicht  zu  berechnen.  Wenn  ich 
auch  keine  ziffernmässigen  Nachweise  aus  dem  Altertum  bringen 
kann,  so  ist  doch  darüber  kein  Zweifel,  dass  auch  schon  damals 
wie  jetzt  der  Weizenboden  das  grösste  Kulturareal  des  Nilthals  ein- 
genommen hat.  Ja,  der  Weizen  muss  damals  noch  eine  viel  weitere 
\^erbrcitung  gehabt  haben,  da  er  heute  durch  neueiugeführte  Pflanzen 
wie  Mais,  Reis,  Baumwolle,  Tabak  stellenweise  zurückgedrängt  ist. 
Noch  heute  aber  nimmt  das  Weizenland  in  Oberaegypten  50  "/g, 
im  Delta  (wegen  des  Mais)  nur  30  "/g  des  Gesammtareais  ein.  Auch 
die  Gerste  findet  sich  in  der  in  natura  besteuerten  Klasse.  Sie  war 
zwar  lange  nicht  so  verbreitet  wie  der  Weizen,  bedeckte  aber 
gleichfalls  beträchtliche  Strecken.  Heute  beträgt  der  Gerstenboden  in 
Oberaegypten  10%,  im  Delta  14  "/„  des  Kulturlandes. i)  Doch 
auf  diese  unsicheren  Vergleichungen  mit  dem  Modernen  brauchen 
wir  uns  nicht  zu  beschränken.  Die  Ostraka  selbst,  und  die  Papyri 
dazu,  zeigen  uns,  wenn  wir  sie  ins  Gesammt  überblicken,  dass  der 
Weizen  bei  Weitem  die  erste  Rolle  gespielt  hat.  Ein  klassisches 
Zeugnis  für  die  landwirtschaftlichen  Verhältnisse  im  Faijum  (aus 
dem  J.  235/4  vor  Chr.)  könnten  wir  in  einem  der  Flinders  Petrie 
Papyri  besitzen,  wenn  er  nur  vollständiger  erhalten  wäre  (vgl.  Ma- 
hafiy  II,  XXX  d).  Es  ist  eine  vom  Nomarchen  des  arsino'itischen 
Gaues  eingesandte  üebersicht  über  das  bis  zum  30.  Hathyr  besäte 
Land,  ausgearbeitet  nach  den  Einzelberichten  der  Toparchen  oder 
Topogrammateis.  Da  heisst  es  nach  meiner  Lesung:  'Ev  x&i 
'Apa'.vofxYj'.'  ixupwo  MS''ct£'-,  «yaxwt  wti;'-  (t  Xp.  Darauf  folgen 
X'Ja[jiü):,  -/.pi^fii,  [iXöpJfx:,  bei  denen  leider  die  Ziffern  weggebrochen 
sind.     Auch    die   weiteren  Posten    sind    verloren.     Immcrhiu    ist   es 


')  Bädcker,    Unteraegypten  2.  Aufl.    188.^.    S.  80.     Vgl.    auch    die  Tabelle 
bei  V.  Fircks,  Aegypten  1894,  I  S.  206. 


I 


§  46.  DIE  GRUNDSTKUEE.  GELD-  UND  NATUKALWIKTSCHAFT.  201 

interessant  hier  die  Summe  von  134315-J  Aruren  Weizenland  neben 
ggQJi-jLj-jij  Aruren  Linsenland  zu  finden.  Rechnen  wir  die  Arure 
zu  2750  Dm  (vgl.  Kap.  Xj,  so  beträgt  das  besäte  Weizenland  über 
370  Dkm  und  das  Linsenland  über  2^  Dkm.  AVie  gross  das  anbau- 
fähige Land  im  Faijnm  damals  gewesen  ist,  wissen  wir  leider  nicht. 
Mit  der  heutigen  Summe  (1277  Dkm,  vgl.  v.  Fircks,  Aegypten  1894, 
II  8)  ist  natürlich  nichts  anzufangen,  da  gerade  im  Faijilm  die  Boden- 
verhältnisse sich  völlig  geändert  haben. 

Sucht  man  nach  dem  Princip,  nach  dem  bei  den  unter  II  auf- 
geführten Bodenarten  die  Naturallielerung  in  eine  Geldzahlung  um- 
gewandelt ist  (denn  das  ist  jedenfalls  der  Gang  der  historischen 
Entwickelung),  so  kann  man  vielleicht  darauf  hinweisen,  dass  unter 
II  solche  Naturalien  vereinigt  sind,  die  vom  Staat  nicht  in  natura 
verbraucht  wurden,  z.  T.  sich  auch  schlecht  speichern  Hessen. 
Weizen  und  Gerste  dagegen  verbrauchte  man  u.  A.  zur  Verpflegung 
des  Heeres^)  in  natura,  und  in  der  Kaiserzeit  brauchte  es  der  Herr 
Aegyptens  ausserdem,  um  den  hungrigen  Pöbel  von  Rom  zu  be- 
friedigen. Was  nicht  verbraucht  wurde,  wurde  thesaurirt,  für  die 
mageren  Jahre.  Sesam,  Kroton  und  Knekos  verbrauchten  die  Ptole- 
mäer  gleichfalls  in  natura,  denn  sie  hatten,  wie  uns  Grenfell's 
Revenue-Papyrus  lehrt,  die  Oelgewinnung  aus  diesen  Pflanzen  mono- 
polisirt.  Nach  diesem  Princip  könnte  man  freilich  auch  Wein- 
lieferungen in  natura  erwarten.  Doch  was  der  Hof  an  einheimischem 
Gewächs  überhaupt  brauchte,  das  mögen  die  königlichen  Domänen 
reichlich  gebracht  haben.  Das  Schwanken  gegenüber  dem  Gemüse- 
land ist  begreiflich  genug.  Man  wird  Gemüse  nur  so  weit  in 
natura  erhoben  haben,  als  man  es  zur  Verproviantirung  gebrauchte 
(vgl.  712,  858;  vgl.  auch  1013). 

Wir  sehen  hieraus,  dass  die  Naturalwirtschaft  in  Aegypten,  soweit 
sie  bei  der  Besteuerung  hervortritt,  schon  in  der  Ptolemäerzeit  von  der 
Geldwirtschaft  weiter  zurückgedi'ängt  war,  als  wir  bisher  wohl  ge- 
glaubt hatten.    Die  Naturalleistungen  hafteten  in  der  Regel  überhaupt 


')  Vgl.  meine  „Actenstücke  aus  der  kgl.  Bank"  S.  94  f.  Die  dort  ange- 
führten Texte  zeigen,  dass  auch  bei  der  Heeresverpflegung  allmählich  die  Geld- 
wirtschaft die  Naturalwirtschaft  zurückdrängte.  Von  den  drei  Artaben  Weizen, 
die  nach  einem  Londoner  Papyrus  der  Soldat  ursprünglich  (neben  dem  Gelde) 
bekommen  sollte,  wurde  im  II.  Jahrb.  vor  Chr.  nur  uoch  eine  in  natura  geliefert! 
Vgl.  übrigens  unsere  Ostcaka  aus  Pselkis. 


202  IV-  KAPITEL. 


nur  noch  an  der  Gninclstriicr,  und  auch  hier  hielten  sie  sich 
nur  bei  bestimmten  Bddenklassen.  Es  ist  dies  um  so  bemerkens- 
werter, als  Aegypten  ja  früher  ausschliesslicli  die  Naturalwirtschaft 
gekannt  hatte.^)  Freilich  hatten  schon  die  Perser  Geld  von  Reichs- 
wegen in  Aegvpten  cursiren  lassen  und  hatten  bereits,  wie  uns 
Herodot  III  91  lehrt,  die  Steuern  teils  in  Geld,  teils  in  Naturalien 
eingefordert.  Ja,  woiiii  wir  Herodot's  Worte  auf  die  Wagschale 
legen,  so  seheiut  es,  als  wenn  schon  sie  das  Princip  gehabt  hätten, 
nur  so  viel  in  natura  einzutreiben,  als  im  Lande  zu  Zwecken  der 
Verwaltung  verlnaucht  wurde.  Denn  zu  der  Erwähnung  des  ini- 
[i£-p£0[i£vou  acTOi)  fügt  er  hinzu:  atxou  yap  SuoxaiSexa  (jwpiiSa; 
ÜEpalcav  x£  zölai  £v  xw  Aeuxw  xeiyBi  xw  £v  Mlfx^t  xazo'.xr^- 
|jiEVOtat  y.axa[ji£xp£OuaL  xai  -zolo'.  xouxwv  iTciY.oüpoiai.  Also  diese 
120000  Artaben^)  Getreide  wurden  lediglich  zur  Verpflegung  der 
in  Aegypteu  stationirten  persischen  Garnisonen  verwendet.  Alle 
übrigen  Abgaben  wurden  in  Geld  gezahlt. ä)  Diesen  Zustand  fanden 
die  Ptolemäer  schon  vor,')  und  es  ist  im  Wesentlichen  derselbe, 
der  uns  aus  unseren  Ostraka  und  Papyri  entgegentritt.  Leider  reichen 
unsere  Steuerquittuugcn  nur  bis  in  die  Mitte  des  III.  Jahrhunderts 
nach  Chr.;  auch  für  die  ersten  Decennien  dieses  Jahrhunderts  sind 
sie  nur  sehr  spärlich.  Daher  können  sie  uns  keine  Belege  für  die 
bekannte  Thatsaehe"' )  geben,  dass  vom  Anfang  des  III.  Jahrhunderts 
an  die  Naturalwirtschaft  wieder  zu  wachsen  beginnt  und  die  Geld- 
wirtschaft immer  stärker  zurückdrängt.  Auf  die  Gründe  dieser 
Erscheinung  einzugehen,  ist  liier  nicht  der  Ort;  wir  wollen  nur 
darauf  hinweisen,  dass  auch  fiir  Aegypten  diese  Thatsache  durch 
die  Papyrusliteratur  bestätigt  wird.     Vgl.  unten  Kap.  VII. 


I 


')  Vgl.  z.  B.  Ell.  Meyer,  Die  ■n-irtschaftliche  Entwiekeluns  d.  Altertums 
S.  64  f. 

*)  Stein  sprielit  in  seinem  Commentar  irrtümlich  von  Medimiien.  Die 
Perser  haben  den  Ae<ry])tcrn  die  Artabe  gebracht.     Vgl.  Kap.  X. 

')  Nach  Herodot's  Worten  ist  anzunehmen,  dass  dieses  Getreide  nicht  von 
Aegypten  allein,  sondern  auch  von  Kyrene  und  Barka  geliefert  wurde.  Auch 
die  700  Talente  beziehen  sich  mit  ;iuf  diese  Nac'hl)arländer,  nicht  auf  Ai^yptcii 
allein,   wie  Momnisen   It.G.V  S.  5G0  anzunehmen  selieinf. 

■*)  Ueber  Hieronymus'  Aniral)e,  dass  sich  unter  Philadelplios  die  jährlichen 
Abgaben  auf  14800  Talente  und  li  Millionen  .\rtalicn  Getreide  belaufen  haben, 
vgl.  den  Schluss  dieses  Kapitels. 

*)  Ed.  Sleyer,  die  wirtsch.   Entw.  S.  G.3. 


§  46.     DIE    GRUNDSTEUER.  203 

Wir  sind  noch  den  Beweis  für  unsere  obige  Einteilung  des 
Bodens  in  die  zwei  Klassen  schuldig  gel)liel)en.  Wollton  wir  uns 
nur  auf  die  Ostraka  beschranken,  so  konnten  wir  uns  kurz  fassen 
und  einfach  auf  die  Texte  verweisen,  in  denen  eben  zu  lesen  ist, 
dass  Weizen,  Gerste  etc.  in  natura  geliefert  werden,  dass  dagegen 
für  die  Grundstücke  der  II.  Klasse,  soweit  sie  in  den  Ostraka  vor- 
kommen, in  Geld  gesteuert  wii'd.  Doch  das  Zufällige,  das  einer 
solchen  Urkuudensammlung  immer  anhaftet  und  sich  der  Verall- 
gemeinerung hindernd  in  den  Weg  stellt,  möchte  ich  durch  den 
Hinweis  auf  den  Londoner  Papp'us  CXIX  (bei  Kenvon  S.  140  ff) 
beseitigen. 1)  Dieser  PapjTUS,  eine  der  wichtigsten,  hi.^her  aber  noch 
nicht  ausgenutzten  Quellen  für  die  Grundsteuern  Aegyptens,  ist 
nicht  nur  durch  seine  positiven  Angaben  von  grösstem  Werte,  sondern 
auch  dadurch,  dass  er  gewisse  Dinge  mit  Stillschweigen  übergeht. 
Es  ist  ein  Rechnungsbuch,  in  dem  über  die  staatlichen  Einnahmen 
aus  dem  Privatgrundbesitz  in  Theben  (II.  Jahrh.  n.  Chr.)  in  der 
Weise  Rechnung  gelegt  wird,  dass  die  einzelnen  Steuerzahler  nach 
den  Stadtquartieren  in  alphabetischer  Reihenfolge  aufgeführt  werden, 
und  bei  jedem  Einzelnen  notirt  wird,  wie  viel  er  in  dem  betreffenden 
Monat  an  Grundsteuer  gezahlt  hat.  Vor  allem  muss  hervorgehoben 
werden,  dass  es  sich  hier  lediglich  um  Geldzahlungen  handelt.  Es 
ist  also  ein  Xoyos  apyupcxo?,  wie  die  Papyri  derartige  Bücher  nennen, 
dem  ganz  gewiss  ein  Xoyo?  a'.xiv.6c,  oder  yevtxos  (vgl.  BGU  14  II  3) 
zur  Seite  gestanden  hat.  Der  letztere  ist  uns  aber  nicht  erhalten. 
In  diesem  Xöyo;  apyuptxo?  handelt  es  sich  nun  ausschliesslich  um 
folgende  Boden-  resp.  Fruchtarten:  1)  äiiTtsXwvöc,  2)  if otv.xwvic, 
3)  Xa^aviat,  4j  dxpöSpua,  5)  TiapaSsoaoL,  6)  |i.'jpGJjaXavoL.  Dagegen 
findet  sich  niemals  Weizen-  oder  Gerstenboden  oder  einer  der  anderen 
unserer  Klasse  I.  Bei  der  gewaltigen  Ausdehnung  des  PapjTUS  ist 
dies  ganz  gewiss  kein  Zufall,  vielmehr  können  wii-  mit  Sicherheit 
annehmen,  dass  über  die  Einnahmen  aus  diesen  Ai'ten  in  einem  be- 
sonderen Xoyoi;  aiWAÖi;  Buch  geführt  worden  ist,  mit  anderen  Worten, 
dass  sie  in  natura  besteuert  wurden.  Auch  unsere  Berliner  Papn-i 
bieten  weitere  Bestätigungen.  BGU  84  (a.  242,3  n.  Chr.)  handelt 
von  der  «TiaixYjat?  oltixüv  cpopcöv.  Wiewohl  es  sich  hier  um  die 
Abgaben   der   57][iöaco'.   yscopyoi   handelt,   ist   es  doch  von  Interesse 


')  Vgl.  dazu  meine  Bemerkunt.'en   in  den  Gott.  Gel.  Auz.   1894,  S.  733  ff. 


204  IV.  KAPITEL. 


ZU  sehen,  dass  hier  in  natura  Weizen,  Gerste  und  Linsen  geliefert 
werden  —  also  Arten  der  Klasse  I.  Dagegen  handelt  BGU  141 
(vom  J.  242,3  n.  Chr.)  von  den  TeXeafjiaTa  apyuptxd.  Hier  begegnen 
eXatwvES,  (fotv'.xwvsj,  7iapa5eiaot,  «[iTiEXöive?  —  also  lauter  Arten 
der  Klasse  II.  Die  IXatövs;  fehlen  übrigens  in  den  thebanischen 
Rechnungen,  weil  in  der  Thebais  keine  Oliven  wuchsen.  Vgl.  auch 
BGU  572  — 574  und  dazu  oben  8.  174  Anm.  In  BGU  139  (vom 
J.  202)  wii'd  Weizeuland  m  natura  besteuert,  und  so  mögen  sich 
noch  viele  Bestätigungen  finden  lassen. 

Es  seheint  mir  hiernach  ein  sicheres  Resultat  zu  sein,  dass  in 
der  oben  angegebenen  Weise  die  Wahl  des  Zahlungsmittels  je  nach 
der  Bodenart  ein  für  alle  Male  bestimmt  war.  Dass  im  Einzelnen 
unter  ganz  besonderen  Verhältnissen  auch  einmal  Ausnahmen  davon 
vorgekommen  sein  mögen,  ist  sehr  wahrscheinlich.  Man  hat  gemeint, 
dass  die  Kaiser,  weil  sie  mit  dem  aegyptischen  Getreide  die  Stadt 
Rom  vier  Monate  hindurch  verpflegen  konnten  (Joseph,  b.  i.  II  386), 
wohl  weniger  in  Geld  erhoben  hätten  als  die  Ptolemäer,  also  die 
adaeratio,  wie  sie  unter  den  Ptolemäern  bestanden  hatte,  teilweise 
aufgehoben  hätten. i)  Wir  sehen  jetzt,  dass  dem  nicht  so  ist,  dass 
vielmehr  die  Kaiser  an  dem  ptolemäischen  System  nichts  geändert 
haben.  Da  wirklich  mehr  Getreide  in  der  Kaiserzeit  als  in  der 
Ptolemäerzeit  erhoben  worden  ist  (vgl.  den  Schluss  dieses  Kapitels*, 
so  müssen  wir  nach  anderen  Erklärungen  dafür  suchen.  Da  wäre 
vor  allem  auf  die  anuona  hinzuweisen  (vgl.  oben  S.  155).  Auch 
würde  die  Annahme  einer  Erhöhung  der  Taxe  für  die  einzelne 
Arure  (s.  unten)  nicht  fern  liegen.  Im  Uebrigen  hat  IMommscn 
auf  die  Möglichkeit  hingewiesen,  dass  ein  Teil  des  nach  Rom 
gesandten  Getreides  „aus  den  eigentlichen  Domänen  geflossen,  ein 
anderer  vielleicht  gegen  Entschädigung  geliefert  worden  sei."-)  Wie 
dem    auch    sei,    an   dem    ptolemäischen    Princip,    dass    die   Natural- 


')  Vgl.  Miinjuardi,  R.  Staatsvcr.  II-,  S.  234.  —  Aurel.  Victor  (Epit.  1) 
sieht  den  letzteu  Grund  für  den  Eifer,  den  Octavian  für  die  wirtselniftliche 
Hebung  Aegjptens  cntwiekelte,  niplit  mit  Unreelit  in  seiner  Kürsorge  für  die 
„amionu  urbis"  (Vgl.  Tac.  liist.  I  11:  annonae  fecuudam)  und  berichtet,  dass  zu 
Octavian's  Zeit  jährlich  20  Millionen  (modii)  Getreide  von  Aegypten  nach  Rom 
geliefert  wurden.     Vgl.  auch  Plin.  Panegyr.  30  ff. 

■-)  Vgl.  Mommsen,  R.  G.  V  S.  ÖGO. 


§  40.  DIK  GUi:^US'rEUliR.   UEDEUTUXG  DER  BODENART.   205 

abgäbe  auf  ganz  bestiniiute  Bodeiuirtcn  besfliräiikt  war,  i.<t  iiiolit 
gerüttelt   worden. 

Wir  haben  noch  ein  \N'orl  zu  unserer  Belianptung  unter 
III  hinzuzufügen,  dass  alle  anderen  Bteucrn  ausser  der  Grundsteuer 
und  der  Anuona  in  der  Kegel  in  Geld  gezahlt  seien,  lieber  die 
Ausnahmen,  die  unsere  Sammlung  bietet,  sprechen  wir  au  ihrem 
Orte.  Es  sind  ganz  wenige  Fälle  zu  uotiren.  80  wurde  in  der 
Ptolemiierzeit  für  den  aTr.pavo;  "(ov  xaxotxwv  Weizen  geliefert. 
Dieser  ail^avo;  ist  aber  eine  halb  freiwillige  Spende,  und  wenu 
die  Katoeken  sie  in  natura  lieferten,  so  besagt  das  vielleicht  nur, 
dass  ihnen  diese  Art  der  Zahlung  bequemer  war  (vgl.  unten  §  118). 
Auch  bei  den  in  §  1.39,  170,  184,  212  behandelten  Abgaben  könnte 
die  Berechnung  in  natura  damit  zusammenhangen,  dass  sie  von 
griechisch -makedonischen  Kleruchen  erhoben  werden.  Sonst  wüsste 
ich  für  die  Ptolemiierzeit  als  Ausnahme  nur  noch  auf  1529  hin- 
zuweisen, wo  zlc,  TÖ  Ld  in  Getreide  gezahlt  wird  —  eine  Abgabe, 
die  mir  leider  völlig  unverständlich  ist.  Auch  aus  der  Kaiser- 
zeit liegen  nur  wenige  Fälle  vor,  vgl.  296—301,  918  und  993, 
1546.  Halten  wir  aber  diesen  einzelnen  Fällen,  in  denen  meist 
unbedeutendere  Abgaben  und  Gebühren  erscheinen,  die  Thatsache 
gegenüber,  dass  alle  wichtigen  und  grossen  Steuern,  die  ausser 
der  Grundsteuer  und  der  Annona  Aegj'pten  belasteten,  wie  die 
Kopfsteuer,  die  Gewerbesteuer,  die  Badsteuer,  die  Dammsteuer 
u.  s.  w.,  alle  regelmässig  ohne  Ausnahme  jn  Geld  gezahlt  wurden, 
so  sind  wir  wohl  zu  der  obigen  Auffassung  berechtigt.  Auf  die 
Bedeutung  dieses  Ergebnisses  für  die  Frage  nach  dem  Verbältuis 
der  Naturalwirtschaft  zur  Geldwirtschaft  werden  wir  in  Kapitel  VII 
eingehen. 

Wir  kommen  nunmehr  zu  der  zweiten  wichtigen  Frage,  nach 
welchem  Modus  diese  in  jS^aturalien  resp.  in  Geld  zahlbare  Grund- 
steuer umgelegt  worden  ist.  Wie  ich  schon  oben  bemerkte,  hat 
man  bisher  immer  angenommen,  dass  in  Aegypten  eine  bestimmte 
Ertragsquote  geliefert  worden  sei,  und  nur  über  die  Höhe  derselben 
gingen  die  Ansichten  auseinander.  Wir  lernen  jetzt,  dass  bei  der 
Grundsteuer  dieser  Älodus  überhaupt  nicht  in  Anwendung  kam, 
dass  vielmehr,  sei  es  in  Geld  oder  in  natura,  ein  fixer 
Satz,  der  nach  der  Ertragsfähigkeit  des  besteuerten  Bodens 
abzuschätzen  war,  pro  Arure  festgesetzt  wurde.    Das  einzelne 


206  IV.  KAPITEL. 


Grundstück  zahlte  also  nicht  i  oder  ^  oder  irgend  einen  anderen 
Bruchteil  des  ]-]ruteertragcs,  sondern  pro  Arure  eine  bestimmte  Anzahl 
Artaben  der  betreffenden  Fruchtart,  resp.  einen  entsprechenden  fixen 
Geldsatz.  Die  Verschiedenheit  dieser  beiden  Systeme  ist  kurz  und  klar 
von  Appian  in  einer  Rede  behandelt  worden,  die  er  dem  M.  Antonius 
bei  seiner  Ansprache  an  die  kleinasiatischen  Hellenen  in  Ephesos  in 
den  Mund  legt  (b.  c.  V  4).  Er  sagt:  'Etzü  ob  ISlTjaev  (seil,  ^opwv), 
00  Tzpo;  xa  v.n-r^\ixxx  6|i1v  l7i£i)-)^xa[ji£v,  w?  av  ViiJ.E'!?  äxivSuvov  cföpov 
£7./iYO0|Ji£V,  xIax  [ilpT]  cpipetv  xwv  kv.iazozz  xap-wv  £7i£TäEa|ji£V, 
Iva  y.al  xwv  svavxiiov  ywOiv(üV(I)|J.EV  u[i.!v.  Danach  hebt  Antonius 
es  als  eine  besondere  Milde  und  Gerechtigkeit  der  römischen  Re- 
gierung hervor,  dass  man  in  Asien  Ertragsquoten  eingefordert  habe, 
da  sie  bei  diesem  System  an  allen  Schwankungen,  auch  an  einem 
unglücklichen  Ausfall  der  Ernte  teilnehme.  Als  Gegenstück  dazu 
bezeichnet  er  die  Steuerumlage  upö?  xa  xt[j.T^jjiaxa ,  bei  der  die  Re- 
gierung sich  auf  alle  Fälle  schadlos  halte.  Mit  dem  letzten  Modus 
kann  nur  der  hier  in  unseren  Urkunden  befolgte  gemeint  sein.  Die 
Festsetzung  der  Artabenzahl  oder  des  Geldsatzes  für  die  Arure  beruht 
eben  auf  der  Schätzung  (ji\iri\ia.)  der  Ertragsfahigkeit.  Ob  die  Be- 
urteilung der  beiden  Systeme  bei  Appian  zutreffend  ist,  kann  Zweifeln 
unterliegen.  Man  darf  nicht  verges.sen,  in  welcher  Situation  der 
Staatsmann  Antonius  diese  Darstellung  gegeben  hat.  Als  Regierungs- 
vertreter vergisst  er  hinzuzufügen,  dass  bei  dem  Quotensystem  der 
Staat  auch  an  den  günstigen  Ernten  seinen  entsprechenden  Anteil 
hat,  und  dass  andrerseits  bei  dem  Tasationssystem  im  Falle  beson- 
derer Missernten  Steuernachlässe  bewilligt  wurden.  In  Aegypten 
wenigstens  ist  dies  der  Fall  gewesen,  wie  wir  unten  zeigen  werden. 
—  Koch  eine  andere  Klassikernachrieht  möchte  ich  hierher  setzen, 
damit  sie  im  Zusammenhange  mit  unseren  Ergebnissen  betrachtet 
werde.  Ich  meine  die  folgende  Auseinandersetzung  bei  dem  Gro- 
matiker  Hygin  (ed.  Lachmann  p.  205):  „Agn  [auteni]  veciigalex 
muUfix  hahent  conditiitiones.  In  qidbusdam  proinnciU  ßttcfiiK  partem 
praetstant  certam,  uUi  quinta»,  alii  septimas,  alü  peeuniam,  et  hoc  per 
soll  aestimationem.  Certa  [enini]  pretla  ägris  coivdituta  sunt,  ut  in 
Pannonia  ai-vi  prhni,  arvi  secundi,  prati,  silvae  glandif&rae,  s'dvae 
vulgaris,  pascuae.  His  omnibiia  agrii<  vecfignl  est  ad  modum  ribe^-- 
üitis  per  singida  iugera  condihdwn".  Hygin  unterscheidet  hier  klar 
das   Quoten-    und    das   Taxationssystem.      Doch    kennt    er    nur    die 


I 


i;  40.     DIE    tlKLNUSTEUEK.       TAXATIOXS.--Y.STEM.  207 

Taxation  in  Geld.  In  Aegypten  haben  wir  daneben  bei  bestimmten 
Bodenarten  auch  die  Taxation  in  natura.  Wenn  Seeck  (Zeitschr. 
f.  Soc.  u.  Wirtsch.  IV  S.  341)  meint,  dass  Hygin  mit  diesen  Worten 
„den  aegyptisehen  Frucbtfünften"  bezeuge,  so  ist  das  ein  Irrtum, 
der  durch  die  Worte  selbst  widerlegt  wird.  Vgl.  auch  oben  S.  19S  Anm. 

Zunächst  gilt  es,  die  Existenz  dieses  Systems  nachzuweisen. 
Es  sei  vorausgeschickt,  dass  das  Quotensystem  in  Aegypten  durchaus 
nicht  unbekannt  war,  nur  wurde  es  nicht  bei  der  Grundsteuer  an- 
gewendet. Wir  linden  es  z.  B.  bei  der  ä7iö[iotpa,  die  eine  Tempel- 
abgabe war,  und  manchen  anderen  Abgaben.  Dass  es  gerade  bei 
der  Grundsteuer  anders  war,  hätte  man  vielleicht  schon  aus  der 
Rosettana  schliessen  können,  wo  ausdrücklich  gesagt  wird,  dass  die 
Grunilstt'uer  der  aegyptisehen  Tempel  eine  Artabe  Getreide  für  die 
Arure  und  ein  Keramion  Wein  für  die  Arure  betragen  habe  (Z.  30,1). 
Freilich  unterliegt  das  Tempelland  vielfach  besonderen  ^lassregeln.  Da- 
gegen bieten  die  „Actenstücke  aus  der  königlichen  Bank  zu  Theben" 
Nr.  III  u.  IV  Beispiele  dafür,  dass  auch  bei  profanen  Grundstücken 
die  Ertragsfahigkeit  des  Bodens  durch  Angabe  der  der  Arure  auf- 
erlegten Taxe  bestimmt  wurde.  Da  erscheinen  Aruren,  die  zu  je 
7  Artaben  4  -i^  Choinikes  besteuert  waren,  neben  anderen  Aruren,  für 
die  je  5|  Artaben  2^  Choinikes  oder  aber  4^  Artaben  eingefordert 
win-den.  Dasselbe  System  liegt  vor  in  Petr.  Pa]).  (II)  XLIV  9, 
wo  es  von  einem  Kürbisgarten  (xo  aixui^paTCv)  heisst:  apo'Jpav 
£xaax[yiv]  opayjjiwv  T£aaapaxo[vxa.  Dass  es  sich  um  die  Grund- 
steuer handelt,  wird  durch  den  Zusammenhang  wahrscheinlich.  Für 
dieses  System  spricht  ferner  auch  der  Ausdruck  l7:apO'Jp:ov,  den  wir- 
8.  193  als  eine  Bezeichnung   der  Grundsteuer   nachgewiesen    haben. 

Mehr  Beispiele  bieten  uns  die  Texte  der  Kaiserzeit.  In  Nr.  760 
unserer  Sammlung  (aus  dem  J.  11,10  vor  Clu-.)  werden  Aruren  zu 
4i  Artaben,  zu  1  Ailabe  und  zu  2h^^  Artaben  Weizen  unterschieden. 
In  761  (aus  demselben  Jahre)  werden  Aruren  zu  6^  Artaben 
1^  Choinikes  erwähnt.  In  Nr.  763  steht  zu  lesen:  exäaxY)?  apo'jpTj(?) 
ar,aä|xo(u)  (äpxaßag)  y.  Auch  hier  dieselbe  Veranlagungsmethode. 
In  einer  Steuerprofession  aus  dem  J.  202  n.  Chr.  deklarirt  ein  Grund- 
besitzer apoupa;  Suo  xeXouaae  avd  TiupoO  jjiiav  7J|iiaL)  (Hermes  XXVIII 
S.  236).  Hier  ist  klar  und  deutlich  ausgesprochen,  dass  die  Grund- 
steuer für  die  Ai-ure  14  Artaben  Weizen  beträgt.  Der  Versuch  Seeck's 
;i.  a.  O.  S.  338),    diese  Angabe   mit  dem  „Fünften"  zu  combiniren, 


208  TV.   KAl-lTEI,. 


fällt  mit  seiner  falschen  Praemisse.  S.  oben  S.  198  Anm.  Wir  haben 
ferner  in  §  12  und  131  nachgewiesen,  dass  die  ctjiTzsXwvES  und 
cpotvtxwvss  gleichfalls  pi'i)  Arurc  mit  einer  festen  Taxe  belegt  waren. 
Dasselbe  ergiebt  sieh  aus  dem  schon  öfter  citirten  Londoner 
Papyrus  CXIX,  und  zwar  lernen  wir  hier  kennen:  Palmenland 
zu  20,  40,  75,  180  Drachmen  pro  Arure;  Weinland  zu  20,  40, 
75,  150,  ß50  Drachmen  pro  Arure;  Gemüscland  (Xaxav.ä)  zu 
20  und  zu  75  Drachmen,  Obstland  (äxpoS)  zu  20  Drachmen, 
Garten-  und  Obstland  zu  30  Drachmen  (vgl.  CXIX.  A  5)  und 
Myrobalanosland  zu  30  Drachmen.  Auch  aus  BGU  141  würde  sich 
eine  feste  Taxe  pro  Arure  berechnen  lassen,  wenn  der  Text  besser 
erhalten  wäre.  Doch  auch  schon  so  erscheint  es  nach  I  10/1  und 
II  14  als  wahrscheinlich,  dass  hier  für  die  in  Frage  kommenden 
(poiVixwveg,  «[iTisXtovec,  iXaiwvs;  und  Tiapaoetaoc  die  Taxe  von 
1 0  Drachmen  für  die  Arure  bestanden  habe  (Mitte  des  III.  Jahrhs.  n.  Chr.). 
Die  Art  des  Umlagesystems  kann  nach  all  diesen  Beispielen 
nicht  mehr  zweifelhaft  sein.  Es  fragt  sich  nur,  wie  war  es  möglich, 
es  durchzuführen,  und  mit  welchen  Manipulationen  gelang  es,  für 
jedes  einzelne  Grundstück  die  Taxe  zu  bestinnuen.  Die  Grund- 
lage dieser  Steuerumlegung  bildete,  ganz  wie  bei  uns  heute,  die 
genaue  Katastrirung  des  gesammten  Kulturbodens,  worauf  wir  in 
Käp.  V  genauer  eingehen  werden.  Die  Masseinheit  war  die  Arure, 
als  deren  Vielfaches  oder  als  deren  Bruchteil  sich  jeder  steuerbare 
Boden  darstellen  Hess.  Wir  sehen  nun,  dass  auch  bei  einer  und 
derselben  Kulturgattung  sehr  verschiedene  Taxen  möglich  waren. 
Bei  dem  Rebenland  finden  wir  die  grössten  Extreme:  da  schwanken 
die  Steuersätze  zwischen  20  und  350  Drachmen,  bei  den  Palmen - 
gärten  zwischen  20  und  180,  und  dabei  halben  diese  Taxen  gleich- 
zeitig nebeneinander  bestanden,  wie  der  Londoner  Papyrus  zeigt. 
Auch  für  den  Weizenboden  haben  wir  oben  recht  verschiedene 
Sätze  nachgewiesen,  freilich  sind  die  Unterschiede  hier  lange  nicht 
so  gross.  Da  die  Grundsteuer  eine  Ertragssteuer  ist,  werden  wir 
anzunehmen  haben,  dass  die  Ertragsfähigkeit  des  Bodens  den 
]SIassstal)  für  die  verschiedene  Bemessung  der  Taxen  abgegeben  hat. 
Diese  Ertragsfähigkeit  wiederum  wird  wesentlich  davon  abhängen, 
in  welchem  Masse  die  Grundstücke  an  den  Segnungen  der  Nilüber- 
schwemmungen teilzunehmen  durch  ihre  örtliche  Lage  in  den  Stand 
gesetzt   waren.     Das    ist   damals  wie  heute  die   brennende  Frage  in 


§  46.     DIE    GRUNDSTEUER.       TAXATION.  209 


Aegj'pten,  ol)  und  wie  weit  künstliche  Bewässerung  notwendig  ist. 
Der  Unterschied  der  Rai-Feldcr,  d.  h.  der  von  der  Ueberschwemmung 
in  hinreichender  Weise  betroffenen,  und  der  hillier  gelegenen,  mehr  oder 
weniger  auf  die  künstliche  Bewässerung  angewiesenen  Scharaki-Felder 
hat  damals  so  wie  heute  bestanden  (vgl.  v.  Fircks,  Aegypten  1894, 

II  S.  209  ff).  Schon  nach  diesem  Gesichtspunkt  lassen  sich  sehr 
vei-schiedene  Taxirungen  der  Grundrente  und  damit  der  Grundsteuer 
denken,  da  die  künstliche  Bewässerung  zu  den  bedeutendsten  Pro- 
ductionsunkosten  gehörte,  die  bei  der  Berechnung  der  Taxe  vom 
Bruttoertrag  abzuziehen  war.  Wenn  man  nun  au<^li  ausser  der 
Bewässcrungsfrage  die  Verschiedenheiten  in  der  absoluten  Frucht- 
barkeit des  Bodens  sowie  in  der  Qualität  der  Frucht.-<orteu  in  Be- 
tracht zieht,  so  wird  es  dennoch  fraglich  bleilicn,  ob  hierdurch 
allein  die  kolossalen  Verschiedenheiten  der  Taxen,  wie  sie  uns 
namentlich  bei  dem  Palmen-  und  Rebenland  entgegentreten  (zwischen 
20  und  350  Drachmen),  erklärt  werden  können.  Ich  weise  auf 
diese  Schwierigkeit  hin,  ohne  eine  sichere  Lösung  bieten  zu  können. 
Rein  hypothetisch  möchte  ich  die  Vermutung  wagen,  dass  vielleicht 
auch  die  Intensität  der  Bewirtschaftung  in  der  Weise  in  Frage 
kam,  dass  z.  B.  die  Zahl  der  Palmenbäume^j  und  dem  entsprechend 
die  Ausnutzung  des  Bodens  für  den  Rebenbau  für  die  Steuer- 
abschätzung mit  in  Rechnung  gezogen  wurde. 

Daran  schliesst  sieh  eine  andere  schwierige  Frage  an,  nämlich 
ob  für  jedes  einzelne  Steuerobject,  für  jedes  einzelne  Grund- 
stück die  Taxe  besonders  berechnet  wurde,  oder  aber  ob  man  hier 
wie  auch  sonst  im  Altertum^)  und  wiederum  heute  bei  uns  feste 
Bonitätsklassen  gehabt  hat,  denen  die  Einzelgrundstüeke  nach 
ungefährer  Abschätzung  zugewiesen  wurden.  Sehen  wir,  dass  in 
dem  Londoner  Pajjyrus  und  unseren  Ostraka  eine  grosse  Zahl 
von  Grundstücken,  namentlich  ä[i7teXwv£i;  und  cpotvtxwvE?,  mit 
derselben    Summe    besteuert    werden,    so    liegt    es    allerdings    nahe 


')  Nach  der  forma  censualis  bei  Ulpiaii  Dig.  L  15,  4  pr.  rausste  in  den 
Professionen  die  Zalil  der  Weinstöclce  und  der  Oelbäume  angegeben  werden. 
Äucli  in  den  Distributionslisten  von  Tbera  und  Astyixdaea  wird  die  Zahl  der 
Oelbäume  nach  den  '(upol  (den  Gruben)  angegeben.  Vgl.  Mommsen ,  Hermes 
III  8.  4,36  ff. 

')  Vgl.  Hygiu  a.  O.:  arvi  prinii,  arvi  secundi.  Weiteres  bei  Mari|uardt, 
Staatsv.  II«  S.  227  f. 

W^iLCKEN,  Ostraka.  I"^ 


210  .        rV-  KAPITEL. 


anzuiifliineii,  dass  hier  feste  Bouitätsklassen  zu  Grunde  liegen.  Denn 
dass  bei  so  vielen  Grundstücken  die  Bodenrenten  factisch  bis 
auf  den  Obolos  übereingestimmt  hätten,  ist  doch  sehr  unwalir- 
scheinlich,  und  es  liegt  näher  anzunehmen,  dass  die  Grund- 
stücke von  annähernd  gleicher  Ertragsfähigkeit  derselben  Steuer- 
klasse zugewiesen  wurden.  Betrachten  wir  aber  andrerseits  die 
Steuersätze,  die  wir  oben  für  den  Weizenboden  nachgewiesen  haben, 
so  machen  diese  allerdings  z.  T.  den  Eindruck,  dass  sie  durch 
Abschätzung  des  einzelnen  Grundstückes  gewonnen  seien.  Ich  meine 
Taxen  wie  die  zu  7  Artaben  J  ^  Choinikes  oder  zu  Q^  Artaben  1-^  Choi- 
nikes.  Sollten  dies  wirklich  Normaltaxen  für  ganze  Bonitätsklassen 
sein?  Sehen  sie  nicht  vielmehr  aus  wie  Taxen,  die  für  einen  ganz 
liestimmten  concreten  Fall  ausgerechnet  sind?  Vielleicht  ist  es  nicht 
unwichtig,  darauf  hinzuweisen,  dass  wir  in  mehreren  Fällen,  in  denen 
es  sich  um  Weizenboden  handelt,  nachweisen  können,  dass  immer  gleich- 
hoch besteuerte  Stücke  in  einem  und  demselben  Rayon  (acppayis)^) 
gelegen  haben.  So  in  den  „Actenstücken"  a.  a.  O.  zweimal  und 
in  der  Steuerprofession  vom  J.  202  n.  Chr.  Das  hat  zwar  nichts 
Verwunderliches,  insofern,  wie  gesagt,  die  örtliche  Lage  das  Ausschlag- 
gebende für  die  Ertragsfahigkeit  ist.  Vielleicht  darf  man  aber  daraus  den 
Schluss  ziehen,  dass  die  Rayons  auch  eine  steuertechnische  Bedeutung 
gehabt  haben,  in  dem  Sinne,  dass  sie  immer  gleich  hoch  besteuerte 
Grundstücke  zusammenfassten.  Doch  das  bedarf  weiterer  Unter- 
suchungen. Jedenfalls  hat  es  nach  dem  Gesagten  den  Anschein, 
als  wenn  es  für  den  Getreideboden  feste  Bonitätsklassen  in  Aegypten 
nicht  gegeben  hat.  Nach  der  letzten  Vermutung  wäre  es  aber  wohl 
möglich,  dass  das  Kulturland  in  verschieden  besteuerte  Rayons  zer- 
fallen wäre,  denen  die  ICinzeläcker  angehörten.  Andrerseits  fanden  wir, 
dass  bei  dem  Palmen-  inid  Rebenland  die  Annahme  von  Bouitäts- 
klassen   viel    für    sich    hatte.      Sollte    vielleicht    ein    verschiedenes' 


')  Wcssely  hat  zuerst  auf  das  Wort  acfpayis  Lingewiesen  (Mitth.  PK  TU 
S.  270),  hat  aber  den  Sinn  nicht  richtig  erkannt.  In  CPR  I  S.  158  deut.  t 
er  es  als  „Siegel,  gesiegelte  Urkunde,  ürkundung"  und  übersetzt  iv  £ua'. 
aifparfic.  mit  ,,in  2  beurkundeten  Losen".  Was  man  sich  darunter  vor- 
stellen soll,  weiss  ich  nicht.  Ich  habe  schon  im  Hermes  XXVII  S.  237  A.  2 
darauf  hingewiesen,  dass  Eratostlienes  die  Rayons  seiner  Erdkai-te  als  ocppaYtSsE  i 
bezeichnet  hat.  Vgl.  Strabo  II  p.  78  und  84.  Als  Rayons  der  Flurkarte 
haben  wir  die  a'^^ixylizz  auch   in  unseren  Vrkuiulen   aufzufassen. 


§  46.     DIE    GRUNDSTEUER.       BONITÄTSKLASSEN?  211 

Verfahren  eingesehlagen  worden  sein,  je  nachdem  die  Taxe  in  natura 
oder  in  Geld  zu  berechnen  wur?  Doch  das  sind  Probleme,  die 
weiterer  Untersuchung  bedürfen. 

Wir  haben  ferner  noch  die  Frage  aufzuwerfeu ,  ob  die  Taxen 
bewegliche  oder  unbewegliche  waren,  d.  h.  ob  sie  für  jedes  Jahr 
neu  berechnet  wurden  oder  ein  für  alle  Mal  auf  dem  Grundstück 
lasteten.  Aus  den  vielbesprochenen  Worten  Strabo's  (XVII  p.  817) 
„0.1  yäp  [jLEti^o'j?  avajjaast;  |i£i!^ous  xal  tx;  TzpoQÖomc,  G-ayopcijouacv" 
könnte  man  folgern  wollen,  dass  je  nat'h  dem  Ausfall  der  Ueber- 
schwemmung  in  jedem  Jahre  die  Taxe  neu  aufgelegt  worden  sei. 
Gegen  diese  Annahme  scheint  mir  aber  die  Hteuerprofessiou  vom 
J.  202  n.  Chr.  zu  .sprechen,  in  der  die  Grundbesitzerin  Valeria 
Paulina  von  den  ihr  gehörigen  2  Aruren  Weizenboden  aussagt 
„-csXoLiaas  ävä  nupoO  jifav  YjjjLtau  aw(xai:t^O|i£va;  st?  OuaXspt'av 
üauXcvou  (sie)  YjPpoyjf/.'JLas"  (vgl.  Hermes  XXVIII.  236).  Denn 
wenn  die  Taxe  eine  jährlich  wechselnde  w<äre,  so  würde  die  Grund- 
besitzerin nicht  in  der  Lage  sein,  selbst  die  Höhe  der  Taxe  in  der 
betreuenden  Steuerprofession  namhaft  zu  machen.  So  scheint  diese 
Urkunde  dafür  zu  sprechen,  dass  die  einmal  für  ein  Grundstück 
berechnete  Taxe  eine  unbewegliche  war.  Dieselbe  Urkunde  giebt 
uns  zugleich  einen  Fingerzeig  für  die  richtige  Auffassung  der 
Strabonischen  Worte.  Die  Deklarantin  erklärt  der  Steuerbehörde 
ausdrücklich,  dass  ihr  so  und  so  hoch  taxirtes  Grundstück  in  diesem 
Jahre  nicht  von  der  Ueberschwemmung  erreicht,  nicht  bewässert 
worden  sei  (Yjßpo/^YjX'jiag).  Ich  habe  schon  im  Hermes  a.  a.  O.  daraus 
gefolgert,  dass  sie  die  Angabe  gemacht  habe,  weil  sie  hiernach  auf 
Steuerermässigung  oder  Steuernachlass  zu  rechnen  Anspruch  hatte. 
Dasselbe  ergiebt  sich  aus  den  gleichfalls  a.  a.  0.  von  mir  schon 
hervorgehobenen  Worten  des  Edicts  des  Ti.  Julius  Alexander  (CTGr. 
III  4957  Z.  57):  7Tpoi)-6|itü5  ytwpy&X^  tou;  äv&pwTious  [stooxa]; 
'6x1  Tipö;  tö  aAr,&£;  xyj;  ouarfi  avaßaase);  xx'.  xf^q  |j£ßp[£]Y[[i£vrj; 
Y%,  aXÄ'JG'J  T^pö;  a'jy.ocpavTixv  xwv  xaxä  a'jvo'ji:"/  T:apaYpacfo[[i.£]viov 
il)  inodvqQK;  laxac.  Der  Praefect  wendet  sich  hier  mit  scharfen 
Worten  gegen  den  jMissbrauch  Derjenigen,  die  nicht  nach  Maass- 
gabe des  wirklichen  Ueberschwemmungsresultates,  sondern  xaxä 
a6vo({jiv,  d.  h.  7:p6;  aüvxp'.atv  ap)(a'.[£a]x£p(i)v  xtvwv  avaßaaswv,  die 
Steuern  und  zwar  die  Grundsteuern  (vgl.  •(BWpjtiv,  yfiv)  ein- 
trieben.     Ich    möchte    in    diesem   Zusammenhange   den   Ton   darauf 

14» 


212  IV.  KAPITEL. 


legen,  dass  der  Präfect  hier  lediglich  von  der  Steuereiutreibuug 
(ÄTiatXYjats)  siirieht.  Nur  diese  hängt  nach  seinen  Worten  von  dem  Aus- 
fall der  Ueberschwciumung  ab,  nicht  aber  die  Steuerveranlagung. 
Das  Ergebnis,  das  sich  hieraus  in  völliger  Uebereinstimniung  mit 
der  Berliner  Steuerprofession  ergiebt,  möchte  ich  etwa  folgender- 
massen  formuliren:  die  durch  die  Steuerumlage  einmal  fest- 
gelegte Taxe  ist  eine  unbewegliche.  Aber  die  Erhebung 
ist  beweglich,  und  zwar  nach  unten  hin,  insofern  bei  mangelhafter 
Ueberschwemmung  xou^oxeXsta  oder  aziXzix  zu  gewähren  ist.') 
.Jetzt  erst  verstehen  wir  Strabo's  allgemein  gehaltene  Worte:  höhere 
Einnahmen  brachten  die  guten  Ueberschwemmungen  in  der  That, 
aber    nicht    dadurch,    dass    etwa    höhere    Taxen    berechnet    wären, 


')  Für  Steuernachlässe,  die  bei  der  Steuereiutreibuug  bewilligt  werden, 
lassen  eich  in  unseren  Urkunden  noch  weitere  Belege  nachweisen.  So  wird  in 
BüU  84,  die  von  der  ä7iaiTr]aig  otxixtüv  (pöptov  handelt,  zuerst  die  Gesammt- 
summe  der  in  Betracht  kommenden  Arureu  genannt,  worauf  die  unbewässerten 
Aruren  (äßpoxot)  davon  abgezogen  werden.  Hier  tritt  also  für  die  vom  Nil 
nicht  erreichten  Felder  völlige  äteXsia  ein.  In  BGU  198,  einer  Steuerprofession 
vom  J.  162/3  n.  Chr.,  macht  der  Grundbesitzer  gleichfalls  den  Zusatz,  dass 
seine  Felder  v[ü]v  £v  äßpöx»  seien.  Auch  sonst  begegnet  mehrfach  die  Chai'ak- 
terisirung  des  Landes  als  ßpoxo?,  oder  einmal  vs'.XößpoxoS  (vgl.  Hermes  XXVIII 
S.  238),  andrerseits  als  äßpoxo?.  Vgl.  Petr.  Pap.  (II)  XXX  b;  Pap.  Berl.  Bibl.  50 
(III.  S.  p.  ehr).  In  diesem  Zusammenhange  nndet  vielleicht  auch  die  merkwürdige 
Urkunde  BGU  li5  ihre  Erklärung.  Es  ist  ein  Bericht  des  Dorfschreibers  von 
Soknopaiu  Nesos  an  den  Strategen  seines  Bezirkes,  enthaltend  das  xax'  ävSpa 
tujv  iXdaaui  ifavdvxujv  7tpa£!|j.o'j  un'  £]iou  Tiapä  xa  liExaSoS-Evxa  ütiö  xüO  x[Yi]g 
|i£p(5oj  ßaaiX('.xcö)  •;p(a\>.\ia.zitof)  xoü  ev£ax(Bx[o]s  xa  S  (a.  212/3).  Es  handelt  .'.ich 
um  ein  minus  von  8  Artaben  Gerste,  deren  Spezialisirung  auf  die  einzelnen 
Personen  folgt.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  auch  hier  ein  Steuernachlass,  der 
durch  mangelhafte  Bewässerung  der  betreffenden  Grundstücke  eingetreten  sein 
mag,  gemeint  ist.  Es  bliebe  freilich  auch  die  Möglichkeit,  dass  der  Dorfschreiber 
in  diesem  Falle  einen  fehlerhaften  Anschlag  des  königlichen  Schreibers  corrigiren 
will.  Aber  Ersteres  hat  mehr  für  sich.  Vgl.  auch  das  in  der  Rechnung  ab- 
gezogene sdatp'.xov  iXäaatoiia  in  BGU  20,8.  Das  iXä,aaiO]U/,  kommt  gleichfalls 
in  Abrechnung  in  dem  Berliner  Papyrus  P.  2294.  — Aehnlich  wie  bei  der 
Grundsteuer  trat  auch  beim  Pachtzins  eine  Ermässigung  ein,  wenn  die  Ueber- 
scliwemmuug  mangelhaft  war.  So  heisst  es  in  einem  Wiener  Pachtcontract  aus 
Hermupolis  vom  .1.  26ß  n.  Chr.  (CPE  XXXIX  22'):  'Eav  H,  0  [lYi  yetvcixo, 
äßpoxof  iC£vr|-aL  äitö  To[ö]  äjf/j  £xou[;],  snävai-'xsj  sjiavxXijoo)  xal  zsKiaiü 
[xüiv  npo]xEi|ievo)v  ^öpojv  xö  ^(iiau.  Die  künstliche  Bewässerung  macht  eben 
so  viel  Unkosten,  dass  der  Pächter  billiger  Weise  nur  die  Hälfte  des  Pachtzinses 
erlegen  kann. 


§  46.  UNBEWEGLICHE  TAXE,  BEWEGLICHE  ERHEBUNG.    213 

sondern  dadurch,  dass  im  besten  Falle  die  Normaltaxen  in  voller 
Höhe  efll'ktiv  erhoben  wurden.  Wir  dürfen  wohl  annehmen,  dass 
bei  der  Uereehnung  der  Normaltaxe  sehr  gute  Ernten  voraus- 
gesetzt waren. 

Im  weiteren  Verfolg  dieser  Fragen  wird  man  auch  darauf  zu 
achten  haben,  ob  sich  vielleicht  Indieien  dafür  finden,  dass  Grund- 
stücke, deren  Rente  —  von  der  einzelnen  Ueberschwcmmung  un- 
abhängig —  etwa  durch  intensivere  Bewirtschaftung  andauernd 
gestiegen  war,  auch  dem  entsprechend  zu  einer  höheren  Grundsteuer 
herangezogen  wurden,  ^^'enn  z.  B.  in  einem  Olivengarten  durch  den 
Fleiss  und  die  Unkosten  des  Besitzers  der  Bestand  an  Oelbäumen 
sich  allmählich  verdoppelte,  sollte  dieser  Garten  nicht  entsprechend 
höher  besteuert  worden  sein?  Hiernach  würde  die  Annahme  der 
ünbeweglichkeit  der  Taxe  einzuschränken  sein.  Doch  das  bedarf 
weiterer  Untersuchungen. i)  Andrerseits  ist  es  sehr  wahrschein- 
lich, dass,  wenn  in  Folge  der  Ueberschwemmungcn  neues  Kulturland 
angeschwemmt  war,  wie  das  häufig  vorkam  (damit  rechnete  z.  B. 
ein  Erlass  des  Theodosius  und  Valentinian  vom  J.  440,  Cod. 
lust.  Vn  41,  3),  dem  entsprechend  auch  Erhöhung,  nicht  der  Taxe, 
wohl  aber  der  Totalsumme  eintrat.  Darauf  gehen  wohl  die  Worte 
in  BGU  563,8:  1^  i7i'.öv.{i<\itw(;)  y^  Tt^eptcj  tiXem  e-[i]Yp(a9£VTa). 

Endlich  noch  ein  Wort  über  den  Zahlungstermin.  AVir  werden 
im  V.  Kapitel  zu  zeigen  haben,  dass  die  jüngst  aufgestellte  Be- 
hauptung, dass  „die  Steuern  in  Aegypten  nachträglich  für  das  ab- 
gelaufene Jahr  gezahlt"  wurden  (Ki-all,  CPR  US.  1 7),  nicht  zutreffend 
ist.  Hier  sei  schon  jetzt  hervorgehoben,  dass  der  Gesammtbefund 
unserer  Ostrakasammlung  zeigt,  dass  die  in  Naturalien  zahlbare 
Grundsteuer  in  der  Regel  von  der  Ernte  des  laufenden  Jahres 
für  das  laufende  Jahr  gezahlt  wurde,  dass  aber  auch  bei  dieser 
Steuer  wie  bei  anderen  die  Regierung  spätere  Nachtragszahhmgen 
erlaubte.  Da  die  Ernte  in  der  Thebais  im  Februar  stattfindet,  so 
konnten    natürlich   die  Zahlungen    nur   in   den  letzten  Monaten  des 


')  Nach  dem  obigen  Erlass  des  Theodosius  und  Valentinian  trugen  diese 
Kaiser  Bedenken,  wenn  Sumjif-  und  Weideland  durch  den  Fleiss  und  die  Un- 
kosten des  Besitzers  zu  Fruchtland  umgeschaffen  waren,  dieses  dem  entsprechend 
zu  belasten,  ne  doleant  diligenies  operam  suam  agri  dedisse  culturae  nee  dili- 
gentiam  suam  sibi  damnosam  inlellegant  (Cod.  lust.  VII  41,  3,  1).  —  Vgl.  zu  der 
Frage  Max  Weber,  Eöm,  Agrargesch.  S.  164  ff. 


214  IV.  KAPITEL. 


aegyptischcii  Jalires  erfolgen.  Diese  erscheinen  denn  aucli  in  der 
Regel  in  den  Datirungen  der  Grundsteuerquittungen.  In  den  zahl- 
reichen Urkunden  dieser  Art  aus  der  Ptoleniäerzeit  habe  ich  nur 
folgende  wenige  Fälle  von  Nachzahlungen,  die  im  nächsten  Jalire 
erfolgten,  gefunden:  Xr.  712,  719,  723,  1313,  1350,  135G,  1498, 
lö3.'5.  Hier  ist  überall  ausdrücklich  gesagt,  dass  im  Jahre  x  für 
das  Jahr  x  —  1  gezahlt  worden  i.st.  In  allen  anderen  Fällen  ist 
für  das  laufende  Jahr  gezahlt. 

Die  Grundsteuerquittungen  der  Kaiserzeit  unterscheiden  sich 
von  denen  der  Ptolemäerzeit  dadurch,  dass  sie  ausdrücklich  hinzu- 
fügen, von  welcher  Ernte  die  Zahlung  erfolgt.  Das  geschieht  mit 
der  Formel :  Y^'^i^lJ^^ixos  Toö  x.  etou;.  Diese  begegnet  in  unserer 
Sammlung  zum  ersten  Mal  im  Jahre  1/2  n.  Chr.  (767),  und  da  sie 
in  den  ptolemäischen  Urkunden  niemals  vorkommt,  dürfte  dieser 
Zusatz  als  eine  Neuerung  der  römischen  Verwaltung  zu  betrachten 
sein.  Nun  wird  zwar  in  anderen  Urkunden,  z.  B.  in  den  Rechnungen 
derSitologen  (vgl.  BGU  61,  64,  67,  188  u.  s.  w.),  die  Ernte,  von 
der  gezahlt  wird,  mit  den  Worten  arro  ysyr^iiaTog  xoO  x.  Itou;  ein- 
geführt. Dass  aber  der  blosse  Genetiv  in  unseren  Fällen  nichts 
anderes  meint,  geht  aus  Nr.  U95  hervor,  wo  ausnahmsweise  steht: 
Y(£.v)ig([xaxos)  Toö  tS  (Itgu?)  uJi(£p)  Y(£v)i^(|iaxo?)  ty  (exoug), 
was  nur  heissen  kann:  von  der  Ernte  des  14.  Jahres  für  die 
Ernte  des  13.  Jahres.  Zu  dieser  Nachtragszahlung  vgl.  unten. 
Nebenbei  bemerke  ich,  dass  diese  wichtige  Stelle  uns  zugleich 
den  Beweis  dafür  liefert,  dass,  wie  oben  bemerkt,  die  Grund- 
steuer als  eine  Ertragssteuer  aufgefasst  wurde.  Sie  wird  ,,für  die 
Ernte"  gezahlt. 

Ueberblicken  wir  nun  unsere  Grundsteuerquittungen  der  Kaisor- 
zeit,  so  sehen  wir,  dass  in  der  überwältigenden  Mehrzahl  der  Fälle 
das  Getreide  in  den  letzten  Monaten  desselben  Jahres  geliefert  wird, 
von  dessen  Ernte  gezahlt  wird.  Nirgends  ist  eine  Hindeutung  darauf, 
dass  diese  Zahlungen  etwa  nachträglich  für  das  verflossene  Jahr 
erfolgten.  Es  ist  kein  Zweifel,  dass  wir  es,  in  all  diesen  Fällen 
mit  Zahlungen  für  das  laufende  Jahr  zu  thun  haben.  In  dem 
fixen  Kalender  der  Kaiserzeit  sind  es  die  Monate  Pachon,  Payni, 
Epiph,  Mesore,  von  Ende  April  bis  Ende  August,  die  am  meisten 
in  diesen  Quittungen  begegnen.  Wie  die  Ptolemäer  erlaubten  aber 
auch     die    Kaiser    eventuell     Nachzahlungen     im     nächsten    Jahre. 


46.  ZAHLUNG  FÜR  DAS  LAUFENDE  JÄHE.         215 


Folgende  wenige  Beispiele  i)  habe  idi  in  unserer  Sammlung  gefunden 
(vgl.  CoiTigenda);  Nachzahlungen  im  Thoth  =  Aug./September  des 
nächsten  Jahres  (817,  8.33,  840,  8G1,  89(),  938,  975,  984,  14.')0, 
1592),  im  Phaophi  =  Sept.  Oetober  (831,  855,  13G7),  im  Hathyr 
=  Oct./ November  (949,  950),  im  Choiak  =  Nov./December  (1006, 
1590),  im  Tvbi  =  Dee. '.Januar  (999),  im  Phamenoth  ==  Febr./März 
(925)  und  im  Pharmuthi  ^^  März,  April  (^15tJ8).  In  allen  diesen 
Quittungen  wird  mit  der  Ernte  des  verflossenen  (aegyptisehen)  Jahres 
L'rzahlt,  auch  in  den  beiden  letzten  Fällen,  in  denen  man  vielleicht 
-clion  die  Verwendung  der  neuen  Ernte  hätte  vermuten  können. 
Darum  wird  auch  in  872  und  1003  eine  Nachtragszahlung  gemeint 
-lin,  wiewohl  der  Phamenoth  hier  nicht  au.sdrücklich  als  Monat  des 
nächsten  Jahres  bezeichnet  ist.  S.  unten  Anmerkung.  —  Unsere 
Sammlung  bietet  aber  auch  Beispiele  von  noch  späterer  Nachzahlung. 
Vgl.  Nr.  995.  Hier  wird  vcm  der  Ernte  des  14.  Jahres  für  die  Ernte 
des  13.  .Jahres  am  23.  Thoth,  natürlich  des  15.  Jahres  gezahlt.  Mit 
anderen  Worten,  am  10,  September  235  wird  von  der  Ernte  des 
Jahres  234/5,  die  also  im  Februar  235  eingefahren  ist,  für  das 
Kechnungsjahr  233;'4  gezahlt.  Hier  fällt  also  der  Zahlungstag  in 
das  übernächste  Jahr.  "Während  hier  mit  der  neuen  Ernte  des 
nächsten  Jahres  gezahlt  wurde,  wird  in  976,  wo  sich  eine  ähnlich 
späte  Nachtragszahlung  findet,  noch  die  alte  Ernte  des  normalen 
Zahlung-sjahres  verwendet:  am  8.  December  193  wird  die  Grund- 
steuer mit  der  Ernte  des  Jahres  191/2  (also  vom  Februar  192) 
beglichen.  Wir  werden  unten  in  §  109  sehen,  dass  einige  Urkunden 
vielleicht  die  Deutung  zulassen,  dass  im  Falle  späterer  Nachzahlung 
auch  Geld  statt  der  Naturalien  in  Zahlung  genommen  wurde. 

§  47.     To  dracsxaxov. 

In   232  (Elephantine)  wird  u.  A.  gezahlt  für  ettc.  (Z.  8).     Ist 
die  Lesung  richtig,  so  wird  man  es  in  sTrtOEXaxov  auflösen  müssen,  wie- 
wohl dies  eigentlich  E-d  hätte  geschrieben  werden  sollen.  Doch  ist  mir 
■  die  Lesung  sehr  unsicher.  Vielleicht  ist  £vot(x{ou)  zu  lesen.  Ueber  das 
neben  dem   auvYjYoptxov    auftretende   ^Tü'.OExaxov    vgl.  unten  §  119. 

')  Nicht  in  allen  Fällen  ist  beim  Monat  ausdrücklich  hinzugefügt,  dass 
er  dem  nächsten  Jahre  angehört.  Aber  wenn  z.  B.  im  Thoth  mit  der  Ernte  des 
I.  Jahres  gezahlt  -nird,  so  kann  natürlich  frühestens  der  Thoth  des  Jahres 
X  -|-  1  gemeint  sein. 


216  rr-  kapitel. 


§  48.     'Etli^i^  TtavxoTKoXwv. 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  347,  348  (II.  Jahrh.  v.  Chr.). 
Die  Erklärung  dieser  Steuer  hängt  wesentlich  davon  ab,  wie 
man  STTt^l  ergänzen  will.  Entweder  wird  man  an  zTzC^rixrjaK;,  oder 
aber  an  iTiti^i^fiiov,  Synonymen  von  i^vjjiJa,'^)  denken.  Aber  was 
soll  das  Aufspüren  resp.  das  Strafgeld  der  „Trödler"  (nrnzonwla.'.) 
bedeuten?  —  Da  beide  Urkunden  Bankquittungen  sind,  die  dem  . 
Steuererheber  ausgestellt  sind,  so  ist  für  die  Höhe  der  Abgabe 
nichts  daraus  zu  folgern. 

§  49.   Ttop  kmv.{ ). 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  681,  686,  696. 

Es  bleibt  einstweilen  ganz  unsicher,  wie  ztzO^  aufzulösen  ist. 
Im  Text  habe  ich  iTzix{apmccc,)  vorgeschlagen.  Ich  dachte  dabei 
an  die  von  Ps.  Aristot.  Oecon.  II  1  erwähnte  Abgabe:  i^  duö  'tbv 
ßoaxY)[jiax{j)v,  eTC'.xap-ta  xe  xxl  Ssxdt-cr;  x!)cXou(Ji£V7j.  Aber  ebenso 
gut  könnte  man  auch  an  £7::x(£'^äAatov)  oder  auch  an  das  in'.- 
x(äpaiov)  des  nächsten   Paragraphen  denken. 

M 

§  50.    'Ynlp  sTOxapafou. 

Für  Syene — Elephantine  belegt  durch  Nr.  64  und  67. 

Bei  der  Revision  der  Londoner  Texte  habe  ich  mich  im 
Sommer  1895  nochmals  von  der  Richtigkeit  der  Lesung  s.T::y.a,pa'.o'j 
überzeugt.  In  welchem  Sinne  das  Wort  hier  aufzufassen  ist,  bleibt 
mir  völlig  dunkel.     Zu  67  vgl.  Corrigenda. 

§    51.       T~Ep    £7I(J)VIÜ)V. 

Für  Tlicben  belegt  durch  Nr.  1506. 

Tcc  inwvitx.  ist  eine  aus  den  Grammatikern  bekannte  allgemeine 
Bezeichnung  für  die  „Kaufsteuer".  Vgl.  Boeckh,  Staatsh.  Ath.  I' 
S.  395.  Gilbert,  Ilaudb.  d.  gr.  Staatsa.  I'I  S.  369.  In  unseren 
Urkunden  begegnet  sie  sonst  noch  im  Pap.  Paris.  67,  IG,  wo 
Lumbroso  (Recherches  S.  307)  mit  Recht  STiWViwv  statt  in  wvcuv 
liest.     Für  die  Kaufsteuer  verweise  ich  auf  §  35  und  138. 


')  'Eto!JY(|U(/V  findet  sich   z.  B.   im   Ki-v.  Paj).   7,6. 


§48  —  52.  217 

^  52.    'Exaipixov. 

Für  Svene — Elejaliautine  belegt  durch  Nr.  83.  Vgl.  auch  die 
thebaiiischen  Nr.  504  und  1030. 

"Wie  das  ffiattonwXty.ov  die  von  den  l\ia.zi.OTzibXoi,'.  erhobene 
Gewerbesteuer  ist,  so  ist  das  eiaip:y.dv  die  Steuer,  die  von  den 
e'aTpat,^)  den  Prostituirten ,  erhoben  wird.  Diese  Bezeichnung  ist 
mir  neu,  die  Sache  selbst  ist  bekannt  genug.  Für  Athen  vgl. 
Boeckh,  Staatshaush.  1^  S.  404.  In  Syrakus  bestand  diese  ITuren- 
steuer  unter  Dionys  (Polyaen  V  2,13),  in  Palmyra  unter  Hadrian 
(Dessau,  Hermes  XIX  S.  516  f.).  In  Rom  wurde  sie  von  Kaiser 
Gaius  eingeführt,  und  zwar  in  der  Weise,  dass  der  Normalertrag 
von  der  einmaligen  Ausübung  des  Gewei'bes  als  Abgabe  zu  ent- 
richten war.  Vgl.  Sueton,  Gai.  40:  ex  capturis  prosHlutarum 
quaafum  qvaeqiie  imo  concvbitu  mererei.'^)  Dieselbe  Berechnungs- 
niethode  hat  Dessau  a.  a.  O.  für  Palmyra  nachgewiesen. 3)  Fraglich 
erschien  ihm  nur,  „in  welchen  Intervallen  die  Steuer  gezahlt 
wurde".  Ich  denke,  auch  dieser  Gewerbesteuer  wird  die  monat- 
liche Berechnung  zu  Grunde  liegen,    sodass    also  die    Dirnen  Roms 


')  Ueber  die  Iletaeren  in  Aegypten  vgl.  jetzt  Hogartli  in  ,,Koptos"  Ijy 
Fliniiers  Petrie  (180C)  S.  31. 

*)  Vgl.  auch  Justin.  Mart.  apol.  l,e.  27.  Lamprid.  vit.  Alexand.  Severi  24. 
Gothofredus  zum  Cod.  Theod.  XIII  1,1.  Weiteres  bei  Mommseu,  CIL  III  S.  13750. 

^)  In  der  aramäischen  Version  des  Steuertarifes,  die  hier  allein  vollständig 
erhalten  ist,  heisst  es  nach  Vogufe's  Uebersetzung :  „Item  exiget  publicanus  a 
muliere:  ab  ea  quac  capit  denariwn  aut  plus,  denariuvi  umcm  aimdiere;  et  ab 
ea,  quae  capit  asses  octo,  exiget  asses  octo;  et  ab  ea  guae  capit  asses  sex,  exiget 
asses  sex."  Danach  scheint  es  drei  Klassen  von  Iletaeren  dort  gegeben  zu  haben, 
die  sich  durch  die  verscliiedene  Höhe  des  Normalpreises,  den  sie  forderten, 
unterschieden.  Die  Kegelmässigkeit  der  Abstufung  führt  notwendig  zu  der 
Annahme,  dass  die  Behörden  bestimmten,  welchen  Preis  die  Einzelne  zu  fordern 
habe,  resp.  zu  welcher  Klasse  sie  gehöre.  Ich  meine,  die  Art,  wie  in  Rom 
der  Berechnung  der  Gewerbesteuer  der  einzelne  concubitus  zu  Grunde  gelegt  wird, 
führt  zu  demselben  Resultat.  Für  Athen  wird  es  uns  ausdrücklich  überliefert, 
dass  die  Agoranomen  den  Preis,  den  jede  Dirne  nehmen  durfte,  bestimmten. 
Vgl.  Suidas  s.  t.  S'.äYpajiiia'  S'.sypacf)ov  yäp  o\  äYOpav6|iot  össv  sSei  Xa|ißocv£tv 
itaipav  IxäaxTjV.  Meier  (att.  Process,  ed.  Lips.  I  S.  103  f.)  und  Boeckh  a.  a.  O. 
haben  daher  mit  I'nreeht  dies  Zeugnis  dahin  verändert,  dass  die  Agoranomen 
nur  die  Höhe  der  Steuer  bestimmten.  Die  palmyrenischen  Klassen  sprechen 
dagegen.  Aa|ißävE'.v  in  das  Gegenteil  y.a'caßa?./.»'.'/  zu  ändern  (s.  Meier),  heisst 
aus  schwarz  weiss  machen. 


218  IV.  KAITTEL. 


iiutl  Palmyras  zwölf  jMiil  im  Jahr  die  betreffende  Summe  zu  zahlen 
hatten.     Aus  Nr.  83  folgt  nichts  über  die  Höhe  der  Steuer. 

Mommseu's  Güte  verdanke  ich  die  Kenntnis  der  demnächst 
im  CIL  III  S.  13750  erscheinenden  Inschrift  vom  Taurischen  Cher- 
sonnes  aus  Commodus'  Zeit,  in  der  unsere  Steuer  als  TÖ  teXo;  to 
TTOpvtxöv  oder  capitulum  lenocini  (also  wohl  von  den  Bordellwirten 
für  ihre  Dirnen  gezahlt)  begegnet.  Trotz  unserer  Ausfiihrungen 
auf  S.  217  Aniii.  3  dürfte  es  aus  sprachlichen  Gründen  kaum  mög- 
lich sein,  (■a])ilulum  als  Kopfsteuer  zu  fassen.  Ich  verweise  auf 
den  Commentar  von  Mommsen  a.  a.  O. 

Vielleicht  sind  auch  die  thebanisehen  Quittungen  504  und 
1030  auf  dieses  iTatptxov  zu  beziehen.  In  beiden  Fällen  wird 
einer  Frau  (oder  Mädchen)  eine  Zahlung  für  bestimmte  Monate 
quittirt,  ohne  dass  die  Natur  der  Steuer  angedeutet  würde.  Die 
Form  dieser  Quittungen  erinnert  an  die  der  Gewerbesteuerquittungen, 
insofern  die  betreffenden  Monate  hervorgehoben  werden.  Doch 
vielleicht  thue  ich  den  Damen  Unrecht  mit  meinem  Verdacht.^) 
Nr.  1030,  aus  der  Zeit  des  Tiberius,  würde  ein  Beispiel  sein,  das 
älter  ist  als  Kaiser  Gaius.  Auch  ohne  dies  liegt  die  Vermutung 
nahe,  dass  Gaius  diese  Steuer  aus  Aegypten  entlehnt  hat. 


•)  Ich  weiss  nicht,  ob  für  diesen  Verdaclit  vielleicht  die  Tliatsache  spricht, 
dass  in  beiden  Fällen  die  Frauennnameu  ohne  Hinzufügung  des  Vater-  und 
Mutternamens  genannt  werden.  In  Nr.  83,  in  der  die  Steuerzahlerin  ja  sicher 
eine  sxatpa  ist,  wird  nur  der  Muttername  hinzugefügt.  Das  kommt,  ohne  Hin- 
zufügung von  ä.iid-wp,  sehr  selten  vor,  vgl.  654,  791,  954.  War  es  etwa  den 
öffentlichen  Dirnen  versagt,  sieh  auch  nach  dem  Vater  zu  be- 
nennen? Die  Frage  müsste  in  grösserem  Umfange  untersucht  werden,  als  es 
mir  zur  Zeit  möglich  ist.  Hier  will  ich  nur  noch  darauf  hinweisen,  dass  auch 
die  Thinabdcllah  in  1157,  die  offenbar  eine  öffentliche  Dirne  ist,  ohne  Vater 
und  Mutter  genannt  wird.  Natürlich  folgt  daraus  nicht,  dass  alle  Frauen,  die 
von  den  Beamten  oline  Vater  genannt  werden,  als  Dirnen  zu  betrachten  sind. 
Im  Uebrigen  will  ich  docli  besonders  hervorheben,  dass  in  den  oben  behandelten 
Nr.  504  und  1030  das  Fehlen  einer  Angabe  über  die  Natur  der  Steuer,  zu- 
sammengehalten mit  der  Adresse  an  eine  Frau,  nioht  als  Beweis  für  das 
ixa'.p'.y.öv  betrachtet  werden  kann.  Mau  vergleiche  z.  B.  Nr.  1049,  in  der 
glciclifalls  die  Steuer  niclit  genannt  wird.  Trotzdem  handelt  es  sich  hier,  wie 
wir  unten  in  §  57  nachweisen,  um  die  Flickschneidersteuer.  Vgl.  auch  1048 
und  1050.  Auch  in  1041  handelt  es  sich,  wenn  obige  Vermutung  betreffs  der 
Nomenclatur  der  Dirnen  zutrifft,  um  eine  andere  Steuer.  Denn  die  SEVX«'(vatS) 
führ!  den  Vatersnamen. 


§  52.     DIE   HUEENSTEUER.  219 

Soeben  ist  von  Grenfell  und  Hunt  eine  Urkunde  edirt,  die  sich 
auch  mit  dieser  Steuer  befasst.  Vgl.  Grenf.  (II)  XLI  vom  ,J.  40  n.  Chr. 
Der  Text  bietet  noch  manche  Schwierigkeiten.  Jedenfalls  ist  es 
ein  Steiierpacht  -  Angebot  (Z.  9  dürfte  Of^iaxafiat  statt  £'fia-a[Jiai 
zu  lesen  sein),  und  der  Ausdruck  oE  kxx{i)ph\i.a.X(x  [J.ca-9'(oij[j.£vo0 
in  Z.  2tJ,  den  die  Herausgeber  richtig  auf  eine  Iletaerensteuer  bezogen 
haben,  zeigt  uns,  um  welche  Steuer  es  sich  handelt.')  Der  Text 
lehrt  uns,  dass  es  Hetaeren  nicht  nur  in  den  grossen  Städten,  sondern 
auch  in  den  Dörfern  gab,  denn  die  Pacht  bezieht  sich  auf  das  am 
Wüstenrande  gelegene  Dimeh,  die  alte  HoxvoTixio'j  Nfjaog.  Das  Pacht- 
angebot für  das  Jahr  beträgt  für  das  genannte  Dorf  288  Drachmen, 
zu  denen  noch  allerlei  Sportein  hinzukommen. 

§  53.  T-sp  s'jwf.  .  .  .). 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  1457. 

Vorausgesetzt,  dass  wirklich  su™  und  nicht  zx/-  zu  lesen  ist, 
würde  ich  die  Auflösung  in  £'j(i)(5cü)V)  vorschlagen,  im  Sinne  von 
„Käucherwerk"  (vgl.  Diod.  I  84).  Dieselbe  Abgabe  begegnet  in  dem 
Berliner  Ostr.  P.  1610,  das  ich  nicht  in  die  Sammlung  aufgenommen 
habe.  Doch  auch  hier  ist  die  Lesung  des  dritten  Buchstabens  nach 
meiner  Copie  nicht  ganz  sicher. 

§  54.  TeXoc,  Csuywv. 

In  1028  wird  quittirt  über  den  Empfang  von  ib  xaS-^xov  xs^-Oi; 
i^Euywv  Ticvxaxoata  (1.  TcsvTaxootwv).  Ob  (^söyo;  hier,  wie  häufig, 
ein  Paar  von  Zugtieren  resp.  ein  zweispäuniges  Fuhrwerk -j  bedeutet, 
wird  durch  die  hohe  Zahl  der  ^EÜ'cq  zweifelhaft.  Zeöyo;  kann 
aber  auch  allgemein  ein  Paar   bedeuten    (vgl.  Kap.  X).      Der   Text 


*)  In  dem  Pachtangebot  selbst  wird,  wie  mir  sclieint,  mit  dem  Wurte 
•:sXEO'.<fäpou  auf  die  Hetaeren  hingewiesen.  In  der  Bedeutung  von  Hnre  findet 
sich  das  Wort  xeXsatpipcJS  in  LXX  Deuteron.  23,  17:  oOx  lata'.  xsXsstföpoj 
iiii  9"j-caTlp(Uv  'Iapar;X. 

^j  Die  Abgabe  von  den  Js'JY'»]  begegnet  auch  in  der  Inschrift  von  Cos 
Ini  Eeinach,  Rev.  d.  Etud.  greequ.  IV  1891  S.  359  (Z.  7).  Reinach  deutet  sie 
hier  als  Abgabe  von  den  roilure^,  da  die  Pferde  und  Ochsen  schon  vorher  unter 
den  TSTpoiTioSa  als  Steuerobjeete  aufgeführt  sind. 


220  IV.  KAPITEL. 


bietet  keinen  Aulialt,  die  Art  genauer  zu  bestimmen.  Wenn  Zug- 
tiere oder  Fuhrwerke  gemeint  sein  sollten,  so  würde  diese  Abgabe 
wie  das  teXeafjia  XKjirjXwv  u.  :i.  z.u  den  Vermögenssteuern  zu 
zählen  sein. 

§  55.  Z7)]ita. 

In  1615  (Hermonthis)  wird  ei?  tyjv  iTHYPCafOiievYjv)  ^rniiav 
gezahlt,  al.so  fiir  ein  auferlegtes  Strafgeld.  Auferlegt  ist  es  von 
Aiovuaioc,  dem  StotxYjTYji;.  Der  Zahler  ist  ein  >t(i)|ioYpa(i.|i.axe6s. 
Ehe  nicht  der  Sehluss  von  Z.  4  entziffert  ist,  wage  ich  keine  Er- 
klärung des  Textes. 

§  56.    'H^ioXiov. 

In  1546  (Theben)  liefern  zwei  Brüder  unter  anderem  zwei  Ar- 
taben  Weizen  flir  ■fi\i.idk(iou).  Dieses  Wort  bezeichnet  das  Ganze  und 
die  Hälfte  dazu.  Worauf  das  TJliioXiOV  hier  zu  beziehen  ist,  bleibt 
dunkel. 

T-sp  r^Tzzipo'j  \irjTpoTi6\£MC,- 
Vgl.  §  21  (Nr.  14.S1,  1433,  1475,  1582). 


i 


§  57.  TiXoc,  fjTiYjxwv. 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  464, 1039, 1049, 1069—1072, 1282 
(alle  aus  der  Kaiserzeit).  Dazu  kommt  Berl.  Ostr.  P.  228  (a.  40 
des  Augustus). 

Das  Wort  iqTiYjTT^s  bezeichnet  den  Flieker,  den  Flickschneider. 
Das  xlXo?  YjTiYjTwv  ist  also  die  Gewerbesteuer,  die  diese  Arbeiter 
für  die  Ausübung  ihres  Gewerbes  zu  zahlen  hatten.  Ucber  die 
Gewerbesteuer  im  Allgemeinen  vgl.  §  135.  Wie  die  anderen  Gewerbe- 
steuern war  auch  diese  pro  Monat  berechnet  und  wurde  ordnuugs- 
gemä.«s  auch  monatlich  bezahlt.  Die  Erhebung  geschah  durch  xsXwva: 
(vgl.  464)  oder  Iraxr/pyjTal  xeXou?.  Die  angeführten  Nummern  sind 
ausser  1282  und  P.  228  (Bankquittungen)  lauter  Erheberquittungen, 
in  denen  die  gezahlte  Summe  nicht  genannt  wird.  Nur  in  464  geben 
die   Steuerpächter   an,   dass   noch    2  Drachmen    an    der  vollständigen 


§54—60.  221 

Jahreszahlung  1)  fehlen:  X(oOiTal  5pax(xal  Suo  /hß  et?  TcXripwatv. 
hl  den  Rankciuittuugon  1282  und  P.  228  werden  versehiedene  Raten 
;ingi'geben.  Doch  lässt  sich  über  die  Höhe  der  Steuer  nichts  Be- 
stimmtes daraus  entnehmen. 

In  1049  wird  die  Steuer  überhaupt  nicht  mit  Namen  genannt. 
Nur  die  Vergleichung  mit  4G4  macht  es  mehr  als  wahrscheinlich, 
dass  es  sich  auch  hier  um  die  Flicksteucr  hamlelt. 

§  58.  ^\'~sp  ■9'Yja(aupoij). 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  503,  Dl 8,  993. 

In  918  und  993  steht  unkp  {hjaCaupoO)  an  der  Stelle,  an  der 
eigentlich  die  Angabe  des  Ortes  zu  erwarten  wäre,  wie  Xapaxog 
oder  ähnlich.  Jedenfalls  handelt  es  sich  in  beiden  Fällen  um  Grund- 
steuer. In  503  wird  über  eine  Geldzahlung  UTiJp  •8'rjaaupoö  [epwv 
quittirt.  Da  der  d-y]oa.\jp6c,  in  der  Regel  nur  Naturalien  annimmt, 
liegt  wohl  eine  adaeratio  vor. 

§  59.  Tukp  Tt(^Yj(;)  ■9-pE|jLtJidT0)v. 

In  Nr.  653  zahlt  ein  Petemenophis  uicep  Tt([i'^$)  •9-p£|ji[j.ata)v 
aL  40  Drachmen.  Das  lässt  zweierlei  Deutungen  zu:  entweder,  er 
zahlt  den  Preis  für  Vieh,  das  er  bekommen  hat,  dann  müsste  er  es 
vom  Staat  erhalten  haben,  denn  an  den  zahlt  er.  Oder  aber,  er 
zahlt  den  Geldwert  für  das  Vieh,  das  er  eigentlich  in  natura  hätte 
liefern  sollen  (adaeratio).  Letztere  Annahme  ist  wegen  des  Tipwxou 
ixoug  vorzuziehen.  Für  welche  Abgabe  das  Vieh,  resp.  das  Geld- 
aequivalent,  zu  liefern  war,  ist  aus  dem  Text  nicht  zu  ersehen. 

§  60.    'Ispou  (Ti'jpoö)  und  hp&c,  (xpt^)-^?). 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  710,  736,  740,  746,  747,  749, 
1341,  1343,  1521,  alle  aus  dem  II.  Jahrh.  vor  Chr. 

Die  angeführten  Thesaurosquittungen  über  Grundsteuer  tragen 
am  oberen  Rande  der  Scherbe,  über  der  ersten  Urkundenzeile,  eine 
Randbemerkung,  deren  Entziflerung  mich  lange  gefoltert  hat.  Bei 
der   Herausgabe   der   Bonner   Ostraka  ^) ,    wo    sie    mir    nur    einmal 


')  Sie    sagen:    äTt^xop-^''    —    ^™S   Msoopyj    X.    Die  5  Epagomenentage  sind 
iiuberücljsichtigt  geblieben.     Vgl.  1084:  s^uy  xd  {x)iXoc,  äiiö  ÖÄux  liac,  Msoopy)  X. 
ä)  Jahrb.  d.  Ver.  v.  Alterthsfr.  i.  Rlieinl.  LXXXVI  S.  243. 


222  IV-  KAPITEL. 


begegnete,  glaubtu  ich  eine  Zahl  ilaiiu  7.u  erkennen  (:£'-(^  =  15|  ^). 
Als  mir  dann  weitere  Beispiele  in  der  Berliner  Sammlung  entgegen- 
traten, die  immer  mit  is.  begannen,  wurde  ich  schwankend.  Die 
Lösung  des  Rätsels  ergab  sich  mir  aber  erst  im  Sommer  1895, 
als  ich  in  einem  Ostrakon  der  Sammlung  des  Heri'n  Flinders  Petrie 
(Nr.  1Ö21)  an  der  betreffenden  Stelle  klar  und  deutlich  die  Worte 
fepoö  n  fand.  Nun  waren  mit  einem  Schlage  auch  die  anderen  Fälle 
verständlich.  Es  zeigte  sich,  dass  die  Schreiber  meist  der  Kürze  zu 
Liebe  nur  ts"  oder  tsa?  geschrieben  hatten,  •worauf  dann  ein  Bruch 
folgte.  Es  erga))  sich  weiter,  dass  x"  steht,  wenn  es  sich  um  Lieferung 
von  TMpöc,  handelt,  während  '.£«;,  wenn  von  v.pid-rj  die  Rede  ist.  In 
meiner  Bleistiftcopie  von  740  aber  fand  ich  nachträglich,  dass  das 
bisher  unerklärte  Zeichen  zwischen  lea;  und  d  ein  x'  war,  das  nun  in 
Uebereinstimmung  mit  der  Urkunde  als  x(piO'y;C)  zu  lesen  ist.  Dem- 
nach ist  sicher,  dass  wir  überall  tepoO,  seil.  Tiupoö,  oder  lepag,  seil. 
y.p'.d-fjq,  zu  lesen  haben.  Dies  halte  ich  auch  gegenüber  der  in- 
zwischen von  Eug&ne  Revillout  in  den  Mclanges  vorgeschlagenen 
Lösung  aufrecht,  der  in  seinen  Louvre-Ostraka  üljerall  ispoO  at(xou) 
lesen   will  (und  zwar  ohne  Bruch). 

Auf  das  Wort  tepoO  oder  Izp&c,  folgt  in  den  mir  vorliegenden 
Texten  überall  ein  Bruch,  der  natürlich  als  Bruchteil  der  Aj-tabe 
aufzufassen  ist.  Mir  ist  aufgefallen,  dass  dieser  Bruch  in  allen  Fällen 
zu  der  in  der  Urkunde  quittirten  Summe  in  demselben  oder  wenig- 
stens annähernd  demselben  Verhältnis  steht.  IMan  vergleiche: 
Nr.  7361)  Quittung  über  H-j^iij  Art.  Weizen: 

746  „  „      154 
1343            „           „15 

749  „  „     20 

747  „  „      20^^       „      Gerste: 
740            „  „     124  +  10H+5=28iG. 

1521  „  „      22         Art.  Weizen: 

1341  „  „     50 

710  „  „      70ii(100)      „ 


LEpOÖ 

iArt. 

)j 

*    „ 

j) 

i    .. 

)) 

i    ,. 

tepä? 

j. 

4       " 

») 

i      .. 

lepoö 

^Art. 

J» 

i    .. 

jy 

H„ 

')  Aus  Rpvillout,  Melanies  S.  128  ersehe  ich,  dliss  ich  in  meiner  vor  zihn 
Jahren  gemachten  Copie  dieses  Ostrakons  die  Randbemerkung  ülicrselien  habe. 
Eevillout  liest  sie:  'lEpcO  oi'Ccou).  Das  ist  gewiss  verlesen  für  'Ispoü  ^'  Der 
Bruch  ^  wird  diircli  die  Analogie  der  anderen  Texte  verlangt.  —  AV eitere  Bei- 
spiele für  das  angebliche  iepoü  ot'(xcu)  giebt  er  auf  S.  27.5. 


§  60.     TKMPELKOEN.  223 


Hieraus  scheint  mir  zu  li)lgen,  dass  der  fepä;  Tcupo^  (resp.  die 
Espä  Y.pi^'f])  im  Durclischnitt,  nach  olieu  oder  uutcu  ahgcriiudet'), 
1  **/u  der  gezahlten  Grundsteuer  beträgt.  Aus  dem  Ausdruck  hpöi 
dürfen  wir  weiter  folgern,  dass  dieses  eine  Procent  für  die  Tempel- 
verwaltung abgeführt  wurde.  Wir  halnn  es  danach  mit  einer  Tempel- 
abgabe zu  thun,  die  aber  nicht  als  soU  lu'  vom  Steuerzahler  eingefordert, 
sondern  von  der  eingegangeneu  Grundsteuer  erst  von  den  Thesauros- 
bearaten  abgezweigt  zu  sein  scheint.-) 

Sollen  wir  nun  glauben,  dass  nur  in  den  einzelnen  Fällen,  in 
denen  sich  jene  Randbemerkung  vorfindet,  dieses  eine  Procent  für 
die  Tempelverwaltung  reservirt  worden  sei?  Die  obigen  neun  Quit- 
tungen sind  durchaus  den  anderen  Grundsteuerquittungen  conform, 
sodass  sich  gar  kein  Grund  finden  licsse,  weshalb  gerade  hier  und 
nicht  auch  in  den  anderen  Fällen  das  Procent  berechnet  worden  sei. 
Ich  meine  daher,  dass  von  jeder  Grundsteuerlieferung,  die  von  dem 
Steuerpächter  an  den  Thesauros  abgeführt  wurde,  1  °/q  für  die  Götter 
separirt  worden  ist,  dass  aber  nur  gelegentlich  diese  Alanipulation 
von  den  Thesaurosbeamten  in  jener  —  wohl  meist  nachträglich 
geschriebenen  —  Randbemerkung  auf  der  Quittung,  die  sie  dem 
Pächter  gaben,  notirl  worden  ist. 

Auffällig  ist,  dass  auch  in  1341 ,  wo  die  gesammte  Lieferung 
(50  Artaben)  für  den  Ammonstempel  auf  der  Insel  Poanemunis 
bestimmt  ist,  trotzdem  1  "/„  Q  Artabe)  abgezweigt  wird.  Man  wird 
annehmen  müssen,  dass  dieser  itpb<;  Tiupöc,  eben  für  einen  anderen 
Tempel,  wohl  den  Haupttempel  des  Ortes,  bestimmt  war. 

§  61.  [l'Tisp]  "loicog. 

In  13(11  (Theben)  wird  über  eine  Zahlung  von  300  Drachmen 
„für  die  Isis"  quittirt.     Also  eine  Tempelabgabe. 


'I)(-9'Ulxd. 
Vgl.  §  7  (Nr.  343). 


')  Die  Rechnung  in  710  ist  nicht  ganz  durchsichtig.  In  der  Subscrij^tion 
wird  erst  70^|^  wiederholt,  dann  aber  geschrieben:  /p  =  das  macht  100.  Für 
100  würden  wir  nach  Obigem  Espoö  et,  erwarten,  für  70 ^|^  aber  etwa  lepoD  ^(j. 
Vielleicht  steckt  ein  Fehler  in  meinen  Lesungen  von  Z.  6. 

-')  Das  etwa  1  "/^  ausserdem  als  Zuschlag  gefordert  wäre,  «ird  dadurch 
unwuhrsclieinlich,  dass  dann  auch  in  allen  Fällen  über  diesen  Zuschlag  hätte 
Quittung  ausgestellt  werden  müssen. 


224  IV.  KAPITEL. 


§  t;2.  EJg  XY|V  xa  xwv  xX^. 

Für  Thebezi  belügt  durch  Nr.  14'J(i  und   1584. 

In  1496  ist  mir  die  Lesung  ötä  wahrscheinlich,  in  1534  dagegen 
zweifelhart.  An  letzterer  Stelle  fehlt  jedenfalls  der  Abkür/.ungsstrich 
über  den  Buchstaben.  KX^  kann  entweder  in  xXTjpoüj^wv,  resp. 
xÄTfjptüv,  oder  in  xXYjpov6|iü)v  aufgelöst  werden.    Hier  ist  alles  unsicher. 

§  63.  TeXog  xaaooTioiwv  xal  yvacpaXXoXoywv. 

Für  Koptos  belegt  durch  Nr.  1081,  1082,  1084—1090,  1616, 
alle  aus  dem  II.  Jahrh.  vor  Chr. 

Das  Wort  xocaaüizoiöq,  auch  xaaoTtoioi;  geschrieben  (vgl.  1085, 
1087),  begegnet  in  letzterer  Form  auch  in  Petr.  Pap.  (11)  XXXII 
(1)  Z.  10,  einem  Text  aus  dem  Ende  des  III.  Jahrh.  vor  Chr. 
Mahaöy  leitet  es  von  y.aj  ab,  das  Hesyehios  mit  Sepjia  erklärt.  Ich 
möchte  es  lieber  mit  -/.äaaov  in  Verbindung  bringen,  das  derselbe 
Hesyehios  als  Cfiät^ov  -a/ü  xat  xpaxu  TisptßöXa'.ov  erklärt,  also  als 
ein  dickes  und  rauhes  Obergewaud.  Dies  Kleiilungsstück  wird  seinen 
Namen  eben  von  dem  dicken,  rauhen  Stoff  haben,  aus  dem  es  ge- 
fertigt wird.  Die  '/.aaüOTZOioi  sind  danach  die  Fabrikanten  solcher 
Rauhstoffe.') 

Der  Name  der  zweiten  Handwerkerkategorie  (in  1081,  1082, 
1086)  ei"scheint  in  verschiedenen  Verschreibungen  als  yvacpaXXoYot 
(1082,  1086)  oder  yvaiyoXXoXoyoi  (1081).  Wie  weit  hier  etwa 
Verlesungen  des  editor  princeps  vorliegen,  kann  ich  nicht  sagen, 
da  ich  die  Originale  nicht  gesehen  habe.  Jedenfalls  wird  überall 
Yva^aXXoXoyot  herzustellen  sein,  was  von  yvaiyaXXov  abzuleiten  ist. 
Letzteres   erklärt  Blümner  (Technologie  I  S.  206,  vgl.  168)   als  die 


')  Möglich,  dass  die  xaoaoitotoi  aus  den  %'on  ihnen  hergestellten  StofTen 
auch  Kleider  verfertigt  haben.  Aber  die  Nebeneinanderstellung  mit  den  yvayaX- 
XoXo-(o:  sowie  der  in  der  nächsten  Anmerkung  angeführte  Text  legen  es  nahe, 
dass  wir  in  erster  Linie  in  ihnen  die  Stofffabrikauten  zu  sehen  haben.  Es  ist 
übrigens  für  die  Entwickelung  der  Gewerbe  in  Aegypten  lehrreich  zu  sehen, 
dass  die  Fabrikation  von  Rauhstoffen  als  ein  selbstständiges  Gewerbe  betrachtet 
wurde.  —  Unsere  Museen  liaben  sich  in  den  letalen  Jahren  mit  zahlreichen 
Kleideriiberresten  aus  den  aegyptischen  Gräbern  gefüllt.  Sollten  die  von 
G.  Schweinfurt  (Zeitschr.  Ges.  Erdk.  Berl.  1887  S.  19)  erwähnten  Rubberstofi'e 
vielleicht  zu  unseren  xäaaa  gehören?  Vgl.  auch  A.  Riegl,  d.  aeg.  Textilfunde 
im  Oestr.  Mus.  Wien  1889. 


§  62  —  65.  225 

Wollflocken,  die  beim  Kratzen  und  Scheren  der  Tücher  entstehen. 
Da  hier  die  'fjOL'^iDXoXö-^oi  neben  den  xaaaoTTOioJ  erscheinen,  werden 
wir  beide  Tli.atigkiitcn  mit  einander  in  Verbindung  zu  setzen  und 
in  den  YV«<P«^^oXdYOt  wohl  diejcuigcu  Leute  zu  sehen  haben,  die 
dieWdllenflocken,')  die  bei  der  Fabrikation  der  Kauhstoflfe  entstanden, 
zusammenlasen  (Aeyecv),  wobei  natürlich  anzunehmen  ist,  dass  ihre 
Handlangerdienste  sich  nicht  auf  dies  ^eyetv  allein  beschränkt  haben 
werden. 

Die  Gewerbesteuer,  die  diese  beiden  Klassen  von  Handwerkern 
zu  zahlen  hatten,  war  in  Ko23tos,  woher  unsere  Ostraka  stammen, 
an  Pächter  vergeben,  an  die  ä^ecXyj^oxes  ty^v  wvt^v.  lieber  die  Höhe 
der  Steuer  lässt  sich  nichts  ermitteln,  da,  wie  meist  in  den  Gewerbe- 
steuerquittungen, nur  angegeben  ist,  für  welchen  Monat  gezahlt  worden 
ist,  nicht  aber  wie  viel.  In  1088,  wo  die  Summe  einmal  genannt 
ist  (einstweilen  unsicher,  ob  6  oder  200  Drachmen),  ist  die  Angabe 
der  Monate  nicht  erhalten. 

§  64.  KXscvsv^. 

In  18.Ö  und  187  quittirt  ein  teXcüvyj;  xXEiveV^,  resp.  £i5o(u?) 
xXeiveV^.  Die  Bedeutung  des  letzten  Woi'tes  ist  mir  völlig  rätselhaft. 
In  dem  kürzlich  vom  Berliner  Museum  erworbenen  Ostrakon  P.  8598 
quittirt  derselbe  Pächter  demselben  Steuerzahler  für  dasselbe  Jahr 
den  Empfang  dieser  rätselhaften  Abgabe.  In  185  wird  für  den 
Hathyr,  in  P.  8598  für  den  Pharmuthi  und  in  187  für  den  Pachon 
des  5.  Jahres  des  Antoninus  Pius  quittirt.  Aus  den  beiden  letzten 
folgt,  dass  die  Steuer  für  den  betreflenden  Mann  pro  Monat  1  Dr. 
1  Ob.,  also  für  das  Jahr   14  Drachmen  betrug. 

§  65.  TsXog  xXwaxYjpLcov  (??). 

In  1525  (a.  124/3  vor  Chr.)  schreibt  Apollouides,  wie  es  scheint 
ein   Steuerpächter,    an    einen   gewissen   Didymos:    Du   schuldest   mir 


■)  Dass  die  in  Frage  stehenden  xäoaa  aus  Scliafwolle  gearbeitet  wurden, 
geht  aus  dem  oben  angeführten  Text  bei  Mahaffy  hervor.  Ein  Gerbermeister 
spricht  hier  von  der  Bearbeitung  der  y.m'.S'.a  (der  Schaffelle),  ä  xlJ.Xovxej  [....] 
xä  [ix4v  spQSia  (so  möchte  ich  ergänzen  statt  Grenfells  xiüiS'.a)  TOig  y.aao7CO'.ot;, 
x&  54  äg  aö[x(üv  SIplimxa  TtapaSiSoiiev  sl;  xö  ßaoiX[txov]  xxX.  Die  Schaffelle 
werden  also  vom  Gerber  gerupft,  und  die  Wolle  wird  unseren  Rauhstoff'fabri- 
kanten  übergeben. 

WiLcKEN,  Ostraka.  ^^ 


2'>6  IV.  KAPITEL. 

J ^ I 

für  das  tIXo;  dos  Monats  Phaoplii  115  v.'/MGzripti{a.).  Das  letztere 
Wort  ist  nielirfach  eorrigirt,  ist  überdies  ohne  Abkürzungsstricli 
geschrieben,  ebenso  T£(=X£J^og  ?),  das  ausserdem  über  der  Linie 
naeligetragen  ist.  Ganz  ungewöhnlich  ist  ferner,  dass  der  Pächter 
dem  Zahler  notirt,  wieviel  dieser  ihm  noch  schuldet.  Das  alles 
sind  Sch;vicrigkeiteu,  die  bei  der  Erklärung  des  Textes  zur  Vorsicht 
mahnen.  Wenn  die  obige  Deutung  richtig  sein  sollte,  so  würden 
wir  ein  -csXog  vor  uns  haben,  das  in  natura,  in  xXtoatigp:a,  d.  h.  in 
gesponnenen  Fäden,  zahlbar  war.     Doch  hier  ist  alles  unsicher. 


§  66.  'H  "/vacfixT^. 

Die  xvacpeij  (oft  auch  Yvatpels  genannt)  sind  die  Tuchwalker, 
die  im  Altertum  dadurch  eine  besondere  Rolle  spielten,  dass  sie 
nicht  nur  die  neuen  Fabrikate  walkten  etc.,  sondern  auch  die  Reini- 
gung von  getragenen  Kleidungsstücken  und  anderen  gebrauchten  Woll- 
stoffen besorgten  (vgl.  Büchsenschütz,  die  Hauptstätt.  d.  Gewerbfleiss. 
S.  89).  Die  xvacptxi^  ist  also  die  von  den  Tuchwalkern  erhobene 
Gewerbesteuer.  Das  einzige  Ostrakon,  das  uns  diese  Steuer  bezeugt 
(1487),  giebt  glücklicherweise  über  die  Hohe  derselben  Auskunft. 
iCs  heisst  da:  [Ix^]  —  trjv  xva9:x[YjV  toO  [irjjvo;  'Ail'up  S  ß- 
Also  betrug  die  Gewerbesteuer  der  Tuchwalker  2  Drachmen  pro 
Monat.  Die  Annahme,  dass  diese  2  Dradimen  hier  nur  eine  Raten- 
zahlung bezeichneten,  ist  unwahrscheinlich. 

Bemerken.swert  ist,  dass  die  Quittung  von  einem  activen  römischen 
Soldaten,   dem  Aurelius  Heronianus,    aus   der  Centurie   des  Hierax, 

ausgestellt  ist.     Dieser  sagt:  l^w  Tiapa  aoO  eE?  X6yo[v ]  t^v 

xvacpixYjV  xtX.  Wahrscheinlich  wird  man  den  Soldaten  hier  als 
den  Erheber  der  Steuer  zu  fa.?sen  haben,  denn  die  Annalime.  (la.«s 
es  sich  um  eine  Privatquittung  handele,  führt  zu  unlösbaren  Wider- 
sprüchen. Hinter  Xoyov  könnte  wohl  der  Adressat  selbst  (aoö)  oder 
der  Name  eines  ihm  nahestehenden  gestanden  haben.  Vgl.  Nr.  1083: 
I/O)  Tiapd  aoO  eIq  xöv  "Opou  toü  <utou  aou>  Xcyov,  d.  h.  auf , 
Rechnung  deines  Sohnes.  Doch  ist  es  mir  wahrscheinlicher,  dass 
hinter  Xöyov  der  Name  des  Steuerpächters  gestanden,  für  den  der 
Soldat  hier  eintritt.  Auf  die  Verwendung  des  Militärs  bei  Ein- 
treibung der  Steuern   werden  wir  in  Kap.  VI  zurückkommen. 


I 


§65  —  68.  L>27 

Diese  Walkersteuer  wird  auch  in  BGU  337,  23  für  das  Dorf 

SoxvoTiatou  Ny^ao;  bezeugt.')  Die  Priesterschaft  erklärt,  so  und  so 
viel  für  die  Walker  (yvaiyEls)  des  Dorfes  au  die  Verwaltung  des 
Epistrategcu  gezahlt  zu  haben.  Nach  einem  anderen  Text,  dessen 
Publication  mir  nicht  zusteht,  ist  es  \vahrscheinlich,  dass  die  Erhebiuig 
dieser  so  wie  der  anderen  dort  aufgeführten  Steuern  der  Priester- 
schaft des  Soknopaios  übertragen  war. 

§  67.  TsXog  y.opjjiwv. 

In  1055  wird  über  den  Empfang  von  xö  ytvöijievov  teXo;  xop|JiiüV 
Tptwv  quittirt.  Kop|i.ös  bedeutet  Klotz,  Stamm,  Stück  vom  Stamm. 
Im  Festzug  des  Philadelphos  erschienen  Aethiopen,  die  20(J(J  ißevou 
xopjious  brachten  (Athenae.  V  201  a).  Was  für  ein  tIXo;  im  Ostrakon 
vorliegt,  lässt  sieh  nicht  bestimmen. 

i?  08.  'Ynkp  xoupscov. 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  380—382,  1377,  1555  (I.  Jahrh. 
n.  Chr.). 

Diese  Urkunden,  die  uns  wohl  zum  ersten  Mal  über  die  Gewerbe- 
steuer der  Barbiere  (xoupelc )  Aufschluss  geben,  2)  sind  sämmtlich  Bank- 
quittungen. Darum  nennen  sie  uns  auch  die  gezahlten  Summen, 
was  die  Erheberquittungen  vielfach  verschweigen.  Ferner  ist  es  ein 
glücklicher  Zufall,  dass  sie  sämmtlich  für  eine  und  dieselbe  Person 
ausgestellt  sind,  für  nicAtt;  (^pq  Sohn  des  ll'svevoöcpc;,  der  zur.  Zeit 
der  Kaiser  Gaius  und  Claudius  in  Theben  das  Barbiergeschäft  l^etrieb.^) 
Nach  Nr.  380    zahlte   er   im  ^Mechir  38  n.  Chr.   für  das  Jahr  37/8 

3  Drachmen  4  Obolen;  nach  381  im  Mesore  39  für  38  U  2  Drachmen 
1  Obol;  nach  382  im  Mechir  40  für  39/40  3  Drachmen  4  Obolen. 
Hiernach    könnte   man   geneigt   sein,    die   Summe   von   3  Drachmen 

4  Obolen  als  Norraalsumme  zu  nehmen ;  doch  bleibt  es  hiernach  noch 
unentschieden,  ob  sie  für  das  Jahr  oder  für  den  Monat  Geltung  hat. 
Für   die  Beziehung  auf  das  Jahr  scheint  der  Text  zu  sj)rechen,  wenn 

')  Für  die  byzantinische  Zeit  vgl.  WesselT,  Denksehr.  Wien.  Akad.  Wiss.  1889 
S.  232.  Damals  stand  ein  eic'.ataxifjs  als  Zunftmeister  an  der  Spitze  der  Walker 
(ebenso  der  anderen  Gewerbe).     Vgl.  auch  ebend.  S.  217. 

*)  Mommsen  erinnert  mich  au  das  tonstrinum  der  le-^c  metalli  A'ii^ascensis. 
Bruns,   fönt."  S.  268. 

^)  Nach  der  Charta  Borgiana  l)efanden  sich  iu  dem  faijAmischen  Dorfe 
Ptolemais  Hormos  im  J.  191   u.  Clir.  mindestens  2  Barbiere.    Vgl.  III   26,  IX  5. 

10* 


228  IV.  KAPITEL. 


I 


er  sagt:  bnkp  xoupswv  ß  ^  (=  Seu-repou  etou?)  oder  ähnlich.  Um  so 
lehrreicher  ist  es,  dass  die  beiden  tblgendeu  Nummern  uns  zeigen,  dass 
trotzdem  die  Zahlung  nur  auf  den  betreffenden  Monat  zu  beziehen 
ist.  Nach  1377  zahlt  nämlich  derselbe  ÜTO^vti;  für  41/2  3  Drachmen 
3  Obolen,  und  zwar  nachträglich  im  ersten  Monat  des  folgenden 
Jahres,  also  Aug.  Sept.  42.  Nach  1555  hat  er  aber  bereits  vorher 
im  März  (?)  42  gleichfalls  für  das  Jahr  41/2  3  Drachmen  4  Obolen 
gezahlt.  Daraus  ergiebt  sich  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit,  dass 
die  Summe  nicht  auf  das  Jahr,  sondern  auf  den  Monat  zu  beziehen 
ist.')  Die  Vergleichung  der  Texte  lehrt  zugleich,  dass  sehr  wahr- 
scheinlich die  Gewerbesteuer  der  Barbiere  damals  und  au  jenem  Ort 
3  Dracluneu  4  Obolen  für  den  Monat,  also  44  Drachmen  für's  Jahr, 
betragen  hat.     Im  Allgemeinen  vgl.  unten  §  135. 

Sehr  wahrscheinlich  handelt  auch  BGU  9  IV  15 — 19  von  der 
Barbiersteuer.  Die  Ueberschrift  Kopaäxsg  muss  nach  dem  Zu- 
sammenhang ein  Gewerbe  bezeichnen.  Ich  fasse  xopaä?  als  Hypo- 
koristikon  von  xopacOTT^p  (Pollux  2,  32)  oder  xopawTi^i;  (Athenae.  XII 
p.  520  e),  die  wieder  Sj'nom3'ma  von  xoupeui;  sind.  Dass  sich  nach 
dieser  Annahme  auch  eine  Frau  (mit  dem  klassischen  Namen 
Euterpe)  unter  den  Barbieren  von  Arsinoe  befindet,  ist  bemerkens- 
wert, kann  aber  die  obige  Deutung  nicht  erschüttern.  Die  gezahlten 
Summen  sind  in  dem  Papyrus  weggebrochen. 

§  69.  KuvYj(YeTHt(j)v)  Sopa(x(ov). 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  579,  1247,   1248,  aus  der  Zeit' 
Hadrians. 

In  579  wird  quittirt  VTi(ip)  \i£pio(\>.oQ )  xuv^  SopS  i"!  1247 
für  xuv^l  Sop".  In  1248  ist  nur  xuv^l  Sop/i  erhalten.  Der  Haken 
über  Qop  in  579  steht  gewöhnlich  für  a.  Hält  man  Zop^  und  Sop™ 
zusammen,  so  ist  wohl  nicht  zweifelhaft,  dass  in  beiden  Fällen  oopaxcöv 
zu  lesen  ist.  Kuv''!  löse  ich  demgemäss  adjektivisch  in  xuvyj(YeTtx(I)v) 
auf.     Damit  sind   also  Spiesse   zum  Jagen,   Jagdspiesse   bezeichnet. 


')  Noch  vorsichtiger  ist,  einfach  zu  constatireu,  dass  Ptolis  für  das  Jahr 
41/2  3,3 -|- 3,4,  d.  h.  7  Drachmen  1  Obol  gezahlt  hat,  und  die  Frage  offen 
zu  lassen,  ob  dies  eine  Rate  ist.  Aber  die  Thatsache,  dass  die  monatsweise  Be- 
reclinung  der  Gewerbesteuern  in  den  tlicbanisclien  Evliebcrquittungen  uns  vielfach 
entgegentritt,  sowie  die  häutige  Wiederkehr  des  Satzes  von  3  Drachmen  4  Obolen 
machen  es  sehr  walirscheinlieli,  dass  dieser  Satz  elien  die  Monatsstcuer  ist. 


§68  —  70.  229 

Die  Abgabe,  die  die  thebanischen  Bewobner  für  diese  Jagdspiesse 
zu  zahlen  haben,  wird  in  579  als  |XEp:a|xi?  bezeichnet.  Das  besagt 
nach  §  75,  dass  diese  Abgabe  kopf'stcuerartig  in  gleichen  Raten 
verteilt  war.  Nähere  Aufschlüsse  über  diese  merkwürdige  Abgabe 
erhalten  wir  durch  den  nächsten  Paragraphen. 

§  70.  Kuv7]y{g((dv). 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  468,  479,  1408,  1564,  1565, 
alle  aus  der  Zeit  des  Domitian. 

Die  Erklärung  dieser  Texte  bietet  grosse  Schwierigkeiten.  In 
479  ist  das  Steuerobjekt  xuV«  geschrieben.  Das  Nächstliegende 
■war,  dies  in  xuvw(v)  aufzulösen  und  so  eine  „Hundesteuer"  zu  con- 
struiren.  Das  ist  denn  auch  in  dem  „Ausführlichen  Verzeichnis 
der  Aegyptischen  Altertümer"  S.  388')  geschehen.  Auch  ich  habe 
fi'üher  an  diese  Lösung  gedacht.  Die  anderen  Texte,  die  diesem 
ganz  analog  sind,  erfordern  jedoch  eine  andere  Lösung.  In  468, 
1408  und  1565  steht  y.ov'n  geschrieben,  in  1664  XL)VYjYt.5.  Hält 
man  diese  drei  Schreibungen  neben  einander,  so  ist  es  wohl  nicht 
zweifelhaft,  dass  überall  v.ov-qyioiäV  zu  lesen  ist.  In  dem  un- 
publicirten  Ostrakon  Louvre  85;)  1  glaube  ich  jetzt  in  meiner  Copie 
xuvYjytSos  zu  erkennen.-)  Aber  was  soll  das  heissen?  Die  Bedeutung 
„Jägerin"  ist  ausgeschlossen.  Durch  die  Analogie  der  noza,[i.o^uka.y.iBt(;, 
die  in  1408  und  dem  Louvreostrakon  daneben  genannt  werden,  bin 
ich  auf  die  Vermutung  gekommen,  auch  hinter  xuvvjyts  ein  vaOs  zu 
suppliren  und  darin  ein   „JagdschifF"  zu  erkennen. 

Wenn  die  Unterthanen  Beiträge  für  diese  Jagdschiffe  ebensogut 
wie  für  die  Flusswachtschiffe  zu  zahlen  haben,  so  werden  auch  diese 
Jagdschifle  im  öffentlichen  Dienst  stehen,  mit  anderen  Worten,  es  wird 


•)  Herausgegeben  von  der  Generalverwaltung  der  kgl.  Museen  zu  Berlin,  1894. 
'■')  Ich  lese  den  Text  folgendermassen : 

K'(uv)-TjyY)>iSo5  xai  |iEpi(:|i(B[v] 

7ioTa[iocpuX(Kx{?cov)  xoS  ß(?)'-  io]Ji'.xi- 

avoO  Toü  xupiou  iiT](vds)  (?)  Ilaxtuv 

5       K(ai)  ii(äTo)x(oi) 

1  meine  Copie  hatte  am  Anfang  Ka|iY;xi  .  .  J.  —  2  die  Jahreszahl  ist  corrigirt. 
Lesung  unsicher.  —  4  vor  v^  ist  ausgestrichen  X'^  =  X(x(paxos).  —  5  ist  am 
Original  zu  vervollständigen.  Am  Sehluss  scheint  dieselbe  Subscription  zu  stehen 
wie  in  468. 


230  IV.  KAPITEL. 


sich  um  eine  Jagd  handeln,  die  von  der  Ilegierung  betrieben  \vird, 
und  zwar  zum  Besten  der  Bevölkerung  —  denn  darin  muss  der 
Kecht.stitel  für  die  ICrhclmng  der  Abgabe  liegen.')  Halten  wir  damit 
zusammen,  dass  nach  dem  vorhergehenden  Paragi-aphen.  dieselbe  Be- 
völkerung auch  für  die  ,,Jagd.spies.se"  Beiträge  zu  zahlen  hatte,  so 
kommen  wir  der  Frage,  was  denn  das  für  eine  Jagd  gewesen  sein 
mag,  schon  näher.  Ich  vermute,  dass  es  sich  um  die  Jagd  auf 
das  geföhrliche  Nil])ferd  —  vielleicht  auch  auf  das  Krokodil  — 
handelt.  Alte  aegyptische  Bilder,  die  uns  diese  Jagd  veranschau- 
lichen, zeigen,  dass  sie  vom  Schiff  aus  betrieben  wurde,  und  dass 
die  Hauptwaffe  die  lange  Harpune  war.  ]\Iau  vergleiche  die 
interessante  Darstellung  aus  einem  thebanischen-)  Grabe  des  mittleren 
Eeiches  bei  Wilkinson  „Manners  and  customs  of  the  ancient  Egyp- 
tians"  2.  Aufl.  (Birch)  H  S.  128.^)  Im  Wesentlichen  übereinstimmend 
hiermit  beschreibt  Diodor  I  35,  10  die  Jagd  folgendermassen : 
„'AÄiT/.ETat  Se  xal  toO-c  (seil,  das  Nilpferd)  uoXuyeipi'a  töv 
'  TUTitöv-wv  xotc  a'.OTjpors  e[Ji_ßoXioi;.  "Otzou  yäp  äv  ^kvy,,  auvä- 
youaiv  in  c\j-b  r.'koly.  u.  s.  w.  .Jene  oiorjpx  £[ißoX:a  sind  mit  unseren 
7.ur/jY£"-xa  oöpaxx,  und  jene  TcXoIa  mit  unseren  x'jvv^ytoej  zu  i<leu- 
tificiren.  Aber  während  hier  und  in  den  thebanischen  Gräbern  die 
Jäger  Privatleute  sind ,  wird  die  Jagd ,  auf  die  unsere  Ostraka 
hinweisen,  nach  obiger  Deutung  von  der  Ilegierung  ausgeübt:  dafür, 
dass  sie  den  Nil  nach  Möglichkeit  von  diesen  gefahrlichen  Tieren 
säubert,  lässt  sie  sich  von  der  anwohnenden  Bevölkerung  Beiträge 
für  die  Jagdschiffe  und  gar  für  die  Harpunen  zahlen.  Dass  auch 
die  Beiträge  für  den  Oberjagdmeister  vielleicht  in  diesen  Kreis 
hineingehören,  erwähnten  wir  schon  oben   (§  2(J). 

§  71.  'l'-sp  Xaoypa^i'ag. 
Für  Svene -Elephantine   belegt   durch   .3—8,   10—12,   18,  20, 
21,  24—26,  29—31,  33,  34,  36—39,  41,  46,  47,  49,  51-65, 
68—76,  79,  81,  82,  85,  86,  102—104,  106,  113—119,  121,  123, 

')  Die  an  sich  zulässige  Deutung  auf  eine  Besteuerung  des  Privatsportes 
wird  mir  durch  die  Analogie  der  T^oxaiiocfuXocxiSs;  iinwahrscheinlich. 

^)  Nach  AVilkinson's  Angabe  finden  sich  gerade  in  tliebanischen  Gräbern 
mehrfach  solche  Jagddarstellungen. 

')  Vgl.  auch  Erman,  Aegvpten  u.  aeg.  Leb.  S.  328.  Dies  beliebte  Sujet 
ist  auch  in  dem  Mosaik  von  Palaestrina  dargestellt.  Vgl.  Maspero-Steindorff, 
.\eg.  Kunstgeschichte   1889  S.  180. 


Dli;    KOPFSTEUER.  231 


125,  128— l.'JO,  1411,  141,  144,  14s,  151,  152,  154-156,  158, 
160,  165,  Km,  ItiS,  17(j,  182,  18;],  188—191.  201,  211,  223, 
226,  22!),  234,  236,  237,  245,  251,  252,  260,  264,  269,  270, 
280,  2!I0,  1269,  1271,  1272,  1322,  alle  aus  der  Kaiserzeit. 

Für  Theben  belegt  durch  357,  363,  366,  367,  370,  372—374, 
383,  384,  387—389,  393,  398,  399,  401,  403,  411,  419,  422, 
424,  425,  429,  431,  4;i2,  434,  436—438,  444,  446,  448,  450, 
452—454,  457,  460—463,  465,  466,  469,  471,  472,  474,  475, 
477,  480—482,  486,  487,  490,  492,  493,  508,  516,  525,  530, 
.")36,  543,  548,  563,  567,  569,  575,  582,  584,  609,  619,  626, 
(;34,  639,  641,  645,  656,  668,  669,  1052,  1238,  1239,  1242, 
1246,  1279,  1283-1285,  1324,  1365,  1366,  1378,  1380,  1384, 
1390,  1401,  1402,  1414,  1425,  1441,  1541,  1542,  1549,  1562, 
161.'),  alle  aus  der  Kaiserzeit. 

Wiliielni  Fröhuer  hat  in  seinem  bahnbrechenden  Aufsatz  über 
die  Ostraka  zuerst  erkannt,  dass  mit  der  Abgabe  uusp  Xaoypa^tas 
eine  Kopfsteuer  gemeint  ist.  Auf  Grund  des  ihm  vorliegenden 
Materials,  das  damals  noch  unbedeutend  war,  z.  T.  auch  durch 
irrige  Lesungen  verführt,  hat  er  geglaubt  nachweisen  zu  können, 
dass  die  Hölie  die.ses  Kopfgeldes  in  jedem  Jahre  nach  dem 
jedesmaligen  Ausfall  der  Ernte  bestimmt  sei  und  daher  gewissen 
Scliwankungen  unterlegen  habe.  Blit  ihm  haben  wir  Alle  bislier 
angenommen,  dass  die  von  ihm  berechnete  Höhe  des  Kopfgeldes 
für  ganz  Aegypten  massgebend  gewesen  sei.  Durch  das  grosse  jetzt 
vorliegende  Material  werden  wir  die  letzten  Punkte  seiner  Deduction 
nicht  bestätigt  finden.  Dagegen  hat  seine  Grundauffassung  von  dieser 
Steuer  als  einer  Kopfsteuer  durch  das  neue  Material  nur  neue  Stützen 
erhalten.  Zumal,  wie  wir  sehen  werden,  die  Bezeichnung  der 
Kopfsteuer  als  X«oypa-^ta  nicht  leiclit  zu  erklären  ist,  möchte  ich 
gleich  hier  an  der  Spitze  dieser  Untersuchung  darauf  hinweisen, 
dass  unabhängig  von  dem  Ostrakonmaterial  auch  die  Papyri  einen 
stricten  Beweis  dafür  erbringen,  dass  die  Xao'fpoi.-^ix  eine  Kopfsteuer 
ist.  In  BGU  1,  einer  Tempelreehnung  aus  dem  Faijüm  (vgl.  jetzt 
BGU  337),  etwa  um  200  n.  Chr.  geschrieben,  heisst  es,  nachdem 
die  Einnahmen  des  Jahres  mit  den  Worten  XoiTial  XT^|i[iaTog  SX^^C^I 
gebucht  sind,  folgendermassen  (Z.  15):  A['t]  xal  5[:a]Ypacfö[i.£va: 
Et;  TÖv  X'jp'.axov  Xoyov  bizkp  euiX£:paX£o[u]  xöv  67iepatp6vTWV  lepewv. 
Diese  etwas  dunklen  Worte  erhalten  helles  Licht  durch  den  Londoner 


232  IV.  KAPITEL. 


Papyrus  CCCXLYII  (aus  (k'm  J.  2(Jl  ii.  Chr.),  in  welchem  es  nach 
dem  von  der  Palaeograpliical  Society  (Ser.  II  Taf.  185)  publicii-ten 
Faesimile  folgenderraassen  heisst  (Z.  5 f.):  Aieylpa^avl  Teasvoö^t; 
riaxüasü)?  xal  S-coiorjat?  'Ovvü^peui;  xal  oi  >.oOT(oi)  ^epc^s  Xao- 
Yp(aifias)  [t]ü)v  u-epa'.poüvxwv  (sie)  töv  äpt9'[i,ö(v)  xtbv  fepewv  ■8'^ 
(=  200/1)  [xejxpaxoai'as  sßSo|xi^xovxa  Itcxä  — /  ^uo!^  — .  Es 
unterliegt  für  mich  keinem  Zweifel,  dass  an  beiden  Stellen  ein  und 
derselbe  Vorgang  gemeint  ist,  nämlich  das  Zahlen  einer  Abgabe  für 
die  „überzähligen"  (s.  unten)  Priester  an  die  kaiserliche  Kasse.  Diese. 
Abgabe  heisst  nun  im  Berolinensis  ir.'.xz<^a.X'.ov,  im  Lon- 
dinensis  Xaoypa^ta!  Das  erstere  Wort  bezeichnet  aber  das, 
was  wir  eine  Kopfsteuer  im  eigentlichen  Sinne  nennen,  d.  h.  eine 
Abgabe,  die  Kopf  für  Kopf  in  gleicher  Höhe  erhoben  wird  (vgl. 
jSIommsen  bei  Hirschfeld,  RVG  14  A.  2).  Damit  ist  die  Bedeutung 
des  Wortes    Xaoypacpia,    sofern  es  eine  Steuer  bezeichnet,  gesichert. 

In  demselben  Jahre,  in  dem  Fröhner  aus  den  Ostraka  von 
Elephantine  eine  Kopfsteuer  von  durchschnittlich  etwa  17  Drachmen 
pro  Kopf  nachwies,  veröfteutlichte  Eodbertus  seine  Studien  „zur  Ge- 
schichte der  römischen  Tributsteuern  seit  Augustus",  in  denen  er  u.  a. 
den  Versuch  machte,  durch  Combination  verschiedener  Schriftsteller- 
nachrichten die  Höhe  des  Kopfgeldes  bei  den  Aegypteru  zu  berechnen. ^j 
Doch  das  Material  war  einerseits  zu  dürftig,  andrerseits  wurde  es 
z.  T.  missverständlich  von  ihm  aufgefasst,  und  da  er  auch  sonst 
von  falschen  Prämissen  ausging,  so  konnte  es  nicht  anders  sein, 
als  dass  sein  Resultat,  die  Aegypter  hätten  pro  Kopf  1 1  Drachmen 
gezahlt,  ein  völlig  verfehltes  war.  Wir  wollen  nun  an  der  Hand 
des  grossen  neuen  Jlaterials  versuchen,  die  wirkliche  Höhe  der  Kopf- 
steuer für  Aegypten  zu  berechnen. 

Wir  beginnen  mit  den  Ostraka  aus  Syene- Elephantine. 
Während  wir  sonst  bei  den  Ostraka  in  der  üblen  Lage  sind,  nicht 
wissen  zu  können,  ob  die  quittirte  Summe  die  Gesammthöhe  der 
jährlichen  Abgabe  oder  aber  eine  Rate  bezeichnet,  geben  uns  die 
Schreiber  von  Syene  und  Elephantine  gerade  bei  der  Xaoypafpta  die 
Möglichkeit,  diese  Kardinalfrage  mit  Sicherheit  zu  beantworten,  indem 
sie   die  Schlussrate  häufia:  ausdrücklich  als  solche  bezeichnen.     Das 


')  Hildebrand's  Jahrbücher   für  NationUlökononne  und  Statistik   IV   186ö, 
S.  373  f. 


§71.      HÖHE    DER    KOPFSTEUER.  233 


gescliieht  dadurch,  dass  sie  die  vorläufigen  Raten  gern  mit  ^7:1  Xöyou 
einführen,  die  Schhissraten  aber  mit  Wendungen  wie  xal  xa;  XoiTia; 
xoO  auxoO  Ixouj  Opa/|j,i;  oder  ähnlicli  eben  als  Restzahlungen 
chanikterisiren.  Wir  stehen  hier  also  auf  ganz  festem  Boden. 
Folgende  Resultate  ergeben  sich  demnach  aus  den  Ostraka: 

l.\^)n  Augustus  an,  oder  sagen  wir  vorsichtiger,  da  für  Augustus' 
Zeit  hier  zufallig  keine  Belege  sind,  von  Tiberius  an  bis  mindes- 
tens zum  J.  92,3  (spätestens  95,6)  betrug  das  Kopfgeld  in 
Syene-Elephantine  16  Drachmen.  Man  vergleiche  die  Xummern 
3 — 39  der  obigen  Tabelle,  dazu  1322.  Wohl  wird  hier  meistens  die 
Summe  nur  mit  16  Drachmen  angegeben,  ohne  uns  eine  Gewissheit  zu 
verschati'en,  dass  dies  wirklich  die  jährliehe  Höhe  sei.  Nr.  20  nimmt 
uns  aber  allen  Zweifel  (von  J.  73/4),  in  der  erst  iid  X^you  8  Drachmen 
quittirt  werden,  und  darauf  die  zweite  Rate  von  wieder  S  Drachmen 
bezeichnet  wird  als  „xd;  äpyupioy  Spayiid;  oxxw".  Durch  den 
Artikel  wird  die  Summe  als  der  noch  ausstehende  Rest  bezeichnet. 
Sehen  wir  nun,  dass  in  den  anderen  Fällen  auch  meist  IG  Drachmen 
bezahlt  werden,  auf  einmal  oder  in  Raten  wie  lö-f-l  (33)  oder 
12-1-4  (39)  oder  in  den  beliebten  Halbraten  (3  und  4),  so  unterliegt 
es  keinem  Zweifel,  dass  16  Drachmen  damals  die  Jahressumme  war. 

2.  Von  mindestens  96/7  (frühestens  93/4)  bis  mindes- 
tens 112/3  (spätestens  113/4)  betrug  das  Kopfgeld  in  Syene- 
Elfepantine  17  Drachmen. 

Man  vergleiche  die  Xummern  46 — 86  der  obigen  Tabelle,  dazu 
1269.  Dass  in  diesem  Zeitraum  die  Jahreshöhe  wirklich  17  Drachmen 
betrug,  erhellt  aus  folgenden  Fällen.  In  53  wird  von  den  Raten 
4-j-4-|-7-|-2  die  letzte  2  bezeichnet  als  xa;  Xoniä.q.  Ebenso  wird 
in  81,  wo  S-j-S-j-l  gezahlt  werden,  die  letzte  Drachme  als  xy;v 
Xc'.-rjv  bezeichnet.  Vgl.  auch  56  mit  57.  Im  Uebrigen  findet  sich 
niemals  eine  höhere  Summe  als  17,  sondern  meistens  17  selbst  oder 
Raten  wie  8  +  9,  8  +  8+1,  8  +  4+5,  12  +  5. 

3.  Von  mindestens  114/5  (frühestens  113/4)  bis  mindes- 
tens 170/1  betrug  das  Kopfgeld  in  Syene-Elephantine 
17  Drachmen  und  1  Obol,  resp.  17  Dr.  |  Obol  +  5ea[ioö 
i  Obol.  Vgl.  102—264  der  obigen  Tabelle,  dazu  1271,  1272.  Wenn 
wir  hier  auch  zufällig  keinen  directen  Beweis  wie  oben  haben,  so 
unterliegt  es  doch  angesichts  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle, 
in    denen    gerade   diese   Summe   genannt  wird ,    und    der  Thatsache, 


234  IV-   KAPITEL. 


da?s  wohl  kloiiiere,  aber  niemals  grössere  Summen  erscheinen,  keinem 
Zweifel,  dass  diese  Summe  eben  der  Jahresbetrng-  gewesen  ist.  "Wir 
haben  diese  Periode  nur  deshalb  mit  dem  Jahre  170/1  begrenzt,  weil 
in  unserer  Sammlung  kein  späteres  Beispiel  dieser  oder  einer  höheren 
Summe  vorliegt.  Ueber  198; 9  (Nr.  2S(.))  gehen  hier  zufällig  unsere 
Ostraka  nicht  hinaus. 

Für  alle  drei  Perioden  gilt,  dass  innerhalb  derselben  alle  Kopf- 
steuerpilichtigeu  von  Svene -Elephantine  dieselbe  Summe  zahlten. 
Man  braucht  nur  die  citirtcn  Nummern  zu  vergleichen ,  um  dies 
bestätigt  zu  finden.  Wir  sind  somit  in  der  glücklichen  Lage,  für 
die  Gemeinden  Svene- Elephantine  durch  die  beiden  ersten  Jahr- 
hunderte unserer  Zeitrechnung  hindurch  die  Höhe  der  Kopfsteuer 
mit  Sicherheit  constatiren  zu   können. 

Nach  allem,  was  wir  uns  bisher  von  der  Kopfsteuer  vorstellten, 
würde  man  versucht  sein,  dieses  Eesultat  auf  ganz  Aegypten  auszu- 
dehnen. Es  ist  eine  der  überraschendsten  Lehren,  die  wir  den 
Ostraka  entnehmen  dürfen,  dass,  was  für  Syene-Elephantine  gilt,  nicht 
auch  für  ganz  Aegypten  gilt,  sondern  dass  für  eine  jede  Gemeinde 
die  Höhe  der  Kopfsteuer  besonders  und  in  verschiedener 
Höhe  bestimmt  war.  Zu  diesem  Resultat  kommen  wir,  wenn 
wir  die  thebanischen  Quittungen  mit  denen  aus  Syene-Elephan- 
tine vergleichen.  Die  Angaben  jener  lassen  sich  in  keiner  Weise 
mit  diesen  vereinigen.  Ja,  wir  werden  zu  unserer  Ueberraschung 
sehen,  dass  sogar  die  verschiedenen  kleinen  Ortschaften, 
die  in  der  Kaiserzeit  auf  deni  Boden  des  alten  Theben 
lagen,  Kopfsteuern  von  verschiedener  Höhe  hatten.  Anfangs 
glaubte  ich,  aus  dem  Wirrwarr  der  widersprechendsten  Summen, 
die  die  thebanischen  Quittungen  zeigen,  überhaupt  keine  festen  Sätze 
abstrahiren  zu  können.  Zur  Klarheit  kam  ich  erst,  als  ich  durch 
die  Abweichung  von  den  elephantinischen  Summen  auf  das  lokale 
Miiment  aufmerksam  gemacht,  die  Summen  nach  den  einzelnen  Ort- 
schaften gruppirte.  Da  ergab  .sich  das  Resultat,  dass  auch  hier 
für  die  einzelnen  Gemeinden  feste,  für  alle  Bewohner  gleiche  Kopf- 
steuersummen  anzunehmen  sind,  dass  aber  -die  Höhe  in  den  ver- 
schiedenen Gemeinden  eine  verschiedene  ist  oder  doch  sein  kann. 

Die  Untersuchung  wird  bei  den  thebanischen  Quittungen  dadurch 
sehr  ersehwert,  dass  die  Schreiber  hier  niemals  eine  Schluss- 
zahlung  als   solche   charakterisiren,    sodass   wir   zunächst   nie  wissen 


§  71.     HÖHE    DKIt    KOPFSTKUER.  23ö 


können,  ob  die  qiiittirte  Summe  eine  Kate  oder  den  ganzen  Jahres- 
beti'ag  darstellt.  Wir  können  hier  nicht  anders  operiren,  als  dass  wir 
diejenige  höchste  Summe,  die  sich  für  einen  Ort  bei  verschiedenen 
Individuen  besonders  häufig  nachweisen  lässt,  als  den  Jahresbetrag 
annehmen.  Wir  müssen  uns  allerdings  dabei  sagen,  dass  dieser  Schluss 
zwar  äu.sscrst  walirscheinlich  ist,  ein  stricter  Beweis  aber  nicht  erbnieht 
werden  kann.  —  Die  Untersuchung  wird  ferner  ilaihirch  erschwert, 
dass  es  in  den  ersten  Deecnnicn  der  Kaiserzeit  nicht  Sitte  war,  die 
spezielle  Ortschaft  namhaft  zu  machen.  Erst  vom  Jahre  42,;5  n.  Chr. 
an  findet  sich  die  Erwähnung  des  Lokals  hin  und  wieder,  regelmässig 
begegnet  sie  erst  von  61/2  an  (Nr.  411).  Lassen  wir  die  Ostraka 
ohne  Ortsnamen  als  für  unsere  Frage  nicht  beweiskräftig  bei  Seite, 
so  lassen  sich  aus  der  übrigen  Masse  folgende  Gruppen  herausschälen: 
1.  Die  Quittungen  des  Ortes  Xapa^  nennen  fast  regelmässig  die 
Summe  von  10  Drachmen.  Vgl.  411,  424,  4::5G,  453,  402,  469, 
474,  475,  4H1,  482,  486,  487,  492.  Nur  ein  einziges  Mal  (457) 
findet  sich  eine  Teilzahlung  von  'i^-\-2i  Drachmen.  Zumal  auch 
hier  die  Summe  10  ist,  möchte  ich  es  für  mehr  als  wahrscheinlich 
halten,  dass  die  Kopfsteuer  in  Charax  eben  10  Drachmen  jährlich 
betragen  hat.  Vom  Jahre  113/4  an  haben  wir  für  Charax  nur 
Erheberquittungen,  in  denen  es  Sitte  ist,  die  AaoYpa^ta  mit  dem 
ßaXav'.xov  ohne  Spezifieirung  zusammenzuaddiren,  sodass  wir  nicht 
ohne  Weiteres  das  Einzelne  erkennen  können.  Es  scheint  aber, 
dass  damals  auch  eine  materielle  Veränderung  eingetreten  ist,  denn 
die  Summe  der  beiden  Abgaben,  die  bis  dahin  11  Drachmen  14  Obolen 
ergab,  wovon  10  Drachmen  auf  die  Xaoypaiyia,  1  Drachme  14  Obolen 
auf  das  ß«Xav:x6v  fielen,  beträgt  von  jetzt  an  regelmässig  12  Drachmen, 
also  4J  Obolen  mehr  (vgl.  Nr.  508ff.).i)  Es  ist  für  uns  zunächst 
nicht  auszumachen,  ob  diese  44  Obolen  auf  die  XaoYpa-.fta  oder  auf 
das  ßaÄav;xdv  oder  auf  beide  zu  verteilen  sind.  Jedenfalls  müssen 
wir  es  bis  auf  Weiteres  als  möglich  bezeichnen,  dass  im  J.  113/4 
in  Charax  eine  Erhöhung  der  Kopfsteuer  um  einige  Obolen  statt- 
gefunden hat.  Hierbei  erinnern  wir  uns,  dass  auch  in  Syene- 
Elephantine  im  J.  11,5/4  oder  114/5  eine  Erhöhung  des  Kopfgeldes 
um  -1  Obol  nachweisbar  war.     Es  könnte  nahe  liegen,  diese   beiden 


\)  Es  ist  offenbar  ein  Versehen,  wenn  in  Xr.  1242  für  die  Xac^pacpia 
allein  12  Drachmen  gebucht  werden.  Da  ist  die  Erwähnung  des  ßaXav.xöv 
ausgelassen. 


236  I^'-  KAPITEL. 


Erscheinungen  mit  einander  iu  Verbindung  zu  bringen.  Doch  sei 
darauf  hingewiesen,  dass  Anfangs  der  90er  Jahre  in  Charax  nicht 
wie  in  Syene-Elephantine  eine  Erhöhung  statt  gefunden  hat.  Eine 
Erhöhung  in  dem  einen  Ort  hat  also  nicht  notwendig  eine  Erhöhung 
in  den  anderen  Orten  zur  Folge. 

2.  Für  die  Ortschaft  Mcmuonia  sind  uns  überhaupt  nur  vier 
Quittungen  über  Kopfgeld  überliefert.  In  1378  (a.  42/3)  wird  über 
16  Drachmen  quittirt,  in  3(36  (a.  51,2)  über  8  Drachmen,  in  1623 
(a.  63)  über  mindestens  4-(-4-|-4  und  iu  1013  (a.  108/9)  über 
4 -1-8-)- 4.  Wir  können  hiernach  nur  sagen,  dass  das  Kopfgeld 
in  den  Memnonia  in  dieser  Zeit  mindestens  16  Drachmen,  vielleicht 
gerade   16  Drachmen  betragen  hat. 

3.  Aus  Ophi  liegen  uns  für  die  ältere  Zeit  nur  zwei  Quittungen 
vor:  in  446  (a.  77/8)  wh-d  über  10  Drachmen,  in  454  (a.  81/2)  über 
li  -j-  24,  (=  10)  Drachmen  quittirt.  "Wollen  wir  hiernach  für  diese 
Zeit  die  Kopfsteuer  von  üphi  auf  10  Drachmen  jährlich  ansetzen, 
so  müssen  wir  für  die  spätere  Zeit,  von  mindestens  133/4  an,  eine 
Erhöhung  von  4  Obolen  annehmen.  Diese  Summe  wird  nämlich  für 
Ophi  bezeugt  durch  563  (a.  133/4),  575  (a.  135/6),  609  (a.  141/2). 
Es  würde  also  auch  für  Ophi  wie  für  Svene,  Elephantine  und  Charax 
eine  Erhöhung  des  Kopfgeldes  am  Anfang  des  II.  Jahrhunderts 
anzunehmen   sein. 

4.  Aus  dem  Orte  'Ay^P''  ßo((ov)  liegt  eine  Quittung  aus  dem 
J.68/9  vor,  die  10  Drachmen  nennt.  In  1425  dagegen,  aus  dem  J.  130/1 
werden  für  Xa.o'fpoL^fioi.  und  jjaXavr/.öv  zusammen  12  Drachmen  gezahlt. 
Es  scheint  hier  also  dasselbe  Verhältnis  wie  in  Charax  vorzuliegen 
(s.  oben). 

5.  Für  die  Kspajista  werden  in  den  beiden  Nummern,  die  uns 
aus  diesem  Ort  erhalten  sind,  je  5  Drachmen  2  Obolen  genannt 
(vgl.  (539  vom  J.  148/9  und  das  nicht  publicirte  Ostrakon  Brit. 
Mus.  12696  vom  J.  128/9).  Es  liegt  nahe,  daran  zu  erinnern, 
dass  in  Ojjhi  zur  sellien  Zeit  10  Drachmen  4  Obolen,  also  das  Doppelte 
gefordert  wurde,  und  daraus  den  Schluss  zu  ziehen,  dass  wir  in  jenen 
Quittungen  aus  Kerameia  Halbratenzalilungen'  vor  uns  haben.  Doch 
muss  weiteres  Material  abgewartet  werden. 

6.  Für  die  Ortschaft  Noxoc  xal  At'j'  liegt  uns  eine  ansehnliche 
Zahl  von  Quittungen  vor,  in  denen  meist  über  viele  kleine  Katen 
quittirt    wird.     "Wiewohl    auch    hier    nirgends    die   Schlussraten    als 


S  71.     DIE    KOPFSTEUER    IN    THEBEN.  237 


solche  charakterisirt  werden,  glaube  ich  doch  mit  Sicherheit  annehmen 
zu  dürfen ,  dass  die  Koijfsteuer  dieses  Ortes  24  Drachmen  l)etragen 
liiit.  Dunu  dies  ist  die  höchste  Summe,  auf  die  in  vielen  Fällen 
die  einzelnen  Katen  sich  addiron  lassen.  Die  Untersuchung  wird 
dadurch  erschwert,  dass  diese  Quittungen  von  NÖTO?  xai  Ai'|  in 
sofern  vielfach  ungenau  abgcfasst  sind,  als  die  Schreiber,  die  die 
Eaten  in  ein  und  derselben  Urkunde  häuften,  es  gelegentlich  ver- 
säumten, das  Eintreten  einer  neuen  Abgabe  besonders  hervorzuheben. 
Um  hier  nicht  zu  sehr  in's  Detail  zu  gehen,  will  ich  nur  erwähnen, 
dass  nach  Vergleichung  der  Texte  die  am  Schluss  vielfach  für 
einen  der  ersten  Älonate  des  neuen  Jahres  genannten  Raten  oline 
Zweifel  sich  auf  das  )(W{jiaxix&v  beziehen,  auch  wenn  dies  nicht 
besonders  gesagt  ist.  Man  vergleiche  z.  B.  Kr.  42il,  wo  das  yiy> 
correct  genannt  ist,  mit  434,  wo  ohne  Zweifel  hinter  OtbO-  xx)-  ein 
yu)  zu  ergänzen  ist,  ebenso  438,  wo  es  hinter  $aä>9t  S  ergänzt 
werden  muss  u.  s.  w.  Mit  Berücksichtigung  dieser  Besonderheiten 
ergiebt  sich  für  die  Kopfsteuer  durch  Addirung  der  Raten  die 
Summe  von  24  Drachmen  in  folgenden  Fällen:  419,  431,  434,  438, 
444  (12  +  8-f-3Dr.-j-2  +  4  0b.),  448,  450,  452,  461,405,472. 
Diese  Beispiele  erstrecken  sich  vom  J.  66/7  bis  86/7.  In  zahlreichen 
anderen  Fällen  sind  kleinere  Summen  genannt,  die  als  Raten  auf- 
zufassen  sind. 

Dies  Resultat,  dass  man  in  Nöxou  xal  AE'j)  pro  Kopf  und  pro 
Jahr  24  Drachmen  zahlte,  ist  in  einer  Hinsicht  von  grösster  Wichtig- 
keit. Von  den  oben  unter  1  —  5  nachgewiesenen  Summen  könnte 
man,  da  sie  sämmtlich  kleiner  sind  als  die  gleichzeitigen  Summen 
in  Syene-Elephantine,  behaupten,  sie  seien  nur  als  Raten  aufzufassen, 
und  man  habe  in  Theben  eben  so  viel  gezahlt  wie  am  Katarakt. 
Diese  Einwendung  wird  gegenüber  der  Ortschaft  Noxoi;  xal  \ii\i 
hinfällig,  denn  von  ihr  ist  es  über  allen  Zweifel  erhaben,  dass 
sie  eine  höhere  Kopfsteuer  als  Svene  zahlen  musste.  Damit  ist  auf 
alle  Fälle  unsere  alte  vorgefasste  Meinung  von  der  Gleichheit  der 
Kopfsteuer   innerhalb   des   ganzen  Landes  widerlegt. 

7.  Endlich  habe  ich  auf  Nr.  477,  493,  068,  669  hinzuweisen. 
Diese  Nummern  gehören  dem  Schema  nach  eng  zusammen,  und  wir 
haben  schon  im  Kap.  III  (S.  96)  daraufhingewiesen,  dass  die  Besonder- 
heiten des  Schemas  darauf  schliessen  lassen,  dass  sie  alle  einem 
und  demselben  Lokal    angehören.     Wenn  wir  nun  sehen,   dass    die 


238  JV-   KAPITEL. 


Xaoypa^ia  in  diesen  formell  so  gleichartigen  Urkunden  regelmässig 
8  Drachmen  beträgt,  so  dürfen  wir  es  wohl  als  ■wahrscheinlich  hin- 
stellen, dass  in  diesem  uns  zunächst  noch  unbekannten  Orte  die 
Kopfsteuer  pro  Jahr  wirklich  auf  8  Drachmen  norniirt  gewesen  ist. 

8.  Es  erübrigt  noch,  ein  Wort  über  diejenigen  Quittungen  zu 
sagen,  in  denen  der  Ort  nicht  genannt  ist.  Das  sind  namentlich,  mit 
wenigen  Ausnahmen,  die  Nummern  357 — 403,  von  der  Zeit  des 
Augustus  bis  in  die  Zeit  des  Claudius.  Irgend  etwas  Sicheres  über 
die  Zugehörigkeit  dieser  Quittungen  lässt  sich  nicht  ausmachen;  . 
man  könnte  höchstens  sagen,  dass  die  grosse  Mehrzahl  dieser  Urkunden, 
in  denen  10  Drachmen  genannt  werden,  wohl  nach  Charax  oder  Ophi 
gehören,  denn  nach  Analogie  von  Syene-Elephantine  dürfen  wir  an- 
nehmen, dass  auch  hier  in  den  thebanischen  Ortschaften  die  Kopf- 
steuer nicht  allzugrossen  Schwankungen  unterlegen  haben  wird.  Doch 
können  wir  hier  einstweilen  zu  festen  Ergebnissen  nicht  kommen. 

Stelleu  wir  unsere  Resultate  zusammen,  so  ergeben  sich  für  die 
Kopfsteuer  folgende  Sätze  pro  Jahr  und  pro  Kopf: 

Syene-Elephantine  .  .  16  Dr.,  danu  17  Dr.,  dann  17  Dr.  1  Ob. 

Charax 10  Dr.  Von   113/4  an  etwas   mehr. 

Ophi 10  Dr.  Später  10  Dr.  4  Ob. 

'Ayopa  j3o((Ji)v) ....  10  Dr. 

Ktpoc[iBix 10  Dr.  4  Ob. 

Memnonia IG  Dr. 

NÖTOi;  xal  A£4'    ...  24  Dr. 

In  einem  noch  nicht  publicirten  Papyrus,  der  wohl  aus  dem 
Faijüm  stammte,  las  ich  die  Worte  'koi.o'(p(a(poü\ieyoi)  dvä  ^  fi.  Danach 
betrug  an  dem  betreffenden  Orte  die  Kopfsteuer  40  Drachmen  pro  Kopf. 

So  klar  die  Thatsache  der  verschiedenen  Besteuerung  der 
Communen  vor  uns  liegt,  so  unklar  bleibt  mir  der  Ursprung  dieser 
Verschiedenartigkeit.  ^)  Betrachten  wir  nun  gegenüber  diesen  neuen 
Thatsachen  die  einzige  Klassikerstelle,  aus  der  wir  bis  auf  Fröhner's 
Arbeit  die  Kopfsteuer  für  Aegypten  erschlossen  hatten.  Es  ist  Joseph, 
b.  i.  n  §385:  (i^  AtYUTCTog)  uevTigxovTa  npoc,  xoTg  kwza.v.oalot.ic,  Ij^ouaa 
|iupt«5as  avO-pwTzwv  Uya.  xGJv'AXs^avSpctav  xa-coixo'jvxwv,  wg  Iveaxtv 

')  Momnisen  venmitet,  dass  die  ursprünglich  für  alle  Conimuiien  gleiclie 
Summe  je  nach  dem  AVohlverhalten  der  einzelnen  Ortschaften  allmählich  modi- 
fieirt  wurden  sei. 


§  71.     JOSEPHUS'    ZEUGNIS    ÜBER    l>ll.    KUPFSTEUER.  230 


iy.  TT);  xa'S-'  IxäaT/jv  x£q;aXT]v  sJccpopä;  ■c£y.|ii^paa'9x:.  Jcisi,p]ius 
stützt  also  seine  Angabe  über  die  Bevölkerungszalil  durch  den 
ELinweis  auf  die  Kopfsteuer.  Wenn  letztere  ihm  geradezu  als 
Beweis  gilt,  so  geht  er  offenbar  von  der  Annahme  aus,  dass  diese 
Steuer  von  Allen  in  gleicher  Höhe  erhoben  wurde,  denn  nur  dann 
kann  (lureh  einfache  Division  die  Bevölkerungszahl  sich  ergeben. 
Aus  dieser  Josephusstelle  hat  man  lüsher  geschlossen,  dass  die  Kopf- 
steuer in  Aegypten  auf  alle  Unterthanen  in  gleicher  Höhe  verteilt 
gewesen  sei.  Unsere  Ostraka  lehren  jetzt,  dass  diese  Annahme  falsch 
ist.  Was  ergiebt  sich  daraus  für  Josephus?  Beloch  hat  in  seiner 
„Bevölkerung  der  griechisch-römischen  Welt"  (S.  258)  mit  Recht 
hervorgehoben,  dass  Josephus  in  seiner  Quelle  wohl  nur  den  Ertrag 
der  Kopfsteuer  angegeben  fand,  nicht  aber  eine  directe  Angabe 
über  die  Zahl  der  Bevölkerung.  Er  fahrt  fort:  „Und  bei  der 
notorischen  Unzuverlässigkeit  des  Josephus  in  statistischen  Dingen 
muss  es  sehr  zweifelhaft  erscheinen,  ob  er  die  Berechnung  der  Volks- 
zahl nach  dem  Steuererti-age  nach  richtiger  Methode  ausgeführt  hat. 
Diese  Angabe  ist  also  nur  mit  grosser  Vorsicht  zu  benutzen." 
Die  Skepsis  Belochs  hat  sich  hier  glänzend  bewährt.  Wir  können 
auf  Grund  der  obigen  Resultate  jetzt  mit  Sicherheit  behaupten: 
Josephus  hat  eine  falsche  Methode  bei  der  Berechnung  befolgt,  da 
durch  eine  einfache  Division  die  Kopfzahl  nicht  gefunden  werden 
konnte.  Der  unten  gegebene  Nachweis,  dass  nicht  nur  die  Personen 
unter  14  (resp.  12)  und  über  65  Jahren,  sondern  auch  gewisse  Klassen, 
die  nicht  zu  den  'AXs^avSpcT;  gehörten,  von  dieser  Kopfsteuer  frei 
waren,  zeigt  gleichfalls  die  Unzulänglichkeit  dieser  Methode.  Folglich 
hat  die  von  ihm  berechnete  Summe  von  li  Millionen  Einwohnern 
(ausser  den  Alexandrinern)  absolut  keinen  Anspruch  auf  Glaub- 
würdigkeit. Sein  Zeugnis  über  die  Bevölkerungszahl  ist  für  uns 
also  völlig  wertlos.     Vgl.  unten  Kap.  V. 

Dass  innerhalb  der  einzelnen  Communen  alle  Steuerpflichtigen 
dieselbe  Summe  zahlten,  geht,  wie  schon  bemerkt,  aus  unseren  Ostraka 
hervor.  Doch  geben  sie  uns  keinen  Aufschluss  darüber,  wer 
denn  steuerpflichtig  war,  resp.  wer  frei  von  dieser  Abgabe  war. 
Glücklicherweise  haben  wir  von  anderer  Seite  Nachrichten  oder 
wenigstens  Andeutungen  darüber.  Wir  werden  für  Aegypten  wie  für 
die  anderen  Länder  des  Altertums  anzunehmen  haben,  dass  von  dieser 
Kopfsteuer,     die    nach    griechisch-römischer    Auffiissung    als    etwas 


240  iV.  KAPITEL. 


Schimpfliches  galt,  nur  die  unterworfene  Bevölkerung  des  Landes 
betroflen  war.  Wurde  doch  durch  die  Kopfsteuer  nach  der  Auflassung 
des  Alterturas  die  Person,  der  Kopf  als  Steuerobject  herangezogen,  wie 
durch  die  Grundsteuer  der  Grund  und  Boden,  und  wie  man  durch 
Zahlunsr  der  Grundsteuer  sich  die  Erlaubnis  erwarb,  Grund  und  Boden 
zu  haben,  so  erkaufte  man  sich  durch  die  Kopfsteuer  das  Recht,  seinen 
Kopf  zu  tragen,  der  eigentlich  dem  König  gehörte.')  Danach  kämen 
hier  also  die  eingeborenen  Aegypter  in  Betracht,  und  ausser  ihnen 
dürfen  wir  wohl  eine  gewisse  Schicht  von  nicht  privilegirten,  nicht  mit 
dem  alexandrinischen  Bürgerrecht  beschenkten  Griechen  hinzufügen, 
die  in  der  X'*'P*  lebend,  z.  T.  auch  durch  verwandtschaftliche  Ver- 
bindungen, sich  mit  den  Aegyptern  allmählich  verschmolzen  hatten. 
Zu  dieser  Annahme  passt  es,  dass  fast  ausnahmslos  die  Zahler  der 
Kopfsteuer  in  unseren  Ostraka  acht  aegyptisehe  Namen  tragen.  Ich 
habe  nur  in  Theben  zwei  Ausnahmen  gefunden:  in  399  zahlt  ein 
'Avxt(pcXos  'AvTtipcXou  und  in  634  ein  öewv  Baaaou.  Doch  bei  dem 
völligen  Ineinandergehen  der  aegy2:)tischen  und  griechischen,  eventuell 
auch  römischen  Eigennamen  in  der  Kaiserzeit  bieten  uns  diese 
Namen  allein  keine  Gewähr  dafür,  dass  wir  es  wirklich  hier  mit 
reinen  Griechen  zu  tb.un  hätten.  Sollte  es  aber  der  Fall  sein ,  so 
würden  sie  eben  zu  jener  niederen  griechisch-aegyptischen  Bevölkerung 
gehören.  Diese  allgemeinen  Betrachtungen  fand  ich  nachträglich 
durch  ein  Ostrakon  des  Herrn  Flinders  Petrie  (Nr.  1438)  bestätigt, 
nach  dem  der  Grossvater  jenes  Theon  einen  aegyptischen  Namen 
trug  (^Evoolpt?).  Hier  haben  wir  ein  interessantes  Beispiel  für 
die  Mischung  der  Namen :  der  Grossvater  führt  einen  aegyptischen 
Namen,  der  Vater  einen  römischen  (Bassus),  der  Zahler  selbst  einen 
griechischen  (Theon). 

Wir  werden  uns  hiernach  folgende  Klassen  als  ausgeschlossen 
und  befreit  von  dieser  Steuer  zu  denken  haben: 

1.  Die  in  Aegyi)ten  lebenden  Römer. 

2.  Die  Alexandriner  und  alle  Griechen  und  Aegypter,  die 
alexandrinisches  Bürgerrecht  hatten.  Das  ergiebt  sich  aus  der  ge- 
sammten  Stellung  der  Alexandriner,  und  wird  ausserdem  in  der  oben 


')  Diese  Vorstellung  kommt  zum  Ausdruck  z.  B.  bei  Josephus  .int.  XII  g  142  : 
(üv  ÜTtsp  tfj;  y.EQpaX^s  TeXoöatv.    Vgl.  auch  Dio  Cass.  LXII  'i:  xeifaXäj  ÜTtoTEXeis 

JtEpt(J!EpEtV. 


§  71.     BEFREIUNG    VON    DER    KOI'FSTEUER.  241 


liohandelten  Josephusstelle    sowie  im  III.  ]\IakkaV).  2,  30    (s.  unten) 
\'orausgesetzt. ' ) 

3.  Ich  habe  schon  in  Hermes  XXVIII  248  f.  darauf  hingewiesen, 
ihiss  CS  ausserdem  wohl  auch  noch  andere  privilegirtc  Klassen  gegeben 
habe,  so  z.  B.  die  xaTOtxo;.  Für  letztere  kann  angeführt  werden, 
dass  in  den  ÄTioypacpat  der  zätocxot  der  Zusatz  Xaoypacpotjfievoj, 
d.  h.  kopfsteuerpflichtig,  regelmässig  fehlt.  In  BGU  562,  15  tf. 
sclieiut  der  Fall  vorzuliegen,  dass  ein  uloq  •Ao.zoiy.oo  irrtümlich  zur 
iCopfsteuer  herangezogen  war  (sIq  XaoYpa'^tav  äv£tXrj|i|i,evoi;).  Es 
fand  darauf  nach  Meldung  des  Königlichen  Schreibers  eine  e^exaats 
statt,  wobei  Beweismaterialien  (dnoSef^sig)  für  sein  Katökentum  von 
ihm  vorgelegt  wurden.  Daraufhin  entschied  dann  die  Behörde,  au^etv 
-.'/.  Ttpög  101)5  xaTotx(ous)  Stxata.  Unter  diesen  Gerechtsamen  der 
Katöken  wird  man  nach  dem  Zusammenhang  im  Besonderen  an 
die  Befreiung  von  der  Kopfsteuer  zu  denken  haben.-) 

4.  Eine  wichtige  Frage,  auf  die  ich  a.  a.  O.  noch  nicht  ein- 
ging, ist  die,  ob  die  aegyptischen  Priesterschaften  zu  dieser  Abgabe 
herangezogen  wurden. ä)  Darüber  geben  uns  jetzt  die  beiden  Texte 
in  Berlin  und  London  Aufschluss,  auf  die  ich  im  Eingang  dieses 
Paragraphen  hingewiesen  habe.  Danach  zahlten  die  Priesterschaften 
eines  aegyptischen  Tempels  öicJp  Xaoypaipias  resp.  ^TitxecpaXCou 
für  diejenigen  Priester,  „welche  die  Zahl  der  Priester  überschritten" 
(ÖTiepatpovTEs).  Es  war  also  einem  jeden  Tempel  nur  eine  be- 
stimmte   Anzahl    von    Priestern     zu     halten     erlaubt.       Diese,    ich 


')  Es  war  ein  schwerer  Eingriflf  in  die  alexandrinischen  Privilegien,  als 
Vespasian  ira  J.  70  im  Zorn  über  die  spottlustigen  Alexandriner  den  Befehl 
gab,  es  solle  ihnen  eine  Kopfsteuer  auferlegt  werden.  Vgl.  Dio  Cass.  LXVI  8,  5 : 
xsJ.söaa'.  |icv  xal  Toyj  Sg  dßoXoy;  xa-'  ävSpa  Ejc;7ipax9'r;va'..  Der  Befehl  wurde 
übrigens  dank  dem  Dazwischentreten  des  Titus  nicht  ausgeführt.  Es  handelt 
sich  hier  um  eine  für  Alexandrien  ganz  neue  Steuer.  Dem  vorhergehenden 
S5  ößoXo'Jj  itpo^a'-TE?;  wird  ein  Sprichwort  zu  Grunde  liegen. 

-)  Vgl.  jetzt  den  Aufsatz  von  P.  Meyer  (Philolog.  EVI  N.  F.  X  2.  S.  193  ff.), 
der  mir  erst  während  der  Correctur  zuging. 

^)  Nach  Joseph,  ant.  XII  §  142  wareu  in  Jerusalem  zur  Zeit  Antiochos' 
des  Grossen  die  Ysp°"°-'*  '"■"■'■  '■■''•  -spEiS  f-"-^  o-  YP^P-P'"'-'^^'?  '^°"  tspoS  xal  ot 
tspo^JOcXTai  kopfsteuerpfliehtig  und  wurden  erst  durch  ihn  davon  befreit.  — 
Marquardt  RStV  11'^  S.  198,  Anm.  1  irrt,  wenn  er  auch  in  den  Worten  des 
Josephus  ant.  XII  155  „xal  ouvaS-poi^ovxe;  -cö  itposT£xaY|iEvov  XEcpdXatov  •^Cil<;, 
ßaa'.XsDaiv*  etsAcuv"  einen  Beleg  für  die  Kopfsteuer  bei  den  Juden  findet. 
KstfotXaiov  heisst  Capital,  Summe.  Die  Kopfsteuer  aber  heisst  droxecfiXa'.ov. 
WiLCKEN,  Ostraka.  IG 


242  IV.  KAPITEL. 


möchte  sagen,  etatsmässigen  Priester  waren  nach  den  citirten 
Testen  oftenbar  frei  von  der  Kopfsteuer.  Dagegen  mussten  die 
„überzähligen"  Priester,  die  vielleicht  durch  besondere  kaiserliche 
Gnade  zu  halten  den  Tempeln  erlaubt  werden  musste,  wie  jeder 
gewöhnliche  Unterthan  das  Kopfgeld  zahlen ,  und  wir  dürfen 
wohl  weiter  annehmen,  dass  sie  auch  sonst  au  den  finanziellen 
Privilegien  der  ordentlichen  Priester  keinen  Anteil  hatten.')  "Wir 
gewinnen  so  einen  ganz  neuen  Einblick  in  die  Behandlung  der 
Priestersehaften  seitens  der  Regierung.  Durch  die  gesetzmässige 
Begrenzung  der  Priesterstellen  sollte  offenbar  dem  allzu  grossen  An- 
drang zu  den  durch  ihre  Privilegien  äusserst  verlockenden  Posten 
ein  Riegel  vorgeschoben  werden.  Mit  anderen  Worten,  die  Staats- 
kasse sollte  durch  allzu  grosse  Ausdehnung  der  aisAeta  nicht  zu 
sehr  geschädigt  werden.  In  unseren  Ostraka  wird  diese  Frage  nur 
einmal  gestreift:  in  1365  zahlt  ein  7:ac7xo("^6po?)  Kopfsteuer.  Da 
die  Pastoplioren  zu  den  niederen  Priesterklassen  gehörten,  so  wird 
man  daraus  schliessen  müssen,  dass  diese  nicht  von  der  Kopfsteuer 
befreit  waren.  Das  ist  mir  wahrscheinlicher  als  in  diesem  Falle 
anzuuehmen,  dass  der  Zahler  zu  den  „Ueberzähligen"  gehört  habe. 
Auch  für  die  Frage,  welche  Altersstufen  dieser  Steuer  unter- 
worfen waren,  müssen  wir  uns  von  den  Ostraka  zu  den  sonstigen 
Quellen  wenden.  Ich  kann  zur  Zeit  nichts  anderes  darüber  bei- 
bringen als  was  ich  schon  im  Hermes  XXVIII  S.  248  aufgestellt 
habe,  dass  nämlich  wahrscheinlich  in  Aegypten  dieselben  Bestim- 
mungen gegolten  haben,  die  uns  für  Syrien  durch  Ulpian  (Dig.  50, 15,3) 
überliefert  sind.-)  Danach  wären  auch  in  Aegypten  die  Männer 
vom  14.,  die  Frauen  vom  12.  Jahre  an,  beide  bis  zum  G5.  Jahre 
kopfsteuerpflichtig  gewesen.  Es  lässt  sich  hierfür  bis  jetzt  nur  an- 
führen, dass  das  ziemlich  umfangreiche  Material  an  Censuseingaben 
(xax'  oiy.Jav  aäoypacpat)  dieser  Annahme  in  keinem  Punkte  wider- 
spricht.    Ja,  Einzelnes   kann   als    besonders  übereinstimmend   damit 


')  Einen  ähnlichen  Unterschied  zwischen  ordentlichen  und  ,, überzähligen" 
Mitgliedern  finden  wir  bei  den  Jiatsherrcn  griecliisoher  (Jemeinden.  Ich  erinnere 
an  Plinius  ep.  ad  Trai.  CXII:  ii  quos  indulgentia  tua  rjuibusdam  ciritatiha 
super  legitimum  numerum  adicere  permisit  et  singula  milia  denariorum 
et  bina  inlulerunt.   Hier  zahlen  die  Ueberzähligen  ein  Eintrittsgeld  (pro  iutroitu). 

*)  Viereck,  Philolog.  LH  (N.  F.  VI)  S.  244  f.  (vgl.  Anm.  27)  hat  diese 
Vermutung  acceptirt.    Marquardt  StV  11^  200  denkt  irrig  an  eine  Gewerbesteuer. 


S   71.     DIE    KOrFSTEUKK.  243 

hervorgehoben  werden,  so  jener  76jährige  Hausbesitzer,  der  in  BGU 
95,13  sich  ausdrücklich  als  aTzoXtXoiihoc,  Tfjg  Axo'(pix^iaz  bezeichnet. 
Im  Uebrigen  venveise  ich  auf  Hermes  a.  a.  O. 

Betreffs  der  Zalilung  dieser  Steuer  erfahren  wir  eine  merk- 
würdige Einzelheit  aus  dem  Berliner  Papyrus  P.  7097.  lu  dieser 
Eingabe  eines  lvo:if.oz  zu  der  xax'  oixiav  tÜTJOYpa^i^  des  Jahres 
173/4  n.  Chr.  heisst  es  Z.  15:  Ilapwv  Sä  6  7rpoYeYp(a|x|ji£vo;) 
aTat)-([ioOxo;?)  ['I]a£5wp[o;]  svYuaxai  Yj|i[ä;]  -rw[v]  SKtxscpaXt'tüv. 
Der  Hauseigentümer  bürgt  also  dafür,  dass  seine  Mieter  ihre  Kopf- 
steuern zahlen.  Ich  möchte  auch  hier  wie  oben  in  dem  l-txscpaÄcov 
unsere  Abgabe  uuep  XaoYpa^ta?  erkennen.  Auf  die  grosse  "Wichtig- 
keit dieses  Passus  für  die  Bedeutung  der  xax'  ofxtav  öc-oYpa-^ai 
werde  ich  in  Kapitel  V  einzugehen  haben.  Auch  eine  dunkle  Stelle 
in  BGU  350,  9  erhält  hierdurch  Licht.  Der  Verkäufer  eines  Hauses 
garantirt  wie  üblich  dem  Käufer  ße^atcoat?  xizö  T£  Srjjioaiwv  xal 
E'.StoTiXßv  -ävTUV,  erklärt  darauf  aber  die  5y(ixöa:a  genauer  mit 
dmb  [JL£V  XaoYpa-^iwv  7iaaü)v  ölüo  twv  [Lücke  von  ca.  30  Buch- 
staben £]o;  (=£(!)$)  ^XEpoi)  *ixovLap.oö  xax'  cixiav  äTioYpa^fj;.  Vgl. 
CPK  206  I  12:  ätiö  XaoYpa^^fa?  xwv  sv  aüxoTg  cpavritjo|i£Vtov  i-o- 
[■^]t^pi-^d-ai  [i£XP-  £'^£p5i;  iL-0'{poc-ff,q  £txovca[JioO.  Der  Verkäufer 
übernimmt  also  noch  bis  zum  nächsten  Census  die  Bürgschaft  für 
die  Kopfsteuerzahlung  der  im  letzten  Census  aus  diesem  Hause  Ein- 
geschriebenen. Letztere  sind  nicht  nur  der  Verkäufer  und  seine 
Familie,  sondern  auch  die  Ivoixot.  Die  Kopfsteuer  Jenes  kann  den 
neuen  Eigentümer  des  Hauses  natürlicli  nicht  tangircn,  wohl  aber, 
nach  Obigem,  die  der  b/or/.G'..    Anders  P.  Meyer  a.  a.  O.  S.  199. 

Nachdem  wir  die  sachliche  Bedeutung  der  Kopfsteuer  zu  fassen 
versucht  haben,  müssen  wir  noch  ein  "Wort  zu  ihrer  Bezeichnung 
als  XaoYp3C!f!a  sagen.  Dass  „Kopfsteuer"  nicht  die  ursprüngliche 
Bedeutung  dieses  Wortes  ist,  liegt  auf  der  Hand.  AxoYpa^ia 
kann  nichts  anderes  bedeuten  als  die  Aufzeichnung  des  Xaog,  des 
Volkes.  Dass  solche  Volkszählungen  stattfanden,  war  von  jeher 
bekannt.  Dass  sie  in  der  Kaiserzeit  in  14jährigen  Perioden  erneuert 
wurden,  ward  gleichzeitig  von  Kenyon,  Viereck  und  mir  nachgewiesen. 
Wir  werden  in  Kap.  V  auf  die  zu  diesem  Zweck  alle  14  Jahre  her- 
gestellten xxx'  oixtav  ä-0Yp3ccpa!  genauer  einzugehen  haben.  Diese 
periodische  Volkszählung  wurde  offenbar  als  /.aOYpa'^ix  bezeichnet,  denn 
wir  sehen,  dass  diejenigen  Beamten,  die  speziell  mit  der  Entgegennahme 

16» 


I 

244  IV.  KAPITEL. 


* 


uud  Weiterbeförderung  der  Einzeleingaben  betraut  waren,  Xaoypäcpoi, 
d.  h.  „Volkszähler"  genannt  wurden  (vgl.  Hermes  XXVUI  S.  247). 
Es  liegt  nun  auf  der  Hand,  dass  die  XaoypacpEa  der  Ostraka  von 
dieser  Art  von  XaoYpafpi«  verschieden  ist.  In  den  Ostraka  kann 
nur  von  einer  bestimmten  Steuerart  die  Rede  sein,  wie  schon  der 
Wechsel  mit  iutxetf  dXtov  über  allen  Zweifel  erhebt.  Wie  erklärt  sich 
nun  der  Ausdruck?  Ich  habe  im  Hermes  a.  a.  O.  S.  251  die  Ver- 
mutung ausgesprochen,  vielleicht  habe  die  Regierung  den  Ertrag  dieser 
Kopfsteuer  dafür  verwendet,  um  die  gewiss  nicht  unerheblichen 
Unkosten,  die  die  periodischen  Volkszählungen  verursachten,  zu 
■decken,  uud  daher  habe  man  diese  Kopfsteuer  iiTcep  XaoYpatft'as, 
wie  unsere  Quittungen  sagen,  gezahlt.  Nach  dieser  Erklärung  würde 
die  Laographie- Abgabe  einrücken  in  die  Reihe  der  zahlreichen 
Steuern,  die  zur  Befriedigung  eines  bestimmten  Zweckes  erhoben 
wurden,  wie  die  bnip  hiapüfav,  ^WfJiaTWV  u.  s.  w.  Ich  halte  diese 
Erklärung  nicht  mehr  für  richtig,  denn  unter  dieser  Voraussetzung 
wäre  notwendig  zu  erwarten,  dass  die  Xaoypa^'a,  für  die  man  zahlt, 
nicht  als  die  des  laufenden  Jahres  bezeichnet  würde,  wie  es  that- 
sächlich  geschieht,  sondern  als  die  des  nächsten  (resp.  des  letzten) 
Periodenjahres.  Wir  werden  vielmehr  den  Zusammenhang  zwischen 
der  Kopfsteuer-Laographie  und  der  Volkszählungs-Laographie  doch 
eher  in  der  inneren  Verkettung  suchen  müssen,  die  thatsächlieh 
zwschen  diesen  beiden  Begriffen  besteht,  in  sofern  die  Volks- 
zählung gerade  den  Zweck  hat,  wenn  auch  nicht  ausschliesslich,  die 
Auflage  der  Kopfsteuer  zu  ermöglichen  (vgl.  Kap.  V).  Ich  finde 
nun  auf  dem  entsprechenden  römischen  Gebiet  eine  ganz  ähnliche 
sprachliche  Metathese:  das  Wort  census  wird  auch  für  die  auf 
einem  Vermögensstück  ruhende  Steuer  angewendet,  die  durch  den 
census  ermittelt  ist.  In  dieser  Bedeutung  findet  sich  das  Wort 
Cod.  Just.  IV  47,2:  nee  licere  cuidam  rem  sine  cenmi  comparare  vel 
vendere.  Hier  steht,  wie  auch  die  Juristen  erklären,  census  für  die 
durch  den  census  ermittelte  Steuer.  Denselben  Bedeutungsübergang 
haben  wir  nun  auch  im  Griechischen,  wenn  mit  Xaoypatpt'a  diejenige 
Steuer  bezeichnet  wird,  die  durch  den  aegy^tischen  Census  (=  Xao- 
Ypatpta)  vornehmlich  ermittelt  wird,  eben  die  Kopfsteuer.  Für  die 
anderen  Steuern  wurden,  wie  wir  in  Kap.  V  sehen  werden,  alljährlich 
noch  spezielle  a.noypx^a.l  eingereicht.  Für  die  Kopfsteuer  aber  ge- 
nügte   die    alle    14  Jahre    wiederholte    'ka.o'^pci.'^l'x.      Dieser    selbe 


§  71.    BEDEUTUNG  VON  XaoYpacpCa.  245 

Bedeutungsübergang  liegt  auch  bei  Hesychius  und  Suidas  vor,  wenn 
sie  das  Wort  xf]vao$  oder  xivao;  u.  a.  als  £TCX£q;ä5,aiov  erklären. 
Ich  verweise  auch  auf  dif  obige  Deutung  von  6nep  yEWjjieTpiaj 
(S.  176).  Ich  glaube  daher,  dass  man  die  Kopfsteuer  die  „Volks- 
zählungssteuer" genannt  hat,  weil  die  Volkszählung  in  der  Hauptsache 
die  Kopfsteuer  feststellen  sollte. 

Wir  haben  endlich  die  wichtige  Thatsache  zu  besprechen, 
dass  die  sämmtlichen  Beispiele,  die  unsere  zahlreichen  Ostraka  für 
die  Laographie  bieten,  der  römischen  Kaiserzeit  angehören,  und 
dass  sich  bis  jetzt  nicht  ein  einziges  Beispiel  aus  der  Ptolemäerzeit 
gefunden  hat.  Die  älteste  Erwähnung  geschieht  in  Nr.  357  aus 
dem  J.  18/7  vor  Chr.  Auch  in  den  mehrere  Hundert  Nummern 
betragenden  Ostraka,  die  ich  zwar  gesehen  und  gelesen,  aber  nicht 
in  dieses  Buch  aufgenommen  habe,  ist  mir  nirgends  eine  Erwälmung 
der  Xaoypat'*  ^"^^  ^^^  Ptolemäerzeit  begegnet.  Ebenso  ist  mir  auch 
in  den  Papyri  die  XaoYpatpta  bisher  nur  in  Texten  der  römischen 
Zeit  begegnet.  Haben  wir  hieraus  den  Schluss  zu  ziehen, 
dass  diese  Kopfsteuer  erst  von  Augustus  in  Aegypten  ein- 
geführt sei?  Noch  im  Hermes  XXVIII  S.  248  wies  ich  darauf 
hin,  dass  Lumbroso  (Recherches  S.  297)  gezeigt  habe,  dass  diese 
Xaoypa^fa  als  Kopfsteuer  auch  schon  in  der  Ptolemäerzeit  bestanden 
habe.  Die  von  Lumbroso  herangezogenen  Belege  waren  einige 
Stellen  aus  dem  III.  IMakkabäerbuch  (2,  28,  30.  3,  21.  4,  14. 
6,  38.  7,  22).  Da  diese  Stellen  die  einzige  Erwähnung  der  Xao- 
Ypa^f  ta  in  vorrömischer  Zeit  in  unserer  gesammten  handschriftlichen 
und  urkundlichen  Tradition  darstellen,  so  haben  frühere  Gelehrte, 
ehe  Lumbroso  diese  Belege  brachte,  nur  vermutungsweise  es  aus- 
gesprochen ,  dass  wohl  auch  die  Ptolemäerzeit  eine  Kopfsteuer 
gekannt  habe.  Vgl.  Droysen,  Kl.  Schrift.  II  S.  395.  Franz  CTGr. 
niS.  297^  Die  Frage  scheint  nun  zunächst  durch  das  Makkabäer- 
buch  entschieden  zu  sein;  namentlich  kommt  die  erste  Stelle  in 
Betracht,  wo  von  Ptolemaios  IV  Philopator  gesagt  wird,  er  habe 
in  seinem  Grimme  gegen  die  Juden  befohlen  „TiavT«?  to'j;  'louSat'oug 
£?S  Xaoypacpiav  xal  oSxsxtx'Jjv  Scäö-eaiv  a-^^Tjvoc:".  Dass  Xaoypa^ia 
hier  nicht  etwa  die  Volkszählung,  sondern  die  in  klingendem  Gelde 
zu  zahlende  Kopfsteuer  bezeichnet,  geht  aus  dem  Zusammenhang 
unzweifelhaft  hervor  (vgl.  namentlich  v.  32).  Philopator  fügt  weiter 
hinzu  (v.  30),   diejenigen  Juden,   die   ihren  Gott  verliessen,    sollten 


1 


246  IV.  KAl'ITEI.. 


Iqotzo)1z(xi  'AXs^avSpeOaiv  sein.  Letzteres  steht  hier  geradezu  im 
Geo-eusatz  zum  /.aoYpa^^ia^a-.  und  es  ist  kein  Zweifel,  dass  der 
Autor  dieser  Erzählung  dieselben  Verhältnisse  vor  Augen  gehabt 
hat,  die  wir  oben  aus  Ostraka  und  Paimü  für  die  Kaiserzeit  nach- 
gewiesen haben.  Bisher  hat  man,  soweit  ich  sehe,  keinen  Anstand 
genonuiion,  mit  Lunibniso  in  dieser  Erzählung  einen  stricten  Beweis 
dafür  zu  sehen,  dass  dieselben  Verhältnisse  schon  in  der  Ptolemäer- 
zeit  bestanden  haben.  Aber  hat  man  ein  Recht  dazu?  Es  ist  von 
den  Bibelkritikern  längst  erkannt  worden,  dass  dieses  sogenannte 
III.  Makkabäerbuch  nichts  anderes  ist  als  eine  jüdische  Tendenzschrift, 
die  mit  der  historischen  Wahrheit  frei  schaltend,  bestimmt  war, 
in  einer  gegebenen  j'olitischen  Situation  ihre  Wirkung  auszuüben. 
Älänner  wie  Ewald,  Hausrat  und  Reuss  setzen  die  Abfassung  der 
Schrift  in  die  Zeit  der  alexandrinischen  Judenverfolgungen  unter 
Kaiser  Gaius.')  Schürer  (Gesch.  d.  jüd.  Volk.  II  S.  745)  bezeichnet 
vorsichtiger  das  I.  Jahrhundert  vor  Chr.  und  das  I.  nach  Chr.  als 
die  Periode,  innerhalb  deren  das  Buch  geschrieben  sein  müsse. 
Wir  sehen  somit,  dass  irgend  ein  Zwang,  dieses  Buch  in  die 
Ptoleniäerzeit  zu  verlegen,  nicht  besteht.  Denken  wir  es  uns  aber 
im  I.  Jahrb.  nach  Chr.  entstanden,  so  entbehrt  die  Erwähnung  der 
Xy.O'fpy.'ficc,  wenn  auch  der  Autor  sie  in  die  Zeit  des  Philopator 
verlegt,  jeder  Beweiskraft  für  die  Ptolemäerzeit.  Denn  man  braucht 
dieses  traurige  Machwerk  nur  durchzulesen,  um  zu  sehen,  dass 
Anachronismen  von  diesem  Autor  nicht  emijfiinden  wurden.  Ich 
komme  somit  zu  dem  Resultat,  dass  das  III.  Makkabäerbuch  keinen 
Beweis  dafür  liefert,  dass  es  in  der  Ptolemäerzeit  eine  Xaoypasfia 
gegeben  habe.  Ja,  vielleicht  sind  wir  nicht  im  Unrecht,  wenn  wir 
den  Spiess  umdrehen  und  sagen:  Weil  das  III.  Makkabäerbuch 
die  Xaoypai^ta  als  Kopfsteuer  kennt,  kann  es  erst  in  der 
Kaiserzeit  geschrieben  sein.  Mit  völliger  Sicherheit  möchte 
ich  dies  freilich  heute  noch  nicht  behaupten,  da  die  Möglichkeit, 
dass  neue  Ostraka  oder  andere  Urkunden  doch  noch  einmal  die 
XxoYpxYta  für  die  Ptolemäerzeit  bezeugen,  offen  zu  lassen  ist.  Aber 
so  viel  dürfen  wir  schon  heute  sagen,  dass  nach  dem  jetzt  vorliegenden 
Material  —  zumal  wenn  wir   bedenken ,  dass  von  Auaustus   an  die 


')  So   auch  Hugo  'Willricli,  .ludi'n    und   Griechen   vor  der    raakkabäischen 
Erhebung.    1895  S.  143. 


§  71.     EINFÜHErXG    DER    KOPFSTEUER.  247 

Belege  fast  Jahr  für  Jahr  vorliegen  —  die  Präsuraption  dafür 
spricht,  dass  wir  es  bei  der  Xaoypai^ca  mit  einer  neuen,  erst  von 
Augustus  eingeführten  Steuer  zu  tliun  luiben.  Immerhin  können 
wir  einstweilen  nichts  weiter  thun,  iih  liuidc  Möglichkeiten  in  ihren 
Consequonzeu  zu  verfolgen.  Wenn  Augu.stus  das  tributum  capitis 
in  Aegypten  eingeführt  hat,  so  hat  er  damit  nur  dasselbe  gethan, 
was  die  Römer  nacli  der  Eroberung  Karthagos  in  der  neuen  Provinz 
Africa  einführten.  Vgl.  Appiau  Libyc.  lo5:  xotg  5e  X01-0T5  '^opov 
wp:aav  £7^1  xr^  yr)  xai  ir.l  zoZz  aw|iaatv  avopl  v.y.\  y^vocixI 
6|iOiü)i;.  Ebenso  in  Britannien.  Vgl.  Dio  Cass.  LXII  8,  wo  die 
muthige  Britin  Buduica  sagt:  oü  —  xal  xöjv  a(j)(i.axwv  «Oxcöv 
Saa^iöv  exTjatov  ^£po[Ji£v;  vgl.  ebenda:  xecpscXäL;  imoxeXe:;  -ep'.cpsps'.v.^) 


')  Was  Appian  Syr.  50  von  der  Kopfsteuer  bei  den  Juden  sagt,  ist  nicht 
eindeutig,  und  hat  daher  zu  verschiedenen  Interpretationen  geführt.  Die  Worte 
lauten:  Kai  S'.a  xaOx"  äai'.v  'Iou5a(oi{  änocaiv  5  cfopo?  xwv  co)|ia-:ti)v  ßapuxEpoj 
xijs  äXXr/g  Ttep'.ouoiaj.  Leider  hat  die  JIusgrev-Bekkcr'sohe  Schlimrabesserung 
itsptotxia;  für  jisp'.ouatas  viel  Unglück  angerichtet,  wie  denn  die  Ausführungen 
von  Kodbertus  a.  a.  O.  S.  367  f.  auf  dieser  Lesung  basiren  und  mit  ihr  fallen. 
Aehnlich  auch  Marquardt,  EStV  11^  S.  202.  Vgl.  dagegen  Mendelssohn  in 
seiner  Ausgabe.  Das  Wort  Jispio'jjia  =  Vermögen  findet  sich  in  ganz  ähnlichem 
Zusammenhang  z.  B.  bei  Theophil.  Paraphr.  Inst.  1,  5,  4:  aav'.g  Y|T0'.  xapxvis, 
Iv8-a  'P(0(iaioi  äTtsypacpovxo  xäj  oixsta;  Tcepiousiag.  Soviel  scheint  mir  sicher, 
dass  Appian  die  Höhe  und  Schwere  des  jüdischen  Kopfgeldes  ((pöpoj  atB|j.ax(Ov) 
aus  dem  hartnäckigen  und  wiederholten  Widerstand  erklären  will,  den  sie  den 
lliinieru  geleistet  haben,  erst  dem  Pompeius,  dann  Vespasian,  dann  Hadrian. 
IVt  Ton  liegt  also  auf  dem  d'.ä  xaOx'.  Damit  ist  die  Auffassung  ausgedrückt,  dass 
die  Kopfsteuer  gewissermassen  als  Strafe  für  den  heftigen  Widerstand  auferlegt, 
res)),  erliöht  worden  ist.  Durch  die  Hinzufügung  des  Aufstandes  des  Vespasian 
und  Hadrian  scheint  mir  angedeutet  zu  sein,  dass  die  Kopfsteuer  der  Juden 
liUmählieh  derartig  angewachsen  ist,  dass  sie  zu  .Vppiau's  Zeiten  die  Abgaben 
von  ilirem  sonstigen  Vermögen  (iiEp'.o'joia)  überstieg.  Aus  dem  Gesagten  geht 
zugleich  hervor,  dass  das  £t5paX(i.cv,  das  die  Juden  erst  dem  Jehova,  dann 
.^1  it  dem  Jahre  70  dem  Jupiter  Capitolinus  zahlen  mussten,  mit  dieser  Kopfsteuer 
nichts  zu  thun  hatte,  denn  dieser  Appianische  cpöpof  x(üv  a(fl|iax(üv  ist,  wie  der 
Zusammenhang  lehrt,  bereits  von  Pompeius  eingeführt  worden.  Dass  Pompeius  die 
i!v~teuerung  des  LaiKles  regelte,  zeigt  Joseph,  ant.  XIV  §74;  b.  i.  I  §  154.  Das 
5:5pax|iOv  ist  vielmehr  eine  Tempelabgabe,  die  wie  so  manche  aeg>-ptische  nur  kopf- 
>leuerartig  aufgelegt  worden  ist.  Dalier  kann  ich  auch  Mommsen  nicht  beistimmen, 
wenn  er  dieses  jüdische  Didrachmon  als  Parallele  zu  unserer  aegyptischen  Kopf- 
Mfuer  hinstellt  (bei  Hirschfeld  RVG  S.  14,  Aum.  2).  Das  Analoge  ist  vielmehr 
der  A)>pianische  cföpo;  xÄv  oo)(iäxcov.  —  Wenn  Appian  fortiiihrt  „ecrci  Ze  xal 
I'ipo'.s  -/.ai  KiÄi^iv  sxria'.os,  Ixaxoax'^  xoü  x'-iiT/iiaxos  Jxaaxoi",  so  braucht    man 


248  IV.  KAPITEL. 


i 


Autreiionimeu,  dass  Augustus  diese  Kopfsteuer  in  Aegypten  neu 
eingeführt  habe,  so  erklärt  sich  ferner  damit  vielleicht  die  Nachricht, 
dass  sogleich  der  erste  Präfect  Aegyptens,  Cornelius  Gallus,  einen 
Aufstand  in  der  Thebais  niederzuwerfen  hatte,  der  Sia  lobc,  cföpoui; 
entstanden  war  (so  Strabo  XVII  p.  819).  Dass  dieser  grössere 
Steuerdruck  des  neuen  Regiments  lediglich  durch  schärfere  Erhebung 
der  schon  bestehenden  Steuern  ausgeübt  sei,  ist  wenig  wahrschein- 
lich, denn  wenn  die  letzten  Ptolemäer  auch  sonst  nicht  viel  vom 
Kegieren  verstanden,  so  konnten  sie  es  doch  im  Schröpfen  mit 
Jedem  aufnehmen.  Die  Worte  Strabo's  legen  also  die  Annahme 
nahe,  dass  Augustus  neue  Steuern  in  Aegypten  eingeführt  habe. 
Ueberblicken  wir  die  gesammteu  in  diesem  Kaj)itel  autgeführten 
Steuern,  Zölle  und  Abgaben  der  verschiedensten  Art,  so  wüsste  ich 
keine  zu  nennen,  die  von  Augustus  eingeführt,  zugleich  in  dem 
Maasse  wie  die  Kopfsteuer  geeignet  gewesen  wäre,  den  Zorn  der 
sonst  viel  ertragenden  Aegvpter  zu  entfachen. 

Auf  der  anderen  Seite  ist  darauf  hinzuweisen,  dass  die  Vor- 
bedingungen der  Ei'hebung  einer  Kopfsteuer,  nämlich  die  Conscription 
der  Volksmassen,  in  der  Ptolemäerzeit  vorhanden  waren.  Dass  man 
auch  damals  schon  Personenlisten  über  die  gesammte  Bevölkerung 
geführt  hat,  werden  wir  in  Kap.  V  nacliweisen.  Danach  wird  es 
uns  schwer,  die  Annahme  zurückzudrängen,  dass  auf  Grund  dieser 
Personenlisten  auch  eine  Personensteuer  erhoben  sei.  Doch  fehlt 
es  uns  bisher  an  jedem  Zeugnis  dafür.  Die  Angabe  des  Ps.  Aristoteles 
(Oecon.  n  2,  25),  dass  Chabrias  dem  Könige  Taos  (XXX  Dynastie, 
IV.  Jahrh.  v.  Chr.),  als  er  Geld  für  die  Kriegsführung  brauchte, 
geraten  habe,  eine  Kopfsteuer  einzuführen  iizb  xoü  aü)[i.aios,  spricht 
eher  dagegen  als  dafür.  Denn  einmal  tritt  diese  Kopfsteuer  als 
eine  ausserordentliche,  lediglich  zu  Kriegszwecken  erhobene  Abgabe 
auf,    die  also  auch  sachlich  von  unserer  Aaoypa^ta  verschieden  ist. 

ihm  nicht  zuzumuten,  dass  er  eine  eini)roceutige  Vermögenssteuer  für  eine 
Kopfsteuer  gehalten  habe.  Nichts  zwingt,  hinter  sxvio'.oj  ein  cfopoj  xöiv  ot))]iolx(j)v 
hinzuzudenken  (vgl.  Marquardt  a.  a.  O.).  Vieiraehr  ist  Jediglich  cpopog  zu  ergänzen. 
Der  Gedankengang  ist  folgender:  ,,Die  Cilicier  und  Syrier  haben  sich  ohne 
Widerstand  (ä|iaxi'.)  den  Römern  unterworfen.  Darum  ist  auch  diese  i leichte)  ein- 
procentige  Vermögenssteuer  über  sie  rerhängt  worden.  Die  Juden  allein  haben 
sich  widersetzt,  und  zwar  wiederholentlich:  darum  ist  ihnen  die  schwer  drückende 
Kopfsteuer  auferlegt." 


§  71.     ALTER    DER    AEGYPTISCHEN    KOPFSTEUER.  249 

Ferner  ergiebt  die  Stelle  gerade  mit  Sicherheit,  dass  die  persische 
Regierung  vor  König  Taos  keine  Kopfsteuer  in  Aegypten  erhoben 
hatte,  denn  sonst  hätte  er  es  uiclit  nötig  gehabt,  sich  diesen  Rat 
vom  klugen  Athener  geben  zu  lassen.  Diese  Angabc  macht  es  also 
eher  wahrscheinlich,  dass  Ptoleiuaios,  als  er  in's  Land  kam,  keine 
Kopfsteuer  dort  vorfand.^)  Immerhin  bleibt  ja  die  Möglichkeit,  dass 
er  oder  einer  seiner  Nachfolger  sie   in  Aegypten  eingeführt  hätte.^) 


')  Das  bleibt  bestehen,  obwohl  derselbe  Ps.  Aristot.  1!  1,  4  (bis  sraxEtfcc- 
Xatov  zu  den  Einkünften  der  Satrapeuwirtschaft  zahlt:  Ixttj  Sä  (seil.  TtpojoSo;) 
fi  ÖTiö  TÄv  äXXo)v,  ETiixscpäXatdv  i£  xal  x^'-ptövagiov  7tposaYopeuo|ievT|.  Es  ist 
eine  falsche  Interpretation,  wenn  Marquardt  KStV  II*  S.  202  hieraus  folgert, 
dass  das  x^-P''>''«S'o^  auch  £7C'.x='.pä?.atov  genannt  worden  sei.  Vielmehr  werden 
Kojifsteuer  und  Gewerbesteuer  deutlich  als  zwei  verschiedene  Einnahmen  neben- 
einander  gestellt.  Für  das  Ptolemiierreieh  ist  dieses  Zeugnis  für  keinen  Fall 
massgebend ,  zumal  der  Verfasser  diesen  Ptolemiierstaat  nicht  gekannt  zu  haben 
scheint.  Aber  auch  ob  für  das  Perserreich  eine  Kopfsteuer  aus  dieser  Stelle  ab- 
geleitet werden  kann,  ist  zweifelhaft.  Denn  an  der  einzigen  Stelle,  an  der  derselbe 
Verfasser  das  Kopfgeld  für  das  Perserreich  erwähnt  (II  2,  1,  4),  erscheint  es  nicht 
als  ordentliche  von  Eeichswegen  erhobene  Steuer,  sondern  als  eine  ausserordentliche 
Abgabe,  die  lediglich  durch  die  Willkür  des  Satrapen  in  einem  einzelnen  Falle 
aufgelegt  wird.  Man  könnte  geradezu  aus  dieser  Stelle  den  Schluss  ziehen,  zu 
dem  wir  auch  oben  auf  Grund  der  anderen  Stelle  kamen ,  dass  im  Perserreich 
keine  Kopfsteuer  erhoben  wurde.  Wenn  Ps.  Aristot.  II  1,4  in  der  Liste  der 
satrapischen  Eiunahmen,  bei  denen  er  natürlich  das  Perserreich  vor  Augen 
gehabt  hat,  dennoch  das  eTi'.XE^äXaiov  aufführt,  so  hat  er  wohl  damit  nicht 
mehr  sagen  wollen,  als  dass  unter  Umständen  auch  ein  solches  Kopfgeld  er- 
hoben werden  konnte,  wie  z.  B.  von  jenem  Kondalos. 

'■')  Ich  möchte  hier  ausdrücklich  hervorheben,  dass  die  hieroglyphische 
Pithomstele,  aus  der  Zeit  des  Ptolemaios  II.  Philadelphos,  nicht  als  Beweis  für 
eine  ptolemäische  Kopfsteuer  angeführt  werden  darf.  Nach  der  von  Brugsch  . 
und  Ermau  in  der  Zeitschr.  f.  Aeg.  Siirache  XXXII  jüngst  gegebenen  Ueber- 
setzung  heisst  es  zwar  {.\bsehnitt  E):  „Verzeichnis  dessen,  was  seine  Majestät 
—  gab:  was  man  von  den  Häusern  dieser  Stadt  einzieht  und  was  man  von 
den  Mensehen  einzieht  als  jährliche  Steuer,  Silber  950."  Aehnlich  in  Ab- 
schnitt S.  Man  könnte  hierin  leicht  den  Gegensatz  einer  Häusersteuer  und 
einer  Personen-  oder  Kopfsteuer  erblicken  wollen.  Aber  der  hieroglyphische  Text, 
in  dem  die  Häuser  und  die  Menschen  durch  verschiedene  Präpositionen  mit  dem 
Verbum  des  Einziehens  verbunden  sind,  legte  mir  den  Gedanken  nahe,  dass 
die  Häuser  als  Steuerobject,  die  Menschen  aber  als  Steuersubject  zu  verstehen 
sind.  Adolf  Erman,  dem  ich  diese  Frage  vorlegte,  hatte  die  grosse  Freund- 
lichkeit, sie  in  folgender  Weise  zu  beantworten:  „Es  steht  wörtlich  in  Z.  26: 
Eingezogenes  der  Häuser  dieser  Stadt  und  Eingezogenes  von  den  Menschen  als 
jährliche  Abgabe  —  Silber  950.  —  —   Ich  denke  mir,  dass  hier  unterschieden 


250  I^-  KAPITEL. 


§  72.    Tiloc,  Xa)((avtx6v). 

In  Nr.  787  (Theben,  a.  95i'ü)  quittircn  die  TeXimvaO  Xa^favcxcö) 
oder  Aa);^(avYjpxs)')  einem  gewissen  Dexüa:;  den  Empfang  des 
-£X(o; I  xf|;  Xa/avta;.  IMan  kann  hier  schwanken,  ob  man  Xayavi'aj 
(==  Gemüsebau)  oder  Xaj^aviä;  (=  Gemüsegarten)  lesen  soll.  Noeh 
dunkler  sind  die  folgenden  Worte,  zumal  sie  durch  fehlerhafte 
Sprache  entstellt  .sind.  Kur  soviel  scheint  mir  sicher,  dass  Pekysis 
den  Gemüsegarten,  der  auf  einer  Insel  zu  liegen  scheint,  in  Pacht 
hat,  und  zwar  von  einem  gewissen  'Axö)?.-)  Dass  der  Pächter 
und  nicht  der  Eigentümer  das  xiXoc,  an  den  Staat  zahlt,  wird  in 
dem  Pachtcontract  festgesetzt  worden  sein. 

Dieses  xeXo?  lässt  sich  aus  dem  Text  nicht  genauer  be- 
stimmen. Der  Pap.  Lond.  CXIX  lehrt  uns,  dass  die  Grundsteuer 
von  Gemüseland  in  derselben  Weise  berechnet  wurde  wie  von 
Wein-  und  Palmenland,  d.  h.  nicht  als  Fruchtquote,  sondern  als 
feste  Geldtaxe  für  die  Arure.  In  Z.  70  des  genannten  Pap^Tus  heisst 
es:  Aa.yjmiS.q)  av(d|  ^  x.  In  unserem  O.strakon  ist  nicht  angegeben, 
ob  es  sich  um  Geld-  oder  Naturallieferungen  handelt,  ä)  Nach  dem 
Londinensis  ist  anzunehmen,  dass  eine  Geldzahlung  gemeint  ist. 
Auch  das  eußxoixov  und  £X'.;;cf:ov  von  einem  la[yayrjpG(;  (seil.  xXfj- 
pozil  in   1'2">1   werden  mit  Geld  gezahlt. 

Im  Pap.  Bcrl.  Biblioth.  50  steht  neben  der  Erwähnung  anderer 
Fruchtarten,  wie  Gerste,  Linsen  etc.:  ).ayiav;ä;)  /f —  a  -=-  y.  Also 
von  1  Arure  Gemüseland  3  Artaben.  Hier  bleibt  mir  völlig  unklar, 
worauf  sich  diese  Rechnung  bezieht. 

Endlich  sei  erwähnt,  dass  das  noch  unedirte  Berliner  Ostrakon 
P.  4G20  nach  meiner  bisherigen  Copie  folgendermasseu  beginnt: 
TOß(i)  xÖ-  mhipec,)  ß  TiapaxEX''  0|i{xaatv)  tlc.  xö  Xot.yJ^oi.v'.y.bv)  (^scil.  xD.oc) 

sind:  1)  eine  Hiiusersteuer,  2)  diverse  Steuern,  die  man  von  den  Menschen 
einzielit.  —  —  Ihr  Unterscliied  zwiselien  Steuersubject  luid  -object  mag  wohl 
das  Eiclitige  treffen."  Hiernach  wird  man  die  Pithorastele  nicht  als  Zeugnis 
für  eine  ptolemäische  Kopfsteuer  anführen  können. 

')  Diese  Auflösungen  sind  besser  als  >,ax(avias),  wie  ich  im  Textdruck 
vorschlug. 

-1  Diese  Erklärung  ziehe  ich  der  im  Texidruck  zu  Z.  5  gegebenen  vor. 
Wie  r-po^-x/-  zu  deuten  ist,  lasse  ich   dahingestellt. 

")  Es  wäre  daher  besser  unter  die  ,, Quittungen  mit  ungenanntem  Zahlungs- 
mittel" gestellt  worden. 


§  72.     DIE   GEMÜSESTEUER.  251 

Sx(aoTo?)  a  p  ;  Y  - .  Die  Anwendung  des  Wortes  iTapaxo[i£^e:v, 
das  sonst  immer  in  Beziehung  auf  Naturallicf'crungon  gebraucht  wird, 
deutet  wohl  darauf"  liin,  dass  die  Geldzahhing  hier  eine  Natural- 
lieferung  vertritt. 

Dass  die  Gemüsehändler  eine  Gewerbesteuer  zahlten,  ist  a  priori 
anzunehmen  und  wird  durch  BGU  337,  22  bezeugt  (XaxavouwXwv). 
Diese  wird  natürlicli  in  Geld   sezahlt. 


§  73.    TTülp  A7jiJi|jiaxcov. 

Afj|Ji[i,a  bezeichnet  das  Einkommen,  die  Einkünfte,  im  Gegen- 
satz zu  ävaXü)|ia,  den  Ausgaben.')  In  Nr.  270  (Syene-Elephantine) 
wird  zwei  Männern  quittirt:  UTilp  [J,£pia|i[ü)v]  XYj|i[ia(Tiov)  ts^ 
(174/5)  sx(aaxos)  ^,3 — .  Auf  den  ersten  Blick  könnte  es  so 
scheinen,  als  hätten  wir  eine  reguläre  P^inkomniensteuer  vor  uns, 
wenn  wir  uns  nämlich  ArdijiiTCöv  abhängig  denken  von  \iBp'.G\iü)y. 
Sachlich  erscheint  mir  das  aber  dadurch  ausgeschlossen,  dass  beide 
Männer  genau  dieselbe  Summe  zahlen.  Bei  einer  Einkommensteuer 
würde  dies  voraussetzen,  dass  sie  auch  genau  dasselbe  Einkommen 
gehabt  hätten.  Selbst  wenn  man  diese  Unwahrscheinlichkeit  für 
den  einzelnen  Fall  zugeben  wollte,  würde  doch  das  Wort  [j,epta[ji6g 
dagegen  sprechen,  denn  dieses  bezeichnet,  wie  wir  in  §  75  wahr- 
scheinlich zu  machen  suchen  werden,  solche  Steuern,  die  auf  Alle 
in  gleicher  Höhe  kopfsteuerartig  verteilt  waren.  Da  dies  für  die 
Einkommensteuer  ausgeschlossen  ist,  so  bleibt  nur  übrig,  Xyj[i|j,aTü)v 
von  |iepLa|iü)v  zu  trennen,  es  in  dem  Sinne  von  ärnb  X7]|X[iaTcov  zu 
nehmen  und  darin  lediglich  einen  Hinweis  darauf  zu  sehen,  dass 
die  ungenannte  Steuer  —  denn  [jieptajjioi;  deutet  nur  den  Charakter 
an  —  von  den  Einkünften  des  betreffenden  Jahres  bezahlt  werden 
sollte,  resp.  worden  ist. 2)  Wie  ich  mir  ISHÖ  am  Original  notirt 
habe,  wäre  es  sogar  möglich,  in  der  Lücke  hinter  [iepta[i[ii)V  noch 
ein  icTwö]  zu  ergänzen.  Ich  sehe  in  dieser  Bemerkung  Ar,[i|jiäTtov 
xoO  X  exou;  ein  Analogen  zu  dem  in  den  Xaturalquittungen  fast 
regelmässigen    Zusatz    YSVYjiiaxos    xoQ    x.    exou;,    wofür    auch    &Tzb 


»)  Vgl.  BGU  1,  14;   14   II  2;  21   II   1;  34   I  1. 

ä)   Ebenso    ist   auch   in  BGU   8   II  das   mehrmalige  Xriiiixäxwv  s^  <"'<=''  *S 
von  dem  vorhergehenden  cfipoj  zu  trennen. 


252  IV.  KAPITEL. 


^evT^Haxo?  stehen  kann.')  Man  begreift,  dass  in  den  Natural- 
quittungeu  der  Zusatz  so  regelmässig  gemacht  wird,  da  das  Ge- 
treide oder  der  Wein  etc.  verschiedener  Jahre  verschiedenen  Wert 
haben  kann.  Darum  begegnet  der  Zusatz  sogar  dann,  wenn  die 
Katuralien  nicht  in  natura  geliefert,  sondern  durch  Geld  abgelöst 
werden.  Vgl.  §87  und  1  ()9.  Andrerseits  ist  es  begreiflich,  dass 
bei  reinen  Geldzahlungen  der  Zusatz  Xr(ji[J.aT:(i)v  TOö  x  exou?  so  un- 
gemein selten  begegnet,  denn  ob  das  Geld  aus  dem  Einkommen 
dieses  oder  jenes  Jahres  genommen  wird,  war  für  den  Staat  gleich- 
gültig. Ich  finde  den  Zusatz  nur  noch  einmal,  in  290,  wo  quittirt 
wird  uTisp  XaoYpCacpt'aj)  XTjdxjxaxwv)  teU  Auch  hier  kann  nur 
gemeint  sein,  dass  das  Geld  für  diese  Kopfsteuer  von  dem  Ein- 
kommen des  15.  Jahres  zu  entnehmen  war,  resp.  entnommen  worden 
ist.  Mit  anderen  Worten,  es  ist  garnichts  anderes  als  wenn  einfach 
dastünde:  Xaoypacptas  teL,  „für  die  Kopfsteuer  des  15.  Jahres", 
denn  das  ist  eben  die  Kopfsteuer,  die  von  dem  Einkommen  des 
15.  Jahres  bestritten  werden  soll.  Nach  dieser  Auffassung  ist 
also  Äy,|i[i.ä~(üV  eigentlich  übei'flüssig,  und  daraus  erklärt  sieh,  dass 
es  so  selten  gesagt  wird. 

Es  sei  hier  besonders  hervorgehoben,  dass  es  eine  einheitliche 
Einkommensteuer  im  modernen  Sinne  ebenso  wenig  gegeben  hat  wie 
eine  einheitliche  Vermögenssteuer.  Wie  die  einzelnen  Vermögens- 
objecte  einzelnen  Steuern  unterworfen  wurden,  so  sind  auch  die 
einzelnen  Einkommensquellen  besteuert  worden,  wofür  dieses  Kapitel 
mehrere  Beweise  bringt.-)  An  die  Besteuerung  solcher  Einkommens- 
quillen  wird  man  wohl  auch  in  BGU  475  (IL  Jahrh.  n.  Chr.)  zu 
denken  haben,  wo  es  im  Hinblick  auf  Steuereingänge  an  das 
tcpw-XTOv  xajieiov  heisst:  e^  wv  zi(;t':zpiyjhioot.v  UTzIp  Xr^jiiiaxwv  xoO 
aOxoO  I^L  cl.  h.  „von  dieser  Summe  wurden  eingetrieben  für  die 
Einkünfte  desselben  7.  Jahres"  so  und  so  viel.  Wenn  in  dem 
kürzlich  vom  Berliner  Museum  erworbenen  Ostrakon  P.  8597  ÖT:{hp) 
Y£ü)|i(£xpiae)  (poivsixrövo;)  'Apaßiag  U7t(ip)  Xy,ii(tiaxa)v)  «  S  quittirt 

')  Vgl.  BGU  61  I  8:  äiio  fsvyjiiaxols)  xoO ,  aüxtjü  exou;.  Aelinlifli 
BGU   G4,  5;   G7,  8  u.  sonst. 

*)  Ich  bemerke,  dass  die  zweimalige  Erwähnung  der  XT(|j.|iaTa  in  BGU  485 
mit  einer  Besteuerung  derselben  nichts  zu  thun  hat.  Hier  sind  es  die  Einkiuifte, 
die  der  Staat  oder  die  Gemeinde  aus  den  dort  spezialisirten  Steuern  und  Ab- 
gaben bezieht. 


I 


§  73  —  74  253 

■wird,  so  soll  damit  wohl  nur  gesagt  sein,  dass  diese  Abgabe  fiir 
den  Ertrag  des  betreflenden  Palnienlandcs  im  ersten  Jahre  erhoben 
wird.     Vgl.  dazu  §  131. 

§  74.    Ets  T-^jV  Xoystav. 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  300,  402,  412—418,  420,  alle 
aus  der  Kaiserzeit. 

Nr.  360,  aus  dem  J.  8  vor  Chr.,  die  nur  teilweise  erhalten 
ist,  steht  für  sich.  Dagegen  sind  die  anderen  Nummern,  die 
vom  J.  52/3  bis  67/8  n.  Chr.  sich  erstrecken,  zusammen  zu  be- 
trachten, denn  sie  sind  sämmtlich  an  dieselbe  Person,  einen  gewissen 
ütSoü^ic:  IlEXEirjaewi;'),  gerichtet  und  sind  auch  sämmtlich,  abgesehen 
von  402,  von  derselben  Person  ausgestellt,  von  einem  gewissen 
Wevafioijvts  üexuaco;.  Wir  müssen  diese  Persönlichkeiten  etwas  ge- 
nauer betrachten,  da  dies  für  die  Auffassung  der  Abgabe  entscheidend 
ist.  Der  Quittungsaussteller  1'"EVa[jioOvc$  bezeichnet  sich  bald  als 
irpoaxäxrji;  xoO  d-eoü  (412,  414,  418),  bald  als  ^evv^at;  oder 
.^evvyjai^)  (413,  [415],  416,  417),  bald  als  cpevv^a:?  xaX  Tipoaxaxvj; 
xoO  ö'EoO  (420).  Ich  habe  schon  im  Text  unter  Nr.  413  mit 
Revillout's  Hilfe  das  merkwürdige  Wort  (fsw^at?  als  griechische 
Transcription  der  aegyptischen  Gruppe  p  Im  n  'ese,  d.  i.  „der 
Priester  der  Isis"  erklärt.  Mit  dem  Titel  „Vorsteher  des  Gottes" 
rauss  etwas  anderes  gemeint  sein,  da  in  420  beide  Titel  neben 
einander  erscheinen,  durch  xal  verbunden.*)  I'evaiioüvcs  wird  also 
Priester  an  einem  Tempel  gewesen  sein,  in  welchem  Isis  und 
daneben  ein  männlicher  Gott  gemeinsam  —  wahrscheinlich  noch 
mit  Anderen  zusammen  —  verehrt  wurden.  Vor  dem  Namen  des 
Adressaten  steht  mehrmals  o|Jio^  oder  onoXoyw,  das  ich  schon  im 
Textdruck  als  ojioXoYW*)  erklärt  habe.    Es  ist  dies  die  bei  weitem 


')  Nur  in  412  erscheint  er  mit  seinem  vollen  Namen:  IIsxeapvoDcpis 
neTe7iai.og  6?  xal  ütßoOx'.S.     Er  trug  also  einen  Doppelnamen. 

*)  cpsw^ai  ist  die  nicht  gräcisirte  Form. 

')  Bei  dem  schlechten  Griechisch,  das  dieser  aegyptische  Priester  schreibt, 
hätte  man  sonst  denken  können,  dass  xoö  3-EoD  fiir  x^;  5-soD  oder  •C'^j  8-eäj 
gesagt  wäre.  —  Beachte  übrigens  die  Dialectform  Xo'.yziixv  i=  lojeian)  in  412 
and  415. 

*)  Nach  420,  wo  die  Quittung   beginnt:    6|ioXoY<öi  iX^tv,  könnte  man  auf 

die  Idee   kommen,  das  Verbum  &\i.oXoy(b  darin  zu  sehen,  statt  &\ioXö-(iji.     Man 

I  mÜBSte  dann  annehmen,  dass  das  Verbum  an  eine  ganz  falsche  Stelle  gekommen 


254  IV.  KAPITEL. 

» 


älteste  Erwähuuns;-  jener  6[i.iAoyo'.  geDauiiteu  Klasse  von  ländlichen 
Ai-beitern,  die  uns  bisher  nur  durch  Lud.  Theod.  XI  24,  (')  vom 
J.  415  n.  Chr.  bekannt  war.')    Unser  IltßQÜxtS,  der  also  ein  solcher 


wäre.  Das  halte  ich  aber,  trotz  des  schlechten  Griechisch,  für  uiiinoglich. 
Auch  paläographisch  wäre  es  höchst  unwahrscheinlich,  dass  das  verbum  finituiu 
mit  0|ioX  abgekürzt  wäre,  zumal  hier  sonst  kaum  Abkürzungen  vorkommen. 
Bei  einem  Titel  hat  es  dagegen  nichts  Auffiüliges. 

')  In  diesem  speziell  auf  Aegvpten  bezüglichen  Erlass  des  Houorius  und 
Theodosius  heisst  es  in  §  3 :  hi  sane,  giii  tncis,  guibiis  adscripti  sunt,  derelictis, 
et  qui  homologi  more  gentilicio  nuncupantur,  ad  alios  seu  vicos  seu  domiiws 
iransiernnt  etc.  Ebenda  pr.  werden  sie  als  homologi  coloni  bezeichnet.  Die 
angeführten  AVorte  lassen  darüber  keinen  Zweifel,  dass  man  im  V.  Jahrhiuidert 
die  an  die  Scholle  gefesselten  adseripticii  darunter  verstanden  hat.  Könnte  man 
feststellen,  was  man  im  Anfang  der  Kaiserzeit,  aus  dem  unsere  Ostraka  stammen, 
mit  6|i6),OY05  bezeichnet  hat,  so  würde  das  für  die  Geschichte  des  Colonats  ein 
wichtiger  Beitrag  sein.  Die  Ostraka  geben  keine  Auskunft  über  die  Bedeutung; 
so  müssen  wir  uns  an  die  Etymologie  halten.  Zachariae  von  Lingenthal  (Gesch. 
d.  Griech.-Eöm.  Eecht*,  3.  Aufl.  S.  227)  meint:  ,, Homologi  heissen  sie,  weil. sie 
in  den  Professionen  (d|io}.OYiai)  beim  Census  angegeben  werden  niussten."  Aber 
£(ioÄCYta  heisst  nicht  Profession,  sondern  Vertrag.  Profession  ist  äitoYpa^i^. 
Das  Richtige  hat  schon  Gothofredus  im  Commentar  zu  der  Codexstelle:  t^oXo-^o'. 
conditionales,  dediticii,  qui  videl.  sese  dedentcs  ex  pactione  quadam  banc 
in  conditionem  venerant  et  recejiti  fuerant.  'OiiöXoyo'.  sind  also  Leute,  deren 
Stellung  auf  einer  i|ioXoYia,  einem  Vertrage,  basirt.  Das  ist  wenigstens  die 
ursprüngliche  Bedeutung.  Dass  nun  tuiter  diesen  t\i.6Xo-{0\.  auch  schon  in  der 
frühen  Kaiserzeit  ebenso  wie  im  V.  Jahrhundert  ländliche  Arbeiter  verstanden 
wurden,  zeigt  BGU   560  (II.  Jahrh.  n.  Chr.): 

20  .  .  .  ]  .  YEtüpyoüvxsg  6|iöXoYOt  ävSfpsg)  p(i5 

21  .  .  j  •»'£(up7[oO]vT[E]g  5rj[ioaiav  xal  o'ja'.ay.T;v  Yf,v  äv8(pes)  pi.£ 

22  ...  ]vSp(.  .  .)  a  |Y.YP(«'itoi-?)  '-Y  £vaivY/s  a 

23  .  .  .  ]  .  ÄEv  TTjv  X(!)iir,v  ßoea'.Xix'fij  Y''i?  5'.a  5r||i03;(ü(vj 

24  [YEtüpYÜJv  ....  > 

Dies  steht  unmittelbar  hinter  einer  grossen  Personenliste  (mit  Altersangabc 
Ich  vermute,  dass  die  Zalil  in  Z.  20  die  Gesammtsumnie  der  vorher  aufgeführten 
Personen  giebt,  während  die  nächsten  Zeilen  die  .Spezificirung  enthalten.  So 
die  übliche  Formel:  •^lio-iia.\  ....  Cm  siaiv  .  .  .  Danach  sind  im  Ganzen  144 
.  .  .  YEOYpoüvxe;  6|ioXoYOi  aufgeführt  woiden  (bis  zum  Alter  von  15  Jahren 
herab).  Von  diesen  144  haben  115  Gemeindeland  (ST||jLOa;av)  und  kaiserliches 
Privatland  (oOoiaXTjV)  bestellt.  Die  nächsten  Posten-  sind  unklar,  teils  ver- 
stümmelt, teils  unsicher  gelesen.  Die  14  Fehlenden  sind  in  einer  der  grossen 
Lücken  im  Anfang  der  Zeilen  zu  ergänzen.  In  ilif{a.Tixo'.j  oder  £Yyp(a^oO 
könnte  man  versucht  sein,  ein  Aequivalent  für  adseripticii  zu  sehen.  Jedenfalls 
scheint  b\i.iXcfoz  hier  noch  ein  weiter  Begriff  zu  sein,  der  verschiedene  Arten 
von  ländlichen  Arbeitern  umfasst.    Allen  gemeinsam   wird  nur  sein,  dass  sie  auf 


1 


J 


>i    7  1.      (OLLECTEX.    DIE    ÖjioXoYOl.  255 


öjxöXoYOj  ist,  hat  nach  ileu  ubigcii  Quittungen  mehrfach  Beiträge 
für  die  Xo'(t'.x  geliefert.  Das  Wort  ÄC/ycta,  desselhen  Stammes  wie 
XoY£i)£tv  =  „einsammeln",  ist  scliun  aus  der  Ptolemäerzeit  als 
Bezeichnung  für  ,,Slimmlung,  Collecte"  l)L'kannt.')  Tu  den  obigen 
Ostraka  begegnen  wir  zum  ersten  Älal  einer  Collecte,  die  für  Götter 
erhüben  wird.  Pibuchis  zahlt  sowold  für  die  Collecte  der  Isis 
(413,  415)  als  auch  für  die  des  ungenannten  ^eö^  (412,  414). 
Beide  Collecten  stehen  selbstständig  nebeneinander,  denn  im  J.  63 
zahlt  Pibuchis  für-  beide,  für  Isis  4  Dr.  1  Ob.,  für  „den  Gott" 
4  Dr.  2  Ob.  (413,  414).  Nicht  innner  (vgl.  412),  aber  meist 
findet  sich  der  Zusatz  uTcep  xwv  5r,jjioat(j)v.-)  Dieselbe  "Wendung 
steht  in  417  und  418  und  zwar  allein.  Ausserdem  steht  in  41(J 
und  420  uTiep  xwv  OYj^ioaEwv  x^;  ^ew/jaia;.  Der  Ausdruck  xa 
OTjiJLÖata  ist  als  eine  allgemeine  Bezeichnung  für  die  öfTentlichen 
Leistungen  oder  Abgaben  bekannt  (vgl.  §  30).  Das  Wort  (f  cwr^aia 
muss  nach  den  obigen  Bemerkungen  das  „Priestertura  der  Isis" 
bezeichnen.  Die  Zahlungen  werden  also  damit  als  Beitrag  zu  den 
öffentlichen  Leistungen  der  Isispriester  bezeichnet.  Mir  scheint, 
dass  der  Kern  der  Sache  hier  besser  ausgedrückt  ist  als  oben: 
nicht  für  die  Isis,  sondern  für  die  Isispriester  wird  die  Collecte 
erhoben.  Es  muss  hervorgehoben  werden,  dass  diese  Abgabe  von 
den  Priestern  selbst  eingezogen  wird. 

Ein  Unieura  bildet  402:  b-kp  Xo^^lcci;  svcfiXa;.    Im  Textdruck 
Hess  ich  das  Schlusswort  noch  unerklärt.     Ich  möchte  meinen,  dass 


Grund  einer  t\ioXo'{ia  (wohl  eines  Pachtvertrages?)  arbeiten.  Wenn  man  die 
Bedingungen  dieser  Verträge  l<ennte,  Hesse  sich  das  Verhältnis  dieser  ip.c/.0'(^: 
des  II.  Jahrhunderts  zu  denen  des  V.  genauer  tixiren.  Hier  müssen  wir  uns 
auf  diese  Andeutungen  beschränken. 

')  Vgl.  die  Zusammenstellung  von  Beweisstellen  in  dem  dankenswerten 
Buche  von  Deissmann  ,,Bihelstudien"  Marb.  1895,  S.  139  ff.,  der  mit  Reclit 
die  Xo^ia  im  I.  Koriutherbriefe  IG  damit  erklärt.  Das  Wort  XoflT.  habe 
ich  auch  iu  BGU  Ö15  7/8  vom  J.  19.S  n.  Chr.  hergestellt.  Hier  erscheint  die 
Xoyix  als  Zuschlag  (sii:tß/.v)8-evTa)  zu  den  oiiixä  5Tj]iäa'.a,  gleichfalls  in  Getreide 
zahlbar.  —  Irrtümlich  hält  Eudorff  (Ehein.  Mus.  1828,  S.  137)  Xii-sue'.v  für 
synonym  mit  \ofi^Ba%-a.:  (=  Steuern  repartiren).  Für  ihn  sind  die  IxÄcy-axat 
daher  auch   Steuererheber.     Vgl.  dagegen  unten  Kap.  VI. 

')  Der  aegypti.sche  Priester  kämpft  mit  den  griecliischen  Präpositionen  wie 
ein  Tertianer  —  heut  zu  Tage  muss  man  wohl  .sagen,  wie  ein  Primaner.  Er 
schreibt  bald  ;;ept  bald  &-spi  und  meint  offenbar  'jr.ip. 


256  IV.  KAPITEL. 


evcpiXac  für  stj  <I>!Aag  steht  und  damit  gesagt  ist,  dass  diese  Collecte 
fiir  Philae,  vcnmitlich  für  den  berühmten  Isistenipel  von  Philae 
bestimmt  war. 

§  75.    TTOp  [isptaiiou  oder  [iepta[Jiwv. 

Für  Syene-EIephantine  belegt  durch  Nr.  95—99,  [170],  173, 
174,  178—180,  186,  196—198,  200,  202—205,  208,  209, 
2l'2— 222,  224,  225,  228,  235,  241,  242,  246—248,  253,  256, 
258,  270  (vgl.  §  73),  283(?),  289,  für  Theben  durch  545,  549—552, 
561,  615,  637,  652,  655,  1443. 

Es  gilt  zunächst  den  Begriff  [i£pta[j,6i;,  der  in  den  Ostraka 
vielfach  in  Verbindung  mit  den  verschiedensten  Abgaben  begegnet, 
in  den  obigen  Nummern  aber  ohne  jede  Zusatzbestimmung  auftritt, 
möglichst  scharf  zu  fassen.  Die  Belege  stammen  säramtlich  aus 
der  Kaiserzeit.  Aus  der  Ptolemäerzeit  ist  mir  das  Wort  nicht 
erinnerlich. 

Fröhner')  hat  die  [iepirj\i.o'.  als  Zahlungen  ä  coniptes,  als 
payements  partiels,  als  Ratenzahlungen  erklärt.  Ich  möchte  eine 
andere  Auffassung  proponiren.  Ich  leite  das  Wort  von  [xept^etv  in  der 
Bedeutung  „verteilen,  zuteilen,  repartiren"  ab  und  nehme  [Jiepiajjiöf 
in  dem  Sinne  von  xö  (i£[xepta|Jievov  als  „das  Zugeteilte",  als  den 
Teil,  der  durch  die  Repartition  der  Gesammtsteuer  auf  den  Einzelnen 
entfällt.  Ich  verweise  auf  BGU  21,  Col.  I,  vom  J.  340  n.Chr., 
wo  die  Dorfbeamten  dem  Praepositus  pagi  unter  dem  Eide  ver- 
siehern ,.|j.E[i£ptai)'at  xal  ä.-!z(y^)zfiad-ai  im  zi]c.  f([i.£T£pas  xwpf/ji;  eI<; 
Toüg  i^fiz  eyYeYpaii(ievouc:  ävSpa;  toü?  s?y]5  i-{^f{paii\iivou<; 
fj.£pta[iOÜ;  sqs'  Exaatou  fiYjvo;".  Die  \izp'.o[).oi  sind  hier  also  von 
der  zuständigen  Behörde  an  die  unten  genannten  Männer  verteilt 
und  dem  entsprechend  erhoben  worden.  Wie  man  auch  über 
das  Wesen  der  hier  vorliegenden  Abgabe  urteilen  will,  so  viel  ist 
sicher,  dass  sie  (in  jedem  Monat)  kopfsteuerartig  in  gleichen  Raten 
auf  die  einzelnen  Personen  repartirt  wurde.  Vgl.  Col.  11  4:  ,,fur 
Monat  Payni  100  Männer  zu   15  Talenten,  macht  1500  Talente". s) 


')  Rev.  archeolog.  XII,  S.  41. 

*)  Merkwürdig  ist  die  Angabe  der  vorhergehenden  Zeile  ävips;  pxeY 
d.  h.  I25.J  Männer.  Das  kann  nur  bedeuten,  dass  der  eine  Mann  die  Steuer 
nUT    in    halber    Ilölie    zu    zahlen    hatte.      Es    Hessen    sich    verschiedene    Gründe 


§  75.   Mepioiiot.  257 


Hiernach  scheint  mir  klar  zu  sein,  dass  das  Wort  tiepto|i6s  nicht  die 
Teilzahhing,  die  Ratenzahlung  bezeichnet,  die  der  Einzelne  als  Teil 
der  gesanimten  ihm  zufallenden  Ahsrabe  leistete,  denn  die  Höhe 
dieser  Raten  wird  nicht  von  deu  Behörden,  sondern  je  nach  den 
Verhältnissen  von  dem  Zahler  selbst  bestimmt.  Vielmelir  wird 
durch  dieses  Wort  der  auf  den  Einzelnen  entfallende  Steuerbetrag 
als  ein  Teil  der  gesammteii  von  der  betreffenden  Gemeinde  auf- 
zubringenden Steuersumme  charaktei-isirt. 

Ueber  den  Inhalt  der  Steuer  ist  durch  das  Wort  nichts  aus- 
gesagt. So  finden  \v\r  es  denn  in  den  verschiedensten  Verbindungen 
wie  [ieptaiiö?  i^/oi^  (§  13),  \i.  a-'P  (§  14),  ^i..  ävSpiävTwv  (§  15), 
(i.  ä7:6pw(v)  (§  18)j  [1.  ßaX(avtxoO)  (§  22),  |i.  omXöv  (§  32), 
|i.  SiwpüyCwv)  (§  33),  [i.  xuv'''  (§  09),  [x.  7ioxa|jioq5uXax£5wv  (§  99), 
[i.  oJxo5(o[x{a5)  oxotcCIXwv)  (§  113),  |x.  oxottCeXcov)  (§  113), 
[1.  oxxTtwvos  (§  IIG),  |ji.  TsXlou;)  (§  122),  ji.  TeXoug  wvcwv  (§  138). 
Vielleicht  sind  mir  noch  einige   Verbindungen  entgangen. 

Wiewohl   durch   das  Wort   |icptl^scv   oder   [lepLaiiog   an  sich  in 
keiner  Weise  eine  Teilung  in  gleiche  Teile  indicirt  ist,  scheint  es 
mir  doch,  als  wenn  man  von  (isptapiot  doch  nur  bei  solchen  Abgaben 
sprach,    welche    kopfsteuerartig    in    gleichen    Teilen    auf    die    Be- 
völkerung repartirt  waren.     Dass  in  dem    obigen  Papyrus  der  Fall 
«0  liegt,  hob  ich  schon  hervor.    Aber  auch  bei  den  oben  angeführten 
Verbindungen    der   Ostraka    haben  wir,    soweit   das    Material    über- 
"  haupt    eine    Berechnung    zuliess,    den    kopfsteuerartigen    Charakter 
aus    den    erhaltenen    Summen    erweisen    können,    so    bei    [ji£pia[iG$ 
ivSpcavxtöv,    ßaXavtxoO,    uoxafio^uXaxtSwv,    oxotteXiöv,    aiaxEwvoc, 
TSÄoug    wvt'iov.     Auch    in    den    obigen  Ostraka,    in    denen    |ieptafiGg 
iliiie    Hinzufügung   der   betreffenden    Steuer   gebraucht   ist,    scheint 
lit..<es  Verhältnis  vorzuliegen.    So  wird  für  114/5  n.  Chr.  in  2  Fällen 
ie  2  Dr.  1  Ob.  gezahlt  (96,  97),  für  140/1   in    2  Fällen  je  2J  Ob. 


iafiir  denken.  —  Inzwischeu  ist  mir  die  eingehende  Beliandlung  dieser  Urkunde 
linrli  Seeck  in  der  Zeitschr.  f.  Social-  und  AVirtschaftsgescli.  IV  S.  295  ff.  be- 
;aiint  geworden.  Den  kopfsteuerartigen  Charakter  der  Abgabe  hebt  anch  er 
urvor.  Im  Uebrigen  bleibt  mir  auch  jetzt  in  diesem  schwierigen  Document 
•rli  vieles  dunkel.  Dass  der  halbe  Mann  damit  zu  erklären  sei,  dass  auch 
l'nuieu  (2=1  Mann  gerechnet)  unter  den  ävSpsj  seien,  glaube  ich  nicht. 
.i-ten  wie  unsere  Nr.  1169  und  1170  sprechen  dagegen.  'AvSpej  heisst  Mäinier, 
lii'lit  „Köpfe".  Letzteres  hätte  mau  etwa  mit  ao)]iaTa  ausgedrückt. 
WiLCKCN,   Ostraka.  1* 


258  IV.  KAPITEL. 


(178,  179),  für  144/5  in  3  Fällen  je  3  Dr.  J  Ob.  (200,  202;  in 
letzter  Nummer  heist  es  bei  der  zweiten  Zahlung  ausdrücklich:  zä^ 
laa?),  für  146/7  in  5  Fällen  je  4  Dr.  (208,  209,  212,  213, 
215)  U.S.W.  In  242  wird  zwei  Männern  quittirt:  ixaaxou  avBpö? 
^  ad'.  Ebenso  in  253.  Die  Ausnahmen,  die  sich  dieser  Auffassung 
entgegenzustellen  scheinen,  lassen  sich  durch  die  Annahme  von 
Ratenzahlungen  beseitigen.')  Ich  halte  es  nach  dem  Gesagten  für 
mehr  als  wahrscheinlich,  dass  als  |i,£pta|jio(  diejenigen  Abgaben 
charakterisirt  wurden,  die  zu  gleichen  Teilen  auf  die  Köpfe  der 
Bevölkerung  repartirt  waren.  Es  sind  das  meist  —  nicht  immer  — 
solche  Abgaben,  die  wir  am  Ende  dieses  Kapitels  als  Zwangsbeiträge 
zu  gemeinnützigen  Zwecken  charakterisirt  haben. 

§  76.    TTilp  Y  sfxaafioö  [iupoß(aXdcv(ov). 

Für  Syene  belegt  durch  Nr.  1460. 

Ich  wage  keine  Erklärung  für  das  Wort  eixaojjio;,  dessen  be- 
kannte Bedeutungen  hier  nicht  am  Platze  zu  sein  scheinen.  Im 
Uebrigen  entspricht  diese  Quittung  in  jeder  Hinsicht  den  im  fol- 
genden Paragraphen  behandelten. 

§  77.    Tusp  Tpi'twv  voi-t  [jLupoß(aXav(i)v). 

Für  Syene  belegt  durch  Nr.  296—300. 

Mit  {lupoßaXavog  wird  ein  Nutzbaum  bezeichnet,  dessen  Früchte 
zur  Hei'stellung  von  Oelen  und  Salben  verwendet  wurden.  Aus 
den  mir  zugänglichen  Hilfsmitteln  war  es  mir  nicht  möglich,  den 
Baum  botanisch  zu  bestimmen.^) 

In  den  obigen  Texten  handelt  es  sich  um  eine  Abgabe,  die 
in  natura,  in  Früchten,  von  den  Besitzern  solcher  Bäume  gezahlt 
wurde.  Ich  schicke  voraus,  dass  der  Pap.  Lond.  CXIX  (Theben, 
II.  Jahrh.  ii.  Chr.)  zeigt,  dass  die  Grrundsteuer  von  [iupoßäXavos-Land 
ebenso   wie  von  AVein-    und    Palmonlaud    in  Geld,    und    zwar    nach 


I 


')  Meistens  sind  die  abweidieiiden  Zahlen  kleiner.  AVenn  in  205  5  Pr. 
J  Ob.  3  Ch.  geziililt  «erden,  während  in  203  und  201  für  dasselbe  Jahr  nur 
je  4  Dr.,  so  folgt  daraus  nur,  dass  die  4  Dr.  trotz  der  üebereinstimmuug 
Raten  sind. 

')  Ist  etwa  die  Balanites  aegj-ptiaca  hei  Woeuig,  die  Pflanzen  im  alt.  Ae^'. 
.S.  319,  damit  gemeint? 


§75  —  78.  259 

eiuem  festen  Satz  für  die  Ai-ure  berechnet  wurde.  Vgl.  Z.  80:  [lupo^ 
dv(ä)  ^  X.  In  diesem  Falle  betrug  also  die  Grundsteuer  30  Dr.  fiir 
die  Arure.  Daraus  geht  soviel  mit  Sicherheit  hervor,  dass  die  obigen 
Ostraka  nicht  von  der  Grundsteuer  handeln. 

Im  Einzelnen  bleibt  alles  dunkel.  In  297  steht:  bn(kp  ]  y 
voji  [lupci^.  Das  y  wird  nach  296  (bnkp  •rpti:w[v])  als  -i^  zu  fassen 
sein.  Aber  was  soll  voji?  Die  Ableitungen  von  yo\ir],  vojioc, 
vö[iOS  befriedigen  mich  nicht.  Ist  vielleicht  vo|i(ap}(t"'tä)v)  zu  lesen? 
Eine  andere  Schwierigkeit  liegt  darin,  dass  in  297  trotz  des  vor- 
hergehenden Y  doch  TÖ  £Xt[ov]  geliefert  wird.  An  eine  Raten- 
zahlung ist  kaum  zu  denken;  dann  würde  eV.-cov,  ohne  Artikel, 
gesagt  sein.  —  Wenn  es  in  299  hcisst  a7i(ö)  fjiax(iou)  ay  xö 
iraßaXXov  aot  fxepoj,  so  kann  das  nur  bedeuten,  dass  der  betreffende 
Zahler  eine  Ernte  (Y£vyj(ia)  von  14  Matien  (s.  Kap.  X)  gehabt  hat, 
und  davon  den  betreffenden  Procentsatz  abliefert.  Vgl.  297:  ScTz(o) 
|i.ax(tü)Vj  L,  10  £Xt;[ov].  Das  würde  voraussetzen,  dass  die  Eigen- 
tümer den  Ertrag  ihrer  Ernte  deklariren  —  vielleicht  schon  im 
Voraus  auf  Grund  einer  cjtjvtt'firjatg,  wie  das  bei  der  ä7t6|ioipa 
vorgeschrieben  war  und  durch  Petr.  Pap.  (II)  XXVII,  1  vei-anschau- 
lieht  wird.  Bei  obigen  Ostraka  an  die  äu6[iOipx  selbst  zu  denken, 
wird  dadurch  ausgeschlossen,  dass  in  diesem  Falle  in  Geld  zu  zahlen 
wäre.     Vgl.  §  5. 

§  78.  TTisp  vauß(':o'j). 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  1396. 

Das  Wort  va'jßoov  ist  trotz  mannigfacher  Bemühungen  noch 
immer  eine  crux  interpretum.  Wohl  zuerst  begegnete  es  im 
Pap.  Paris.  66.  Der  Herausgeber  Brunet  de  Presle,  der  zwischen 
der  Lesung  va'jßta  und  vauSta  schwankte,  vermutete,  qu'il  exprime 
une  fradion  du  takiif.  yiahaffy,  der  das  Wort  in  den  Petrie  Papyri 
wiederfand,  vermutete  darin  a  Macedonian  icord,  meaning  sum  total 
pr  in  gross.^  Er  ging  hierbei  von  der  irrigen  Annahme  aus,  dass 
die  darauf  folgende  Summe  eine  Geldsumme  sei,  während  sie  die 
Zahl  der  Naubien  bezeichnet. 

Unsere  Ostraka  bieten  nun  zunächst  zur  Erklärung  des  Wortes 
ein  Factum,  das  auf  alle  Fälle  von  Interesse  ist,  wenn  es  auch  das 
Rätsel  nicht  löst.     In   1025  heisst  es:  aTcetpyaaxa:  tlq  xö  2:xxo[i(JLa 


2G0  IV.  KAPITEL. 


va(uSta)  X.  Als  ich  vor  Jahren  diesen  Text  mit  E.  Revillout  in 
der  Eevue  Egyptok>gique  VI  S.  1 1  herausgab,  hatte  ich  statt  v"  irrig 
Y*  gelesen  und  konnte  daher  nicht  merken,  dass  der  demotische 
Text  ein  fast  gleichlautendes  AYort  für  vaußtov  bietet.  Nach  Revil- 
lout's  Lesung  heisst  es  nämlich  in  der  demotischen  Beischrift:  a 
ecrit  .  .  .  »ur  30  nebt'.  Auf  alle  Fälle  entsprechen  diese  30  nebt  — 
oder  genauer  nbt,  denn  die  Schrift  giebt  den  Vokal  nicht  an  —  den 
30  vaußta  des  griechischen  Textes.  Mein  erster  Gedanke  war,  dass 
vaü^iov  die  Transscription  des  aegyptischen  Wortes  nbt  sei  (das  finale  t 
schwindet  früh).     Da  die  Hieroglyphe  7ib   einen   geflochtenen  Korb 

darstellt  (\ /),  vermutete  ich,  auch  im  Hinblick  auf  das  koptische 

NOyBT  „flechten",  dass  nbt  =  vaußoov  einen  Korb  bezeichne,  und 
da  die  Naubien  regelmässig  im  Zusammenhang  mit  Erdarbeiten  stehen, 
vermutete  ich  weiter,  dass  sie  die  Körbe  seien,  in  denen  die  Erde 
abgetragen  wird,  und  dass  nach  der  Anzahl  der  Körbe  die  Arbeit 
berechnet  sei.  Gegen  diese  Hypothese  wies  Mahaffy  (Petr.  Pap.  II 
S.  40)  mit  Recht  auf  die  Thatsache  hin,  dass  mehrfach  Brüche,  auch 
kleinere  Brüche  von  vaußta  begegnen. i)  Andrerseits  wurde  mir 
von  aegyptologischer  Seite  mitgeteilt,  dass  die  Form  vaüj'Jiov  so 
wenig  aegyptisch  aussehe,  dass  eher  das  demotische  nbt  als  Trans- 
scription des  Fremdwortes  vaußcov  aufzufassen  sei. 

Bei  dieser  Sachlage  wird  es  besser  sein,  auf  die  Etymologie 
einstweilen  zu  verzichten-)  und  eine  Sacherklärung  zu  versuchen.  Ich 
stelle  im  Folgenden  die  Punkte  zusammen,  die  für  die  Auffassung 
von  vaüßtov  von  Bedeutung  sind.  Vor  allem  ist  hervorzuheben,  dass 
die  Naubien  regelmässig  in  Beziehung  zu  Erdarbeiten  (Ipyaj  stehen. 
Betrachten  wir,  zu  welchen  Verben  vaußtov  in  ein  Objectsverhältnis  tritt: 


')  So  kleine  Brüche,  wie  Mahaöy  in  Pap.  (I)  XXIII  las,  kommen  dort  aller- 
dings nicht  vor.  In  Z.  14,  wo  er  liest  und  erklärt,  vaußia  AwXSoä  (4834  .. 
perhaps  65  —  j\j,  steht  in  Wirklichkeit  vaößta  dwXSCA,  ^- ^-  1^34  ü  (also  f ) 
Naubien.  Derselbe  Bruch  begegnet  in  Z.  21,  wo  ich  lese  äu^C^  =  5490  J  J 
(statt  uq)).  In  Z.  4  las  ich  zum  Schluss  den  Bruch  fj=-J.  Z.  IC  (xu8  ■f^l404< 
(statt  5u7i5  I-  =  4484|).  In  Z.  8  ist  ein  zweistelliger  Bruch,  wie  iß',  zu  ergänzen. 
Die  auf  der  folgenden  Seite  mitgeteilten  Fragmente  habe  ich  nicht  am  Original 
vergleichen  können.     Doch  bezweifle  ich,  dass  dort  der  Bruch  -^'^  vorkommt. 

■)  Eigenartig  ist  Wessely's  Versuch,  das  Wort  aus  dem  Griechischen  ab- 
zuleiten. CPR  I  S.  8  vermutet  er,  „dass  vaußtov  die  vulgäre  Form  des  hnme- 
rischen  Wortes  vi^Vov,  attisch  vaCov,  von  vaöj  gebildet  ist,  Holz  zu  Wasserbauten 
und  die  Holzsteuer  dazu"  ! 


§  78.     DAS    NAUBION.  261 


1.  a.nzpfä.^tad-x:.  Vgl.  1023:  'A/ietpYaaTa:  .  .  .  IlxTaOj;  .  .  . 
vaii|3t3c  X.  „Patajws  liat  fertig  gearbeitet  so  und  so  viele  Naubien". 
Aehulich  in  lUäö.  Vgl.  auch  1222:  vaußiwv  |Jir^  ä-cpYxaxMvxwv, 
auch  Petrie  Pap.  I  S.  [G6]  unten. 

2.  ipyä[l,ead-ot.i.  Vgl.  1043  — 1047:  „Du  hast  gearbeitet  — 
Y)pY  =  YipY(aao)  für  El'pY(aao)  —  an  dem  Tieplyw[i.a  KXoü^tos 
1  Naubiou". 

3.  avaßaXXetv.  Vgl.  1399:  „Ihr  habt  aufgeworfen  —  fievißa- 
Xexe  —  für  den  neuen  Damm  15  Naubien".  Aehulich  1410: 
'AvaߣßX(Yjxa;)  xo  Im^iXXoy  aoi  vaüßtov.  Vgl.  1411.  In  15G7 
heisst  es:  'Avaß(£ßAy;xax£)  st;  y^w([ia)  'At)'r;v(atwv)  vCaußtovj  Y^jitau. 
Vgl.  1058. 

Nur  einmal  begegnete  mir  der  Ausdruck  ävaXcaxetv  vaüßiov. 
Vgl.  Pap.  Paris.  66  IV  Z.  68  f:  xal  si?  xv^v  axpaxrjYixvjv  ol'xr^oiv 
(ivYp.wxa'.  vaüßia  äa.  „Für  die  Wohnung  —  wohl  für  die  Wälle 
zum  Schutz  der  Wohnung?  —  des  Strategen  sind  1200  Xaubien 
aufgewendet  worden".  Darin  liegt  wohl  nur  ein  Hinweis  auf  die 
Arbeitskraft,  die  dazu  verwendet  worden  ist.  In  1034  ist  die  Lesung 
i.TZO'.yi(axTJ)  unsicher. 

Andrerseits  lehren  uns  die  Petrie  Papyri  (I)  XXII  2  und  XXIII, 
wie  ich  schon  in  den  Gott.  Gel.  Anz.  1895  S.  148/9  dargelegt  habe, 
dass  der  Lohn  für  die  Arbeiter  au  den  Dämmen  und  Kanälen  nach 
der  Zahl  der  Naubien,  und  zwar  unter  Zugrundelegung  des  Satzes 
von  1  Tetradrachme  für  60  Naubia,  berechnet  wurde.  Um  diese 
Berechnung  auszuführen,  fand,  wie  der  PapjTus  sagt,  eine  [lexpYjaL; 
IpYUV  statt.  Wie  die  hiernach  aufgestellten  Listen  aussahen,  zeigt 
der  Papyrus  XXIII,  der  die  unmittelbare  Fortsetzung  von  XXII  2 
bildet.  Da  wird  zunächst  der  betreffende  Damm  nach  seiner  Lage 
und  Richtung  gekennzeichnet,  darauf  die  Zahl  der  vaüßta  angegeben 
(ohne  Verbumj,  endlich  der  Lohn  berechnet  nach  der  Formel  ei;  ^ 
Ttüv  51-   (s.  oben). 

Diese  selbe  Formel  begegnet  nun  auch  gleichzeitig  bei  der 
•Berechnung  des  Lohnes  für  die  iiüiXiix  oder  Xwta.  Vgl.  Petrie 
Pap.  (II)  IV  11  und  XXXVI  2.  Auch  diese  Wörter  sind  bisher 
völlig  unerklärt.  Der  Papyrus  XXXVI  1  zeigt  uns  andrerseits,  in 
welcher  Weise  die  [lExpr^a^g  EpYWv  stattfand.  Xach  meiner  am  Ori- 
ginal vorgenommenen   Revision   des    Textes   lautet   die  Ueberscluift: 


262  IV.  KAPITEL. 


Xwta    t/.    TÖV    |l£TpYjT)-£V-c[(D]y 

|v  x'^t  Sttipuyt  zfi'.  Tzpbq  Xl^x  'H'fX'.av.- 
ioog  -pbc  voTOV  xvjc  KXewvog 
5    [ojitopuyo?  au[i.7tap6vxos  Tewto? 
•  £a£jiMü)5  xoO  Tiapä  Teüxoc 
[^a]a:X'.x[o]ö  Yp(a[iiJiaT£Wc)  xcd  .  uataouxtoj 
xoO  Tiap'  'Ap|io5toi)  y£W[i£xpou. 

Also  der  königliche  Schreiber  uud  ein  Geonicter,  resp.  ihre 
Unterbeamteii ,  vermessen  die  Erdarbeiten  zusammen  mit  dem 
'IjiouStjS,  und  auf  Grund  der  Vermessung  wird  die  Zahl  der  fertig- 
gestellten Xtüta  constatirt.  Das  Vermessungsresultxit  wird  in  fol- 
gender Weise  gebucht  (Z.  IH  f.):  oyovAa.  £  rSkötxoc,  y  ßa^l'Og  a  / 
dwEX'.a  xX^.  Vgl.  Z.  31 :  <t/o'm%  it  TiXäxos  y  ßaä-o?  a  dwiX-.a  w?!^'-. 
Ich  überlasse  es  den  Mathematikern,  hiernach  den  Umfang  der 
awiXca  zu  berechnen.  So  viel  aber  dürfte  hiernach  sicher  sein,  dass, 
wie  auch  Mahaffy  bereits  bemerkt  hat,  sie  als  Mass  aufzufassen  sind, 
und  da  drei  Dimensionen  angegeben  werden,  Länge,  Breite  und  Tiefe, 
so  handelt  es  sich  um  ein  Raummass,  mit  dem  die  aufgetragenen 
oder  abgetragenen  Erdmassen  gemessen  wurden.  Da  wir  nun  sehen, 
dass  für  1  vaiiß'.ov  derselbe  Lohnsatz  besteht  wie  für  1  awEXtov,  so 
dürfen  wir  wohl  annehmen,  dass  mit  diesen  beiden  Wörtern  ein  und 
dieselbe  Sache  bezeichnet  ist,  vielleicht  von  verschiedenen  Gesichts- 
punkten aus  aufgefasst,  und  da  auch  die  oben  nachgewiesenen  Ver- 
bindungen mit  (5;ji£pya^£a-9'ai  und  dvaßäXXeiv  sich  dieser  Deutung 
fügen,  ist  es  mir  das  wahrscheinlichste,  dass  auch  das  vatjßtov  ein 
Raummass  ist,  mit  dem  die  Erdarbeiten  gemessen  werden.') 

Was  bedeutet  es  hiernach,  wenn  ein  Steuerzahler  wie  in  1396 
•j-lp  vaijßöou  Geld  zahlt?  In  BGÜ  572,  CTR  I  16,  CCXL  30 
schliesst  der  Zusammenhang  es  aus,  vauß'.ov  als  Mass  zu  fassen. 
Vielmehr  ist  hier  ohne  Zweifel  eine  Abgabe  oder  eine  X£txoupyta 
gemeint,  und  zwar  eine  solche,  die  auf  dem  Boden  lastet.  Ich 
vemiute,  dass  wir  hier  einen  ganz  ähnlichen  Bedeutungswechsel  vor 
uns  haben,    wie  oben   bei  y£(i)H£xp:a  und  Xaoypa^ia:    vaüßtov  wird 


')  Die  Aegyptologen  mögen  prüfen,  oli  nicht  ein  ZiiSimimenliiing  zwischen 
diesem  vaüß'.ov  und  dem  koptischen  NXyBeiS  möglieh  ist,  das  in  Psalm  XVI  5, 
XVII  37,  CXVIII,   133   den  8iaßi^iiaxa  der  LXX  entspricht. 


§78  —  80.  263 

auch  die  Abgabe  oder  Liturgie  bezeichnen,  die  diiirli  das  Raum- 
mass  vaüß'.ov  ermittelt  und  bestimmt  wird.  Hier  kann  es  sich  nur 
um  die  Verpflichtung  liandeln,  bei  öffentlichen  Erdarbeiten  (für 
Deiche,  Kanäle  etc.)  Frohndienste  zu  leisten  (vgl.  unten  §  136). 
Wo  nun  unep  vaußiou  Geld  gezahlt  wird,  da-  wird  der  Fall  vor- 
liegen, dass  der  Steuerzahler  sieh  durch  das  Geld  von  der  Frohu- 
arbeit  loskauft  —  also  eine  Art  adaeratio.  In  BGU  662  wird 
ÖTcep  vaußto'j  xaxoixwv  gezahlt.  Auch  im  Pap.  Lond.  CCCLXXX 
(III.  Jahrh.  u.  Chr.  1,  wo  Jemand  vaußoou  yxXyiv^iobq)  c  zahlt,  handelt 
es  sich,  wie  das  vorhergehende  äp'.ö'jr/jxt  txoO)  xaT(o£xwv)  zeigt,  um 
einen  xäxotxoc.  Dass  die  Katoeken  nicht  persönlich  die  Frohn- 
dienste leisteten,  passt  zu  dem,  was  wir  sonst  von  ihrer  Stellung 
wissen.  Im  Pap.  Lond.  CCCLXXXIII  (II.  III.  Jahrh.)  wird  das 
vaujStov  zu  den  „Einnahmen  der  Dörfer"  gezählt :  >,Y/|ji[idcT(i)v  xo)|xöjv 
Zy  vaußEou  ISa-fiöv  xaxaxXT)pou)(y)ö-£VTWv  'Avxivoeüa[t]  xxÄ. 

§  79.    T-Ip  va'jAoooxcov. 

Das  Wort  vauXo56xog,  das  unsere  Lexica  nicht  kennen,  muss 
den  bezeichnen,  der  vaOAOV,  Fährgeld,  empfangt.  Vielleicht  ist 
damit  dasselbe  gemeint  wie  mit  Tüop&jjisi)?  und  TiopeuxTJs.  In  1477 
wird  zugleich  für  die  tpuXxxT^',  für  oinXCov  und  für  vauXoSoxcov 
gezahlt  (4  Dr.).  Ueber  die  Höhe  der  einzelnen  Steuer  lässt  sich 
I  daher  nichts  ausmachen. 

§  80.    TiXoq  vauTCYjywv. 

Für  Theben  belegt  durch  Xr.  672   (11,111  Jahrh.  n.  Chr.). 

Nau5rr/Y&;  bezeichnet  den  Schiffszimmerraann.  Das  xlXo; 
vauTCYjywv  ist  also  die  Gewerbesteuer,  die  diese  Arbeiter  zu  zahlen 
hatten.i)  Ueber  die  Gewerbesteuer  im  Allgemeinen  vgl.  §  135.  Das 
eigenartige  Formular  der  vorliegenden  Urkunde  haben  wir  oben 
S.  95  erklärt.  Wir  haben  es  danach  mit  einer  Bankquittung  zu 
thun.  Ueber  die  Höhe  der  Steuer  lässt  sich  aus  diesem  einen  Zeugnis 
nichts  gewinnen. 


•)  Anders  die  Abgabe  v3tu[7T;T,Yt]o[u]  in  Kyzikos  bei  Ditteiiberger,  Svll.  312. 
Das  muss  ein  Beitrag  für  die  Scliiflswerften  sein. 


264  IV.  KAPITEL. 


§   Sl.      'H  VLXpiXY|   TIA'JVOU. 

Für  Theben  belegt  durch  ;!2'.t  (III  Jahrh.  v.  Chr.)  und  1497 
(II  Jahrli.  V.  Chr.). 

Eine  Abgabe  mit  Namen  Y.^p'.xi]  war  uns  bisher  durch  mehrere 
Zeugnisse  bekannt.  Vgl.  1)  Petr.  Pap.  (II)  XXVII  3,  eine  Ab- 
rechnung über  Eingänge  aus  verschiedenen  Dörfern  des  Faijüm 
für  die  vitptx^,  aus  dem  III.  Jahrh.  v.  Chr.  2)  die  ZoispapjTi, 
aus  dem  J.  151/0  und  149/8  v.  Chr.  aus  Memphis  i),  in  denen 
die  i'(Xri'bi<;  t"^;  vtxptxfjc  eine  Rolle  spielt.  3)  Pap.  Paris.  67,  14, 
Verzeichnis  verschiedener  Steuern  aus  dem  II.  Jahrli.  v.  Chr.,  darunter 
auch  der  Y.zpixr}-). 

Während  die  Früheren  sich  meist  damit  begnügten,  von  einer 
„Xatronsteuer"  zu  sprechen,  hat  Mahaffy  a.  a.  0.  zuerst  eine  genauere 
Erklärung  gewagt,  indem  er  sie  als  an  impost  on  postask  or  f-oap 
bezeichnete.  Dass  er  das  Richtige  damit  getroffen,  zeigen  unsere 
Ostraka,  in  denen  sich  zum  ersten  Male  der  Zusatz  TzXmou  findet. 
Die  gewöhnliche  Bedeutung  von  6  uXuvög  =  Waschtrog,  Waschgrube 
ist  hier  nicht  am  Platze.  Uns  hilft  Suidas,  der  sagt:  uXuvö; 
ö^u-övü);  x6  ayYElov  atixö,  Tiapo^uTÖvws  Se  xö  -Xuvöfievov.  Ich 
lese  daher  uXuvoy,  nicht  tiXuvoO,  und  fasse  es  als  „das  Gewaschene, 
die  Wäsche".  Es  handelt  sich  also  um  eine  Steuer,  die  auf  dem 
für  die  Wäsche  gebrauchten  Natron  lag,  also  Waschnatron.  Dass 
im  Altertum  das  Natron  als  Reinigungsmittel  verwendet  wurde 
und  daher  namentlich  bei  Walkern  und  Färbern  eine  grosse  Rolle 
spielte,  ist  mehrfach  bezeugt.  Vgl.  H.  Blümner,  Technologie  etc.  I 
S.  162.  Wenn  es  daneben  natürlich  auch  zu  anderen  Zwecken 
brauchbar  war  —  so  zum  Einpöckeln  von  Fleisch  (Plin.  h.  n. 
XXXI  111)  und  daher  auch  zur  Mumisirung  von  Leichen  (Herodot 
II  86),  —  so  mag  doch  die  Verwendung  als  Seife  die  grösste  Be- 
deutung gehabt  haben.  Das  Natron,  das  schon  in  den  altaegyptischen 
Texten  als  h»mn  eine  Rolle  spielt,  fand  und  findet  sich  noch  heute  an 


i 


')  Die  Zoispapyri  sind  aus  dem  31.  uud  33.  JaMe  datirt.  Will  mau  diese 
Zahlen  auf  Euergeles  II  beziehen,  so  würde  das  140/39  und  138/7  ergeben,  niclil 
138  und  130,  wie  Wessely  (Gr.  Pap.  Kais.  Samml.  Wiens  S.  14)  sagt.  Doch 
Mehreres  spricht  dafür,  dass  die  Daten  auf  Philometor  gehen. 

*)  Ich  erinnere  hier  wiederum  daran,  dass  die  Uebersclirift  nicht  (üve[(o)]v, 
sondern  üv  s[io]iv,  zu  lesen  ist. 


§  81.     DIE    NATROXSTEUER.  265 

versehiedeueu  Stelleu  Aegj'ptens,  im  Besoiidereu  in  dem  südwestlich 
vom  Delta  gelegenen  Natrongau  NtxpiwTY,;  mit  seinen  Katronscen 
(vgl.  Straho  XVII  p.  803),  wo  der  Käme  noch  heute  am  Wädi  Natrfiu 
haftet.  Vgl.  Baedeker,  Oberaegypten  -  S.  383.  Wie  heute  die 
Gewinnung  des  Natron  auf  Kosten  der  Regierung  dort  betrieben 
wird,  so  mag  sie  auch  im  Altertum  iihnlich  wie  die  Salzgewinnung 
monopolisirt  gewesen  sein.')  Die  Einkünfte,  die  der  König  aus  der 
vtTpLxrj  bezog,  waren  nicht  unbedeutende.  Vgl.  Pap.  Paris.  67. 
Wie  hoch  die  Natronsteuer  im  Memphitischen  Gau  im  J.  153/2 
A'erpachtet  war,  lässt  sich  aus  den  Zoispapyri  nicht  ersehen.  Denn 
die  11  Talente  4000  Drachmen  (I  18)  sind  nicht  die  Gesammt- 
summe,  deren  Erhebung  Dorion  gepachtet  hat  (so  Wessely  S.  1(5), 
sondern,  wie  schon  Perron-)  richtig  erkannt  hat,  nur  derjenige 
Teil  der  Gesammtsumme,  für  den  Thanubis  die  Bürgschaft  über- 
nommen hatte  (verbinde  Tzpb<;  y^XAY.oö  oy  xXÄayr^  Tvia  8'  mit 
5td  TÖ  osSoaö'ai  Iv  OiByyurjiiOLV. ,  nicht  mit  auvEyXaßovxos).  Aus 
den  Ratenzahlungen  unserer  Ostraka  lässt  sich  nichts  über  die 
Höhe  der  Pacht  folgern. 

§  82.    EJg  xac,  vojjia?. 

Für  Theben  belegt  durch  No.338,  1257,  1531  (IL  Jahrh.  v.Chr.). 
Vgl.  auch  244. 

'H  voiJiYj  wird  in  diesem  Zusammenhang  den  Weideplatz,  die 
Weide  bezeichnen.  Eine  Zahlung  e'.c,  "äg  V0[j.d?  ist  also  eine  Ab- 
gabe für  die  Benutzung  der  Weideplätze,  und  ist  identisch  mit  dem 
^vv6(i.;ov  (vgl.  §  40).^)  In  1257  hat  der  erste  Schreiber  flcTeXstag 
geschrieben,  der  zweite  (Ptolemaios)  hat  dann  zli;  lac  vona;  darüber 
geschrieben.     Ich  meine,  dass  damit  das  erste  Wort  völlig  beseitigt 


')  Ueber  die  Ausnutzung  des  Natrons  durch  die  arabisclie  Regierung  vgl. 
Calcasehandi,  übersetzt  von  Wüstenfeld  S.  ICl.  Die  Monopolisirung  wurde  hier 
von  dem  Stellvertreter  des  Ahmed  ben  Tüliin  eingeführt. 

-)  Ebenso  auch  Lumbroso ,  Eeeherches  S.  304.  Dagegen  scheint  er  auf 
S.  323  zu  meinen,  dass  die  11  Tal.  4000  Drachmen  zwar  ein  Teil  der  Gesammt- 
pachtsumme,  aber  doch  die  ganze  Summe  sei,  für  die  Dorion  sich  verpflichtet 
habe,  während  seine  (li-oxoi  andere  Summen  übernommen  hätten.  Für  diese 
Deutung  bietet  der  Text  keinen  Anhalt. 

^)  Ich  hätte  oben  noch  darauf  hinweisen  sollen ,  dass  auch  der  Eev.-Pap. 
Col.  72/3  von  dem  i\'/a\i'.ov  handelt. 


266  IV.  KAPITEL. 


sein  soll.  Wenigstens  wüsste  ich  keine  Verbindung  zwischen  den 
beiden  Begriffen  herzustellen.  Dasselbe  Ostrakon  1257  legt  den 
Gedanken  nahe,  dass  diese  Abgabe  je  nach  der  Anzahl  der  Stücke 
Vieh,  die  man  auf  die  Weide  trieb,  berechnet  wurde.  Denn  das 
■szfP  0  wird  kaum  anders  denn  als  7ipo(ßax(flv)  5  aufzulösen  sein. 
Dasselbe  Resultat  ergab  sich  oben  für  das  Ivv&fitov.  Vielleicht  ist 
auch  Nr.  244  anzureihen,  falls  man  in  Z.  4  [ü7i(£p)  vo|ji]ö)v  ergänzt. 
Vgl.  unten  §  102. 

Als  (popo;  vo[i(Sv  begegnet  die  Abgabe  auch  in  BGU  199 
Verso  10  und  345,  11. 

§  83.    '09-oviYjpa. 

Für  Theben  belegt  durch  1499  (II.  Jahrb.  vor  Chr.). 

'OS'OViTjpa,  ein  Wort,  das  unsere  Lexica  nicht  kennen,  be- 
zeichnet die  Abgabe,  die  auf  den  öS-ovta  lastet.  Aehuliche  Bildungen 
sind  ly^vripä,  IXatpa,  (^uxr;pa  u.  s.  w. 

Die  alten  Glossatoren  erklären  Oi^ovYj  oder  ö&ovtov  als  ein 
„feines,  zartes  Gewebe"  (z.  B.  Suidas:  XsTcxd  ö^aajiaT«).  Wenn 
auch  unter  dem  6i)-6v'.ov  'Ivotxov  des  Periplus  maris  erythr. 
Baumwollenstoffe  zu  verstehen  sind,  so  haben  wir  doch  in  dem 
öö'ovcov  Aegypteus  ohne  Zweifel  vor  allem  an  feine  Linnen-  oder 
Byssosstoffe  zu  denken  i),  auch  wenn  der  Zusatz  ßuaatvov-)  nicht 
gemacht  ist.  Mit  öS-oviov  kann  sowohl  ein  verarbeitetes  Stück 
bezeichnet  werden^),  als  auch  der  unverarbeitete  Rohstoff.  In 
letzterer  Bedeutung  liegt  es  ohne  Zweifel  vor  bei  Ps.  Aristeas  (ed. 
M.  Schmidt  p.  09,  16),  w'o  unter  den  Geschenken  an  den  Ober- 
priester Eleazar  auch  genannt  werden:  ßuaaivwv  ö^ovt'wv  tOTOÜg*) 
Ixaxov,   denn   hier   ist  der   taxös,  d.  h.  das  Stück,  das  1  Webstuhl 


')  Vgl.  Jlarquanit,  Privatleb.  d.   Etim.  II-  S.  489.     Vgl.  481. 

'^)  Dieser  Zusatz  begegnet  im  Decret  von  Rosette  Z.  17  u.  29.  Ferner 
bei  Ps.  Aristeas  ed.  Schmidt  (Merx'  Archiv  f.  Wiss.  Erforsch.  AT)  p.  69,  16  = 
Joseph,  ant.  XII  117.  Auch  in  BGU  1,  3:  ö9-ovimv  ßuaaivMV.  Nach  dem  Rev. 
Pap.  103,  1  ff.  seheint  es  allerdings,  als  wenn  auch  die  axuTüTieiva  und  sp'.xa 
in  die  Verwaltung  der  öS-ov.iipä  hineingezogen  waren. 

')  Vgl.  z.  B.  Pap.  Paris.  .53,  8:  69-övtov  iiv.o'.^-qip.io)').  Lunibroso, 
Eeeherches  S.  14,  fasst  sie  aber  zu  einseitig  als  Ics  vHemcnts,  iion  les  itoffes. 
Siehe  oben. 

*)  So  ist  mit  Lurabroso,  Eeeherches  S.  109,  7,  auf  Grund  von  Joseph, 
ant.   XII  117   statt  sij  xo'js  zu  emendiren. 


§  82— «3.  267 

liefert  („die  Webe"),  das  Mass,  nach  dem  die  Stoffrnasse  gemessen 
ist.  Letroune  (Recueil  des  Inscr.  I  S.  283)  hat  die  Behauptung 
aufgestellt,  dass  ces  dS-övia  ctaient  des  piices  d' Hoffe  d'une  fjrnndeur 
connue,  autrement  on  aurait  du  quelle  etail  leur  dimendon.  Lum- 
broso  (Recherches  S.  109  „d'une  dimension  connue")  hat  sich  ihm 
angeschlossen,  doch  mit  Unrecht.  Denn  Letroune's  Einwand  wird 
durch  den  Pap.  Paris.  32  widerlegt,  wo  ausdrücklich  um  An- 
gabe der  Masse  der  ö^S-övoa  gebeten  wird.')  So  werden  sich  auch 
die  sehr  verschiedenen  Preise,  die  im  Pap.  Paris.  52  f.  von  dO'OVia 
notirt  werden  (vgl.  Lumbroso,  Kech.  S.  14),  nicht  so  sehr  durch 
die  verschiedene  Qualität,  als  durch  den  verschiedenen  Umfang  der 
Stücke  erklären. 

Nach  unserer  Urkunde  wird  die  auf  den  b%-6v'.a.  lastende  Steuer 
in  Geld  gezahlt.  Am  16.  Tvbi  hat  der  Steuerpächter  Apollonios 
6  Talente  abgeliefert,  am  2.  Pharmuthi  weitere  G  Talente  und  am 
2f).  desselben  Monats  wiederum  5  Talente,  in  summa  17  Talente.  Wenn 
der  Trapezit  die  Randbemerkung  hinzufügt  „Tal.  17  Drach.  208Ü", 
so  kann  das  in  diesem  Zusammenhang  nur  die  Sumniirung  dessen 
sein,  was  er  im  Lauf  des  ganzen  Jahres  von  Apollonios  erhalten 
hat.  Das  ist  eine  Ausnahme  von  jener  Regel,  die  wir  auf  S.  76 
erörtert  haben.  Die  2080  Drachmen  muss  Apollonios  vor  dem 
16.  Tybi  gezahlt  haben.  Es  ist  sehr  auffällig,  dass  hier  offenbar 
keine  monatliehe  Abrechnung  mit  der  Bank  stattgefunden  hat.  Auch 
der  Berliner  Papyrus  P.  1364,  der  den  Fortbestand  der  Abgabe 
für  das  IL  Jahrh.  n.  Chr.  bezeugt,  lässt  auf  Bezahlung  der  Steuer 
in    Geld    schliessen. 

Wofür  wurde  nun  diese  Steuer  gezahlt?  Wer  war  der  Zahler? 
Wenn  ich  auch  eine  definitive  Antwort  nicht  zu  geben  vermag,  so 
irlaube  ich  doch  die  Frage  durch  den  Hinweis  auf  den  Revenue- 
Papyrus  fördern  zu  können.  Dieser  handelt  von  Col.  87 — 107  von 
der  dil-ovir^pä.  Diese  Columnen  sind  allerdings'  derartig  zerfetzt, 
dass  es  unmöglich  ist,  eine  sichere  Deutung  zu  geben.  Grenfell 
hfit  sich  daher  auch  darauf  beschränkt,  auf  die  beiden  unten  zu 
behandelnden  Citate  aus  der  Rosettana  hinzuweisen.  Ich  möchte 
die  Vermutung  wagen,    dass   die  Othonionfabrikation  ebenso 


')  Vgl.  Z.  11  f.:  sroXcÄ^aS-ai  xa  [idxpx  twv  öS-ovlmv  und  22:  "ATC6axe'.X[6v] 
|io'.  xä  (lexpa  xröv  ö9-ovCa)v,  öticos  auvxö(iu)s  äTxoaxaX-J  0(11-/. 


268  IV.  KAPITEL. 


wie  die  Oelfabrikation  (Rev.  Fap.  38 — 72)  vom  König  mono- 
polisirt  wai'.     Folgende  Momente  sprechen  dafür. 

1.  Wie  der  Anbau  der  Oelpflanzen  von  der  Regierung  auf 
das  genaueste  controllirt  wii'd  (41  f.),  so  hier  der  des  Flachses,  des 
X£vo{.  Mir  scheint  wenigstens,  dass  die  Bestimmungen  in  Col.  87 
(das  rechte  Fragment  gehört  nicht  dahin)  sich  mit  dem  Flachsbau 
beschäftigen  und  den  Verordnungen  in  41  parallel  stehen.  Vgl.  87,  (y 
dpoupas  xax[£a7rap[i£vai;  (?);  8  dav  Se  6  v[o|iäp)(Yji;  xxX  [irj]  octzo- 
0£t;'>]i[xxX,  a7iOTi]v£Tü)  tlc,  xö  [ßaatXixov.     Vgl.  damit  41,  3  ff. 

2.  Mehrere  Bestimmungen  betreffen  den  Verkauf.  Vgl.  87,  14; 
88,8;  91,2:  |xyj  (?)  7i())]X£tx(üaav  £1?  xyjv  )(w[pav.  Vgl.  damit 
39,  19;  40,  8. 

3.  Col.  93  scheint  von  dein  Verbot  der  Einfuhr  nach  Alexandrien 
und  anderen  Plätzen  hin  zu  handeln  und  wäre  etwa  mit  52  zu 
vergleichen.  Z.  ü/7  ist  etwa  folgeudermassen  aufzufassen:  „Wenn 
Einer  dawider  handelt,  so  wird  der  König  über  ihn  entscheiden 
(ebenso  49,  19);  aitpiajd-w  hh  x[wv  (5fl-ovi(jü]v  xal  Ttpoc:£t57i;[paa- 
ofiaS-w  xxX.  Vgl.  52,  10:  'Eäv  os  v.veg  avaywaiv,  xoO  x£  eXai'ou 
ax£p£ai)-ü)aav  xal  Tcpo^EtgTüpaaasaö-waav  xxX. 

4.  Für  ein  Monopol  spricht  auch  96,  1 :  "Oao[u]  5'  ay  Xpstav 
£)((i)[[i£V  Xtvou  oder  öS-oviou,  verglichen  mit  53,  27:  "Oa[ou]  S'av 
XpEiav  £xcü|i£v  ilx'iou  xxX. 

5.  Desgleichen  die  Festsetzung  der  Preise.  Vgl.  94,2  und  5: 
xöv  taxöv  h  x£,  1  Webe  zu  25  Drachmen.  In  98  werden  für  ver- 
schiedene aus  dd-öwiov  gefertigte  Kleider  (yjxtbvE;  und  andere)  die 
Preise  festgesetzt.  Neben  den  Kleidern  begegnen  auch  Polster 
(x'jXEla)  und  Kopfkis.sen  (npoqy.z^d.la.Kx.') ,  offenbar  auch  aus  feinen 
Linnen  hergestellt. 

Ich  vermute  hiernach,  dass  der  Flachsbau  in  Aegypten  unter 
königlicher  Controlle  stand,  ebenso  wie  der  Oelpflanzeubau,  dass 
die  Fabrikation  von  Linnen  und  ebenso  auch  die  weitere  Ver- 
arbeitung derselben  ausschliesslich  in  königlichen  Werkstätten  statt- 
fand, und  dass  der  Verkauf  an  die  Consumcuten  in  ähnlicher  Weise 
wie  beim  Oelmonopol  geregelt  war.  Vgl.  Deutsch.  Litteratz.  1897. 
Nr.  26  Sp.  1020.  Danach  spielten  die  Xivoupyoi  und  Xtvutpot  dieselbe 
Rolle  wie  dort  die  IXatoypyot,  und  die  XwQn&la.'.  werden  sich  wie 
jene  xaTir^Xot  gestanden  haben,  von  denen  Rev.  Pap.  47,  10  ff.  handelt. 


§  83.     DIE   OTHONIONFÄBRIKATION    IM    MONOPOL.  269 

Diese  Annahme  einer  Monopol isirung  lässt  uns  nun  auch  noch 
tiefer  in  die  schon  oft  behandelten  Worte  der  Rosettana  Z.  17  ein- 
dringen: „Töv  x'  dz  x6  ßaoiXtxöv  ouvTeXouiievwv  Iv  toIq  lepoXc, 
ßuaatvwv  d&ovüov  aTteXuaev  (seil.  Ptolemaios  V  Epipliancsj  xi  ouo 
fjilpY)."  Die  Tempel  nahmen  ofieubar  auch  diesem  Monopol  gegen- 
über eine  jirivilegirte  Stellung  ein.  Wie  ihnen  erlaubt  war,  Oel 
für  ihren  eignen  Bedarf  zu  producii-en  (Rev.  Pap.  50,  20 — 52,  ;$), 
so  durften  sie  oflenbar  auch  öö'ovia  für  ihre  eigenen  Zwecke  in  ihren 
Tempelfabriken  herstellen,  mussten  dafür  aber  ein  bestimmtes  Quantum 
in  natura,  oder  falls  sie  so  viel  nicht  herstellen  konnten,  den  Preis 
dafür  (Rosettana  Z.  29)  au  den  König  abliefern.  BGU  1,  3  aus 
dem  Ende  des  II.  .Jahrh.  n.  Chr.  zeigt  uns,  dass  in  dem  Tempel  in 
Soknopaiu  Nesos  die  Othonionfabrikatiou  damals  darniederlag.  Denn 
der  Tempel  musste  sogar  die  für  die  Bekleidung  der  Götterstatuen 
nötigen  Stoffe  käuflich  erstehen:  ei;  X£cjj.'?]v  öO'ovtwv  ßuaatvwv  axo- 
Xta[iö)(v)  xpoöv  z(bw  •8-£ö)v  ...  ^p. 

In  neuem  Lichte  erscheinen  nun  die  Worte  bei  Treb.  Poll.  vit. 
Gallien.  6,  4:  nam  cum  ei  nuntiafum  etisei,  Aegyptum  desciviase,  dkvisse 
fertur:  „quid,  sine  Uno  Aegyptio  esse  non  possiimu-Hf" 

§  84.    TTTsp  o?xoo(6[ia)v?). 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  385  (a.^39  n.  Chr.). 

Man  könnte  schwanken,  ob  o\.v.o^  in  oE)coS(o[Jiiai;)  oder 
o[xoS(&[iü)v)  aufzulösen  sei.  Bedenkt  man,  dass  hinter  üTisp  ocxo 
unmittelbar  oL  folgt,  wodurch  die  Steuer  nicht  als  eine  einmalig 
erhobene,  sondern  als  regelmässige  alljährlich  wiederkehrende 
charakterisirt  wird,  so  ergiebt  sich  die  Lesung  oixoS(6|ji(j)V)  als  die 
richtige,  und  wenn  man  damit  Verbindungen  wie  OTisp  xoupewv  yL 
(vgl.  381)  vergleicht,  so  ergiebt  sich  weiter,  dass  wir  es  mit  der 
Gewerbesteuer  zu  thun  haben,  die  die  Baumeister  oder  Zimmer- 
meister (oLxoSo[j,ot)  zu  zahlen  hatten. 

§  85.    Tulp  oiwloyioic,. 

In   711,  einer  Urkunde  aus  dem  IIL  Jahrh.  v.  Chr.,  vned  über 

eine  Lieferung  von  10  Keramieu  Wein  für  änojiofp«?  xal  otvoXoyta? 

quittii-t.     Das    Wort    o'VoXoyta,    das    unsere    Lexica    nicht   kennen, 

kann  hier  nichts  anderes  als  das  „Eintreiben  von  Wein(lieferungen)"i) 


')  Auf  das  Verbum    oivoXofEtv    im  Sinne    von    „Wein  eintreiben"  scheint 
mir  bei  Äthenaeus  11   40  f.  eine  latente  Anspielung  vorzuliegen.    Athenaeus  sagt 


270  IV.  KAPITEL. 


bedeuten.  Es  hat  seine  Analogieen  iu  aaoXo'(iOL,  dpyupoXoYia, 
8aa[ioXoYta>  j^op'zoXo'^ia,  xpiö-oXoytai)  u.  s.  w.  Da  für  die  otvoÄOYta 
hier  zusammen  mit  der  ä.r.ö[iO'.px  gezahlt  und  quittirt  wird,  so 
werden  wir  darin  keine  selbständige  Steuer  zu  sehen  haben,  sondern 
wohl  nur  eine  Gebühr  für  die  otvoXöyot,  die  den  Wein  der  xnänoipa. 
einforderten. 

§  86.    Oivou  ziloq. 

Für  Theben  belegt  durch  No.  327,  397,  404. 

Aus  327,  einer  Bankquittung  der  Ptolemäerzeit,  ist  für  das 
Wesen  der  Steuer  nichts  zu  lernen.  Dagegen  ergiebt  sich  aus  3i'7 
und  404  (I.  Jahrh.  n.  Chr.),  dass  diese  „AVeinsteuer"  von  denjenigen 
erhoben  wird,  die  Weinland  (äjjiTieXwVEs)  besitzen,  also  Wein  pro- 
duciren.  In  beiden  Fällen  wird  den  Zahlern  zugleich  über  die 
Weinberg -Grundsteuer  quittirt,  und  aus  dieser  Veranlassung  ist 
angegeben,  wieviel  Aruren  Rebenland  der  Betreffende  besitzt.  Damit 
ist  die  alte  Auffassung  von  Franz^),  dass  mit  otvou  xeXo;  der 
Ausfuhr-  und  Einfühi'zoll  für  Weine  gemeint  sei,  als  irrtümlich 
erwiesen.  Vielmelu'  wird  mau  diese  Abgabe,  die  von  den  Weinberg- 
besitzern ausser  der  Grundsteuer  —  auch  ausser  der  ds7i6|xotpa 
(vgl.  §  17)  —  erhoben  wird,  als  Ertragssteuer  zu  fassen  haben. 
Vielleicht  könnte  man  sie  auch  als  Verbrauchssteuer  fassen,  die 
indireet  von  den  Producenten  erhoben  wurde,  um  auf  die  Consu- 
menten  überwälzt  zu  werden. 

Es  ist  bemerkenswert,  dass  in  den  beiden  vorliegenden  Fällen 
die  Höhe  der  Weinsteuer  nicht  in  demselben  Verhältnis  zum  Um- 
fang des  Weingartens  steht.  Während  der  Grundsteuer  in  beiden 
Fällen  derselbe  Satz  von  40  Dr.  für  die  Arure  zu  Grunde  liegt,  zahlt 
in  397  der  Besitzer  von  i  Arure  5  Dr.  2  Ob.  Weinsteuer,  in  4ö4 
aber    der   Besitzer   von    ^  Arure    nicht    etwa    die    Hälfte    hiervon. 


da:  ToaaSxa  oivoXoYrjOavxoj  ■T^ioi  TtspL  oiviüv  smövco;.  Er  hält  es  für  nötig, 
das  Wort  oivoXoYSiv  in  der  Bedeutung  „über  Weine  spreclien"  zu  paraplirasiren. 
Also  kannte  er  die  andere  Kedeutung  und  setzte  ihre  Bekanntschaft  bei  den 
Lesern  voraas.  ' 

')  Auf  dies  AVort  xpiS'oXoYia,  das  unsere  Lexica  gleichfalls  nicht  kenneu, 
stiess  ich  im  Cod.  Theod.  14,  26,  1  (vom  J.  412  n.  Chr.),  in  der  Schreibunir 
„crithologia". 

-)   Franz  im  CHir.  III   S*.  297 '>.     Vgl.  Lumbroso,   Uecherches  S.  307. 


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§  86.     DIE    WEINSTEUER.  271 

sondern  1  Dr.  1  Ob.  Nun  ist  die  Möglichkeit  zuzugeben,  dass  wir 
es  mit  Ratenzahlungen  zu  tluin  liabcii,  und  diese  Möglichkeit 
scheint  durch  den  Pap.  Lond.  CXIX  niilicriicrückt.  In  dieser 
gleichthlls  tliobanischen  Urkunde  (IL  Jalirh.  n.  Chr.)  besteht  ein 
fester  Satz  für  die  Weinsteuer,  nämlich  8  Dr.  für  die  Arure.') 
Mau  vergleiche: 

In  Z.     46  werden  gezahlt   1  Dr 
„    ,,     yö       ,,  „ 

Danach  dürfte  es  nicht  unwahrscheinlich  sein,  zumal  hier  und 
dort  sonst  dasselbe  System  ist,  dass  in  obigen  0.straka,  oder 
wenigstens  in  404,  nur  Ratenzahlungen  vorliegen.  Immerhin  müssen 
wir  auch  die  andere  Möglichkeit  offen  lassen,  dass  doch  die  beiden 
Ostraka  Vollzahlungen  bieten.  Dann  würde  die  verschiedene  Höhe 
der  Steuer  sich  vielleicht  durch  die  verschiedene  Qualität  der  Trauben 
erklären.  Au  eine  Verschiedenheit  der  Qualität  des  Bodens  zu 
denken  scheint  dadurch  ausgeschlossen,  dass  in  beiden  Fällen  der 
Boden  gleich  hoch  besteuert  ist. 

Das  otvou  xiXoq  begegnet  uns  sonst  noch  im  Pap.  Paris.  G7,  12 
(II.  Jahrh.  v.  Chr.),  wo  zu  lesen  ist:  ol'vou  ziXouc,  rciy  e,  d.  h.  fiir 
Weinsteuer  lij  Tal.  5000  Dr.-).  Für  die  Kaiserzeit  bezeugen  sie 
ferner  der  Pap.  Leipz.  5  Recto  Z.  6  und  der  oben  erwähnte  Pap. 
Lond.  CXIX  passim. 

§  87.    Ttop  Tt[A"^s  oi'vou. 

Für  Theben  belegt  durch  Xr.  662,  691,  697,  1264,  1:574, 
1575,   1576,  alle  aus  der  Kaiserzeit.     Vgl.  .")02. 

Mit  dem  Ausdruck  ÖTiep  Ti[xfjg  werden  in  unseren  Urkunden 
zwei  ganz  verschiedene  Arten  von  Zahlungen  charakterisirt: 
1)  Zahlungen  für  den  Preis  eines  Naturalobjectes,  das  eigentlich  in 


')  Xu  397,  wo  5  Dr.  2  Ob.  für  |  Arure  gezahlt  werden,  liegt  also  ein 
höherer  Satz  vor. 

*)  Dass  die  Ueberschrift  nicht  ü)V£i[iü]7  heisst,  sondern  div  £[ii]tv,  erwähnte 
ich  schon  öfter. 


272  IV.  KAPITEL. 


natura  zu  liefern  war.  Dit-s  ist  die  übliche  Bezeichnung  der 
adaeratio.  2)  Zahlungen  für  den  Preis  einer  Sache,  die  man 
erhalten  oder  gekauft  hat.  Vgl.  unten  §  109.  In  den  obigen 
Ostraka  scheint  mir  der  erste  Fall  vorzuliegen.  Es  handelt  sich 
danach  um  Geldzahlungen,  die  an  die  Stelle  von  Weinlieferungen 
treten.  Nur  in  126-4  ist  ausgesprochen,  für  welche  Abgabe  diese 
Leistung  stattfindet:  eis  avvö)v(5!v).  Vgl.  S.  156.  In  den  anderen 
Texten  ist  die  Steuer  nicht  genannt,  und  wir  haben  kein  Älittel, 
sie  zu  bestimmen.  Es  ist  mir  nicht  unwahrscheinlich,  dass  es  sich 
auch  hier  überall  um  cihikduc  adaerata  handelt. 

In  ö02  ist  U7i(ep)  xt(|j.Y|L:)  olvou  durch  das  darübergeschriebene 
U7r(lp)  xt(tA'^?)  !poi(vcxwv)  annuUirt. 

§  88.    Tsloc,  ovYjXaxwv. 

Für  Theben  bezeugt  durch  No.  392,  395,  684,   1054. 

Die  nahe  Verbindung,  in  der  diese  Steuer  mit  der  Wagen- 
steuer (s.  oben  §  10)  auftritt,  könnte  es  nahe  legen  hier  nicht 
an  die  eigentliche  Bedeutung  von  övvjXaxrjs'^),  d.  h.  Eseltreiber, 
zu  denken,  sondern  an  eine  Lieferung  der  Eselbespannung  für 
die  Wagen.  Es  ist  mir  aber  nicht  bekannt,  dass  man  in 
Aegypten  die  Esel  als  Zugtier  benutzt  habe,  vielmehr  zeigen  die 
bildlichen  Darstellungen  den  Esel  immer  nur  als  Lasttier.  Ebenso 
die  Urkunden.  Das  übliche  Zugtier  für  Lastwagen  ist  vielmehr 
der  Ochse  (vgl.  Erman,  Aegypten  S.  650).  Alan  wird  daher 
doch  wohl  diese  Eseltreibersteuer  von  jener  Wagensteuer  trennen 
müs-sen.  In  684,  wo  nur  U7i(£p)  xiXiouc,)  6vy]k(ixxO)v)  quittirt  wird, 
wird  man  darin  wohl  nichts  anderes  als  die  Gewerbesteuer  der 
Eseltreiber  zu  sehen  haben.  Schwierigkeiten  machen  392  und  395,  wo 
ein  und  dieselben  Personen  uTrIp  ävrjA(ax(I)v)  und  Ö7r(£p)  6t.\t.(x^(6iy) 
zahlen.  Dass  diese  Fuhrwerksbesitzer  (es  tritt  hier  eine  Association 
von  solchen  auf)   selbst  als  Treiber  hinter  den  Eseln  herliefen,  ist 


*)  Im  Pap.  Lond.  CXXXI,  321  (ed.  Kenyon  S.  179)  begegnet  ein 
etpx<5VV)Ä((xxr]{).  Diese  Bezeichnuug  lässt  auf  eine  gewisse  Gliederung,  auf  eine 
Organisation  der  ävvjXcixat  schliessen.  Vermutlicli  schlössen  sich  auch  die 
Eseltreiber  wie  wohl  die  meisten  Gewerbetreibenden  zu  einem  Verein  oder 
einer  Gilde  zusammen.  Ein  collegium  mul(ionum)  et  aeinar(  iorum)  begegnet 
in  CIL  X  143   (aus  Potentia).     Vgl.  unten  §135. 


§87  —  89.  273 

wenig  wahrscheinlich.  Es  liegt  näher  anzunehmen,  dass  sie  Esel 
zum  Vermieten  besassen  und  eben  für  dieses  Vermietungsgeschäft 
die  Steuer  zahlten.  Oder  hielten  sie  sich  Eseltreiber  und  zahlten 
dafür  die  Steuer? 

§  89.  'OpjxocfuXaxfa. 

Für  Syene  belegt  durch  Nr.  2G2,  263,  274,  277, 302—304, 1276, 
alle  aus  der  Kaiserzeit. 

Diese  Texte  belehren  uns,  dass  es  in  Syene  eine  „Hafenwache" 
gab,  die  von  einem  acayj:>Xoö\i.zyoq  xy^v  opjioif  uXaxtav  oder  [itafl-cütTii; 
siSouj  6p\i.o^uXa.y.ixq  verwaltet  wurde.  Zur  Zeit  des  Trajan  (von 
107  — 115  nachweisbar)  war  sie  in  der  Hand  eines  'Avxwvcos 
M.o(XyaXoq,  offenbar  eines  Juden  mit  römischem  Bürgerrecht.  Von 
dieser  Hafenwache  wurde  ein  ävdp|i,'.ov  erhoben,  d.  h.  ein  Hafenzoll, 
der  nach  der  Zahl  (und  gewiss  auch  Bedeutung)  der  Befrachtungen, 
die  man  im  Hafen  von  Syene  vornahm,  bemessen  wurde.  Denn  das 
■\vird  das  Ev6p[jiiOV  5:yü)y£wv  bedeuten.  Gestützt  auf  262,  wo  die  Zahl 
der  äywYCWV  angegeben  ist  (Äywytwv  y),  möchte  ich  in  ccfüyioy  die 
„Schiffslast",  die  „Fracht"  sehen,  (ähnlich  bei  Xenoph.,  Cyr.  6,  1,  54). 
Bei  dy^Y'*  t^O'.zla^oi.i  würde  man  zunächst  an  „Frachten  machen", 
d.  h.  an  das  Befrachten  von  Schiffen  denken,  und  danach  würde 
es  sich  nicht  um  den  Import,  sondern  nur  um  den  Export  handeln. 
Doch  mag  läywyta  Tzoizlad-M  ein  allgemeiner  Ausdruck  sein,  der  auch 
das  „Frachten  ausladen"  ebenso  gut  vne  das  „einladen"  bezeichnet. 
Bei  der  commerziellen  Bedeutung  Syene's  als  Verbindungsplatz  zwi- 
schen Aeg}'pten  und  Nubien  würde  man  wenigstens  erwarten,  dass 
Import  und  Export  in  gleicher  Weise  in  Betracht  kämen.  Ich 
sehe  hiernach  in  dem  £v6p[i'.ov  eine  Gebühr  für  die  Benutzung  der 
Hafenanlagen,  berechnet  nach  der  Zahl  der  Frachtgeschäfte. 

Nur  in  einem  Falle  ist  uns  die  Summe  erhalten:  in  262  werden 
für  3  Frachten  im  Monat  Thoth  2  Drachmen  und  1  Obol  gezahlt. 
Da  die  Zahl  der  Frachten  zu  der  Summe  in  keinem  einfachen 
Bruch  Verhältnis  steht,  so  bestätigt  dies  die  Auffassung,  dass  Umfang 
und  Qualität  der  Frachten  auf  die  jedesmalige  Höhe  der  Steuer 
von  Einfluss  waren. 

Eine  abweichende  Erklärung  hat  Fröhner,  der  nur  auf  Nr.  304 
angewiesen  war,  vorgeschlagen  (Rev.  Arch.  XII  S.  43  ff.).  Er  sieht 
in  dem  Ivöpjicov  ein  Stationsgeld,  das  man  für  jeden  Tag,  den  man 

WiLCKES,  Ostraka.  18 


274  IV.  KAPITEL. 


im  Hafen  lag,  zu  zahlen  hatte.  Diese  Auffassung,  die  auch  in  die 
2.  Authige  von  Marquardt's  Rom.  Staatsverwaltung  (IL  S.  247,  7 
untl  275)  übergegangen  ist,  wird  jetzt  durch  Nr.  262  widerlegt,  in 
der  ausdrücklich  gesagt  wird,  dass  mau  den  Zoll  für  die  3  äywyta 
zahle.  Auch  scheint  mir  die  Deutung,  die  Fröhner  dem  aywyta 
-oi£la8-at  giebt,  nicht  haltbar.  Er  übersetzt:  /»orw  les  marchandkes 
importees  que  tu  y  as  laüsees.  Auch  bezeichnet  der  in  der  Urkunde 
genannte  Zeitraum  nicht  Ic  nombre  des  joiirs  passes  en  rade,  sondern 
nur  die  Zeit,  innerhalb  deren  die  einzelnen  Frachtgeschäfte  ge-  ■ 
macht  sind. 

Man  hat  unsere  6p|Jio(puXaxta  auch  mit  der  für  Leuke-Kome 
überlieferten  ■zezä.pvq  TöJv  eE?9epo|iev(j)v  (popTiwv  in  Parallele  gesetzt 
vmd  hat  in  unseren  Urkunden  die  Erwähnung  eines  Einfuhrzolles 
für  die  aethiopischen  Waren  finden  wollen.  Vgl.  Lumbroso,  Recherches 
S.  312.  Aus  Obigem  geht  hervor,  dass  unser  Ivöpiitov  von  den 
Einfuhr-  und  AusfiihrzöUen  ebenso  zu  trennen  ist,  wie  der  für  Athen 
überlieferte  Hafenzoll  (£?-Xi[Ji£Vtov  genannt)  von  den  dortigen  Ein- 
fuhr- und  Ausfuhrzöllen.     Vgl.  Boeckh,  Staatsh.  I^  S.  388  ff. 

Die  Zahler  in  den  vorliegenden  Quittungen  sind  nicht  durch- 
reisende Handelsleute,  sondern  solche,  die  in  Syene - Elephantine 
oder  nächster  Umgegend  ansässig  waren.  Das  geht  meines  Erachtens 
aus  Wendungen  hervor  wie:  töv  IrcotVjaou  xd  öctcö  Xotax  X  §0)5 
3>apjxo0^^t  X  (Dezember  bis  April).  Die  Anwesenheit  der  Leute  wird 
vorausgesetzt,  und  sie  haben  so  zu  sagen  ihr  stehendes  Conto  im 
Hafenamt.!)  Daher  kann  auch  monatlich  mit  ihnen  abgerechnet 
w-erden.  Doch  wird  das  svöp[i'.ov  auch  von  ephemeren  Besuchern 
des  Hafens  erhoben  worden  sein. 

§  90.  Efc;  Tiapouat'av. 

Die  Anwesenheit,  der  Besuch  (Tiapouata)  von  Beamten  oder 
Truppen,   auch  vom  Staatsoberhaupt,   legte  der  Bevölkerung  grosse 


')  Dass  in  304  ein  X''l''^tpO'^o;,  d-  h.  ein  Gäusezüchter  (für  XT^iVOTpocpog^, 
den  Hafenzoll  bezahlt,  scheint  mir  nicht  anstössig.  pr  wird  die  Gänsezüchterei 
im  Grossen  betrieben  und  Exportgeschäfte  von  Syene  aus  gemacht  haben.  Froh- 
ner's  Erklärung  S.  44  ist  jedenfalls  zurückzuweisen:  er  sieht  darin  einen  muni- 
cipalen  Ehrentitel;  der  Inhaber  soll  die  heiligen  Gänse  von  Syene  gefüttert  haben. 
Doch  von  solclien  heiligen  Gänsen  in  Syene  ist  niclits  bekannt,  auch  sehe  ich 
sonst  nichts,  was  diese  Hypothese  einigermassen  plausibel  machen  könnte. 


§  Sil.     DKK    HAKENZOLL.    —    §  ÜU.  275 

finanzielle  Opfer  siiif.  Bekannt  ist  die  Bittschrift  der  Isispriester 
von  Philae  (Ende  des  II.  Jahrh.  vor  Chr.),  in  der  sie  sich  beklagen, 
dass  oS  TiaperaSrjiioövcES  et?  -zolc,  «IiJAas  axpatrjyol  xal  iizia-zi~oc'.  xai 
ö-vjßapxat  xal  ßaaiXcxol  Ypa[Ji[iaT£Ts  xal  iTcoaxa-cat  tpuXaxtxwv  xal 
ol  äW.oi  -pa[Y]|j.ax'.xol  Tcavie;  xal  ai  axoXou^oOaac  öuva|i.£'.c  xal 
•;^  XoiTi'?]  OTtTjpeata  ävayxäl^ouat  i^iia?  Tiapouafa?  aü-coög  Tco'.ela&a: 
OÜy_  Ixovtas.')  Von  Beiträgen  für  die  Tiapouat'a  spricht  ferner 
Petr.  Pap.  (II)  XXXIX  e  18  (III.  Jahrh.  vor  Chr.).  Nachdem  dort 
die  Klranzspende,  der  axecpavoi;  (vgl.  §  118),  für  das  erste  Jahr  des 
Königs  aufgeführt  ist,  heisst  es  weiter  nach  Mahaffy's  Lesung: 
aXXouTtapouaiaa?  tß  (seil.  Artaben).  Ich  habe  bereits  in  den  Gott. 
Gel.  Anz.  1895  S.  160  vorgeschlagen,  statt  des  mir  unverständlichen 
aXXou~apo'jaia;  vielmehr  äXXo'j  (seil,  axe^avou)  Tiapo'joia?  zu  lesen 
und  es  zu  deuten :  ferner  „für  einen  anderen  Kranz,  der  anlässlich 
der  Anwesenheit  des  Königs  geschenkt  wurde".  Ich  halte  auch 
jetzt  diese  Interpretation  aufrecht,  wiewohl  soeben  der  Versuch  ge- 
macht ist,  jenes  Compositum  zu  retten.  Stan.  Witkowski  schreibt  in 
seinem  „Prodromus  grammaticae  papyrorum  graecarum  aetatis  Lagi- 
ilarum"  (Krakau  1897)  S.  5G:  „in  iuxtaposUa  quae  dicitur  voce  f; 
yjj.o'jr.xpooala  ocurr'd  idem  genetlms  loci  äXXou,  quem  habemus  in 
jinp.  Taiir.  1  1,  26  xaTayvovTEi;  Im  xwv  (wohl  verdruckt  für  twi) 
aXXo'j  TYjv  xaTo:xtav  £X^'^  1^^-"  ■'^'•^  Beispiel  für  ein  Compositum 
mit  diesem  localen  aXXou  wird  nicht  gebracht.  Aber  selbst  ange- 
nommen, die  Composition  wäre  möglich,  was  soll  hier,  wo  lediglich 
der  Name  einer  Steuer  oder  eines  Steuerobjectes  stehen  kann,  „der 
Aufenthalt  an  einem  anderen  Ort"?  Gerade  dieser  Versuch,  Mahaffy's 
Lesung,  die  er  selbst  mit  einem  Fragezeichen  versehen  hatte,  zu 
halten,  zeigt,  dass  sie  unhaltbar  ist.  Pap.  Grenf.  (II)  XlVb 
(III.  Jahrh.  v.  Chr.)  handelt  von  den  Lieferungen  für  die  Tiapouata 
eines  ototxr^Trjg  (vgl.  unten  §  192  und  193).  In  der  Kaiserzeit 
wurde,  um  den  Missbräuchen  zu  steuern,  vom  Präfecten  Maximus 
i  Manius  Maximus  aus  Augustus'  Zeit?)  durch  Edict  genau  geregelt, 
was  und  wie  viel  für  die  durchziehenden  Truppen  zu  leisten  war. 
Dies  erhellt  aus  dem  Edict  des  Cu.  Vergilius  Capito-)  Z.  'Idi: 
0-ox£i'n£vov    [5]£   |ir]5lva   [iy^oev    npaxxEiv    l^w   xwv   U7iö   Maföjiou 


1)   CIGr  III  4896. 
-)  CIGr  III  4956. 

18* 


27 G  rv.  KAPITEL. 


axxö'lvtwv.  Dasselbe  Edict  lehrt  aber,  dass  trotz  dieser  Verfügung 
bald  wieder  Ueberschreitimgen  vorgekommen  waren.  Gegen  diese 
wendet  sich  eben  das  Edict  des  Capito  vom  Jahre  49  nach  Chr. 

Von  einem  Besuch,  den  der  Statthalter  Aegyptens  Avillius 
Flaccus,  derselbe,  dessen  Zerrbild  uns  der  Jude  Philo  hinterlassen 
hat,  im  J.  33  n.  Chr.  in  Theben  abstattete,  berichtet  unser  Ostrakon 
1372.  Die  richtige  Deutung  dieser  Urkunde  verdanke  ich  Mommsen. 
Der  Text,  wie  ich  ihn  im  II.  Buch  8.  366  auf  Grund  meiner 
Kevision  vom  Jahre  1895  gedruckt  habe,  fuhrt  zu  unlösbaren 
Schwierigkeiten.  Mommsen  beseitigte  sie,  indem  er  vorschlug,  IXaße? 
in  IXaߣ(v)  zu  ändern.  Die  Kichtigkeit  dieser  Conjectur  ergab  mir 
meine  Copie  vom  Jahre  1886,  und  hier  gebe  ich  der  älteren  Copie 
um  so  eher  den  Vorzug,  als  das  Ostrakon  seit  1886  durch  die 
Salzkrystalle  sehr  stark  gelitten  hat.  Damals  hatte  ich  eXaßs; 
gelesen,  nicht  sXaßes  .  Was  Mommsen  verlangte,  hat  also  der 
Schreiber  selbst  gethan,  indem  er  sXaßes  nachträglich  zu  eXaßsv 
verändert  hat  (vgl.  Corrigenda).  Nun  ist  alles  klar:  „ich  habe  von 
Dir  so  und  so  viel  Drachmen  erhalten  für  den  Preis  einer  Artabe 
AVeizen  für  den  Thesauros,  den  der  Statthalter  Flaccus  für  seinen 
Besuch  empfangen  hat." 

Von  einer  TcapouoEa  zric,  ßaatXtaoTjs  handelt  die  Rechnung 
Nr.  1481,  aus  dem  11.  Jahrh.  vor  Chr. 

§  91.  IlevTYjxoan^  (l^aYwy^e). 

Für  Syene  belegt  durch  Nr.  43,  150,  für  Hermonthis  duich 
801,  806,  alle  aus  der  Kaiserzeit,     Vgl.  Ostr.  Louvre  7292.1) 

Dass  an  den  Grenzen  Aegyptens  Einfuhr-  und  Ausfuhrzölle  er- 
hoben wurden,    ist  bekannt  genügt)  und  ist  auch  selbstverständlich. 


')   Durch    ein  Versehen    ist  diese  Nummer   nicht  in  meine  Sammlung  auf- 
genommen.    Sie  lautet  nach  meiner  Copie  von  188G/7: 
[     ?     ]  tay  |iv]vös  'ASptavoO  ^ 
[  ]  V  bizip  iioLyimyfiz)  Ttupoü  dptaßöiv 

[äxajiöv  TtEVTTjXovxa  övdii(axog) 
[2apa]jii(flvo;  üax/////// 
5     [xal]  (fiaxoö  -r-  /////////a 
In  2  kann  auch  i^a.yitäyt.v.oü')  gelesen  worden.    Das  Ostrakon  stammt  wolil 
aus  dem  Ende  des  II.  Jahrhunderts  n.  Chr. 

•-)   Vgl.  Lumbroso,  Eech.  S.  312.     Marquardt,  llStV  IP  S.  274  ff. 


§90  —  91.  277 

Wir  wissen  ferner  aus  Agatharchidcs  (in  Phot.  Bibl.  p.  447'*  ed. 
Bekker)  und  Strabo  XYII  p.  8V'>,  dass  im  mittclaegyptischen  Her- 
mupolis  Durchfuhrzölle  von  denjenigen  Waren  erhoben  wurden,  die 
aus  der  Thebais  stromabwärts  gingen.  In  unseren  Ostraka  handelt 
es  sich,  wofern  ich  sie  recht  verstehe,  wiiUt  um  jene  Grenzzölle 
noch  um  diese  Binneudurchgaugszölle,  vielmehr  um  Ausfuhrzölle, 
die  in  den  (inländischen)  Häfen  Aegjptens  von  denjenigen  zu  zahlen 
waren,  die  nach  auswärts,  d.  h.  wohl  über  die  Grenzen  der  Stadt 
hinaus,  Waren  exportirten.     Betrachten  wir  die  einzelnen  Fälle. 

In  Syene  wird  der  Zoll  erhoben  von  den  leXwvai  TievTYjxoaf^; 
oder  n£VTT;xoa(Tiovat)  Xi(\iiyo(;)  Soigvr^i;.  Die  Lesung  Xö  hatte  Birch 
(zu  Nr.  150,  die  ich  nicht  im  Original  gesehen  habe)  als  „obscure" 
bezeichnet,  doch  wird  sie  durch  die  Schriftspureu  in  Nr.  43  gestützt. 
Die  Zöllner  bezeichnen  sich  also  als  Pächter  der  nevcTjxoaxi^  des 
Hafens  von  Syene. '^)  Sie  quittiren  den  Empfang  des  xIXoj  wv 
i^-q-^x'^tq  xoucptöv  XaYUVwv  x.  Es  handelt  sich  in  beiden  Fällen  um 
die  Besteuerung  des  Exportes  von  Kufen  2),  deren  Inhalt  nach  der 
Zahl  der  Flaschen  (Xayuvot),  die  sie  enthalten,  bestimmt  ist.  Der 
Stoff  ist  nicht  genannt,  doch  handelt  es  sich  vermutlich  um  Wein. 
Der  Zoll  beträgt  -^  vom  Wert  der  exportirten  Waaren.  Der  Zoll- 
betrag ist  nicht  angegeben.  Vermutlich  ist  er  in  Geld,  nicht  in 
natura  gezahlt. 

In  den  anderen  Fällen  handelt  es  sich  um  Ausfuhr  von  Weizen 
und  Linsen  aus  Hermonthis.  Die  Zöllner  nennen  sich  in  801 
und  806  xeXövat  v  (=7i£VXY]xoaTyi?)  'Ep[iwv&(cxou).^)  In  801  hat 
ein  römischer  Veteran  dafiir,  dass  er  150  Artaben  Weizen  und 
8  Artaben  Linsen  exportirt  (s^aytov,  vgl.  Corrigenda),  -^  vom 
Wert  der  Ausfuhr  zu  entrichten.  Dass  er  es  in  Geld,  nicht  in 
natura  zahlt,  macht  die  Anwendung  des  Wortes  xeXelv  sehr  wahr- 
scheinlich. 

Da  in  Hermonthis  ebenso  wie  in  Syene  der  Zoll  j^j  beträgt, 
ist  anzunehmen,  dass  in  allen  Häfen  derselbe  Satz  bestanden  hat.*) 


')   Das  svöp(ilov  von   Syene  hat  hiermit  nichts  zu  thun.    Vgl.  t;  89. 

2)  Vgl.  Kap.  X. 

')  Ich  löse  hier  'Epti(Ov9-(txou)  und  nicht  'Ep(iräv9-(=ü){i  auf  nach  Analogie 
von  Nr.  1569. 

*)  Ueber  die  nEvTrjxoaxii  als  Einfuhr-  und  Ausfuhrzoll  im  attischen  Reiche 
vgl.  Boeckh,  Staatshaush.  P  S.  382  f. 


278  rr.  kapitel. 


Hätten  wir  uur  die  Beispiele  aus  Syene,  so  würde  man  viel- 
leicht die  7:evTr)xoan^  für  den  aegj'ptischen  Grenzzoll  halten.  Doch 
die  hermonthitischen  Texte  belehren  uns  eines  besseren.  Auch 
weiss  ich  nicht,  ob  überhaupt  damals  in  Svene  ein  Grenzzoll  gegen 
ICuhic'ii  erliobcn  werden  konnte,  da  doch  auch  der  südlich  angrenzende 
Diidckaschoinos  römisches  Gebiet  war.  Bei  unserer  Auffassung  bleibt 
nur  noch  fraglich,  wo  die  Zollgrenze  anzusetzen  ist.  Auch  wenn 
wir  in  801  und  806  nach  15(39  'Ep|iwv^(  Etou)  und  nicht  'Epfiuv- 
8-i  Eto;")  auflösen ,  folgt  daraus  keineswegs,  dass  etwa  die  Gaugrenze 
die  Zollgrenze  gewesen,  denn  es  besagt  nur,  dass  diese  Pächter  die 
Abgabe  des  ganzen  Gaues  gepachtet  hatten.  Die  Bezeichnung  der 
Pächter  von  Syene  als  TEXwvai  tc.  Xtfulvoj)  'ZorjVTjC.  sjjricht  viel- 
mehr dafür,  dass  die  Stadtgrenze  oder  noch  genauer  die  Hafengrenze 
die  Zollgrenze  war,  für  deren  Ueberschreitung  der  Zoll  zu  entrichten 
war.  Diese  Annahme  findet  ihre  Bestätigung  durch  die  in  §  151 
behandelten  Urkunden,  die  uns  zeigen  werden,  dass  auch  für  die 
auf  dem  Landwege  esportirten  Waren  beim  Verlassen  der  einzelnen 
Stadt  oder  des  einzelnen  Dorfes  ein  Zoll,  ein  Thorgeld,  zu  entrichten 
war.  Ich  halte  es  hiernach  für  wahrscheinlich,  dass  auch  in  solchen 
Fällen,  wo  innerhalb  des  Gaues  von  einer  Ortschaft  zur  anderen 
exportirt  wurde,  dieser  Ausfuhrzoll  erhoben  wurde.  Dass  es  einen 
ganz  entsprechenden  Einfuhrzoll  gegeben  hat,  zeigt  der  nächste 
Paragraph. 

§  92.  IIsvxyjxoaTi^  (Efgaytoy^e) . 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  1569,  vom  J.  119  n.  Chr. 

Die  Zöllner,  die  sieh  xsXiovat  v  (=7i£VT7jxoaT'^g)  üepl  ©(i^ßa;) 
nennen,  quittiren  über  den  Empfang  des  tIXo?  Ejaytöyfig  etg  t£5([i'?jv) 
Txy  I.  "Wenn  die  Lesung  x^'  richtig  ist,  würde  das  bedeuten,  dass 
die  Zollzahler  Waren  im  Werte  von  3  Tal.  5000  Dr.  eingeführt 
haben  und  dafür  nun  r^  (das  wäre  460  Dr.)  zu  zahlen  haben. 
Es  ist  wohl  kein  Zweifel,  dass  dieser  zweiprocentige  Einfiihrzoll  in 
jeder  Hinsicht  das  Pendant  zu  dem  im  vorigen  Paragraphen  be- 
handelten Ausfidirzoll  ist.     Das  dort  Gesagte  gilt  auch  hier. 

Combinirt  man  diese  neuen  Daten  mit  den  oben  angeführten 
schon  bekannten  Nachrichten,  so  ergiebt  sich,  dass  der  Warenverkehr 
innerhalb  Aegyptens  ausserordentlich  mit  Zöllen  belastet  war.  Wenn 
man  z.  B.  von  Theben  aus  Waren  nach  Arsinoe  importiren    wollte, 


§91  —  94.  279 

so  zahlte  man  zunächst  in  Theben  einen  lokalen  Ausfuhrzoll  von  2%, 
darauf  bei  der  Hemiopolitisehen  Zollstation,  die  man  zu  passiren 
hatte,  einen  Durchgangszoll,  dessen  Höhe  nicht  bekannt  ist,  end- 
lieh in  Arsinoe  einen  lokalen  Einfuhrzoll  vdii  wiederum  2"!„.  Brachte 
man  aber  gar  Waren  aus  Indien  nach  Arsinoe,  so  hatte  man 
ausser  dem  Hermopolitischen  Dnrchgangszoll  und  dem  Arsinoitischen 
Einfiihrzoll  vorher  in  dem  Hafen  am  Roten  Meer,  in  dem  man 
gelandet  war,  eine  xsiapTYj,  also  ^ö^/g  vom  Wert  der  Waren  zu 
zahlen  (vgl.  §  205). 

IIsvTyyXoat:^]   wvt'wv. 
Vgl.  unten  §  138. 

§  93.    TpixTj  Tüsptaxspwvtov. 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  1228  (ptol.  Zeit).   Vgl.  1362. 

nspiaxepwv  bedeutet  „Taubenschlag,  Taubenhaus".  Wenn 
Pap.  Grenf.  (Ij  XXI  11  einen  i])^^  tokov  e!^  [Ttjep'.axspwva 
äT^oSeSetyiiEVOV  nennt,  so  lässt  das  wohl  darauf  sehliessen,  dass 
solche  Taubenhäuser  eventuell  einen  grösseren  Raum  einnehmen 
konnten.  Die  xpivf]  UEpiaTepwvwv  ist  also  eine  Abgabe,  die  in 
einem  Drittel  vom  Ertrage  solcher  Taubenhäuser  besteht. 

Der  Text  von  1228  bietet  eine  Schwierigkeit.  Wollte  man  xoO 
nXaxwvo;  von  xoü  Jliwpioc,  abhängen  lassen,  so  würde  der  Gross- 
vater des  Alexandros  genannt  sein,  was  mehr  als  unwahrscheinlich 
ist,  auch  würde  der  Genetiv  Txeptaxepwvos  nach  dem  vorhergehenden 
f  Tteptaxepwvwv  unverständlich  sein.  Wir  werden  daher  xoO  IlXaxwvos 
TZsp'.OTZp&yoq  zu  verbinden  haben  und  müssen  darin  die  spezielle 
Veranlassung  der  Zahlung  erblicken,  mit  anderen  Worten,  Piaton 
muss  der  Steuerzahler  sein.  Also  zahlen  die  Pächter  dieser  Steuer, 
denen  hier  quittirt  wird,  die  800  Kupferdrachmen  speziell  für  das 
Taubenhaus  des  Piaton.  In  einem  soeben  in  Berlin  erworbenen 
Ostrakou,  P.  8622,  zahlen  zwei  Frauen  für  dieselbe  Abgabe 
1475  Kupferdrachmen. 

§   94.    TikoC,    TCOV    TXSXStVÖJV. 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  1523  (II.  Jahrh.  vor  Chr.). 

Diese  Geflügelsteuer  ist  eine  Vermögenssteuer,  die  auf  den 
Besitzern  von  Geflügel  lastet.  jMeine  Vermutung,  dass  in  1026,  3 
icexTjvwv  zu  lesen  sei,  hat  sich  am  Original  nicht  bestätigt. 


280  IV.  KAPITEL. 


§95.   TTisp  TCXsovaofJiou. 

In  777  (a.  86  n.  Chr.)  quittirt  der  Verwalter  eines  Grund- 
besitzers einem  gewissen  W£V[iCüv^rji;,  1^  Artaben  Weizen  Smo  Xoyou 
T:X£ovaa|xo'j  erhaltcu  zu  haben.  Wir  haben  hier  keine  öffentliche, 
sondern  eine  private  Leistung  vor  uns,  denn  der  Zusanimeuhang  legt 
den  Gedanken  nahe,  dass  Wevjiwvit-rjs  der  Pächter  des  Grund- 
besitzers ist  (vgl.  z.  B.  898).  nXeovxaiioi;  mag  den  Ueberschuss 
bezeichnen,  der  über  den  im  Pachtcontract  vorausgesehenen  Ernte- 
ertrag erzielt  ist.  Vgl.  Rev.  Pap.  57,  13.  So  mag  diese  Zahlung 
einen  Zuschlag  zum  äxtpopcov  bedeuten. 

§  96.    Ttop  TCAiv^(.  .  .). 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  512,  572,  592,  1421,  alle  aus 
dem  II.  Jahrh.  n.  Chr. 

Die  Abgabe  unsp  tcAiv  wLrd  von  den  duattriTat  [ispicfioO 
TtX'.v  erhoben.  In  1421  scheint  die  Abgabe  pro  Arure  berechnet 
zu  sein.  Vgl.  wj  xi]^  \r-  so  und  so  viel.  Wie  diese  Abgabe  auf- 
zufassen ist,  bleibt  völlig  unklar.  Ich  will  nur  daran  erinnern, 
dass  wir  oben  S.  103  Spreulieferungen  eIc  tc/'u  tvfl'oXxt'ccv)  kennen 
lernten.  Es  gab  also  kaiserliche  Ziegeleien.  Vielleicht  handelt  es 
sich  auch  hier  um  Leistungen  für  diese  Ziegeleien.  Die  Abgabe 
wird  regelmässig  in  Kupfer  gezahlt. 

§  97.    'Yiikp  7i\oio\)   TTpETCOpiOU. 

In  Nr.  293  (Ende  des  II.  Jahrh.  n.  Chr.)  wird  neben  den 
7io-:a|xo9uXaxt5e$  und  der  axaxiwv  das  nXoöov  Tzptz&piov  als  Steuer- 
object  genannt.  Damit  kann,  wie  schon  Fröhneri)  ge.«agt  hat,  wohl 
nur  ein  Scliifl'  im  Dienst  des  Statthalters  gemeint  sein.  Für  die 
Instandhaltung  dieses  Schiffes  wurden  diese  Zwangsbeiträge  erhoben. 

§   98.    TTilp    TTOpSUTMV. 

Für  Theben  belegt  durch  335,  345,  1351,  1354,  1357,  1504, 
1507,  1508,   1517,  alle  aus  dem  II.  Jahrh.  vor  Chr. 

Der  Genetiv  uopsuxwv,  dessen  Lesung  zu  finden  mir  nur  mit 
vieler    Mühe    schliesslich    gelungen    ist   (vgl.  Corrigenda),   wird   von 

')  ßev.  ArcWol.  XII   S.  42/3. 


§  95  —  98.  281 

einem  Nominativ  uopeuxi^;  abzuleiten  sein.  Das  ist  wieder  eine  der 
zahlreichen  Vocabelu,  die  unsere  Lexica  nicht  kennen.  Da  wir  hier 
sehr  wahrscheinlich  die  Bezeichnung  eines  Standes  oder  Gewerbes 
zu  erwarten  haben,  so  leite  ich  das  Wort  von  dem  Aktivum  Tiopeuetv 
in  der  Bedeutung  „überfahren,  übersetzen"  ab.  '0  T^opS'jtfj;  ist  da- 
mit Synonymon  von  6  Tiopeu;,  was  Hcsychios  als  T:opd-\iB\)i  erklärt. 
Wir  haben  es  also  mit  der  Gewerbesteuer  der  „Uebereetzenden",  d.  h. 
der  Fährleute  zu  thun.     Vgl.  §  197. 

Da  die  angeführten  Urkunden  sämmtlich  Bankquittungen  sind, 
die  an  den  Steuererheber  ausgestellt  sind,  so  ist  über  die  Höhe  der 
Gewerbesteuer  für  den  einzelnen  Fährman  nichts  zu  gewinnen.  Doch 
sind  die  angefiihrten  Summen  für  die  Beurteilung  der  Bedeutung 
dieser  Steuer  nicht  ohne  Interesse.  Es  ist  ein  glücklicher  Zufall, 
dass  wir  nicht  weniger  als  fünf  Quittungen  aus  einem  und  demselben 
Jahre  haben.  Der  Jude  Sambathaios,  der  die  Erhebung  dieser  Steuer 
für  das  Jahr  144/3  vor  Chr.  gepachtet  hat,  hat  in  diesem  Jahre 
folgende  Summen  erhoben  und  an  die  Bank  gezahlt: 

1.  10  Tybi  Dr.  867,      (im  Ganzen)     Dr.  1000  (Nr.  1351). 

2.  25  Tybi  Dr.  867,  [ ]  (Nr.  1504). 

3.  17  Phamenoth     Dr.  867,  [ ]  (Nr.    335). 

4.  10  Payni     Tal.   1  Dr.  4434,     (im  Ganzen)     Tal.  2  (Nr.  1507). 

5.  19  Epiph  Dr.  800,       (im  Ganzen)     Dr.  1040  (Nr.  1508). 

)iese  Tabelle  ist  nach  mehreren  Seiton  hin  von  Interesse. 
Zunächst^^s^en  wir  hier  einmal  deutlich,  dass  die  in  den  Quittungen 
genannten  Sthamen  auch  dann  als  Ratenzahlung  gefasst  werden 
können  resp.  müss^a^  wenn  auch  der  Wortlaut  der  Urkunde  es  in 
keiner  Weise  indicirt.  ^^s  heisst  überall  nur  bjzip  nopeuTwv  toO  x. 
Itcu;.  Dies  gilt  im  Allgemeinen  von  den  Bankquittungen,  die  an 
die  Erheber  ausgestellt  sind.  Die  Erheber  zahlen  natürlich  immer 
in  Raten  und  haben  monatliche  Abrechnung  mit  der  Bank.  Die 
Tabelle  ist  zugleich  ein  Beweis  dafiir,  dass  unsere  oben  S.  76  gegebene 
Erklärung  der  Marginalsummen  die  richtige  ist:  sie  sind  nicht* 
anderes  als  die  Gesammtsummen  dessen,  was  der  Trapezit  im  Laufe 
des  Monats  bis  zu  dem  in  der  Urkunde  genannten  Datum  von  dem 
betreffenden  Steuererheber  erhalten  hat.  Dass  die  Surnmiruug  nicht 
auf  das  Jahr  geht,  sondern  auf  den  Jlonat,  ergiebt  deutlich  die 
Vergleichung    von    Nr,  1508    mit    1507.      Die   Marginalsumme   ist 


282  IV.  KAPITEL. 


hier  im  Epiph  kleinor  als  im  vorhergehenden  Monat  Payni.  Ich 
weise  aber  darauf  hin,  dass  wir  in  §  83  eine  Ausnahme  hien'on 
constatirt  haben. 

Trotz  des  verhältnismässig  grossen  Materials  lässt  sich  nicht 
berechnen,  zu  welchem  Preise  die  Steuer  pro  Jahr  verpachtet 
war.  Wir  müssen  bedenken,  dass,  wie  der  Steuerzahler  in  freien 
Raten  zahlte,  so  in  Folge  dessen  auch  der  Steuerpächter  die  fiillige 
Summe  in  entsprechenden  Raten  an  die  Bank  weiter  zahlte.  Wenn  also 
Sambathaios  bereits  am  10.  Pa^'ni  (also  im  Laufe  der  ersten  zehn 
Tage  des  Payni)  laut  Marginalbemerkung  zwei  Talente  abgeliefert  hat, 
so  folgt  daraus  nicht,  dass  etwa  monatlich  mindestens  zwei  Talente 
abzuliefern  waren,  mit  anderen  Worten,  dass  die  Steuer  für  mindes- 
tens 24  Talente  pro  Jahr  vergeben  war,  sondern  die  Normalhöhe 
des  Monatsbetrages  kann  eine  kleinere  gewesen  sein,  ebensogut  wie 
eine  grössere.  Der  Steuerpächter  kann  in  diesem  Monat  factisch 
mehr  als  die  Normalsumme  gezahlt  haben,  ebensogut,  wie  er  in 
anderen  Monaten  weniger  zahlt.  Da  er  am  29.  Hathyr  z.  B.  laut 
Marginalbemerkung  erst  1000  Drachmen  gezahlt  hat,  wird  er  in 
diesem  jNIonat  sehr  wahrscheinlich  weit  unter  der  Normalhöhe  ge- 
blieben sein,  wenn  er  auch  noch  am  30.  Nachträge  geliefert 
haben  sollte. 

■  Merkwürdig  ist,  dass  Sambathaios  vier  Mal  eine  Rate  von 
867  Drachmen  zahlt  (335,  1351,  1354,  1504),  davon  zwei  in 
einem  und   demselben  Monat. 

§  99.  'r~£p  7toxa[jioi^uXaxß(ov. 

Für  Syene-Elephantine  belegt  durch  Nr.  48,  87,  89—92,  104, 
108,  112,' 120,  122,  124,  127,  131,  132,  134,  139,  142,  143, 
145  —  147,  162,  169,  287,  293,  1274,  1573,  für  Theben  durch 
Nr.  439,  440,  507,  1241,  1408,  1413,  alle  aus  dem  I/II.  Jahrh. 
nach  Chr. 

Die  Texte  bieten  meist  -OTaiiOcpu^  oder  eine  andere  Abkürzung, 
die  uns  über  die  Wortform  im  Unklaren  lässt.  'Ausgeschrieben  finden 
sich  folgende  Formen :  [7iOTa[io]9uXax£[5o];  in  48,  was  in  104  zu 
7to-a[ic-^u/.(a)x[Sou  verschrieben  ist.  Der  Plural  findet  sich  in  293: 
7:oxa|i.o:y'jXaxiSwv,  und  merkwürdig  verschrieben  in  134:  71ot«[iov- 
tf'jÄaxtoe;  (für  uoTa|i(i)V  9.?).     In    Theben   findet   sich  statt  dessen 


§  98.     FÄHRMANNSTEUER.    §  99.     DIE    KLUS!<\VAt'HE.         283 

einmal  ttotäiiöv  cpuXaxf](;),  in  440.  Für  letzteres  sagt  eine  latei- 
nische Inschrift  (Henzcn  ()928  =  CIL  II  IUTO)  potamophylackt.  Die 
Bedeutung  ist  klar.  'H  TiOTa[iocpu?.ax£;,  ein  AVort,  das  unsere 
Lexica  nicht  kennen,  bedeutet  „Flusswaehtschiff'  (seil,  vaö?),  und 
polamoph/hicia  die  Flusswache.  Bemerkenswci-t  ist  der  Plural  Tioxaiißv 
in  dem  thebauischen  Ostrakon.  Danach  wurde  nicht  nur  auf 
dem  Nil,  sondern  auch  auf  seinen  Arnuii  luid  Kanälen  AVache 
gehalten. 

Die  Einrichtung  dieser  Flusswache  ist  bekannt  genug.  Ich 
verweise  im  Allgemeinen  auf  die  Ausführungen  von  Lumbroso 
(L'  Egitto  2.  Aufl.  S.  29  f.).  Für  die  Ptolemiierzeit  sind  die  Wacht- 
schiffe  auf  dem  Nil  durch  Pap.  Paris.  (53  I  22  bezeugt:  „twv  änl 
Twv  ^uXaxiowv  [xsxjayulvwv  vaux?.rjpo[ia)(t|jiü)v"  (II.  Jahrh.  vor  Chr.). 
Der  Text  ergiebt  zugleich,  dass  diese  Schiffsbemannungen  sieh  teils 
in  Alexandrien  (vgl.  Z.  20:  oc  TiapE^eopeuovTs;  iv  'AXe^avSpsta-.), 
teils  in  den  Gauen  befanden.  Vgl.  Z.  24:  „to'j[;]  Tiap'  aOxwv  äizo- 
leXBi\i\ibjouq  (so  las  ich  am  Original  statt  TioXt\iiri\iiyo\)<;,)  era  twv 
TÖ^wv",  wo  unter  den  totiol  die  Toparchien  der  Gaue  zu  verstehen 
sind.  Für  die  K.aiserzeit  bezeugen  unsere  Ostraka  dieselbe  Einrichtung, 
und  zwar  von  Vespasian  bis  Antoninus  Pius.  Die  eben  erwähnte  latei- 
nische Inschrift  i)  fallt  in  die  Zeit  Hadrians  (vgl.  Hirschfeld  R.  V. 
S.  127).  Auch  Josephus  bestätigt  diese  Einrichtung,  indem  er  erzählt, 
dass,  wie  die  Ptolemäer,  so  auch  die  Kaiser  den  alexandrinischen 
Juden  die  Flusswache  (ßuminis  cmtodiarn)  -)  anvertraut  hätten.  Es 
bleibt  mir  freilich  zweifelhaft,  ob  unter  dieser  den  Juden  anvertrauten 
custodia  die  militärische  Leitung  und  Bemannung  der  WachtschifTe 
zu  verstehen  ist.  Man  denkt  unwillkürlich  an  die  kurz  vorher 
(§  44)  von  demselben  Josephus  (vgl.  Aristeas)  aufgestellte  Be- 
hauptung, dass  Ptolemaios  I.  die  Castelle  Aegyptens  den  Juden 
zur  Bewachung  anvertraut  habe !  Die  Flusswache  war  aber,  wie 
Lumbroso  richtig  hervorhebt,  nicht  nur  da,  um  die  Ordnung  auf- 
recht zu  erhalten  und  den  Handel  und  Wandel  auf  den  Wasserwegen 


^)  CIL  II  1970:  i.  Valerio  L.  f.  Qitii:  Proculo  ....  praef.  classw 
Alexandrin.  et  potmnophylaciae. 

')  Joseph,  c.  Apion.  II  5  §64:  Maximam  vero  eis  (Judaeis  in  Alexandria 
commorantibus)  fidem  olim  a  regibus  datam  conservaverunt  (imperatores),  id  est 
ßuminw  custodiam  totixisque  custodiae  ncquaquam,  his  rebns  indignns  esse  indi- 
cantes.     Was  soll  totiusgue  custodiae' 


284  IV.  KAPITEL. 


ZU  beschützen,')  sondern  auch  um  die  ordnungsgemässe  Eintreibung 
der  auf  den  Wasserstrassen  fälligen  Zölle  und  Abgaben  zu  control- 
liren,  resp.  durchzuführen.  Hierzu  wird  man  Juden  verwendet 
haben,  die  ja  schon  in  der  Ptolemäerzeit  eine  besondere  Veranlagung 
zu  solchen  Geldgeschäften  documentirten.-)  Ob  freilich  sie  allein 
zugelassen  wurden,  wie  Josephus  glauben  machen  will,  lasse  ich 
dahingestellt.  —  Ich  denke  mir,  dass  bei  den  Standquartieren  der 
Flusswache  sich  Zollbuden  befanden,  in  denen  diese  Geschäfte  ab- 
gewickelt wurden.  Vgl.  Strabo  XVII  p.  813:  „'E^f;^  5' ^axlv 'Ep[io- 
TioXtttxYj  (puXaxT^,  xsXü)vc6v  xt  tüv  ex  zfiq  0r/ßatSo;  xaxatpepo- 
lilvwv.  Auf  die  äussere  Anlage  dieser  Stationen  wirft  die  Bezeichnung 
axsSta  Licht,  die  abwechselnd  neben  tpuXaxrj  begegnet.^)  Es  sei 
hier  auch  darauf  hingewiesen,  dass  in  unseren  Quittungen  über 
7COxa(io<puXaxioe5  manchmal  daneben  auch  die  oTaxöcüv  derselben 
erwähnt  wird.    Vgl.  §  HG. 

Unsere  Ostraka  lehren  uns  nun,  dass  für  die  Instandhaltung 
dieser  Flusswache  eine  Abgabe  von  den  Unterthanen  erhoben  wurde, 
denn  so  werden  wir  mit  Fröhner  (Rev.  Archeol.  XII  S.  42)  diese 
Quittungen  zu  deuten  haben.  Meistens  wird  quittirt  uTtIp  [i£pLa|JioO 
itO"ano;puXaxtSo;,  womit  über  die  Bedeutung  der  Zahlung  nichts 
ausgesagt  ist.  Einmal  heisst  es  ÖTiep  ö'jitdviou  TiOxa[iO<yuXaxtSo? 
(104),  und  in  vier  Quittungen,  die  alle  aus  dem  J.  1 13/4  stammen, 
heisst  es  bukp  |iia&oO  -oxaiio^uXaxiSos  (89 — 92).  Die  letzteren  Aus- 
drücke weisen  darauf  hin,  dass  die  Abgabe  auch  für  die  Verpflegung  und 
Besoldung  der  Mannschaften  auf  den  WachtschiiTen  verwendet  wurde. 

Vergleicht  man  die  gezahlten  Summen,  so  fallt  auf,  dass  die 
Beträge  für  ein  und  dasselbe  Jahr  meist  gleich  hoch  sind.    So  zahlen 


')  lieber  die  Bewachung  des  alexandriuischen  Hafens  giebt  Strabo  II  p. 
101  interessante  Auskünfte:  ä'/X"  0'J5'  äjov  t;v  äv£u  TipooiaYiiaxos  l?  'AXsaav- 
Sps;«;  äväYEa9-a'.,  y.ac  laOia  vsvco^iotiev(p  ßaatXr/.ä  x^'^iV-"^'^^  (ä<^'l-  Eudoxosj. 
O'JSe  ys  XaS'stv  sxuXsOaoevca  eyeüx^io,  Tooaüx^  ifpoup?  x£y.?.si.a|j.£vou  toS  ?.i|i4vos 
xai  TÖJv  äXXiüv  sJöSiuv,  öarj-j  xal  vOv  Ixi  5ta(Jiävouaav  l'[ttü\s.f^  fKiEls  ein5ir]|xoDvi£S 
x^  'AXsJaväpstqc  noXuv  xp^vov,  vloclxoi  xä  vSv  TtoXu  ävctxa'.,  'Pwiiaimv  e'XO'ixioy 
al  ßaa'.X'.y.ai  3e  cppoupai  ito?.'!)  f|aav  Tc.npoxepat.  Man  durfte  also  aus  Alexandrien 
nicht  ohne  spezielles  7ipd;xaY|ia,  niclit  ohne  Pass  in  See  stechen. 

'']  Zahlreiche  Juden  unter  den  thebanischen  Steuerpächtern  des  II.  Jahrh. 
vor  Chr.,  vgl.  Kap.  VI.  Ein  Jude  auch  an  der  Spitze  der  6p|iocpuXax{a  in 
Syene.  Vgl.  §  89. 

*)  Vgl.  Agatharchid.  bei  Pliot.  p.  447  b  ed.  Bekker.     Dazu  Henzen  C928. 


§99—101.  285 

fiir  75/6  zwei  Leute  je  4  Obolen  (439,  440),  fiir  124/5  zwei  Leute 
je  10  Obolen  (131,  132),  für  128/9  zwei  Leute  je  1  Drachme  4  Obolen 
(145,  146).  In  1573  (für  dasselbe  Jahr)  ist  die  Summe  nicht 
erkennbar,  doch  Vater  und  Sohn  zahlen  dasselbe  ('iy.xaxO(;  .  .).  Fiir 
1 1 3/4  zahlen  zwei  Leute  je  6  Drachmen  5  Obolen  (89 ,  91),  einer 
nur  5  Drachmen  3  Obolen.  Letzeres  kann  Rate  sein.  Auch  in  dem 
soeben  in  Berlin  erworbenen  Ostrakon  P.  8620  zahlen  zwei  Leute 
für  das  Jahr  119/20  je  1  Drachme  5  Obolen.  Daraus  scheint 
sich  zu  ergeben,  dass  der  Betrag  alljährlich  festgesetzt  wurde,  und 
zwar  pro  Kopf  in  gleicher  Höhe.  Dass  auch  fiir  diesen  kopfsteuer- 
artig aufgelegten  Zwangsbeitrag  die  Bezeichnung  [itpia[i6i  so  häufig 
wiederkehrt,  stützt  unsere  Ausführungen  in  §  75. 


§  100.  Mepio[ic/$  TipaxToptou. 

Das  Tipaxxcpiov  ist  das  Bureau  der  Tipxxxope?,  der  Steuer- 
erheber. Aus  dem  Edict  des  Tib.  Julius  Alexander  wissen  wir,  dass 
im  Praktorion  diejenigen  gefangen  gehalten  wurden,  die  der  kaiser- 
lichen Kasse  verschuldet  waren.  Vgl.  CIGr.  III  4957,  Z.  17  f: 
|j.Yj5'  SXü)s  v.a(.ioi.xlzUad-o!,i  iivac,  iXe\)d-ipoDi;  .  .  .  zlc,  xo  TzpocKiäpziow 
e^w  "cöjv  ö^EiXövTWV  etg  xöv  xup'.axiv  Xö^(OV.  Es  war  also  zugleich 
ein  Gefängnis  für  die  Steuerschuldner.  Um  so  bitterer  mag  es  die 
Bevölkerung  empfunden  haben,  dass  sie  zur  Herrichtung  oder  In- 
standhaltung dieser  Schuldgefängnisse  aus  ihrer  Tasche  beizutragen 
gezwungen  wurde.  In  Nr.  517  (Theben,  a.  118)  werden  für  diesen 
Zweck  3|  Obolen  von  den  Sm(X'.z{r{zaC)  (Jt.£p:a[i(oO)  upaxxtopfou  (sie) 
erhoben.  Auch  dieser  Zwangsbeitrag  wird  kopfsteuerartig  aufgelegt 
sein  (vgl.  [lepiafio?). 


§  101.  Msptofiös  Tipsaiifcu. 

In  621  (Theben,  a.  145  n.  Chr.)  quittiren  die  dTratxvjxai  (lepta- 
[loO  7ip£atoE(ou).  Ich  lasse  dahingestellt,  ob  man  praesidium  hier 
im  Sinne  von  Besatzung  oder  von  Lager,  Schanze  oder  dgl.  fassen 
soll.  Jedenfalls  scheint  hier  eine  Abgabe  vorzuliegen,  die  mit  der 
militärischen  Besatzung  des  Ortes  in  irgend  welcher  Beziehung  steht. 
Auch  sie  wird  kopfsteuerartig  aufgelegt  sein. 


286  IV.   KAPITEL. 


I 


§  102.  Ttisp  TipoßaTcov. 

In  1369  (Theben,  vom  J.  10  u.  Chr.)  wird  für  den  Monat 
Choiak  eine  Abgabe  für  15  Schafe  gezahlt.  Der  Betrag  ist  nicht 
angegeben.  Diese  Steuer,  die  von  den  Schafbesitzern  erhoben  wird, 
ist  als  Vermögenssteuer  aufzufassen.  Um  die  Besteuerung  der  Schafe 
zu  ermöglichen,  mussteu  die  Herdenbesitzer  alljährlich  eine  anoypa-^i^ 
eim-eichen  (vgl.  Kap.  Y).  Speziell  über  den  Besitz  an  Schafen  handeln 
BGU  133  und  ein  Wiener  Papyrus  bei  Hartel,  Griech.  Pap.  Erzh. 
Rain.  S.  74.*)  In  den  Faijümer  Pap3'ri  begegnet  die  Schafsteuer 
unter  dem  Namen  (pöpog  TtpojBaxwv  mehrfach.  Vgl.  BGU  41,  12; 
63,  6;  199,  16;  292,  3.  Es  sei  hervorgehoben,  dass  die  Erhebung 
dieser  Schafsteuer  (ebenso  wohl  der  verwandten  Viehsteuern)  in 
besonderer  Weise  der  Oberaufsicht  des  Strategen  überwiesen  gewesen 
zu  sein  scheint.  In  dem  noch  unpublicirten  Berliner  Papyrus 
P.  1394  findet  sich  bei  tföpou  -poßäxwv  —  und  nur  hier  —  der 
Zusatz  Ö71Ö  (ppov[Ttoa  axpaxYjYoö].-)  Bemerkenswert  ist  auch,  dass 
nach  dem  Pap.  Lond.  CCLV  der  Ertrag  des  cpopo?  TipojSaxwv  nicht 
wie  der  der  Biersteuer  (^uxrjpä)  an  die  Sr;jjioata  xpaTie!^«,  sondern 
zlc.  X7;V  ^Trl  xoüxots  xpa7ie^a(v)  abgeführt  wird,  also  an  ein  spe- 
zielles Ressort. 

Auch  iu  244  (Svene)  handelt  es  sich  um  Besteuerung  von 
Schafen.  Hier  ist  vor  TipojSaxwv  fi'eilich  eine  Lücke,  die  noch  ihrer 
Füllung  harrt.  Vielleicht  Hesse  sich  hier  [ü7i(£p)  vo[i]ö)v  ergänzen. 
Dann  würde  es  sich  vielmehr  um  Weidegeld  handeln.  Vgl.  §  40 
und  82. 


')  In  dem  Berliner  Text  erklärt  der  Declaraut,  dass  von  KU  updßaxa, 
6  alyss  und  10  äpvs;  des  vorigen  Jahres  14  Ttpöpaxa  zu  Grunde  gegangen  seien, 
sodass  er  nur  noch  100  anzeige.  Die  Rechnung  ist  sehr  einfach,  wenn  man, 
wie  Mommsen  vorgeschlagen  hatte,  die  10  Lämmer  des  vorigen  Jahres  still- 
schweigend als  Schafe  dieses  Jahres  mitzählt.  Die  6  Ziegen  wird  er  in  einem 
besonderen  uns  verloren  gegangenen  Satze  —  die  Urkupde  ist  unvollständig  — 
angezeigt  haben.  Es  ist  mir  nicht  klar  geworden,  wie  Hartel  a.  a.  O.  zu 
115  Stück  kommt,  die  übrig  geblieben  seien.  Vielleicht  liegt  hier  ein  Druck- 
fehler vor.  Ilpößaxov  aber,  wie  er  will,  als  „Kleinvieh"  zu  nehmen,  verbietet 
sich  dadurch,  dass  derselbe  Text  die  «1^2?  von  den  Tipößata  unterscheidet. 

*)   Ergänzt  nach   P.  1397. 


§  102.     DIE    SCnAFSTEÜER.    —    §   103.     ZUSCHLAG!:.  287 

§  103.  Ta  Tcj:o?ctaYpacp6|ji£va. 

Es  wird  kaum  nötig  sein,  alle  die  Nummern  zu  citiren,  in 
denen  für  xä  ■!ipQgCiia-(pOi^ö[izv(x.  gezahlt  wird.  Ueber  das  Auftreten 
dieser  Zahlungen  in  unr^eren  Ostraka  habe  ich  Folsrendcs  beobaelitet: 

1)  Sie  fehlen  regelmässig  in  den  i  briefartigen )  Quittungen,  die 
die  Erheber  den  Zahlern  ausstellen,  und  kommen  nur  in  den  Bank- 
quittungen vor. 

2)  Sie  fehlen  ( bisher)  regelmässig  in  den  Texten  der  Ttolemäer- 
zeit  und  begegnen  nur  in  denen  der  Kaiserzeit.  Am  Ende  des  II. 
und  im  III.  Jahrh.  nach  Chr.  werden  sie  nicht  erwähnt. 

3)  Sie  fehlen  in  Syene-Elephantine  und  begegnen  in  Theben, 
aber  nicht  regelmässig.  Fast  immer  werden  sie  in  den  Quittungen 
aus  Xäpa^,  'ßsyi  und  'Ay''  ß  erwähnt,  dagegen  fehlen  sie  mit  einer 
Ausnahme  (489)  in  denen  aus  Nötgc  xal  A['|). 

Ich  füge  hinzu,  dass  sie  auch  in  den  Quittungen  aus  dem  Faijüm 
vorkommen,  und  zwar  in  Urkunden,  die  nach  meiner  Auffassung 
wiederum  Bankquittungen  sind.  Vgl.  BGU  99,  219,  337,  342. 
Vgl.  auch  Pap.  Grenf  (II)  XLI,  10;  XL VIII;  LH.  Auch  für 
Panopolis  sind  sie  bezeugt.     Vgl.  Hermes  XXIII  S.  593. 

So  viel  über  das  Vorkommen  der  TiposScaypacpöiJiEva.  Was 
liaben  wir  uns  nun  darunter  vorzustellen?  AiaypätfSiv  heisst  „zahlen". 
Also  ist  xä  7:pocScaypa'^6jJ.£va  das,  was  zu  etwas  anderem  hiuzu- 
üt'zahlt  wird.  Vgl.  auch  Pap.  Paris.  62  V  .'i.  In  der  That  begegnet 
~.i  3rpo;5  niemals  selbstständig,  sondern  immer  im  Anschluss  an  eine 
vorhergehende  Zahlung  (vgl.  xd  xoüxwv  Tipogotaypacpofieva).  Ich  habe 
schon  im  Rhein.  Jahrb.  LXXXVI  S.  249  die  Deutung  vorgeschlagen, 
dass  mau  an  Schreibgebühren  oder  Aehnliches  zu  denken  habe.  Diese 
Auffassung  wird  jetzt  durch  die  Faijümer  Urkunden  bestätigt.  In 
BGU  99  steht:  xal  x«  7ip[o;]5ua-j'pa^ö[ji£va)  au\).pöX{o'j)  oder  auji- 
ßoX(cxa),  „das,  was  hinzugezahlt  wird  für  die  Quittung", i)  wo  mit  dem 
aij|i.,joXov  eben  die  vorliegende  Quittung  gemeint  ist.  Ich  verweise  auf 
Revenue-Pap.  20, 14  fi':  ["Oax  Sä  ajuyypä^ovxai  ot  otxovö|i.Gi  xxX  . . ., 
[irj  7cpxaa£a\)-waav  ot  ■7ipay[ia[x£i)6[ievot]  Ix  xwv  O'jyypa^fiöv  (irjSe 
twv  a'jjißöXwv   [i[r^S£v].     Es  wird  hier  den  Oekonomen   und  anderen 


')  Zu  aü|ißoXov  als  Quittung  vgl.  Aetenstütke  aus  der  kgl.  Bauk  r.  Theben 
V,  VI,  VII. 


288  IV-  K.U'ITEL. 


köuitrlielien  Beamten  ausdrücklich  verboten,  für  die  Contracte  und 
Quittungen,  die  sie  iu  den  näher  bezeichneten,  aber  durch  eine 
lyüeke  uns  unverständlichen  Angelegenheiten  ausstellen,  eine  Gebühr 
zu  erheben.  Wenn  Philadelphos  es  für  diesen  speziellen  Fall  verr 
bietet,  muss  es  sonst  üblich  gewesen  sein.  Wir  würden  aber  xä 
TiposStaypsccpoiiEva  zu  eng  fassen,  wenn  wir  es  nur  auf  die  Quittungs- 
gebühren beschränken  wollten.  Es  muss'  ein  weiterer  Begriff  gewesen 
sein,  der  auch  andere  Bureaugebühren  in  sich  schloss.  Denn  iu 
Pap.  Grenf.  (II)  XLI,  10  werden  xä  TcposStaypacf  &|i,£va  und  xd  aujjißo- 
?,cxä  neben  einander  genannt.  Der  Text  lehrt  zugleich,  dass  der 
Steuerpächter  schon  in  seinem  Pachtangebot  der  Regierung  eine 
bestimmte  Summe  für  diese  beiden  Posten  in  Aussicht  stellte.  Auf- 
fällig bleibt  nur,  dass  wir  keine  Quittungen  haben,  in  denen  der 
Pächter  den  Empfang  dieser  •7xpoi;S[aYp«<p6|i,£va  vom  Steuerzahler 
bezeugt.  Und  doch  hat  er  das  Geld  von  der  Bevölkerung  erhoben, 
wie  ja  auch  die  Baukc^uittungen  besagen.  Weshalb  uns  diese  Gebühr 
nur  in  den  oben  gezeichneten  Grenzen,  und  nicht  überall  begegnet, 
weiss  ich  nicht  zu  erklären. 

§  104.  Ek  ^lp6c,^s\l.0L). 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  834,  839,  841,  973.  Vgl.  P.  4229. 

npd;'8'(£[ia)  bedeutet  „Zugabe,  Zusatz".  In  allen  Fällen  handelt 
es  sich  um  Naturallieforungen,  teils  von  Weizen  teils  von  Bohnen 
(834,973).  Nur  in  P.  4229  ist  adaeratio  eingetreten.!)  Man  fi-agt, 
zu  welcher  anderen  Abgabe  wird  dieses  TipösS-ejia  hinzugefügt?  Die 
Antwort  dürfen  wir  wohl  dem  Pap.  Lond.  XCIX  (ed.  Kenyon  S.  158  iT.) 
entnehmen.  In  dieser  Urkunde  aus  dem  IV.  Jahrh.  nach  Chr.,  die 
Abrechnungen  über  eingegangene  Getreidclieferuugen  enthält,  werden 
durchgehends  die  Lieferungen  für  den  xavwv  und  für  das  7ip6;^£|Jia 
untei-schieden.  Der  Canon  ist  nach  dem  Sprachgebrauch  dieser  Zeit 
die  ständige,  jährliche  Naturalabgabe  (vgl.  §  175),  das  Tipo^O'Eiia 
also  ein  Zuschlag  zu  dieser.  So  werden  wir  das  npöc,d-z\icx.  unserer 
Texte  (II.  Jahrh.  n.  Chr.)  für  den  Zuschlag  der  damals  üblichen 
Naturalabgaben,   also  vor  allem  für  Grundsteuern    und  annona,   zu 

')  In  dieser  Quittung,  die  nicht  in  unsere  Sammlung  aufgenommen  ist, 
wird  gezahlt  £i{  7tpo(j)9-(s|ia)  Ti(tir/s)  -^-K?)  Spaxi[iäs)  dxTÖ  /'  ^ri.  Hier  wird 
nicht  Weizen  geliefert,  sondern  der  Preis  für  ^  Artabe  Weizen  mit  8  Dr.  bezahlt. 


§103  —  107.  289 


betrachten  haben.  Daher  heisst  es  auch  in  839,  wie  sonst  bei  den 
Gruudsteuerqiiittuugeu,  bnkp  Y£Vi^((iaTo;)  loü  otivoq  g-cou;.  —  Die 
Erheber,  die  das  Getreide  einfordern,  ncuuen  sich  rrpixiopes  atTtxyjs, 
einmal  (973)  ÄTiaaYjxyjs  xu(a|i(Dv). 

Momrascn  erinnert  mit  Recht  au  die  römische  mperindidio. 

§  105.  Ta  Tcpo(;[jL£Tpou[isva. 

Dieser  Ausdruck  besagt  auf  dem  Gebiet  der  Getreidelieferungen 
gewiss  das.«elbc,  was  xa.  Trpos5taypa^6|i£voc  auf  dem  der  Geldzahlungen 
(vgl.  §  lü3).  Er  kommt  aber  sehr  viel  seltener  vor,  vgl.  710,  1405 
(beide  aus  der  Kaiserzeit).  Aelmliche  Zuschläge  bei  Mar<iuardt, 
RStV.  112  s.  190  Anm.  4. 

§  106.    Tulp  Tipoqxi[\i.o\}). 

Für  Hermonthis  und  Theben  belegt  durch  Nr.  342,  351, 
1232,   1515,  alle  aus  dem  II.  Jahrhundert  v.  Chr. 

Eine  andere  Auflösung  für  7TpogTt''als  7tp6;xt|jiov  dürfte  kaum 
zu  finden  sein.  Das  Wort  bezeichnet  gewöhnlich  das  Straf-  oder 
Bussgeld.  Da  es  sich  hier  in  allen  vier  Fällen  um  Zahlungen 
an  die  königliche  Bank  handelt,  werden  es  Strafgelder  sein,  die 
an  den  König  fielen.  Daneben  wird  die  Zahlung  von  xa  xa-S-i^- 
xovxa  liXt]  bezeugt,  ohne  dass  die  Höhe  derselben  angegeben  würde. 
Bisher  war  es  mir  nicht  möglich,  in  1232  die  Gruppe  hinter 
npogx  zu  lesen.  Ich  erkannte  nur  Tcpo^x  ...  fffi.  Zu  den  Buss- 
geldern vgl.  unten  §  104. 

TTlSp  TCpOTOjlCÖV. 

Vgl.  §  15. 

§   107.      TTlSp  TTpOUptOU. 

In  271  (aus  Elephantine)  wird  quittirt  unkp  npoupioö  (sie) 
Tiepl  Ootvi"  xaXo[u]iJ.£VOV  (sie)  SavBavxvjv.  Die  Lesung  npoupiou 
ist  sieher.  Fröhner  (Rev.  Arch.  XII  S.  33)  hat  vorgeschlagen,  es  zu 
T:p(a[x)ouptO'j  zu  vervollständigen,  und  übersetzt:  „pour  le  navire 
pretorien  stationnant  en  Pheuicie  (et)  appele  Sendantexi" ').  Ich  halte 
eine  derartige  Vervollständigung   des  Wortes   aus  palaeographischen 


")  Wessely    (Denkschr.  'Wien.    Akad.   1889,    S.   184),    der    Fröhner    folgt, 
druckt  Kpaixouplou  ohne  Klammern  ab,  als  wenn  es  so  überliefert  wäre. 
WiLCKEN,  Ostraka.  19 


290  IV.  KAPITEL. 


Gründen  principiell  für  unrichtig.  Es  ist  zwar  behauptet  worden,  dass 
auch  in  dieser  Weise  abgekürzt  worden  sei,  doch  sind  überzeugende 
Beispiele  noch  uiclit  erbracht  worden.  Man  müsste  es  höchstens 
als  ein  Versehen  des  Schreibers  auffassen.  Aber  auch  das  ou 
spricht  dagegen,  da  u,  schlimmsten  Falls  o,  zu  erwarten  wäre. 
Vgl.  izXoiou  Tipexiöptou  in  293.  Ein  Wort  Tipoüpiov  giebt  es  nun 
allerdings  nicht.  Ich  spreche  die  Vermutung  aus,  dass  Tipoupioo 
fiir  lypoupiou  steht.  Solche  Vertauschung  der  Tennis  mit  der  Aspirata 
kommt  in  vulgärer  Dialectorthographie  vor^).  Dann  würde  die 
Abgabe  erhoben  für  ein  Castell  mit  Namen  Sandanten(?).  Freilich 
wäre  es  nun  sehr  merkwürdig,  wenn  ein  Bürger  von  Elephantine 
im  Jahre  179  n.  Chr.  für  ein  phönicisches  Castell  zahlen  sollte.  Ist 
denn  aber  die  Auflösung  <I>o'.vtx(r^v)  notwendig?  Ich  habe  in  den 
Corrigenda  \nelmehr  die  Lesung  <I>OLVt7:(G)va)  vorgeschlagen,  und 
denke  dabei  an  einen  Ort  im  unteren  Nubien,  dem  Nachbargebiet 
Elephantines  (vgl.  Kap.  ES).  Dann  hätte  man  in  Elephantine  bei- 
gesteuert zu  der  Befestigung  des  Castells  bei  Plioiriikon.  Dies  würde 
ganz  verständlich  sein. 

§  108.    Trap  Trpo)(( ). 

Vgl.  G48,  1577. 

In  648  werden  20  Drachmen  ö-ep  Tcpo'^  xoö  (autoO)  v.^  für 
den  Monat  PajTii  gezahlt,  in  1577  3  Dr.  3  Ob.  uTiep  |iep:a|ioO  Tipo^'s 
In  beiden  Fällen  muss  Ttpo'^  eine  Abgabe  bezeichnen.  Ich  weiss 
keinen  befriedigenden  Vorschlag  zur  Erklärung  zu  macheu.  An  den 
Ortsnamen  Upo^^  (vgl.  Kap.  IX)    kann    hier  nicht  gedacht  werden. 

§  109.    Trap  TiiiY^i;  Tü'jpoö. 

Für  Theben  belegt  durch  359,  (3G3,  694,  1325,  1371,  1388, 
1391,  1558,  1587.     Vgl.  1535. 

Es  sind  Quittungen  über  Geldzahlungen,  die  bnkp  xtfi'fjg  Ttupoö 
erfolgen,  also  Katurallieferungen  vertreten  sollen.  Älit  den  an- 
geführten   Worten    ist    über    die    Alt    der    Steuer,    für   welche    die 


')  Vgl.  Pap.  Leipz.  4  li.  15  naorfAUm  für  q:aavjX;ü)v.  Pap.  Greiif.  (I)  XLV 
4>avE|i'.do);  neben  nav£|i,£iy,ouj  in  XLVI,  wo  dieselbe  Person  gemeint  ist. 
BGU  71,  1 9  ff.  X'-piVf aiTov,  i?6xpai:ov,  'jTiof(,y:no'noi  für  xs'.föypacfov,  i?'.6Ypa?ov, 
&:iOYpd90v-05.     Vgl.  andrerseits  BGU  458,  7   ^ftf^^i^tS  für  tpo?r|Tr/5. 


§107  —  110.  291 

Zahlung  gescliieht,  nichts  ausgesagt.  Wir  liaben  jedenfalls  an  solche 
Steuern  zu  denken ,  die  eigentlich  in  natura  zu  zahlen  waren, 
d.  h.  namentlich  an  die  Grundsteuer  und  die  annona.  In  §  104 
haben  wir  ein  Beispiel  solcher  adaeratio  auch  für  das  np6id-t\iix 
ocireben  (P.  422il).  Dass  die  Steuer  in  den  obigen  Urkunden  nicht 
genannt  wird,  haben  sie  gemein  mit  den  meisten  Quittungen  über 
Katurallieferungen,  in  denen  gleichfalls  gewöhnlich  nur  der  Ort, 
fiir  den  die  Zahlung  erfolgt  (br.kp  Xapxxo;  oder  ähnlich),  genannt 
wird  (vgl.  §  124).  Wie  dort  wird  auch  in  den  obigen  Texten 
-1  legentlich  das  Emtejahr  angegeben,  aus  dem  der  Weizen  zu  ent- 
nehmen war.  Wie  dort  wird  auch  hier  gelegentlich  das  Ressort 
iiiannt,  für  welches  die  Lieferung  erfolgt.  Vgl.  OiOtxTQaewg  in  350, 
1-125.  Nach  alledem  ist  wahrscheinlich,  dass  wir  es  mit  einer 
adaeratio  der  Grundsteuer  resp.  der  annona  zu  thuu  liaben.  Wahrend 
bei  letzterer  die  adaeratio  sehr  häufig  eintrat  (vgl.  §  16  und  §  87), 
scheint  sie  bei  der  Grundsteuer  nur  in  Frage  zu  kommen,  wenn 
es  sich  um  Nachtragszahluugen  handelt.  Wenigstens  in  den  vor- 
liegenden Fällen  sind  die  Zahlungen,  soweit  wir  diesen  Punkt  über- 
haupt controlliren  können,  immer  Nachtragszahluugen.  Vgl.  359, 
l.>71,  1388,  1558,  1587,  wo  überall  für  die  Ernte  des  verflossenen 
Jahres  gezahlt  wird.  Eine  sehr  verspätete  Zahlung  liegt  in  1325 
vor:  da  wird  für  das  11.  Jahr  im  14.  Jahr  gezahlt.  Vgl.  S.  215. 
In  1535  scheint  mir  eine  adaeratio  des  Pachtzinses  (ex^6p;ov) 
vorzuliegen,  denn  es  heisst:  Slowxag  uuep  ou  •{s.(ap'{€l<;  xXrjpo-j. 
Der  Grundeigentümer,  der  xXripoü-/_oc,  lässt  seinen  Pächter  ('AXeEav- 
5po;)  einen  Teil  (Si.ko)  des  ihm  schuldigen  Pachtzinses  in  Geld  an 
seine  Commilitonen  (auvaTpax'.öTa'.)^)  zig  xö  7:£[p:a?]x£A[ia(?)  zahlen. 


I  §   110.     TfiC.  TipcÖTY]?   S^a[iT;VGU. 

In  336  (Theben,  vom  J.  259/8  v.  Chr.)  wird  die  Zahlung 
lediglich  durch  die  Worte  XYJ?  Tipwxr,;  ixEa[JiEVGU  *''=  begründet. 
Ebenso  heisst  es  in  1339  (aus  demselben  Jahre)  xf^;  oeuxspa;,  wozu 
man   gewiss   ein    e^afii^voi)   zu   ergänzen   hat.     In  beiden  Fällen  ist 


^)  Ein  neuer  Beweis  dafür,  dass  wir  in  den  xÄrjpoüxO'-  der  Petrie  Papyri 
nicht  mit  Mahaffy  pensionirte  Veteranen,  sondern  active  Soldaten  zu  sehen 
haben.  Vgl.  Gott.  Gel.  Anz.  189Ö,  S.  132.  Bestätigt  wurde  meine  Ansicht 
anch  von  Grenfell,  Eev.  Pap.  S.  93. 

19» 


292  IV.  KAPITEL. 


lediglieli  der  Zeitraum  angegeben,  füir  den  die  Zahlung  gilt.  Um 
welche  Abgaben  es  sich  handelt,  ist  nicht  gesagt.  Ich  möchte 
vermuten,  dass  es  sich  um  die  älixT]  handelt.     Vgl.  §  8. 

§  111.    Saxxo(96pcov?). 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  15().'5. 

Gleichviel,  ob  man  im  Text  H'.x&q  nToXXES(os)  xal  fi(£xoxoO 
aaxxo(^6pot)  oder  aaxxo(cpopta5)  oder  aaxxo(cp6pü)v)  ergänzen  will, 
jedenfalls  handelt  es  sich  um  eine  Gewerbesteuer,  die  die  betreffenden 
Arbeiter  —  nach  meinem  Vorsehlag  Sackträger  —  zu  zahlen  haben. 
Die  Sackträgeri)  gjjj(j  fyj.  Aegypten  als  eigenes,  selbständiges  Gewerbe 
mehrfach  bezeugt.  Vgl.  BGU  141  II  8:  N£cXa|jifjLü)v  aaxxo(p(öpo;); 
ebend.  286,  4  f.:  AupvjXfw  üerjoüTt  —  aaxxocp6p(p.  Vgl.  auch  Pap. 
Lond.  ed.  Kenyon  S.  34,  Z.  34:  SxoTO'^xt?  aaxxo^öpoj  (II.  Jahr- 
hundert V.  Chr.).  Man  könnte  freilich  auch  an  eine  andere  Bildung 
wie  oaxxouoiö;  denken.  Auch  diese  Sackfabrikanteu  bildeten  ein 
eigenes  Gewerbe.  Vgl.  Wessely,  Denkschr.  Ak.  Wien  1889,  S.  216: 
äfiipo-cepo:  aaxxOTiocot. 

In  Rom  wui'de  die  Besteuerung  der  geruli  durch  Kaiser 
Gaius  eingeführt.  Sie  mussten  \  des  täglichen  Verdienstes  abliefern. 
Vgl.  Sueton  Gai.  40. 

§  112.    TeXo?  aixu(r])pdcTou. 

Tö  aixui^pai:ov  bedeutet  das  „Gurken-  oder  Melonenbeet".  In 
Nr.  1075  wird  ein  xeXog  erwähnt,  das  von  solchen  Beeten  erhoben 
wird.  Bei  der  Lückenhaftigkeit  des  Textes  sind  keine  Schlüsse  über 
die  Ai-t  dieser  Steuer  zu  ziehen.     Vgl.  Petr.  Pap.  (11)  XLIV. 

§  113.   Ttop  oxotoXcov. 

Für  Syene-Elephantiue  belegt  durch  Nr.  249,  286,  für  Theben 
durch  495,  497,  505,  506,  509,  511,  514,  515,  520—524,  529, 
541,  545,  547,  551,  566,  571,  585,  610,  616,  618,  625,  629, 
632,  640,  1286,  1287,  1422,  1424,  1429,  1570. 


')  Das  von  oaxxocpöpoj  gebildete  Hypokoristikon  oaxxäg  ist  dadurcli 
namentlich  bekannt  geworden,  dass  der  Neuplatoniker  Ammonios,  weil  er  sich 
seinen  Lebensunterhalt  ursprünglich  als  Saokträger  verdiente,  Ammonios  Sakkas 
genannt  wurde. 


§110  —  114.  293 

In  497  findet  sich  die  Verbindung  \)Tz(ip)  axo-(£Xou)  ^uJ.faxwv). 
Dies  führt  uns  auf  die  richtige  Deutung  des  Wortes  axÖTieXo?. 
Wir  werden  es  in  seinem  ursprünglichen  Sinne  als  „Warte"  (vgl. 
oxoTCetv)  aufzufassen  haben,  und  zwar  als  die  Warte,  vnn  der  die 
Wächter  (tpüXaxsg)  über  das  Flachland  hin  Ausschau  hielten.  Wir 
werden  unten  in  §  1.'54  zeigen,  dass  die  Bevölkerung  für  die 
Besoldung  dieser  ^'jXaxs?  besteuert  wurde.  Die  vorliegenden  Texte 
zeigen,  dass  sie  ebenso  auch  für  die  Instandhaltung  der  „Warten" 
ihren  Zwangsbeitrag  zu  zahlen  hatten.  In  24U  heisst  es:  u7t:(ep) 
|iepta{i(oO)  oSxo2(o[ita;)  ax(o)TC(IXou).  Da  handelt  es  sich  offenbar 
um  Neubau  oder  Ausbesserung  einer  solchen  Warte. 

Wiewohl  diese  Abgabe  in  den  Quittungen  meist  mit  einer 
anderen  zusammengezogen  ist,  sodass  man  die  auf  den  oxotleXos 
entfallende  Summe  nicht  mit  Sicherheit  erweisen  kann,  genügt  doch 
das  Material,  um  zu  zeigen,  dass  auch  diese  Abgabe  kopfsteuerartig 
auf  alle  Bewohner  in  gleicher  Höhe  rejDartirt  war,  dass  aber  die 
Höhe  in  den  verschiedenen  Jahren,  wohl  entsprechend  den  wechselnden 
Bedürfnissen,  eine  verschiedene  sein  konnte.  So  zahlen  2  verschiedene 
Personen  für  das  Jahr  112/.S  dieselbe  Summe  von  4  Dr.  4  Ob. 
(,Ö05,  506),  3  verschiedene  Personen  die  gleiche  Summe  für  1 19/20, 
nämlich  3  Dr.  4J  Ob.  (521,  522,  1287),  3  Personen  dieselbe  Summe 
von  3  Dr.  2  Ob.  für  120/1  (523,  524,  1570),  2  Personen  dieselbe 
Summe  von  3  Dr.  4^  Ob.  für  131/2  (547,  551).  In  allen  diesen 
Fällen  ist  noch  eine  andere  Abgabe  mit  eingeschlossen  in  die 
Summe  (meist  xal  aXÄü)v).  Auch  hier  bewährt  sich  unsere  Auf- 
fassung von  [lepiafjiö;. 

§  114.    TsAog  ax'jTscov. 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  334  und  1359,  beide  aus  dem 
IL  Jahrh.  V.  Chr. 

In  beiden  Fällen  handelt  es  sich  um  die  Gewerbesteuer  der 
axux£l$.  Mit  diesem  Wort  bezeichneten  die  Griechen  den  Leder- 
arbeiter im  Allgemeinen,  häufiger  noch  den  Schuster  im  Besonderen^). 
Diese  Weite  des  Ausdrucks  erklärt  sich  wohl  dadurch,  dass  die 
Schuster    nicht    ausschliesslich    bei    ihren    Leisten    blieben,    sondern 


')  Vgl.   Blümner,   Technologie  I,  S.  268. 


294  IV.  KAPITEL. 


vielfach  daneben  aueli  andere  Lederarlieiten,  im  Besonderen  auch 
die  Gerberei  mit  betrieben').  Welche  spezielle  Nuancen  hier  vor- 
liegen, lässt  sich  nach  dem  Wortlaut  nicht  ausmachen.  Zur 
Gewerbesteuer  im  Allgemeinen  vgl.  §  135. 

§  115.    o\ 

In  Nr.  7G0,  761,  1539,  1546  begegnet  die  Gruppe  a  ,  wie 
es  scheint,  als  Bezeichnung  einer  Abgabe.  In  allen  Fällen  handelt 
es  sich  um  Naturallieferuugen.  Hängt  es  mit  aixoXoyt'a  zusammen? 
Das  würde  parallel  stehen  der  Abgabe  uTcep  oEvoXoyta;  in  711  und 
würde  als  eine  Abgabe  für  die  Mühewaltung  der  aizoXö^oi  auf- 
zufassen sein. 

§  116.    liTzkp  axaticovog  TioxaiJLOcfuXaxßtov. 

Für  Syene-Elephantine  belegt  durch  Nr.  145—147,  273,  278, 
287,  293. 

Nur  in  278  findet  sich  der  Zusatz  7ioTa|ioq3!jAaxi5(ü)v),  wozu 
ausserdem  noch  xal  aXXwv  spywv  tritt.  Aber  auch  in  den  anderen 
Nummern  (ausser  in  273)  werden  die  Wacbtsehifie  unmittelbar 
vor    oder   hinter    der   siatio-')    genannt.     Wenn    auch    der  Ausdruck 


')  Büchsenschütz,  Die  Hauptstätten  des  Gewerbefleisses  18G9,  S.  91,  Aum.  7, 
führt  aus  den  Scholieu  zu  Platon's  Apologie  d.  Sokr.  S.  IS"*  ein  Beispiel  dafür 
an,  dass  ein  und  derselbe  Mann  erst  als  ■KXo'Ja'.o^ — iv.  ßupao5s'4">'-^iS!  und  dann 
als  otUTSüg  bezeichnet  wird.  Ich  finde  denselben  Fall  bei  MahaiFy,  Flind.  Petr. 
Pap.  (II)  XXXII  (1),  aus  dem  Ende  des  III.  Jahrh.  v.  Chr.  Die  Eingabe,  die  von 
einem  ßupooSE'^r,? ,  d.  h.  einem  Gerber,  geschrieben  ist,  trägt  auf  der  Rückseile 
einen  amtlichen  Vermerk ,  den  ich ,  z.  T.  abweichend  von  Maliaffy,  folgendev- 
massen  lese:  Xa  npog  xöv  ovtuxea 

ävaxaXsaaaS-at  xöv  Tzpöi 

Tf,i  äsp|xaTr)pä['.]. 
Der  =7:'.ia£/.r|-:Tjj  Dorotheos,  an  den  die  Klagschrift  gerichtet  ist,  entscheidet 
damit,  dass  der  Beamte  der  8Ep[iaxr]pä,  d.  h.  der  Fellabgabe,  die  Angelegen- 
heit mit  dem  oxuxeüf  an  sich  ziehen  und  untersuchen  soll.  Hier  wird  also 
der  ßupaoältjjvjg,  wie  auch  Mahafl'y  hervorhebt,  als  axuxsüj  bezeichnet.  Ueber 
die  SEpjiaxrjpd  vgl.  §  149. 

-)  Zu  dem  Gebrauch  von  axaxtov  vgl.  BGXJ  320  II  10:  Iv  x^  axaxiiuvt 
xfi;  eixosx^;  xoiv  xXi()povO(i'.Äv  xai  sXsuOspiröv  (a.  194  n.  Chr.).  Auch  die 
Stationen  der  WachtschiiFe  waren,  wie  Avir  oben  §  99  sahen,  zugleich  Zoll- 
stationcn. 


S  114  —  118.  295 

äXacov  IpYUV  mehrdeutig  ist,  so  zeigt  er  doch,  dass  hier  unter  der 
etatio,  denn  zu  dieser  steht  er  parallel,  die  baulichen  Aulagen  der 
Station  zu  verstehen  sind.  Jlit  anderen  Worten,  iiir  die  Instand- 
haltung der  Stationsanlageu  ^vird  der  Zwangsbeitrag  erholien. 

Diese  Abgabe  scheint  ebenso  wie  die  für  -oxafio^uXaxtSe; 
selbst  aufgelegt  zu  sein,  d.  h.  kopfsteuerartig  für  Alle  gleich,  aber 
in  jährlieh  wechselnder  Höhe.     Vgl.  145 — 147. 

§  117.  ^tscpaviov. 
Ste^ävtov  ist  das  Diminutivuni  von  axE^avo;.  Was  der 
„Kranz"  für  den  König  ist  (vgl.  den  nächsten  Paragraphen),  das 
ist  das  „Kränzchen"  für  den  gewöhnlichen  Sterblichen.  Beides 
bezeichnet  ein  Geschenk,  eine  Dotation.  Im  Pap.  Paris.  42  erhält 
ein  5Iaun,  der  Verbrecher  augezeigt  hat,  zur  Belohnung  ein  Praesent, 
ein  at£-^7.v'.ov  von  o  Talenten  (vgl.  Lumbroso,  Rech.  S.  285).  In 
unserem  Ostrakon  1530  quittirt  ein  gewisser  Xsy&'^apoOg,  dass'  er 
als  Oberjäger  sein  oTS^avoov  vom  Adressaten  erhalten  habe  und 
keine  weiteren  Ansprüche  an  ihn  habe.  Er  sagt  correct  tö  y.vo- 
[levov  (ioi  —  axc^päviov,  nicht  xb  /Ca^-Yjxov  oder  ähnlich.  Freilich, 
in  dem  Zusatz  xou^ev  aoi  iyxakw  liegt  doch,  dass  diese  Gratification 
nicht  so  ganz  freiwillig  erfolgt  ist.  Wahrscheinlich  handelte  es  sich 
um  eine  alte  eingebürgerte  Gewohnheit,  dem  Oberjäger  ein  gewisses 
Praesent  zukommen  zu  lassen. 

§  118.    Stacpavs?. 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  320,  330,  353,  675,  683,  690, 
701,  1298,  1311,  1334,  1360,  1376,  1512,  1528,  1556. 

Der  cts^avoc  ist  eine  in  der  hellenistischen  Welt  seit  Alexander 
dem  Grossen  weit  verbreitete  Institution.  Man  versteht  darunter 
Geschenke,  die  den  Jlaehthabern  in  Gestalt  goldener  Ki-änze  — 
oder  auch  nur  unter  dem  Namen  derselben  —  vou  der  Bevölkerung 
bei  bestimmten  Veranlassungen  gespendet  wurden ').    Lumbroso,  der 


•)  Auch  „Geschenke"  an  auswärtige  Mächte  wurden  so  bezeichnet.  Vgl. 
Suidas  s.  v.  aiECfav:xöv:  TiXsaiia  Tiapa  'PoSto'.;  oOtto;  EitaXsiTO,  litE'.ä»)  aüxdvo[io'. 
^oav  Ol  Töd'.o'.,  ßpax'j  Ss  z:  [ispos  Twjia-o'.s  iizl  Tt|i^  nsiiitovxEs  ItTiOiov,  tb{ 
oO  cpopov  f|YE|i<J3'.  (ix/J.5v  ■?;  iTE'^favov  ^iXo'.g  S'.SövTEs.  ToOto  y.oei 'EXXriVOYaXäxaij 
xoCs  'AYXupavotg  E7f.y,u)piajEi  "O  Xö-f.ov  a-Ecpav.xiv  ■f^'p  ÄEy^uai  näv  xo  i'i 
Xap'.xoj  ÄÖY<:'  ä'.SöiJLEvov. 


296  IV.  KAPITEL. 


in  seinen  Recherches  S.  315  Belege  für  Alexander  wie  fiir  die 
Seleukideu^)  zusiinimengestellt  hat,  konnte  damals  noch  kein  Zeugnis 
dafür  vorbringen ,  dass  auch  im  Ptolemäerreich  diese  Sitte  bestand. 
Inzwischen  haben  die  Petrie  Papyri  diese  Lücke  gefüllt.  Neben 
verschiedenen  anderen  Abgaben  begegnet  im  Petr.  Pap.  (II)  XXXIX  e 
eine  Naturallcistuug  für  a"-  axe^avou,  was  Mahaffy  zutreflend  als 
n  national  present  to  Ihe  Icing  on  Im  accession  erklärt.  Die 
nächste  Zeile,  die  Mahaffy  ,,aX}vOU7iapoua'.a;?"  las,  haben  wir  oben 
S.  275  in  aXkou  T^apouaiaj  getrennt  und  dahin  gedeutet,  dass  hiermit 
ein  zweiter  Kj-anz  gemeint  sei,  der  aus  Veranlassung  eines  Besuches 
des  Königs  im  Faijüm  ihm  gestiftet  war.  Schon  diese  beiden 
Fälle  zeigen,  dass  die  Widmung  eines  ,, Kranzes"  immer  einer  be- 
sonderen Veranlassung  bedurfte;  im  ersteren  Falle  liegt  sie  in  dem 
TtpöTov  zzoc,,  im  zweiten  in  der  Tiapouaia.  Weiteres  Material*) 
bieten  nun  unsere  Ostraka. 

Aus  der  Ptolemäerzeit  stammen  Nr.  320,  330,  353,  701,  1311, 
1360,  1512,  1528.  In  320  begegnen  wir  einer  interessanten  Charakte- 
risirung  solcher  Stiftungen.  Die  Männer,  an  die  die  Zahlung  erfolgt, 
heissen  hier  oi  Tiapa  Xlatpwvos  xoO  Tipög  rjj  auvxä^Et.  Das  Wort 
auvxa^!5  wurde  bekanntlich,  me  auch  die  Geschichte  des  zweiten 
attischen  Seebundes  lehrt,  als  ein  milderer  Ausdruck  anstatt  des  ge- 
hässigen '^öpoc,  betrachtet  und  bezeichnete  nicht  mehr  als  einen  „Bei- 
trag". Rechtlich  sind  denn  auch  diese  „Kränze"  als  freiwillige  Gaben 
aufzufassen.  Doch  liest  es  in  der  Natur  der  Dinge,  dass  thatsäch- 
lieh  derartige  „fi-eiwillige  Gaben",  von  denen  man  sieh  anstands- 
halber nicht  ausschliessen  kann,  sich  allmählich  zu  Zwangsleistungerj 
umwandeln,  und  dass  die  IMachthaber,  die  ursprünglich  die  Gaben 
nur  anzunehmen  haben,  schliesslich  sie  wie  ein  gutes  Recht  fordern'). 


')  Die  von  ihm  angeführten  Stellen  sprechen  allerdings  z.  T.  nur  von  der 
Besehenkung  der  Freunde  mit  goldenen  Kränzen  durch  Alexander.  Wichtiger 
ist  z.  B.  Arrian.  Anab.  VII  15,  4,  wo  erzählt  wird,  dass  die  Libyer  kommen  und 
den  Alexander  mit  einem  solchen  Kranz  beschenken  (oxE9avoiJvxu)v).  —  Für  die 
Seleukiden  ist  ausser  Makk.  I  10,  2S  — 31;  11,  34.  35;.  13,  37.  39  auch  Joseph, 
b.  i.  XII  §  142   zu  berücksichtigen. 

')  Vgl.  auch  Pap.  Grenf.  (I)  XU,  aus  dem  II.  Jahrh.  vor  Chr.:  'VnapSsi 
aot  eIj  oxäcpavov  x«^«oö  xctXavca  8exa  itivxs. 

')  Im  letzteren  Sinne  erscheinen  die  oxeyavoi  in  den  Makkabäerbüchern 
und  bei  Josephus. 


§  118.     DIE    KRANZSPENDE.  297 

Unsere  Ostraka  lehren  uns  nun ,  zunächst  für  die  Ptolemiier- 
zeit,  dass  diese  „Beiträge"  sicli  wesentlieli  von  den  Staatssteuern 
dadurch  unterschieden,  dass  ihre  Erhebung  nicht  an  -ceXwvat  ver- 
pachtet war.  Die  Bank-  und  Thesaurosquittungen  geben  uns  freilich 
auf  diese  Fi-age  keine  Antwort,  da  sie  den  Stand  des  Zahlers  nicht 
nennen;  aber  aus  320,  der  einzigen  Erlieboniuittung  (in  Briefform) 
geht  hervor,  dass  die  Erhebung  in  diesem  Falle  jenem  Manne  anvertraut 
war,  der  den  selilichten  Titel  eines  ,,6  npb^  vq  a'jvxa^et"  führte.  Ich  ver- 
mute, dass  die  Competenz  eines  solchen  Commissionürs  sich  auf  den  Gau 
erstreckte  (vgl.  353:  axs^avou  7.axofxo)v  IIspl  0rjßa;),  vielleicht  aber 
auch  nur  auf  eine  Ortschaft  innerhalb  dessellicn.  Da  es  nicht  rätlieh  war, 
dass  dieser  Vertrauensmann  die  oft  recht  bedeutenden  Summen  bei  sich 
bewahrte,  und  er  auch  das  Geti-eide  vielleicht  nicht  gut  speichern  konnte, 
so  lieferte  er,  vermutlich  allmonatlich'),  die  an  ihn  eingegangenen  Bei- 
träge au  die  königlichen  Institute  der  Bank  resp.  des  Thesauros  ab. 

Die  Beiträge  konnten  nämlich  sowohl  in  Geld  (32U,  330,  353, 
1528)  als  auch  in  Getreide,  und  zwar  in  Weizen  (701,  1311,  1360, 
1512),  bestehen.  Namentlich  angesichts  dieser  Naturallieferungen  — 
vgl.  auch  die  oben  angeführten  Petrie  Papyri  —  ist  es  mir  sehr 
zweifelhaft,  ob  die  Stiftung  wirklich  immer  schliesslich  in  Ge-stalt 
eines  goldenen  Kranzes  dem  König  überreicht  wurde.  Es  wäre 
sehr  denkbar,  dass  man  schliesslich  nur  den  alten  Namen  dafür 
beibehielt  und  sich  darauf  beschränkte,  dem  Könige  zu  melden,  dass 
das  getreue  Volk  in  seine  Bank  so  und  so  viele  Talente  oder  in 
seine  Magazine    so    und   so  viele  Artaben  Getreide  abgeliefert  habe. 

Es  ist  bemerkenswert,  dass  die  oben  angeführten  Ostraka  aus 
der  Ptolemäerzeit  sämmtlich,  mit  zwei  Ausnahmen,  die  xaTOixoi 
(einmal  xizoixoi  Ilepl  Oi^ßa;)  als  die  Geber  nennen.  In  1528 
werden  die  xXYjpoö/o;  statt  dessen  genannt.  In  320  dagegen  ist 
der  Stand  des  Gebers  überhaupt  nicht  angegeben,  was  sieh  daraus 
erklärt,  dass  hier  der  Zahler  angeredet  wird.  So  bleibt  die  Mög- 
lichkeit, dass  dieser  'HpaxXetOY;;  'AtioXXwvio'j  nicht  zu  jeuer  Be- 
völkerungsklasse gehört,  offen.  Andrerseits  macht  der  rein  griechische 
Name,    auch    die  Höhe   des   Beitrages^)    es   nicht  unwahrscheinlich. 


')  Vgl.   Nr.  1360:  et;  Tov  -coD  |iTi{vo5)   axscp(avov). 

'')  Der  Adressat  Apion  zahlt  „für"  'HpaxXstST];  ' Ar.oX'/M'i'.ot)  4400  Draoh- 
nieu.  Ich  sehe  keine  andere  Möglichkeit,  als  dass  diese  Summe  von  Herakleides 
aufgebracht  ist.     Allerdings  ist  zu  bedenken,  dass  es  nur  Kupferdrachmen  sind. 


298  IV.  KAPITEL. 


dass  aucli  er  ein  xäxotxo;  oder  xXr^poO)^o?  war.  Audi  jene  Männer, 
die  in  dem  Petrio  Pai^yrus  iüir  den  axicpavog  zahlen,  sind  offenbar 
y.Xr,poöxoi.  Wenn  wir  sehen,  dass  gerade  diese  privilegirten  Klassen 
in  der  Ptoleniäerzeit  dem  Könige  Kränze  stiften,  so  liegt  die  Ver- 
mutung nahe,  dass  diese  halb  freiwilligen,  halb  gezwungenen  Beiti-äge 
gewissermassen  ein  Aequivalent  dafür  darstellten,  dass  sie  von 
manchen  Lasten  befreit  waren.  So  mögen  sie  sie  vielleicht  weniger 
aus  reiner  Loyalität  als  aus  dem  Wunsche,  den  König  in  guter 
Laune  zu  erhalten,  dargebracht  haben,  oder  auch,  um  mit  den 
Worten  Gratian's  zu  reden,  -weniger  amore  jjrojirio  nh  indulgentiarum 
laetitia  commoti  (s.  unten). 

Ueber  die  Höhe  der  Beiträge,  über  die  Art  der  Verteilung 
geben  unsere  Texte  keine  Auskunft.  Die  Höhe  wird  natürlich  bei 
den  verschiedenen  Kränzen  eine  verschiedene  gewesen  sein.  Ebenso 
wenig  vermag  ich  mit  Sicherheit  zu  erweisen ,  bei  welchen  Ver- 
anlassungen die  axe^avot  dargebracht  worden  sind. 

Welche  grosse  Rolle  die  goldenen  Kränze  im  ptolemäischen 
Aegypten  gespielt  haben,  zeigt  die  berühmte  Darstellung  des  pliila- 
delphischen  Festzuges  bei  Kallixenos  (Athenae.  V  196a — 2Ui5b). 
Uns  interessiren  hier  namentlich  die  Worte  2u3b:  xai  xaOx'  r^pid'- 
jjn^'O"/]  Tiävxa  xoTg  Gixoy6\i.oiq  Siä  xy,v  xwv  axsiyavoüvxwv  npo9-u\iim 
~po  ■  xoQ  zxc,  ^eaj  nxpeXd-eiy.  Die  kolossale  Summe,  um  die  es 
sieh  hier  handelt,  2239  Talente  50  iMinen  (und  zwar  in  Silber, 
vgl.  Schluss  dieses  Kapitels  und  Kap.  X),  ist  also  an  die  jSaat^txol 
otxovö[i.ot,  denn  an  diese  wird  hier  zu  denken  sein,  ausgezahlt  worden, 
und  dies  wegen  der  Bereitwilligkeit  der  axe^avoövxsg  schon  vor  dem 
Feste  (anders  Droysen,  Kl.  Schrift.  H  S.  293).  Mit  Recht  hat  Rüh.l 
(Jahn's  Jahrbb.  49.  1879  S.  627)  gegenüber  Droysen  (Hellenism.  HI 
1.  S.  53)  hervorgehoben,  dass  es  sich  hier  um  ein  nationales  Ehren- 
geschenk handelt.  Mit  T:poi}'ii[jiix  ist  auf  den  freiwilligen  Charakter 
der  Gabe  hingewiesen.  Es  ist  bemerkenswert,  dass  man  auch  von 
axs'^avoOv  spricht,    wenn  es  sich  um  Stiftung  von  Statuen  handelt. 

Endlich  sei  darauf  hingewiesen,  dass  nach  einer  freundlichen 
Mitteilung  Adolf  Erman's  auch  in  der  hieroglyphischen  Pithomstele 
(gleichfalls  aus  der  Zeit  des  Philadelphos)  der  axe^avo?  genannt  wird. 
Ei-man  übersetzt  jetzt  den  Abschnitt  Q  der  l)esagten  Inschrift  folgender- 
massen:  „Verzeichnis  alles  dessen,  was  seine  Majestät  that  als 
Wohlthat    in    den    Tempeln    Aegyptens,    als    jährliche    Steuer    und 


§   118.     DIE    KRAjrzSPENDE.  299 

Goldkranz,  der  seiner  Majestät  gegeben  wurde:  Silber  10,050000".*) 
Hier  ist  einmal  von  Interesse,  dass  der  goldene  Kranz  ausdrücklich 
von  den  alljährlich  einlaufenden  Steuern  unterschieden  winl,  und 
ferner,  dass  er  als  Geldsumme  (nach  Silberpfunden  gerechnet)  be- 
handelt wird.  In  Lepsius'  Denkmälern  kann  man  Ueberreichungen 
goldener  Kränze  dargestellt  sehen.  So  bringt  in  IV  2G  Ptolemaios  VI. 
Philometor  der  Isis  von  Philae  einen  Ki-anz  dar,  und  dabei  stehen  die 
Worte:  „Er  bringt  einen  Kranz  (oder  Diadem)  von  Gold  seiner 
Mutter". 

Aus  der  Kaiserzeit  stammen  Nr.  (J75,  683,  G90,  1298,  1334, 
137G,  1550.  "Während  der  axsif  xvo;  in  den  ptolemäischeu  Urkunden 
zufallig  nur  einmal  als  jpuacQc,  bezeichnet  wurde  (320),  ist  die  Gabe 
hier  regelmässig  mit  axecp'  yj>^<^'  bezeichnet,  was  in  axetpaVLXÖ;  yj)ua6c, 
aufzulösen  sein  wird.  Das  ist  ein  genaues  Aequivalent  für  den 
römischen  Ausdruck  aurum  coronarium.  Schon  den  Römern  der 
Republik  war  diese,  wie  Mommsen  betont,  rein  griechische  Kranz- 
spende bekannt  geworden,  und  zwar  zunächst  in  Form  von  Ge- 
schenken ,  die  siseziell  den  siegreichen  Feldherren  zur  Verherr- 
lichung ihres  Triumphes  von  den  Besiegten  oder  auch  von  den 
Provinzialen  dargebracht  wurden. 2)  Auch  noch  in  dem  Falle  des 
L.  Antonius,  ja  auch  noch  bei  Augustus  und  Claudius  steht  das 
aurum  coronarium  mit  dem  Triumph  in  Verbindung. ^j  Allmählich 
aber  wurde  es,  ganz  wie  unser  j)tolemäischer  axe^avo;,  zu  einer 
Gratification,  die  die  Bevölkerung  nicht  nur  bei  Triumphen,  sondern 
aus  den  verschiedensten  Anlässen  dem  Kaiser  darbrachte.  In  unsei'er 
Tradition  finde  ich  dafür  den  ersten  Beleg  für  Kaiser  Hadriau,  von 
dem  es  in  Spartian's  vita  c.  6,  5  heisst:  aurum  coronarium  Jtaliae 
remisit,  in  provinciis  minuit.  Da  dies  unmittelbar  nach  Uebernahme 
der  Regierung  geschah,  so  sollte  dieses  aurum  coronarium  ihm 
offenbar  anlässlich  seines  Regierungsantrittes  ül^erreicht  werden.    Die 


')  Vgl.  die  Publieation  von  Brugsch-Ermau  in  Zeitschi',  f.  .\eg.  Spr.  XXXII 
1895  S.  13.  Vielleicht  ti-ilTt  man  den  Sinn  noch  genauer,  wenn  man  übersetzt 
„von  der  jährlichen  Steuer  und  dem  Goldkranz",  denn  es  kann  sich  doch  wohl 
nur  um  eine  einmalige  Schenkung  handeln. 

'-)  Ueber  das  aurum  coronarium  vgl.  Gothofredus  zum  Cod.  Theod.  XII  13. 
Marquardt,  Staatsv.  11^   S.  295  f. 

')  L.  Antonius:  Dio  Cass.  XLVIII  4,  6  Augustus:  Mon.  Anevran.  ed. 
Mommsen^   S.  89.     Claudius:  Plin.  h.  n.  XXXIII  54. 


300  IV.  KAPITEL. 


Vcrl)indinig  mit  der  frühereu  Auffassung  bietet  hier  und  in  ähn- 
licliou  Fällen,  wie  Jlommsen  bemerkt,  die  den  Triumphen  correlate 
imperatorisehe  Acclamation.  Die  angeführten  Worte  machen  es 
sehr  wahrscheinlich,  dass  auch  schon  früher  diese  Consequenz  ge- 
zogen war.  Denn  die  Sammlung  der  Beiträge  wird  nicht  so  schnell 
von  statten  gegangen  sein,  dass  man  das  remitiere  und  minuere  auf 
eingegangene  Gelder  zu  beziehen  hätte.  Hadrian  erwartete  vielmehr 
nach  den  Präcedenzfallen  der  Vergangenheit,  dass  man  ihm  ein  aurum 
corouarium  stiften  werde.')  Für  eine  noch  weitere  Ausdehnung  dieser 
Sitte  spricht,  dass  dem  Antoninus  Pius  anlässlich  seiner  Adoption  ein 
aurum  coronarium  von  den  Italikcrn  und  Provinzialen  angeboten 
wurde  (vit.  Ant.  Pi.  c.  4,  10).  Andere  Beispiele  dieser  späteren  Eut- 
wickelung  bei  jSIarquardt  a.  a.  O.  Hier  sei  nur  noch  hervorgehoben, 
dass  als  allgemeine  Motive  für  die  Stiftung  eines  aurum  coronarium  in 
einer  Constitution  des  Gratianus,  Valentinianus  und  Theodosius  vom 
J.  379  -)  amor  proprkis,  indulgentiarum  laetitia  und  res  jn-ospere 
gestae  namhaft  gemacht  werden,  Motive,  die  ebenso  auch  von  der 
ptolemäischen  Eegierung  als  massgebend  für  die  Darbringung  der 
axs'^av&i  autgefasst  sein  werden.  Dass  auch  in  der  Kaiserzeit  der 
freiwillige  Charakter  dieser  Gaben  allmählich  schwand,  braucht  kaum 
gesagt  zu  werden.  Kaiser  Julian  musste  im  J.  362  ausdrücklich 
einschärfen:    aurum  coronarium  munus  est  voluntafis.^) 

In  Aegypten  hat  die  alte  ptolemäische  Institution  selbstverständ- 
lich auch  nach  der  Occupatiön  durch  Octavian  in  der  alten  Weise 
fortbestanden.  Einen  directen  Beleg  für  die  Continuität  dieser 
axeyavot  finde  ich  in  einem  bisher  noch  nicht  richtig  verwerteten 
Passus  eines  Papyrus  der  Berliner  Bibliothek.^)  In  Nr.  21  Recto 
Z.  7f  lese  und  ergänze  ich  folgendermassen : 

STe(pavou   xoü  ?V7t:p[oa]'&'£v  ßa[aiXt7.oO,  vuvl  S^  dq] 
xöv  cpEaxov  av[aAa][iß(avo[X£Vou) 

Dieser  Text,  in  dem  dann  noch  weitere  Einkünfte  aufgezählt 
werden,  ist  im  III.  Jahrh.  n.Chr.  geschrieben.  Wenn  man  noch 
damals  mit  evjcpoa&ev  und  vuvE  den  Gegensatz  des  königlichen  und 

')  Schiller,  Gesch.  d.  Rom.  Kaiserz.  I  2  S.  G21  nennt  die  Gabe  mit  Recht  eine 
,, herkömmliche".  Doch  ihre  Charakterisirung  als  ,, Thronsteuer"  ist  nicht  zutreö'end. 
')  Cod.  Theod.  XII    13,   4. 
')  Cod.  Theod.  XII   13,  :. 
*)  Edirt  von  G.  Parthey  in  „Nuove  Memorie  d.  Istituto  ,\rch."  II  S.  440  ff. 


§   118.     DI£    KRANZSPENDE.  301 


des  kaiserlichen  Regiments  hervorznlieben  für  gut  findet,  so  zeigt 
das  nur,  dass  man  eine  alte  Formel  benutzte,  die  in  den  ersten 
Zeiten  der  römischen  Occupation  geprägt  sein  mag  und  seitdem 
in  den  axIiyavos-Acten  fortgeführt  wurde.  So  klar  wie  hier  ist  es 
übrigens  sonst  wohl  selten  ausgesprochen ,  dass  an  die  Stelle  der 
alten  Königskasse  der  fiscus  Caesaris  trat.  Uns  interessirt  hier  vor 
allem,  dass  die  Continuität  der  Kranzspenden  durch  jene  Worte  auf 
das  schärfste  hervorgehoben  wird,  dass  also  auch  unter  den  ersten 
Kaisern  in  Aegypten  der  alte  aie^pmoc,  fortbestanden  hat.  Die 
urkundlichen  Zeugnisse  für  den  kaiserlichen  axs^avoj  stammen 
zufällig  alle  erst  aus  dem  Ende  des  zweiten  und  dem  Anfang  des 
dritten  Jahrhunderts  nach  Chr. 

Betrachten  wir  nun  die  Ostraka,  so  fallt  uns  auf,  dass  wir 
für  die  Kaiserzeit  kein  Beispiel  einer  Naturalleistung  für  den 
Qiitpmoq  haben.  Ob  das  Zufall  ist  oder  nicht,  muss  dahingestellt 
bleiben.  Nur  in  wenigen  Fällen  lässt  sich  der  Anlass  zu  der 
Stiftung  des  axetpavoi;  erraten.  In  1376  und  1556  werden  bnip 
OTEtpavou  Ka(a«po5  je  2  Drachmen  o  Obolen  gezahlt.  Die  eine 
Quittung  ist  am  9.  Juni  42  n.  Chr.,  die  andere  am  4.  September 
desselben  Jahres  geschrieben.  Mit  dem  Kalaap,  für  den  der  Kranz 
bestimmt  ist,  kann  hier  nur  Claudius  gemeint  sein,"^)  dessen  voller 
Name  in  der  Datirung  erscheint.  Wiewohl  Claudius,  als  diese  Quit- 
tung geschrieben  wurde,  schon  li  Jahre  auf  dem  Thron  sass,  wird 
der  axe^avos  dieser  Ostraka  ihm  doch  aus  Anlass  seines  Regierungs- 
antrittes bestimmt  gewesen  sein.  Denn  dass  die  Einsammlung  der 
Beiträge  eine  längere  Zeit  erforderte,  ja  mehr  Zeit  als  die  der  regel- 
mässigen Staatssteuern,  wäre  sehr  begreiflich.  Doch  vielleicht  ist 
mit  Mommsen  an  imperator  III,  das  in  diesem  Jahre  beginnt,  zu 
denken.  Da  in  den  beiden  Fällen  verschiedene  Männer  dieselbe 
Summe  zahlen  (2  Drachmen  3  Obolen),  so  ist  es  sehr  wahrscheinlich, 
dass  dieser  axe^avo?  kopfsteuerartig  in  gleicher  Höhe  repartut  war. 
Ich  lasse  dahingestellt,  wie  w^eit  man  dies  verallgemeinern  darf. 

Die  angeführten  Ostraka  sind  sämmtlich  Bankquittungeu,-) 
bis  auf  Nr.  1298,  die  von  den  Erhebern  ausgestellt  ist.    Wir  sahen, 


'■)  Wäre  Augustus  gemeint,  hafte  das  vorgesetzte  9-eoü  nicht  fehlen  dürfen. 
Vgl.  Kap.  XI. 

-)  In  1376  und  1556  wird  die  Bank  als  fj  'Fev((ni)v8-ou)  KoX(Xc;iJ9-ou) 
xpäTtsJa    bezeichnet.      Unsere    obigen    Betrachtungen     über    Jlersis    und    Comp. 


302  IV.  KAPITEL. 


dass  in  der  Ptolemäerzeit  oi  Trpö;  ty]'.  auvxaEs;  die  Beiträge  ein- 
kassirten.  In  1298  (vom  J.  171  n.  Chr.)  nennen  sich  die  Erheber, 
nach  meiner  jetzigen  Lesung  (vgl.  Corrigenda):  Mepai?  xxl  \i{izoy^QL) 
inl  Tüv  na.pa.'^.  Ich  weiss  füir  Tiapa"  keinen  anderen  Ergänzungs- 
vori<chlag  als  7iapay.(aT:«^>cwv) ,  im  Sinne  von  Depositum.  Dass 
die  Beitrage  zum  air^favo;  als  Deposita  bezeichnet  würden,  ist  nicht 
gerade  unmöglich,  aber  denkbar  wäre  auch,  dass  Mersis  und  Comp, 
eine  Depositenbank  gehabt  hätten,  und  dass  man  daher  sie,  die  als 
vertrauenswürdige  Männer  in  der  Stadt  bekannt  waren,  mit  der 
Eintreibung  der  Beiträge  betraut  hätte.  In  diesem  einzelnen  Falle 
wäre,  ähnlich  wie  in  jenem  Beispiele  aus  der  Ptolemäerzeit,  die 
Eintreibung  des  axl^avoc  an  Privatleute  übertragen.  Die  griechischen 
Papyri  zeigen  uns  aber,  dass  wir  diesen  einzelneu  Fall  nicht 
verallgemeinem,  jedenfalls  nicht  auf  die  späteren  Zeiten  über- 
tragen dürfen.  In  BGU  62  wird  der  Beitrag  von  den  Tipaxxopej 
oxE^avtxoö  xw^Yj?  IlxoXejiaiOoe  Nea?  erhoben  (a.  199  n.  Chr.). 
Ebenso  heisst  es  in  den  arsinoitischen  Tempelrechnuugen  (BGU 
362  I  23):  7ipax(xopi)  a':£9[avtxö)v],  (a.  213/4  n.  Chr.).  Hier  wird 
also  auch  das  axe^avtxöv  von  den  gewöhnlichen  Steuererhebern 
eingefordert.  Ebenso  in  BGU  452,  458,  518,  die  zugleich  zeigen, 
dass  unter  Elagabal  das  Kranzgeld,  seinem  eigentlichen  Charakter 
entgegen,  Jahr  für  Jahr,  ja  Monat  für  IMonat  erholien  wurde.  Das 
entspricht  ganz  der  allmählichen  Entwickelung  dieser  ursprünglich 
freiwilligen  „Gabe"  zu  einer  unfreiwilligen  ,, Abgabe". 

§  119.      2uvr;yopi7.ov  xal  s-'.oiy.axov. 

Als  ich  im  Sommer  1895  in  Leiden  den  Papyrus  F  nochmals 
collationirte,  gelang  es  mir,  in  Z.  3  statt  der  bisherigen,  oft  be- 
sprochenen Lesung  [wjvy^xpixöv  die  Lesung  auvTJYoptxov  festzustellen, 
sodass  der  Anfang  des  Textes  nunmehr  lautet: 

'AXISavSpo;  xat  ot  [Jiixo- 

y(jl    Oi    7ip5CY[Jia[x]£UO|iEVOl 

xö  a['j]vrjYopixöv  xa[l  xö] 
iTwtSIxaxov. 


könnten  den  Gedanken  nahe  legen,  hierin  eine  Privathank  zu  erkennen  und  zu 
lesen:  fi  WEvC;it!)v9-ou'i  y.oX(Xuß'.3-iy.v)'i  ipaTiEja.  Die  Möglichkeit  ist  zuzugeben. 
Vgl.  jedoch  oben  S.  92. 


§118—119.  303 

Meine  Ueberraschung   war   nicht  gering,   als  ich  gleich  darauf  " 
in  Oxford  unter  den  Ostraka  von  Sayce  eines  fand  (1537),  welches 
beginnt:      'HpäxXeoTO?    6    7üpxY|xax£'jG[ji£Vo;    t[ö]    auvr;YOpixöv    xal 
^7ii(5exai:ov). 

To  (j'Jvr^YCip'.xov  ist  das  Geld,  das  der  auvr^yopoc;,  der  juristische 
Verteidiger,  für  seine  Verteidigung  erhält.  Vgl.  ArLstoph.  Vesp.  GS)1. 
Das  einzige  Merkwürdige  an  den  vorliegenden  Texten  ist,  dass  dieses 
ouvTjYopixov  hier  nicht  etwa  an  die  Rechtsanwälte  dircct  gezahlt 
wird,  sondern  dass  die  Erhebung  dieses  Geldes  vom  Staat  an  Pächter 
vergeben  ist.  Ueber  upaytiaiEuoiievos  im  Sinne  von  Pächter  vgl. 
Kap.  VI.  Das  legt  den  Gedanken  nahe,  dass  der  Staat  die  Rechts- 
anwälte anstellte  und  besoldete,  wie  er  auch  die  Aerzte  salarirte 
(vgl.  §  170).  Wie  er  als  Beihilfe  zu  der  Besoldung  der  Aerzte 
ein  taxptxQV  erhob,  so  hier  ein  auvrj'{opiy.6w  für  die  der  Anwälte. 
Doch  ein  Unterschied  ist  zu  beachten:  zu  dem  Eaxpcxov  wurden, 
wie  es  scheint,  Alle,  ob  krank  oder  gesund  herangezogen,  zum 
auvYjYopcxov  aber  wahrscheinlich  nur  diejenigen,  die  im  einzelnen 
Falle  eines  Anwaltes  bedurften.  Dafür  spricht  wenigstens  Leidensis  F, 
wo  die  Zahlung  des  auvrjYoptxov  ganz  deutlich  mit  einem  bestimmten 
juristi.scheu  Falle  in  Verbindung  steht.  Daher  werden  wir  das 
auwjYoptxov  nicht  zu  jenen  auf  Alle  gleichmässig  verteilten  Zwangs- 
beiträgen zählen,  sondern  werden  es  für  eine  Gebühr  halten,  die 
nur  im  Falle  der  Inansjaruchnahme  des  staatlichen  Instituts  der 
ao^iiyopoi  erhoben  wurde.  Sind  diese  Folgerungen  richtig,  so  fallt 
auf  die  Stellung  der  Anwälte  im  ptolemäischen  Aegypten  ein  ganz 
neues  Licht.  Es  bleibt  zu  <intersuchen ,  ob  damals  vielleicht  ein 
Zwang  bestanden  hat,  sich  vor  Gericht  durch  einen  Rechtsanwalt 
vertreten  zu  lassen.    Ich  kaim  diese  Frage  zur  Zeit  nicht  verfolgen.*) 

Der  Gedanke,  in  dem  a'jVT^Yoptxov  etwa  eine  auf  dem  Advocaten- 
gewerbe  ruhende  Steuer  zu  sehen,  wird  durch  den  Leidener  Papyrus 
abgewiesen,  in  welchem  aegyptische  Choachyten  die  Zahler  sind. 

Wie  das  iTtcSexaxov  zu  fassen  ist,  ist  schwer  zu  sagen.  Das 
Wort  bezeichnet   ein  Ganzes    und    ein  Zehntel    dazu,  aber  auch  ein 


')  Vgl.  Mitteis,  Reichsrecht  und  Volksrccht  S.  48.  Zu  seinen  Ausführungen 
auf  S.  4  7  bemerke  ich,  dass  der  Gerichtshof  der  Dreissig  (Diod.  I  75),  vor  dem 
kein  Anwalt  auftreten  darf,  nicht  in  die  Ptolemäerzeit,  sondern  in  die  alte 
Pharaouenzeit  gehört.     Vgl.  meine  Observatioues  ad  hist.  Aeg.  p.  10. 


304  I^'-  KAPITEL. 


Zehntel,  dass  zu  etwas  Anderem  hinzugethan  wird  (vgl.  Ps.  Aristot. 
Oee.  II  2,  3).     Im  Leideusis  heisst  es  von  ihm  in  Z.  17  f.: 

r.Bpl  [xoO  intSJexaxou  T[fjg] 

6|j.T[v  lY5caXoO]jji£v. 
Diese    Worte    zeigen    so    viel    mit    Sicherheit,    dass    auch    das 
STT'.osxxxov  zu  den  Unkosten  des  Gerichtsverfahrens  gehört. 

§    120.     SwiiaTiXOV. 

In  1052  wird  [uTrCsp)]  ow|iaTtxG)v  xoö  S  L  (=100/1)  quittirt. 
Die  Erheher  nennen  sich,  wenn  unsere  Ergänzung  in  den  Corrigeuda 
richtig  ist,  [oi  ß]  XaoYpä(cpo'.),  sind  also  „Yolkszähler".  Ii6y[t.x 
bezeichnet  die  Person;  aa)[iaxtx6v  wäre  also  eine  Personensteuer. 
Sollten  die  Volkszähler,  die  die  aiojiaxa  festzustellen  hatten,  dafür 
eine  Gebühr  unter  dem  Namen  awfxaxixöv  erhoben  haben?  Wenn 
nicht  die  Xaoypäqsoc  daständen,  würde  das  nächstliegende  sein, 
awjjiax'.xöv  als  Sklavensteuer  zu  fassen,  d.  h.  als  Steuer,  die  von 
den  Herren  für  den  Besitz  der  Sklaven  zu  zahlen  war  (Vermögens- 
steuer). Von  dieser  Besteuerung  der  Sklaven  (awjiaxa)  handelt 
Petr.  Pap.  (11)  XXXIX  b  und  c  (III.  Jalirh.  vor  Chr.).  Für  die 
Kaiserzeit  vgl.  Pap.  Leipz.  25,  wo  für  zwei  verschiedene  Sklaven 
(OGöXoi)  dieselbe  Summe  (22  Dr.  2i  Obolen)  gezahlt  werden.  Ebenda 
2!)  Recto  ist  überall,  wo  Wessely  SouAyj?  liest,  vielmehr  5t(a)  X"^; 
zu  lesen.  Auch  in  Z.  !•  ist  statt  xou  5ouX  vielmehr  xoO  a(uxoO) 
0'.(i.)  zu  lesen.     Dieses  Stück  handelt  also  nicht  von  Sklaven. 

§  121.    TsXos  xacpwv. 

Für  Theben  belegt  durch  658,  1062,  10G5,  1462,  1585,  1591, 
alle  aus  dem  II.  Jahrb.  nach  Chr. 

Die  Erklärung  dieser  Urkunden  bietet  ganz  besondere  Schwierig- 
keiten. Die  Beamten,  die  die  Steuer  erheben,  heissen  lTitxrjpr;xal 
xeXous  l\).oiZiou(äXäy  oder  xeXöva:  tjiaxtOJCwXöv.i)     Danach  müsste 


')  In  10G2  steht  TsX(u)vat)  t|iaito7to)X(üv.  Nacli  correctem  Sprachgebrauch 
könnte  von  xeXrävYjg  nur  der  Name  der  Steuer,  nicht  die  Bezeichnung  der  Be- 
steuerten abhängen.  Diese  Nachlässigkeit  ist  charakteristisch  für  ilen  Jargon 
unserer  Ostraka. 


§119  —  121.  305 

man  annehmen,  dass  es  sich  um  die  von  den  „Kleiderhändlern" 
erhobene  Gewerbesteuer  handelte.  Ganz  entgegen  den  sonstigen  Ge- 
werbesteuerquittungeii  winl  hier  aber  nicht  eine  regelmässige,  für 
den  Monat  berechnete  Abgabe  für  die  Ausübung  des  Betriebes  erhoben, 
sondern  es  wird  eine  einzelne  Spezialleistung  der  Kleiderhändler 
besteuert.  Die  Zaldungen  erfolgen  nämlich  „für  die  Steuer  einer 
oder  mehrerer  xa(fat"  (uTiep  xlXoug  xatf^;  oder  unkp  Taiyfjs),  und 
zwar  werden  für  eine  ix-fr}  2  Drachmen  erhoben.  Ich  habe  in  der 
Deutschen  Literaturzeitung  1889,  Nr.  37,  S.  1353/4  die  Erklärung 
vorgeschlagen,  dass  den  Kleiderhändlern  die  Einkleidung  der  Leichen 
zwecks  der  Bestattung  übertragen  war,  und  dass  von  diesem  Verdienst 
der  Staat  für  jede  costümirte  Leiche  eine  bestimmte  Taxe  erhoben 
habe.i)  Ich  weiss  auch  heute  noch  nichts  Besseres  vorzuschlagen. 
Dass  abgesehen  von  der  Gewerbesteuer  ein  Teil  des  Gesammt- 
tetriebes  auch  noch  einer  Spezialsteuer  unterliegt,  bleibt  freilich 
sehr  aufföllig. 

Besondere  Schwierigkeiten  macht  Nr.  1463.  Da  wird  einer 
Frau  Tspjjiäjjtt;  (Femininum  von  n£p(j,ä|ji'.c)  quittirt  urAp  Tacf^j 
neT£X(.  .  .  .)  dvSpö;  ^ß,  also  über  eine  Zahlung  der  Steuer  für 
das  Begräbnis  oder  die  Bestattung  ihres  Mannes  (denn  das  muss 
ÄVT^p  hier  bedeuten)  Petel(  ....).  Man  könnte  hiernach  auf  den 
Gedanken  kommen,  da.«s  die  Steuer  nicht  von  den  Kleiderhändlern, 
sondern  von  den  Leidtragenden  erhoben  wäre,  dass  also  Jeder, 
der  eine  Leiche  costümiren  Hess,  dem  Staate  ein  Didrachmon  zu  zahlen 
gehabt  hätte.  Doch  das  führt  zu  neuen  Schwierigkeiten.  Warum 
sollte  denn  eine  solche  „Begräbnissteuer"  regelmässig  von  denjenigen 
Steuererhebern  eingezogen  werden,  die  das  fixaxiOTiwXixov  erheben? 
Nach  Nr.  1462  müsste  unter  dieser  Annahme  H^xaepiiq  drei  Todes- 
fälle   auf  einmal    in    seiner   Familie    gehabt    haben.     Das    ist   zwar 


')  Wenn  man  diese  Erklärung  zulässt,  so  ist  damit  erwiesen,  wie  ich  schon 
a.  a.  O.  hervorhob,  dass  es  schon  im  II.  Jahrli.  n.  Chr.,  dem  unsere  Urkunden 
angehören,  vorgekommen  ist,  dass  die  Leichen  nicht  nacii  altaegvptischer  Sitte 
in  Binden  eingewickelt,  sondern  in  Kleider  gehüllt  wurden.  Dies  Ergebnis 
ist  für  die  Datirung  der  zahlreichen  Kleiderreste,  die  neuerdings  aus  den 
aegyptischen  Gräbern  hervorgekommen  sind ,  von  grossem  Interesse.  Vgl.  zu 
diesen  Uebcrresten  Alois  Riegl,  die  aegyptischen  Te.xtilfuude  im  K.  K.  oester- 
reich.  Museum,  Wien  1889  und  dazu  meine  .Anzeige  in  der  Deutsch.  Literaturz. 
a.  a.  O. 

WiLCKEN,  Ostraka.  ^^ 


306  IV.  KAPITEL. 


nicht  unmöglich,  spricht  aber  doch  eher  gegen  als  für  diese  An- 
nahme. So  ist  vielleicht  vorzuziehen,  doch  auch  in  der  T£p\iA\i'.Q  eine 
Kleiderhändlerin  zu  sehen,  die  vielleicht  nach  dem  eben  erfolgten 
Tod  ihres  Mannes  das  Geschäft  iiberuoiumen  hat  und  nun  für  die 
Einkleidung  seiner  Leiche,  die  sie  natürlich  von  ihrem  Geschäft  aus 
übernimmt,  besteuert  wird.  Doch  gebe  ich  zu,  dass  die  Deutung 
auf  die  Leidtragenden  nicht  ausgeschlossen  ist.     Non   liquet. 

§  122.   Taos. 

In  Nr.  328,  504,  1030,  1048,  lOöU,  1078,  1314,  1335, 
1386,  1394,  1412,  1490  wird  über  den  Empfang  eines  ziXoq  (meist 
für  den  und  den  Monat)  quittirt,  aber  nicht  gesagt  was  für  ein 
xeXo;  es  ist.  In  den  meisten  Fällen  würde  ich  zuerst  an  eine 
Gewerbesteuer  denken.  In  1394  ist  sie  sicher  anzunehmen,  falls 
meine  Ergänzung  in  1395  UTC(ep)  San([5ij^ti)v)  richtig  ist  (vgl.  §  28). 
In  328  steht:  anb  toO  saxafjievou  xIXo'jc;. 

Ebenso  wenig  weiss  ich  zu  sagen,  was  mit  dem  [ispcofiö;  xIXous 
gemeint  ist,  über  den  in  554,  624,  670  und  1586  quittirt  wird. 
Nach  dem  Titel  der  Erheber  möchte  man  vielleicht  an  das  liXoq 
(Lviwv  denken.     Aber  das  ist  ganz  ungewiss. 

§  123.    'TÜ.OC,  ifjC,  Tstdpiyj?. 

In  1363  quittirt  der  L^nterbeamte  des  Agoranomos  einer  Frau 
Thermuthis  den  Empfang  dieses  xlXo?.  Die  Summe  stellt  den 
Betrag  für  die  Zeit  vom  Tybi  bis  zum  Pharmuthi,  also  für  4  Älonate. 
dar.  Die  Abgabe  ist  enorm  hoch  —  25  "jg.  Wofür  sie  gezahlt 
wird,  ist  nicht  gesagt.  Da  sie  vom  Agoranomos  erhoben  wird,  ist 
sie  vielleicht  ein  Marktgefäll. 

§  124.    'Ynzp  TOTOU. 

Für  Syene  belegt  durch  295,  für  Theben  durch  723 — 725, 
734—736,  740,  742,  743,  745—750,  75.4,  1253,  1312,  1336, 
1342,    1350,    1521,    1524,   alle   aus  der  Ptolcmäerzeit. 

Mit  uTzkp  -ÖTZou  oder  unep  xoü  xotiou  ist  nicht  die  Steuer  selbst 
bezeichnet,  sondern  nur  der  Distrikt,  für  welchen  sie  erhoben  und  auf 
welchen    sie    distribuirt    ist.     Während    in    den    meisten    Fällen    die 


§121  —  124.  307 

Steuer  selbst  ungenannt  bleibt,  zeigen  uns  Nr.  295,  735,  736  und 
1253,  wie  wir  den  elliptischen  Ausdruck  zu  fassen  haben.  Da 
findet  sich  die  Wendung  eSg  zi^v  inr(pot.:fri'^  xoO  x.  Itou;  imkp 
xÖKOu  oder,  wie  es  in  1253  noch  deutlicher  heisst:  e?;  x-^v  £7i'.- 
Ypacp^jv  ToO  IIspl  ÖYjjja;  xÖTiO'j.  Wir  werden  nicht  fehlen  gehen, 
wenn  wir  hiernach  in  allen  Fällen,  in  denen  UTiep  x6izo\j  quittirt 
wird,  ein  tlq  ttjV  ^mypatpriv  hinzudenken.  Unter  lraypa(pTQ  aber 
ist,  wie  wir  oben  S.  194  ff.  gezeigt  haben,  die  Grundsteuer  zu  ver- 
stehen. In  den  oben  angeführten  Fällen  wird  regelmässig  in  Weizen, 
Gerste  oder  Kroton  gezahlt. 

Was  bedeutet  nun  der,  wie  wir  a.  a.  O.  sahen,  entbehrliehe  Zusatz 
öuep  TOTiou?  Glücklicherweise  lässt  uns  die  älteste  unter  den  ange- 
führten Nummern,  1253  (aus  der  Zeit  des  Philadelphos),  keinen 
Zweifel  darüber,  dass  tÖTCOC,  hier  nicht  eine  allgemeine  Bezeichnung 
für  den  „Ort"  ist,  an  dem  der  Zahlende  sich  befindet,  sondern  da.ss 
TOTCog  hier  wie  häufig,  im  technischen  Sinne  als  Aequivalent  für 
TOTcap)(ta  zu  fassen  ist.  Vgl.  auch  1336,  gleichfalls  aus  der  Zeit 
des  Philadelphos,  wo  unkp  toO  üspl  0rj(ßa;)  seil.  XOTCOU,  gesagt 
ist.  üeber  die  Toparchien  vgl.  Kaj).  V.  Ich  habe  schon  in  den 
„Actenstücken  aus  der  kgl.  Bank  v.  Theben"  S.  33,  A.  2  nachgewiesen, 
dass  zur  Zeit  des  Philadelphos  die  Landschaft  Uspi  0y)j3aj  noch 
nicht,  wie  im  II.  Jahrb.  v.  Chr.,  ein  vo^gc,  sondern  noch  ein  xoTtc; 
war.  Vgl.  auch  auf  den  oben  S.  65  ff.  mitgeteilten  Holztafeln:  Aw- 
p!ti)vo?  xoö  xoTxapxYjaavxo?  xöv  Ilepi  Qrj[iaq  xotxov.  Somit  sind  wir 
berechtigt,  unter  dem  zönoc,  unserer  Ostraka  die  lOKa.pjioi.  zu  ver- 
stehen. 

Nr.  1253  ist  aber  auch  in  anderer  Hinsicht  lehrreich.  Es 
heisst  da  eig  xr^v  OTtypaifrjv  xoö  Ilspl  0y,ßa;  xotxou,  während  die 
anderen  alle  die  lose  Verbindung  mit  bnkp  xc-xou  wählen.  ,  Damit 
ist  die  Sicherheit  gegeben,  dass  die  iTzi.-(pCfi(fr]  oder  Grundsteuer  be- 
zeichnet wurde  als  die  Steuer  des  und  des  xoTxog.  Mit  anderen 
Worten,  unsere  Ostraka  lehren  uns,  dass  die  Grundsteuer  in  Aegypten 
nach  den  Toparchien  des  Landes  distribuirt  war. 

Wir  wollen  auch  auf  diejenigen  jitolemäischen  Ostraka  hin- 
weisen, die  mit  den  hier  behandelten  im  Wesentlichen  identisch  sind, 
nur  dass  -jTOp  xÖTCOU  und  £t;  xVjV  |-:ypa'^rjV  fehlen,  also  Nummern 
wie  708,  710,  713,  717,  718,  7.30,  732,  741,  756,  1255,  1343, 
1367,  1509,  1533.    In  diesen  ist  nur  über  die  Lieferung  von  Getreide 

20* 


308  IV.  KAPITEL. 


quittirt,  ohne  dass  gesagt  wäre,  zu  welchem  Zweck  es  erhoben  sei. 
Ich  glaube,  dass  wir  es  hier  lediglich  mit  einem  elliptischen  For- 
mular zu  thun  haben,  und  dass  auch  diese  Quittungen  die  Grund- 
steuer betreffen.  Dasselbe  glaube  ich  auch  von  denjenigen  Nummern 
behaupten  zu  müssen,  die  sonst  mit  den  eben  genannten  überein- 
stimmen, nur  dass  sie  den  speziellen  Ortsnamen  nennen,  für  den 
die  Steuer  erhoben  wird.  Vgl.  7(16,  727,  72!l,  731,  7,^)3,  IbOi). 
Wenn  z.  B.  in  7(16  vi^aoi)  nxoX(£jxat5o;)  steht,  so  ist  damit,  meine 
ich,  der  Distrikt  bezeichnet,  für  welchen  die  (ungenannte)  Grund- 
steuer erhoben  wurde.  Statt  des  ganzen  xötco?  ist  hier  der  einzelne 
Ort  hervorgehoben. 

Wir  sind  damit  zu  dem  Resultat  gekommen ,  dass  fast  alle 
Quittungen  über  Naturallieferungen  aus  der  Ptolemäerzeit  die  Grund- 
steuer betreffen,  soweit  sie  nicht  ausdrücklich  andere  Abgaben  nennen, 
wie  den  oTs^avo;  xöv  xaTotxwv  (§  118)  und  anderes.  Auszuschliessen 
sind  natürlich  auch  die  Quittungen  über  Spreulieferungen,  die  für 
sich  zu  betrachten  sind  (§  21). 

Nicht  anders  liegt  es,  wie  mir  scheint,  in  der  Kaiserzeit.  Aus- 
drücklich genannt  wird  die  Grundsteuer  nur  ein  einziges  JNIal,  in 
767  mit  UTiep  üY^fxt'wO/).  Vgl.  §  30.  Aber  gemeint  ist  die  Grund- 
steuer auch  hier  in  allen  Thesaurosquittungen ,  soweit  sie  nicht 
ausdrücklich  eine  andere  Steuer  nennen.  Die  Toparchie  ist  auch 
in  der  Kaiserzeit  der  Steuerbezirk,  der  der  Auflage  und  Erhebung 
der  Grundsteuer  zu  Grunde  liegt.  So  finden  wir  auch  die  Toparchie 
gelegentlich  erwähnt,  und  zwar  in  der  Weise,  dass  gesagt  ist,  in 
das  Magazin  dieser  oder  jener  Toparchie  sei  das  Getreide  abgeliefert: 
liEliETpyjXEV  bIc,  'il'Yjaaupov  öcvcü  oder  xaxto  xoTz(a.pyix<;)  oder  ähnlich. 
Vgl.  761,  77S,  7S3,  799,  800,  805,  1009,  i;i28,  1596.  In 
1009  (aus  der  Zeit  des  Augustus)  heisst  es  ähnlich  wie  in  den 
ptolemäischen  Texten:  [iSfiexpYjxas  ävo)  'ZOTi(apyJ.a.q).  Während 
dort  die  Form  xotto;,  vielfach  ausgeschrieben,  überliefert  war,  finden 
wir  für  die  Kaiserzeit  in  1596  die  Form  xo7cap)((ia)  bezeugt.  Was 
ich  in  den  Observationes  ad  hist.  Aeg.  prov.  Rom.  p.  2(i  f.  über 
die  Gleichwertigkeit  der  beiden  Ausdrüclvc  gesagt  habe,  findet  durch 
das  hier  vorgelegte  Material  eine  neue  Stütze. 

Doch  die  Fälle,  in  denen  in  der  Kaiserzeit  die  Toparchie  an- 
gegeben wird,  sind  im  Ganzen  selten.  Weit  häufiger  ist  es,  dass, 
ganz  wie  wir  es  oben  für  die  Ptolemäerzeit  kennen  lernten,  keinerlei 


§  124.     DIE    TOPÄKCHIE    ALS   STEUERDISTRIKT.  309 

nähere  Angabe  über  die  Art  der  Steuer  gemadit  wird.  Vgl.  762, 
768,  771  —  773,  77'J,  790,  7!)2— 794  u.  s.  w.  Dies  ist  bis  auf 
Hadrian  die  vorherrschende  Form.  Von  da  an  wird  es  Sitte, 
zwar  nicht  die  Toparchie,  wohl  aber  das  Dorf  zu  nennen,  für 
welches  die  Grundsteuer  erhoben  wurde  —  wie  wir  es  gleichfalls 
für  die  Ptolemäerzeit  in  einigen  Fällen  oben  kennen  lernten.  lu 
unserer  Sammlung  begegnet  ein  derartiger  Zusatz  zuerst  im  Jahre 
125  n.  Chr.  (Nr.  820).  Von  da  an  wird  es  inmier  häufiger,  ja 
schliesslich  zur  Regel.  Wir  meinen  Zusätze  wie  br.ip  Xapaxos 
(oder  auch  bloss  Xapaxo;),  unkp  Noxou  xai  Atßö;,  brAp  K£pa|jieiiüv, 
hr.kp  Nyjawv  u.  s.  w.  Kurz  die  meisten  Oertiichkoiten,  die  wir  auf 
dem  alten  thebanischen  Boden  nachgewiesen  haben,  begegnen  hier 
als  die  Bezirke,  für  die  die  Grundsteuer  erhoben  ist.  Es  steht  hier 
der  Einzelort  an  Stelle  der  gesammten  Toparchie.  Auf  eine  Aende- 
rung  in  der  Steuerpraxis  möchte  ich  daraus  für  die  Kaiserzeit 
ebensowenig  wie  aus  denselben  Verhältnissen  für  die  Ptolemäerzeit 
schliessen.  Dass  die  Toparchie  auch  in  der  Kaiserzeit  die  Grund- 
lage der  Steuerverteilung  blieb,  lehrt  eine  Gruppe  von  Berliner 
l'apvri,  auf  die  ich  schon  in  den  Observationes  p.  24  f.  kurz  hin- 
gewiesen habe  (BGU  552^557).  Es  sind  Berichte  der  Sexaicpwxoi 
über  die  eingegangenen  Weizenlieferungen,  aus  dem  Herakleopoli- 
tisehen  Gau'),  aus  dem  10.  Jahre  des  Kaisers  Gallienus.  Da  sind 
die  Eingänge  nach  den  Dörfern  zusammengestellt,  die  Dörfer  aber 
sind  nach  den  Toparchien,  in  denen  sie  liegen,  grupjiirt.  Zum 
Schluss  einer  jeden  Toparchie-Abrechnung  heisst  es  dann:  Yi(v£Tat) 
X07t(ap)^ia;)  +  -=-  x,  d.  h.  „das  macht  für  die  Toparchie  so  und 
so  viele  Artaben  Weizen".  Wir  können  somit  die  Toparchie  als 
Steuerdistrikt  von  den  Zeiten  des  Philadelphos  bis  auf  Kaiser 
Gallien,  also  durch  sechs  Jahrhunderte  verfolgen.  j\Iit  dieser  Be- 
deutung der  Tojoarchie  hängt  es  zusammen,  dass  in  einem  noch 
unpublicirten  Londoner  Pap^Tus  aus  dem  2.  Jahre  des  Hadrian, 
den  ich  durch  Kenyon's  Güte  einsehen  durfte,  die  Thesauros- 
beamten  geradezu  als  die  Sitologen  der  und  der  Toparchie  be- 
zeichnet werden.  Es  heisst  da:  Rxo/Jdo:  xal  [lEXO/ots  atxoXd- 
Y'Ois)    xo-ap/(ias)   AtovuacaSo[?  y']tY!]\i{ixxoi)   ßL.      Vgl.   Kenyon, 


*)    Dass    sie   nicht   zum    arsinoitischen    Gau  geböreu,    bemerkte   ich  schon 
Hermes  XXVII  S.  299   A.  6. 


310  IV.   KAPITEL. 


Catalogue    of   additions    to    the    departraent    of  Mss.    1888  — 1894 
S.  4-26  Pap.  CCXCV. 

Ueber  die  Grundsteuer,  die  nach  diesen  Toparchien  distribuirt 
und  erhüben  wurde,  ist  oben  in  §  4G  gehandelt  wurden. 

125.    Tpocpwv  0£A(cpax(DV?). 

In  265,  4  (Elephantine)  scheint  mir  nach  nochmaliger  Revision 
des  Originals  folgendes  zu  stehen:  xal  tpocpov  (für  xpo'fwv)  OsX- 
(cpaxwv)  xxl  xXaIwv)  ayeXwv.  Die  Lesung  bedarf  noch  weiterer 
Nachprüfung.  Wie  diese  Abgabe  aufzufassen  ist,  lasse  ich  dahingestellt. 

§   12G.    TvxT;. 

In  1031  (aus  dem  Jahre  31  n.  Chr.)  quittirt  der  TsXwvYjg 
5Vx"^;  einer  Frau  Zsvapoeüg,  da.<s  er  das  liloq  ScX-.faxL(Sjo;  [iiäq 
von  ihr  empfangen  habe.  Die  Abgabe  wird  als  uVx.tj,  d.  h.  als 
„Schweinesteuer"  bezeichnet,  und  wird  im  gegebenen  Fall  „für 
1  Ferkel"  erhoben.  Diese  Schweinesteuer  ist  zu  den  Vermögens- 
steuern zu  zählen. 

§  127.    T-sp  7ipo?s5wv  cpoivix(ci)v). 

Für  Syene  durch  Nr.  276  (vom  J.  186/7  n.  Chr.)  belegt. 

Es  kommt  sachlich  auf  dasselbe  hinaus,  ob  man  90cv£x(a)v) 
oder  'focvtx(ü)V(i)v)  auflöst.  Unter  dieser  TipogoSo;  kann  wohl  nur 
die  Einnahme  verstanden  werden,  die  dem  Besitzer  der  (poivixss 
oder  90tVLXü)V£5  aus  dem  Verkauf  der  Früchte  (Datteln)  und  aus 
der  sonstigen  vielseitigen  Nutzbarmachung  der  Palmen  erwächst. 
Eine  Abgabe,  die  uTisp  TiposoSwv  ^O'.vöxftov)  erhoben  wird,  trifft 
also  dieses  Einkommen  und  ist  zu  den  Einkommensteuern  zu  zählen. 
Genaueres  lässt  sich  über  diese  Abgabe  nicht  ernütteln,  da  der 
Schlu.ss  der  Urkunde  nicht  vollständig  erhalten  ist.  Nur  so  viel 
sieht  man,  dass  sie  in  Geld  gezahlt  wird  {vg\.  Scaypa'^stv). 

§  128.   Tukp  v.\ifiq  By|[ioaiou  -.fOLv.xog  und  ÜTisp  Ttp.fj$  cpoLv.xos. 

Ersteres  für  Syene  —  Elephantine  belegt  durch  84,  93,  111, 
126,  159,  161,  172,  227,  232,  243,  254,  255,  257,  266,  281, 
285,  288,  1268,  127;i,  16(J9,  Letzteres  für  Theben  durch  502, 
692,  693,  697,  1466,  alle  aus  dem  II.  und  III.  .lahrhundert  nach  Chr. 


§  124  —  128.  311 

In  Elephantine  quittirt  man  07i£p  xtpj;  Syjfiooiou  ^oivixoc. 
Das  AVort  cpotv:xo;  fiiuk-t  sich  in  2üt5  voll  ausgeschrieben,  eben 
so  Sy}[ioatou  in  84,  111,  161,  "24i].  Dass  damit  auf  kaiserliche 
Palniengärten  hingewiesen  wird,  scheint  mir  daraus  hervorzugehen, 
dass  die  xtjiYJ  von  den  kaiserlichen  Praktoren  erhoben  wird,  den- 
selben, die  auch  die  kaiserlichen  Steuern  eintreiben.  Ti[xrj  bezeichnet 
hier  den  Kaufpreis,  denn  der  Gedanke  an  eine  Adaeratio  wird  durch 
Sv]|i.oa[o'J  ausgeschlossen.  Es  handelt  sich  hier  also  nicht  um  Abgaben 
irgend  welcher  Art,  sondern  lediglieh  um  den  Kaufpreis  von  üb- 
jecten,  die  aus  der  kaiserlichen  Domäne  gekauft  sind.  Was  ist  nun 
dieses  Kaufobject?  Das  Nächstliegende  scheint  zu  sein,  epcEvt^  als 
„Palmenbaum"  zu  fassen.  Sieht  man  aber,  dass  in  der  Regel  hinzu- 
gefügt wird  „yevyJiJiaTOS  xoO  x.  exou?",  so  wird  man  vielmehr  auf 
das  hingewiesen,  was  die  Bäume  in  dem  betreffenden  Jahre  getragen 
haben,  also  die  Früchte,  die  Datteln.  Sprachlich  ist  diese  Deutung 
durchaus  erlaubt,  denn  Hesyehios  sagt  unter  cpotvt^:  zo  SIvSpov  .  .  . 
xal  6  xapTO^.  Ich  glaube  daher  annehmen  zu  dürfen,  dass  in 
den  vorliegenden  Texten  denjenigen  Leuten  quittirt  wird,  die  aus 
der  kaiserlichen  Domäfie  Datteln  gekauft  haben.  Ueber  die  Höhe 
des  Preises  lässt  sieh  nichts  eruiren.  Die  quittirten  Summen  sind 
von  sehr  verschiedener  PI  übe,  was  zu  unserer  Auffassung  passt. 
Vielleicht  ist  es  kein  Zufall,  dass  die  meisten  Quittungen  aus  dem 
October  und  November  stammen.  Die  Dattelernte  findet  in  Aegypten 
im  August  und  September  statt.  In  diesen  Fällen  handelt  es  sieh 
also  um  den  Ankauf  von  frischen  Datteln  aus  der  neuen  Ernte. 
Dem  widerspricht  nicht,  dass  die  Früchte  regelmässig  als  zu  dem 
Y£V7jfj.a  des  verflossenen  Jahres  gehörig  bezeichnet  werden.  Auch 
die  Früchte,  deren  Ernte  in  den  Anfang  des  aegyptischen  Jahres 
hineinfällt,  sind  doch  gewachsen  und  geworden  in  dem  vorher- 
gehenden Jahre.  Sie  sind  das  yevrjjia  des  Jahres,  das  kalendarisch 
mit  dem  28.  August  abschliesst. 

Bei  den  thebanischen  Quittungen,  in  denen  die  cpotvcxs;  nicht 
als  Sy][ioatot  bezeichnet  werden,  kann  man  schwanken,  ob  TtjjiT) 
als  Kaufpreis  zu  fassen  ist.  Die  Möglichkeit,  dass  es  sich  auch 
hier  um  den  Verkauf  kaiserlicher  Datteln  handelt,  ist  nicht  aus- 
geschlossen, und  man  könnte  auf  die  durch  Str.abo  XVII  p.  818 
bezeugten  kaiserlichen  Palniengärten  der  Thebais  hinweisen.  Andrer- 
seits besteht  aber  auch  die  Möglichkeit,  dass  mit  der  Formel   UTtsp 


312  IV-  KAPITEL. 


TtliYji;  auf  eine  Adaeratio  hingewiesen  wird  (vgl.  §  87).  Dann  würde 
in  die.<eu  Fällen  Geld  gezahlt  werden,  während  eigentlich  Datteln 
als  Abgabe  zu  entrichten  waren.  Wie  in  §  87  würde  man  auch 
hier  zunächst  an  die  Annona  denken.  Diese  zweite  Deutung  ist 
mir  wahrscheinlicher,  doch  muss  ich  die  Frage  offen  lassen. 

§  129.    [Ttiep  ....  cpo]ivtx(wv)  oea[i(ö)v)  \iZ,. 

Vgl.  Nr.  35  aus  Syene  vom  J.  89  n.  Chr. 

Schon  in  der  Revue  Egj^ptologique  VI  S.  11  erklärte  ich 
Stov-  als  5la|iat  im  Sinne  von  „Bündel".  Ich  halte  an  dieser  Er- 
klärung fest,  zumal  uns  inzwischen  auch  in  den  Flinders  Petrie  Papyri 
die  BlajiY]  als  Mass  (für  Heu)  entgegengetreten  ist  (vgl.  Kaj).  X). 
In  diesem  Zusammenhange  kann  cfomE,  nicht  die  Palme,  auch  nicht 
die  Palmfrucht,  sondern  nur  den  Palmzweig  bedeuten.  Dass  das 
Wort  diese  Bedeutung  haben  kann,  bezeugt  Pollux  I  244:  xaXeaat 
5^  xal  6  xXaSoj  aoxoO  6|jhovu|jiw5  (fotvt^.^)  Wie  die  vorliegende 
Zahlung  aufzufassen  ist,  bleibt  mir  dunkel.  Verbindet  man  (potvtxwv 
direct  mit  ur.kp,  so  würden  die  47  Bündel  Palmzweige  (im  Besitz 
der  Zahler)  das  Steuerobject  darstellen.  Man  könnte  aber  auch 
U7i(£p)  xi([ific,)  (fiotvixwv  ergänzen,  und  da  die  Zahlung  von  Steuer- 
pächtern erhoben  wird,  würde  man  hier  wohl  eher  an  eine  Adaeratio, 
als  an  den  Kaufpreis  denken   (vgl.  den  vorigen  Paragraphen). 

§    130.     'i'opog   —    cpotV^XWV. 

Wenn  unsere  Ergänzung  von  1.536  (II.  Jahrb.  vor  Chr.)  richtig 
ist,  wird  dort  über  den  tföpo?  Twv  |i[e|ita9'((i)(i.£vwv  I  aot]  i^otvixwv 
quittirt.  Oöpoc  steht  dann  in  dem  Sinne  von  £x<f  optov  für  den  Pachtzins 
(vgl.  §  133),  denn  die  Quittung  macht  durchaus  den  Eindruck  einer 
Privaturkunde.  Dies  wäre  wohl  das  älteste  Beispiel  dieses  Sprach- 
gebrauches. 

Vielleicht  liegt  dieselbe  Abgabe  in  1446  vor,  wo  «tio  tpöp(ou) 
1  Artabe  Datteln  gezahlt  wird  (vgl.  Corrig.).  Doch  ist  die  Lesung 
cp6p(ou)  hier  nicht  sieher.  Die  Quittung  isj;  ausgestellt  von  irj.- 
xyjprj(Tai)    xxrj([>.ä.TMV),    etwa    Güterinspectoren.      Man    könnte    sich 

')  Ueber  mannigfache  Verwendungen  der  Palnienzweige  vgl.  Wönig,  die 
Pflanzen  i.  alt.  Aeg.  S.  313.  Als  ßai;  spielen  sie  auch  im  Haushalt  des 
Jupiter  Capitolinus  in  Arsinoe  eine  Rolle.     Vgl.  Hermes  XX.  S.  458. 


I 


§128  —  131.  ;513 

hier  als  den  Grundeigentümer  wohl  den  Kaiser,  aber  auch  einen 
reichen  Privatmann  denken.  Dass  in  dem  einen  Falle  mit  Geld, 
in  dem  anderen  in  natura  gezahlt  wird,  wird  in  den  betreffenden 
Pachtcontracten  so  festgesetzt  sein. 

§    lol.      TTtEp    Cp&LVlXWVWV    lUul    U7i£p    y£0)|J,e"pLag  CfOLVlXWVOiV.^) 

Erstercs  für  Theben  belegt  durch  Nr.  350,  3(39,  379,  396, 
307,  400,  407,  494,  540,  649,  1323,  1326,  1327,  1364,  1382, 
1383,  1385,  1389,  1398,  1548,  1554,  Letzteres  fiir  Syene-Ele- 
phantine  durch  Nr.  1.3—15,  17,  22,  88,  157,  184,  210,  238,267, 
268,  275,  284,   1610,  alle  aus  der  Kaiserzeit. 

Dass  mit  dem  Ausdruck  unip  (focvtv.wvwv  die  Grundsteuer 
bezeichnet  wird,  die  auf  dem  Palmenboden-)  lastet,  kann  sachlich 
und  sprachlich  kaum  in  Zweifel  gezogen  werden.  Dass  aber  auch 
mit  dem  Ausdruck  unip  ycW|j.£Tp!a^  cpotvixiövwv  nichts  anderes  ge- 
meint ist,  haben  wir  oben  in  ^  27  nachzuweisen  und  zu  erklären 
versucht.     In    dem   vorliegenden  Material   ist  die  erstere  Formel  in 


')  Der  Singular  q/OtvtKöivoj  ist  ausgeschrieben  in  184.  Dagegen  steht  in 
275  TÖJv  0(0x0)7)  cpt;i(vtxtovu)v).  Unter  einem  cpoivf/räv  ist  ein  Grundstück  zu  ver- 
stehen, das  ganz  oder  wenigstens  vorwiegend  mit  Palmen  bestanden  ist.  Nur 
von  solchen  handeln  die  hier  vorgelegten  Quittungen.  Dagegen  kommen  hier 
solche  Grundstücke  nicht  in  Betracht,  in  denen  vereinzelt  Palmen  steheu ,  wie 
das  namentlich  in  den  ii:apaä£'.aot  vorkommt.  So  heisst  es  in  BGÜ  348 
(vom  J.  156) :  KaXüäg  Tcoivja'-s  xo'j;  cf  oivtxa;  xous  ev  iS):  (1.  x^t)  Kapaäiami  Tto/.i^aag 
(1.  iitu>.T;aaj.)  In  einem  anderen  Falle  tinden  wir  Palmen  auf  einem  Weizenacker 
erwähnt  (BGU  227).  Wohl  wird  hier  das  dxcfopiov,  wie  billig,  nach  Artaben 
Weizen  festgesetzt,  doch  auch  von  den  vereinzelten  Palmen  scheint  eine  .\bgabe 
festgesetzt  zu  sein.  Denn  das  ist  wohl  der  Sinn  der  beiden  noch  nicht  sicher  her- 
gestellten Worte  über  Z.  16.  So  wii-d  bei  gemischten  Anpflanzungen  die  Be- 
zeichnung immer  a  potiori  genommen.  Im  Faijüm,  wo  auch  die  Olive  gedieh, 
finden  wir  nach  BGU  141  Grundstücke,  in  denen  Olive  und  Palme  neben- 
einander und,  wie  es  scheint,  in  etwa  gleichem  Verhältnis  wuchsen.  Ein  solches 
Grundstück  heisst  eXaimv  xal  (po'.viKüiv  und  wird  mit  einer  einheitlichen  Grund- 
steuer belastet  (vgl.  I  Z.  10,  12,  wo  auch  sXaKÖvos  vor  ■x.ai  cpo'.viy.fivoc;  zu 
ergänzen  sein  wird,  und  II.  Z,  9).  —  Eine  interessante  Illustration  zu  solchen 
gemi.schten  Anpflanzungen  bietet  ein  aus  Theben  stammender  Grnndriss  eines 
altaegyptischen  Gartens,  aus  der  Zeit  der  XVIII.  Dynastie.  Vgl.  Erman, 
Aegypten  u.  aeg.   Leben  S.  2  74. 

^1  Für  die  aegyptischen  Palmen  verweise  ich  auf  Wönig,  Die  PHanzen  im 
alten   Aegypten,  S.  304  ff. 


114  IV.  KAPITEL. 


Theben  üblich,  während  für  Svene  —  Elephantine  bis  jetzt  nur  die 
andere  bezeugt  ist.  Die  Identität  ist  liier  nicht  so  evident  wie  bei 
den  a|i-£).ä)V£; ,  weil  wir  nicht  in  der  Lage  sind,  wie  dort  den- 
selben Steuersatz  für  Beide  nachzuweisen  (S.  147  f.).  Das  kommt 
daher,  dass  in  den  elephautinischen  Texten  niemals  der  Flächen- 
inhalt angegeben  ist.  Aber  was  für  die  ä[i-cXwv£;  gilt,  muss  auch 
für  die  '.poivtxwvEj  gelten.  Man  könnte  auf  1301  hinweisen,  wo 
unter  der  Ueberschrift  Tzo{  [iexpiCK^]  nicht  nur  für  ä|j,7i£Äwvc-;,  sondern 
auch  iür  ^o:v;v.(I>V£?  Grundsteuer  berechnet  wird.  Auch  in  407 
liegt  es  sehr  nahe,  vor  ^o(tVf/.ojvwv)  aus  der  vorhergehenden  Zeile 
ein  ■''£W[i£Tp{x;  zu  suppliren  (vgl.  d|io!ü)c;j. 

Die  Grundsteuer  für  Palmeuland  wird  regelmässig  nicht  in 
uatura,  sondern  in  Geld  gezahlt.  Aus  den  Elephantiner  Ostraka 
lässt  sich  über  die  Höhe  der  Steuer  nichts  feststellen,  da  sie,  wie 
gesagt,  sich  darauf  beschränken,  nur  die  Geldsumme  zu  nennen. 
Es  begegnen  die  verschiedensten  Summen,  entsprechend  dem  ver- 
schiedenen Umfang  der  besteuerten  Ländereien.  Dass  die  zahlenden 
Personen  die  Eigentümer  der  Grundstücke  sind,  kann  nicht  bezweifelt 
werden;  auch  Frauen  begegnen  darunter  (vgl.  210j.  Meistens  ist 
zu  der  Steuer  nur  die  Jahreszahl  hinzugefügt,  wobei  zu  bemerken 
ist,  dass  (ausser  in  L")7 )  immer  das  verflossene  Jahr  genannt  wird. 
In  «inigen  Fällen  steht  .statt  der  einfachen  Jahreszahl  yr/r^ixaToj 
loO  X.  ETou?  (vgl.  88,  184,  267,  268,  275),  einmal  XrjdmixMV) 
ToO  X.  £xo'j;  (1610).  Dass  die  Grundsteuer  für  Palmenland  für  das 
verflossene  Jahr  gezahlt  zu  werden  pflegte  und  nicht  wie  beim  Körner- 
boden für  das  laufende  Jahr  (vgl.  S.  21of.),  hängt  mit  dem  Termin 
der  aegyptischen  Dattelernte  zusammen.  Diese  fällt  in  den  August 
unil  September,  also  gerade  in  die  Wende  des  aegyptischen  Jahres. 
Ich  hob  schon  oben  S.  311  hervor,  dass  die  Datteln,  die  in  den  ersten 
Tagen  oder  Wochen  des  neuen  Jahres  geerntet  wurden,  mit  Recht 
als  Y£Vy;[ji,a,  als  Wachstum  des  verflosseneu  Jahres  bezeichnet  werden 
konnten.  Da  es  sich  hier  nirgends  um  Naturallieferuugen  handelt, 
so  kann  mit  YEvVjjiaTo;  xoö  x.  exouj  nicht  die  Ernte  gemeint  sein, 
von  welcher  die  Zahlung  erfolgt  (vgl.  S.  214),  sondern  für  welche 
gezahlt  wird.  Die  Richtigkeit  dieser  Auffassung  wird  durch  ein 
soeben  in  Berlin  erworbenes  Ostrakon,  P.  8597,  erwiesen,  in  welchem 
quittirt  wird:  'J7i;(£p)  ytwii(txp'.aq)  q30tv£tx((i)V0)v)  'ApaßEa?  ü7i(£p) 
Xrj|ji([jiaTa)vj  a^.     Es  ist  von  denselben  Pächtern  ausgestellt,  die  in 


I 


i 


§    131.      GRUNDSTEUER    VOM    rALMENLANI).  Ulf) 


iniO  einfach  Xvirji[iaTti)v)  sagen.  Es  zeigt  sich  hierin  wiedenini, 
dass  die  Grund.steuer  als  Ertragsstcuer  aufgefasst  wurde  (vgl.  >S.  214). 
Eine  Besonderheit  findet  sich  in  275:  da  wird  tö  5  ,  d.  h.  tö  XETacp- 
TOV  gezalilt.  Ich  ei-wähne  es  nur,  um  davor  zu  warnen,  etwa  eine 
Angabe  über  die  Höhe  der  Steuer  darin  zu  seilen.  Es  kann  in  dem 
Zusammenhang  nichts  anderes  bedeuten,  als  dass  der  Zahler  eine  Rate 
im  Betrage  von  einem  Viertel  der  auf  ihn  fallenden  Gesammtsumme 
entrichtet  hat. 

Weiter  kommen  wir  mit  den  thebanischen  Urkunden.  AVie 
bei  den  d(i.7ieXö)V£;  werden  wir  auch  hier  den  grossen  Londoner 
Papyrus  CXIX  zur  Ergänzung  heranziehen  (vgl.  oben  S.  148). 
Aus  diesem  PapjTus  lernen  wir,  dass  in  Theben  (II.  Jahrh.  n.  Chr.) 
die  Palmenländereien,  soweit  sie  in  Privatbesitz  waren,  in  sehr  ver- 
schiedener Höhe  zur  Grundsteuer  herangezogen  wurden.  Es  lassen 
sich  folgende  Sätze  erkennen:  1.  20  Drachmen  für  die  Arure  (Z.  8, 
11,  18,  27,  41,  50,  51,  56,  59,  61,  74,  76,  77,  78,  79,  102, 
108,  109,  114,  115,  124,  126,  132,  148).  2.  40  Dr.  (Z.  57, 
60,  73).  3.  75  Dr.  (Z.  119)  und  4.  180  Dr.  (Z.  101).  Auch 
hier  wird  die  Verschiedenheit  des  Steuersatzes  namentlich  in  der 
verschiedenen  Qualität  des  Bodens  ihren  Grund  haben.  Bei  den 
a,\iiie'k&yeg  sahen  wir,  dass  die  höher  besteuerten  Grundstücke  an 
die  tspä,  die  niedriger  besteuerten  an  die  OioixrjOii;  zahlten.  Das 
triöl  auf  die  Palmenländereien  nicht  in  demselben  Masse  zu.  Wohl 
gehen  die  Summen,  die  nach  dem  Satz  von  20  und  40  Drachmen 
für  die  Arure  gezahlt  werden,  auch  hier  regelmässig  an  die  o:o'.y.r^aiq, 
während  der  zu  75  Drachmen  Besteuerte  an  die  izpi  zahlt.  Aber 
der  höchste  Satz,  der  zu  180  Drachmen,  geht  nicht  an  die  Espa, 
sondern  an  die  Stotxvjatj. 

Auch  in  den  Ostraka  können  wir  Zahlungen  an  das  Staats- 
ressort und  solche  an  das  Tempelressort  unterscheiden.  In  mehreren 
Fällen  werden  nämlich  die  (potvtxwvs?  als  Espaxcxot  bezeichnet  (369, 
379,  397,  494,  1323,  1548).  Nach  dem  Wortlaut  sollte  man  meinen, 
es  seien  Palmengärteu,  die  den  Tempeln  gehörten.  Diese  Deutung 
ist  hier  aber  völlig  ausgeschlossen.  Es  kann  kein  Zweifel  bestehen, 
dass  es  sich  hier  überall  um  Privatbesitz  handelt.  Die  Steuerzahler, 
unter  denen  sicli  auch  Frauen  befinden,  sind  die  Eigentümer  der 
betreffenden  Ländereien.  Ich  sehe  in  dem  Zusatz  tspat'.y.ot  lediglich 
einen  Hinweis  darauf,   dass  die  Grundsteuer  an  die  lepa,   nicht  an 


316  IV.  KAPITEL. 


die  Stocxrjotc:  geht.  Andrerseits  halte  ich  dafür,  dass  diejenigen 
tpoivtxwves,  die  nicht  jenen  Zusatz  haben,  au  die  Stotxyjoti;  steuern. 
Dass  in  dieser  Weise  die  Steuererträge  auf  die  beiden  Ressorts  re- 
partirt  wurden,  dafür  bürgt  der  Londoner  Papyrus,  der  geradezu 
auf  diesem  Grundsatz  basirt.  Dass  es  sich  iu  ihm  aber  um  Privat- 
eigentum handelt,  unterliegt  keinem  Zweifel;  werden  die  Grundstücke 
doch  mehrfach  ausdrücklich  als  fStöxxyjxoi  bezeichnet. 

Ehe  wir  versuchen,  aus  den  überlieferten  Summen  die  Höhe 
des  Steuersatzes  zu  berechnen,  sei  ein  Wort  über  die  Ratenzahlungen 
Yorangeschickt.  Ich  habe  schon  in  den  Göttinger  Gel.  Anz.  1894 
S.  734  darauf  hingewiesen,  dat^s  iu  dem  Londoner  Papyrus  die  ein- 
zelne Rate  nicht  als  Bruchteil  der  zu  zahlenden  Gesammtsumme  aufge- 
fasst  wird,  sondern  als  Vollzahlung  für  den  betreffenden  Bruchteil 
des  Grundstückes.  Vgl.  z. B. Z.  79:  W£V|iü)v^7ji;  'ÄTra^ou  iyot(Vixwvo;) 
EStox(TirjXou)  dv(ä)  ^v.  xß  (seil.  toO  SsTvo?  (xr^vöj)  anb  ärf  xiil  l^ 
dXp  0'.Oix(rpzu)c)  ^  eTo/X-  ^^  besagt:  Psenmonthes  besitzt  im 
Ganzen  ^  ^  Ai'ureu  Palmenland  (die  Arure  zu  20  Drachmen  Grund- 
steuer). Er  zahlt  aber  zur  Zeit  (am  22.  des  betreffenden  Monats) 
nm-  für  |  davon,  d.  h.  nur  für  |  -^K  Arure.  Das  macht  5  Drachmen 
3.J  Obolen  2  Chalkus.  Dieselbe  Art  der  Ratenberechnung  liegt  nun 
auch  in  unseren  Ostraka  vor,  nur  dass  hier  nicht  ausdrücklich  an- 
gegeben ist,  ob  die  gezahlte  Summe  eine  Rate  oder  der  volle  Betrag 
ist.  Wir  dürfen  daher,  auch  unter  der  Annahme  von  Raten,  doch 
immer  die  Geldsumme  als  den  vollen  Betrag  für  das  angegebene 
Stück  Land  betrachten  und  sind  daher  iu  der  Lage,  den  Steuersatz 
für  die  Arure  zu  berechnen.  Ich  stelle  zunächst  diejenigen  Num- 
mern zusammen,  in  denen  der  Betrag  nach  obiger  Deutung  an 
die  SioiXYjaLs  geht. 

In  Nr. 

3ÖG  (19/8  V.  Chr.)  wird  gezahlt  für  j  i  ^  ^  Arure— 8  Dr.3  0bol. 

1364(16/5      „     )  „         „ 
1054(37/8  n.Chr.)    „ 

1382  (43i4      „     )  „ 

1383(43/4     „     )  „ 

1385(44/5      „     )  „ 

396(47/8      „     )  „ 

407(54/5      „     )  „ 

[P.4434(54i5)„     )  „         „        „    ^  „     -1   „  U    „Y) 


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—  5  , 

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§   131.     GRUNDSTEl'ER    VOJI    l'ALMENLAND.  317 

In  Nr. 

1389  (57/8  n.Chr.)  wird  gezahlt  für  -j^  ^\  ^  Arure  —  2 Dr.  1  Ohul. 
1398(66/7     „     )     .,         „       „    i^,  „     -5  „  4      „ 

1326(67/8     „     )     „        „       ;    ii  ,.     -7  „  3      „ 

1327(77/8     „     )     „        „       „      ?  „     -5  .. 

540(128/9  „     )     „         „       ,.      ?  „     —  2  „ 

649(156/7   „     )    „         „       „      ?  „     —  4  „ 

Der  unschätzbare  Londoner  Papyrus  lehrt  un.s  die  interessante 
Thatsaehe,  dass  bei  der  Berechnung  der  Grundsteuer  für  die  kleineren 
Aruren- Bruchteile  Abrundungen,  bald  nach  oben,  bald  nach  unten 
vorkamen.  Ich  habe  zur  Prolie  einige  Falle  auf  S.  145  der  Keuyon'- 
schen  Edition  nachgerechnet  und  fand  daselbst  mehrere  Beispiele 
für  solche  Abrundungen.  So  müssten  in  Z.  50  für  ^4  Arure  bei 
dem  Satz  von  20  Drachmen  nicht  2  Obolen,  sondern  1  Obol  und 
7  Chalkus  gezahlt  werden.  Es  hat  also  eine  Abrundung  der  Summe 
nach  oben  um  1  Chalkus  stattgefunden.  Das  findet  sich  genau  so 
in  Z.  Ö4  wieder,  und  ebenso  auch  in  Z.  59,  W'o  für  ^ -^  Arure 
(zu  20  Dr.)  2  Dr.  5  Obolen  gezahlt  werden.  Exact  wäre  gewesen: 
2  Dr.  4  Ob.  7  Chalkus.  Dass  wir  es  hier  wirklich  mit  kleineu 
Ungenauigkeiten  zu  thun  haben,  nicht  etwa  mit  verschiedenen  Steuer- 
sätzen, wird  dadurch  über  allen  Zweifel  erhoben,  dass  ja  im  Londoner 
Papyrus  ausdrücklich  der  Steuersatz  in  jedem  Falle  erwähnt  wird: 
äva  hpo!.y\i.a.q  x.  Dies  ist  uns  um  so  wertvoller,  als  in  den  Ostraka 
der  Steuersatz  nicht  genannt  wird,  sondern  von  uns  eret  aus  dem 
Verhältnis  der  gezahlten  Summe  zu  der  Flächengrösse  berechnet 
werden  soll.  Wir  werden  daher  auf  Grund  des  Londoner  Papyrus 
von  vornherein  erwarten  dürfen,  dass  auch  hier  kleine  Ungenauig- 
keiten begegnen.  Die  obige  Tatelle  scheint  mir  nun  zu  ergeben, 
dass  in  sämmtlichen  Fällen,  die  controllirbar  sind  (also  ausser  den 
o  letzten),  der  Satz  von  20  Drachmen  für  die  Arure  vorliegt.  Und 
zwar  ist  die  Rechnung  exact  in  1326,  1383,  138.5  und  in  P.  4434. 
Es  ist  gewiss  kein  Zufall,  da.ss  in  diesen  Fällen  ein  kleinerer  Aruren- 
Bruchteil  als  ^^  nicht  begegnet,  und  wir  können  sagen:  die  Genauig- 
keit in  der  Ausrechnung  der  Steuersumme  geht  nur  bis  -^  Arure. 
In  allen  anderen  Fällen,  wo  -^  und  -^  auftreten,  haben  wir  es 
mit  Abrundungen  zu  thun.  Zur  Erleichterung  der  Nachprüfung 
schreibe  ich  hier  den  Normaltarif  hin: 


318  IV.  KAPITEL. 


1  Arure  —  20  Drachmen. 

i     „        -     5         ,. 

Jf     „        —     2         „3  OboleD. 

1^  „        —      1  ,,      1      „     4  Chalkus. 

/i  „       —  1     ,.     7 

Hieraus  ergiebt  sicli,  dass  auch  in  den  anderen  in  der  Tabelle 
aufgeführten  Fällen  der  Satz  von  20  Drachmen  für  die  Arure  zu 
Grunde  liegt,  dass  hier  aber  Abrundungen,  bald  nach  oben  (356,  407, 
1398),  bald  nach  nuten  (396,  1364,  1382,  1389,  1554)  vorliegen. 
Die  Difibrenz  zwischen  der  normalen  und  der  effelvtiven  Summe 
beträgt  1,  2,  auch  3  Chalkus.  Nur  einmal  (1364)  begegnet  ein 
Nachlass  von  6  Chalkus.  Ich  wünschte,  dass  das  Original  nochmals 
daraufhin  verglichen  würde,  ob  wirklich  ^ef  dasteht,  wie  ich  ge- 
lesen habe,  und  ob  nicht  vielmehr  ^zf  zu  lesen  ist.  Dann  würde 
auch  hier  nur  eine  Abrundung  um  2  Chalkus  (und  zwar  nach 
oben)  vorliegen. 

Bei  denjenigen  Summen,  die  für  cpotvixövs;  tepaxtxot  gezahlt 
werden,  sind  wir  nicht  in  der  Lage,  in  ähnlicher  Weise  den 
Steuersatz  zu  berechnen,  da  hier,  wohl  nur  zufälliger  Weise,  die 
Angabe  des  Flächenmasses  fehlt  (369,  379,  400,  494,  1323, 
154.S).  Nur  in  397  ist  es  angegeben.  Hier  werden  für  -gij  Arure 
4|  Obolen  gezahlt.  Nach  dem  Satze  von  20  Dr.  für  die  Arure 
müssten  aber  3  Obolen  und  6  Chalkus  gezahlt  werden,  und  es 
wäre  sehr  merkwürdig,  wenn  man  dies  ohne  Not  nicht  etwa  auf 
4  Obolen,  sondern  sogar  auf  4  Obolen  und  4  Chalkus  erhöht 
hätte.  Ich  lasse  es  dahingestellt,  ob  daher  hier  vielleicht  ein  an- 
derer Steuersatz  anzunehmen  ist.  Die  gezahlte  Summe  würde  correct 
sein   bei  der  Annahme  eines  Steuersatzes  von  24  Dr.  für  die  Arure. 

Es  ist  nicht  iminteressaut,  einige  Steuerzahler  zu  betrachten, 
die  zu  wiederholten  Malen  begegnen.  So  zahlt  'Ep[i;a5  ZwöXou 
(nach  1382)  im  J.  43/4  für  -^  -r^^  Aruren,  und  im  J.  54/5  (nach 
P.  4434)  für  -jijj.  Ich  möchte  daraus  nicht  -den  Schluss  ziehen, 
dass  sein  Grundbesitz  sich  etwa  in  der  Zwischenzeit  um  -^%  ver- 
mindert hätte,  wiewohl  die  Möglichkeit  natürlich  besteht.  Nach 
dem,  was  wir  oben  über  die  Ratenzahlungen  sagten,  ist  es  vielmehr 
näherliegend    anziiiiohmen,    dass    in    der   zweiten  Quittung   nur  eine 


§131  —  133.  319 

Ratenzahlung,  die  den  Steuerbetrag  von  ■^\■;  deckte,  vorliegt.  Ja, 
auch  die  j\  -^^  hraucliten  nur  einen  Bruchteil  des  Ganzen  aus- 
zumachen. So  erklärt  es  sich  auch,  wenn  IlExeiievw'ft;  riaji.wvil'ou 
als  Grundsteuer  für  sein  Palmeiiland  im  J.  .'51/2  3  Dr.  4.V  Ob.  zahlt 
(1548),  im  J.  3(3/7  4J  Oboleu  (379)  und  im  J.  49,50  8  Dr.  4  Ob. 
(1323).  Die  beiden  ersten  Zahlungen  sind  sicher  Ratenzahlungen, 
vielleicht  auch  die  letzte.  Es  ist  übrigens  bemerkenswert,  dass  diese 
Palmenländereien  des  Petemenophis  in  allen  drei  Füllen,  durch 
18  Jahre  hindurch,  immer  zu  den   hpa(,v.y.ol  cpocvixwvs;  gehören. 

Wir  haben  somit  den  Nachweis  geführt,  dass  in  der  Kaiserzeit 
(I/TI.  Jahrl).  ii.  Chr.)  die  Palniengärten  sowuhl  in  Svene- Elcphantine 
wie  in  Theben,  genau  so  wie  die  Weingärten,  nicht  in  natura,  sondern 
in  Geld  besteuert  wurden,  und  dass  diese  Geldsteuer  als  ein  fixer 
Satz  für  die  Arure,  in  verschiedener  Höhe,  je  nach  der  Qualität  des 
Bodens,  aufgelegt  war.  Dass  sich  in  unserer  Sammlung  keine 
Quittung  über  diese  Steuer  aus  der  Ptolemäerzeit  findet,  kann  nur 
ein  Zufall  sein.  Auch  die  Papyri  bieten  so  gut  wie  nichts.  Die 
(potv'.xwves  in  Petr.  Pap.  (II)  XLIIIb  glaube  ich  hier  ausscheiden 
zu  müssen,  weil  es  nach  der  Ueberschrift  sich  um  die  ex'Tj  xai 
Sexair,,  d.  h.  die  Apomoira  handelt  (s.  oben  S.  157  A.  2).  Vielleicht 
wird  man  XXXIXi  auf  die  Grundsteuer  beziehen  dürfen.  Doch  ist 
der  Beweis  nicht  zu  führen. 

§  132.  OGptxCov). 

In  1546  scheint  das  Wort  !:pGptx(oO)  eine  Abgabenart  zu  be- 
zeichnen, wie  die  Gegenüberstellung  mit  ^  nahelegt.  Es  mag  wohl 
von  cpopog  abzuleiten  sein.    Doch  wage  ich  keine  genauere  Erklärung. 

§  133.    <l>6po5. 

Für  Elephantine^)   belegt  durch   Nr.  6.57.     Vgl.  11()7.    1177. 

Der    cföpoc,   Y'^S  in   657    wird    von    einem  Manne   gezahlt,    der 

das    betreffende   Grundstück    in  Pacht    hat    (•?);    e'X'-?    ^^    |i'.a9-(i)a;). 

')  Mit  Unrecht  habe  ich  die  Nummer  in  die  thebanischen  Ostraka  ein- 
gereiht. Die  Eigennamen  (IIaxoiiX''jP-'Si  nanpeiitS-igg,  Il£xexvoO|j.tS)  weisen  deutlich 
nach  Elephantine.  Sollte  der  unterzeichnende  'Pou-.fiXXoj  Ni^pou  vielleicht 
identiscl»  sein  mit  dem  gleichnamiüien  Agoranomos  Elephantines,  der  durch  den 
Pap.  Paris.  17  für  das  .Jahr  153  n.  Chr.  bezeugt  ist?  Dann  würde  die  vorliegende 
Quittung  in  der  Agoranomie  ausgeslelll  sein.  In  diesenx.  Falle  wäre  allerdings 
anzunehmen,  dass  wir  nur  eine  Copie  vor  uns  haben,  nicht  das  Original  I  vgl.  S.  12). 


320  IV.   KAl'lTEL. 


Wir  werden  daher  in  dem  ifopos  den  Pachtzins  sehen,  den  der 
Pächter  dem  Grundeigentümer  zahlt.  Dieser  Pächter  erhält  Quittung 
von  drei  Männern,  die  sich  als  ^mxYjprjxal  y^s  T|i.ouaäveü)s  bezeichnen, 
vermutlich  die  Verwalter  des  Grundeigentümers,  und  zwar  legt 
ihr  Titel  die  Vermutung  nahe,  dass  es  sich  um  kaiserliches  Do- 
niaiiialhuid  liaiidelt,  das  eben  an  den  Zahler  in  Pacht  gegeben  ist. 
Wie  wir  in  §  37  gezeigt  haben,  ist  nun  zwar  die  übliche  Bezeich- 
nung für  den  Pachtzins  iy.(p6pioy.  Aber  auch  ^öpoc,  kommt  daneben 
in  dieser  Bedeutung  vor.  In  BGU  409  (a.  313  n.  Chr.)  wird  einem 
Pächter  der  Empfang  des  (föpoi;  quittirt.  Dabei  wird  die  Urkunde 
bezeichnet  als  ixiod'aTZoyJ].  <^6poc  an  der  Stelle,  wo  wir  nach 
Obigem  Ix^opoov  erwarten  würden,  begegnet  ferner:  BGU  303,16 
(a.  586  n.  Chr.  'jizsp  aTiotäxxou  (fopou);  307/8  (byz.  Zeit);  349,8 
(a.  313  n.Chr.);  364,12  (a.  553  n.  Chr.  unkp  aTioxaxxou  (p6pou); 
396,  7  und  13  (byz.  arab.  Zeit);  Pap.  Genev.  10  (a.  323,  wo 
in  Z.  13  [cpöpou]  zu  ergänzen  sein  wird);  Pap.  Grenf.  (I)  LIV,  12 
(a.  378),  LVI  11.  Die  Beispiele  stammen  sämmtlich  aus  der  jüngeren 
Zeit.  Vergleiche  jedoch  das  Beispiel  in  §  130  aus  dem  II.  Jahrh.  v.  Chr. 
Auch  im  Pap.  Lond.  CCXVI  vom  J.  94  n.  Chr.  steht  '-fipoc,  für 
Pachtzins.  Ebenso  scheint  in  BGU  487  (IL  Jahrh.  n.Chr.)  i^öpoc 
in  Verbindung  mit  der  jjLtaO-cöacs  vorzukommen,  und  vermutlich 
sind  die  ^opot  in  unserer  Nr.  1167  ebenso  zu  deuten:  Abydenos  wird 
der  Grundeigentümer  sein,  und  die  anderen  Männer,  die  ihm  Weizen 
liefern,  werden  .seine  Pächter  sein.  Vgl.  Nr.  1177.  Weitere  Bei- 
spiele für  cpopog  als  Pachtzins  bringt  jetzt  CPR  I  (vgl.  S.  153). 
Andrerseits  kann  aber  ^öpoQ  auch  in  dieser  Urkundensprache  eine 
staatliche  Steuer  bezeichnen.    Vgl.  z.  B.  fopoc,  ßowv  in  §  144  u.  a. 

§  134.    Trap  (^'jX(ax'^g)  oder  cpuX(a%wv)  und  (rnkp  &tj;tovfc'j 

(puX(axü)v). 

a)  Ersteres  für  Theben  belegt  durch  Nr.  451,  460,  463,  467, 
472,  478,  480,  529,  581,  616,  1283,  1285,  1429,  1477. 

b)  Letzteres  für  Theben  belegt  durch  Nr.  v422,  427,  428,  430, 
433,  435,  437,  441,  442,  445,  447,  449,  455,  461,  465,  1281,  1284. 

Die  Vergleichung  der  Texte  lehrt,  dass  mit  den  beiden  ver- 
schiedenen Ausdrücken  ein  und  dieselbe  Abgabe  bezeichnet  wird. 
Drei  Quittungen   stammen  aus  Xäpa^  (581,  616,  1477),   drei  aus 


§133—135.  321 

einem  anderen  nicht  genannten  Orte  (451,  467,  478),  alle  andoroii 
aus  NÖTOs  xal  Aii\i. 

Es  scheint,  dass  dw^e  Abgahe,  die  für  die  „Besoldung  der 
Wächter"  erhöhen  wurde,  in  jedem  Jahre  neu  auijrclegt  wurde,  und 
zwar  für  alle  .Steuerpflichtigen  immer  in  derselben  Ii<)he,  also  kopf- 
steuerartig. Das  ergiebt  sich  aus  den  Fällen,  in  denen  wir  mehrere 
(Quittungen  für  ein  Jahr  haben.  Für  7.")  (>  zahlt  sowohl  Ka|x-^T:5 
(441)  als  W£va£vxt9of|S  (442)  je  1  Dr.  11  Ob.  Für  79,80  zahlt 
sowohl  'AtioXXws  (451)  als  Ka|xfjTts  (1281)  je  1  Dr.  Für  83/4 
zahlt  sowohl  Ka|j.^T[i;  (461)  als  fevasvttil'Ofj?  (460)  je  1  Dr. 
Ebenso  stellt  es  sich  für  84/5  (vgl.  463  und  P.  1787)  und  86/7 
(vgl.  472  und  1284)  heraus.  Diese  Regelmässigkeit  scheint  mir  dafür 
zu  sprechen,  dass  wir  es  hier  nicht  mit  Raten  zu   tliun   liaben. 

Andrerseits  sehen  wir,  dass  ein  und  dieselbe  IVrson  in  ver- 
schiedenen Jahren  in  verschiedener  Höhe  bezahlt.  So  zahlt  l\.a.\i.rixic, 
ÜETEapTipT^ous  für  67/8  (422)  1  Dr.  4  Ob.,  für  69;70,  70/1  und 
72/3  (428,  430,  433)  je  2  Dr.,  für  75/6  (441)  1  Dr.  H  Ob.,  für 
77/8  (447)   1  Dr. 

An  was  für  ^'jXaxs;  hier  im  Speziellen  zu  denken  ist,  ist  schwer 
zu  sagen.  Denn  es  gab  (füAaxsg  der  verschiedensten  Art.  Eine 
Zusammenstellung  des  Materiales  findet  man  bei  0.  Hirschfeld,  Die 
aeg.  Polizei  in  der  Kaiserzeit  nach  Papyrusurkunden  (Sitzungsb. 
Berl.  Akad.  1892.  28.  Juli).  Doch  wenn  hier  von  ^uXaxs;  schlankweg 
geredet  wird,  so  ist  es  mir  am  wahrscheinlichsten,  dass  damit  die 
Dorfpolizei  der  betreffenden  Ortschaften  geraeint  ist,  die,  wie  ich 
bei  Hirschfeld  a.  a.  O.  S.  2  bemerkt  habe,  zu  den  oy;|Jioatot  der 
Dörfer  gehören.  Für  das  Kostgeld  dieser  „Wächter"  hatten  also 
die  Gemeindeangehörigen  alljährlich  einen  Zwangsbeitrag  in  der  oben 
bezeichneten  Art  beizusteuern.     Ueber   das   (f'jXaxtxcxöv  vgl.  §  212. 

§  135.    Xstpwva^iov. 

Für  Syene-Elephautine  belegt  durch  Nr.  16,  19,  23,  27,  28, 
32,  40,  45,  50,  66,  67,  77,  78,  80,  107,  109,  110,  133,  153, 
166—168,  175,  181,  193—195,  199,  20(1,  207,  250,  291,  alle 
aus  dem  I.  und  II.  Jahrh.  u.  Chr.     Für  Theben  vgl.  Nr.  527. 

Xeipwvä^LOV  ist  die  Steuer,  die  die  )(2tptt)V«XT£e,  die  Hand- 
werker, für  die  Ausübung  ihres  Gewerbes  zu  zahlen  haben,  also  die 

WiLCKEN,   Ostr.ika.  -^ 


322  n-  KAPITEL. 


„Gewerbe.-K-iiei".  In  der  Literatur  begegnet  der  Ausdruck  nur  bei 
Ps.  Aristot.  Oeconom.  II  1,4,  wo  neben  der  Kopfsteuer,  dem  imv.z- 
<paXiov,  das  y^eipwva^tov  unter  den  -pojooot  der  Siitrapenwirtschaft 
aufgezählt   wird 

Untersuchen  wir,  ob  sich  aus  dem  vorliegenden  Material  ein 
Einblick  in  das  System  gewinnen  lässt,  nach  welchem  die  Gewerbe- 
treibenden zur  Steuer  herangezogen  wurden.  Wir  werden  unten 
sehen,  dass  man,  wie  heute,  auch  im  Altertum  verschiedene  Arten, 
diese  Steuer  aufzulegen,  gekannt  hat.  Für  das  ptolemäische  und 
römische  Aegypten  liegt  uns  in  der  Literatur  kein  Zeugnis  vor.  Aus  den 
kurzen  aber  inhaltscliweren  Worten  Strabo's  (XVII.  p.  787)  ..loui; 
5'  ooa  £V  sipr'jVTi  'C^l'^  "^^  ''■^"^  tsx^^S  epyai^oiisv&us,  äcp'  wv^tep  xal 
od  TipöcoSot  ouvirjYOVTO  xw  ßaaiXsI",  durch  die  die  Gewerbesteuer 
für  die  Ptolcmäerzeit  bezeugt  wird,  hatte  bereits  Lumbroso  (Re- 
chercbes  S.  297)  mit  Recht  geschlossen,  dass  wohl  alle  die  ver- 
schiedenen Gewerbe,  die  er  auf  S.  104  f  zusammenstellt,  einer  Ab- 
gabe unterworfen  gewesen  seien.  Doch  über  die  Art  dieser  Gewerbe- 
steuer geben  Strabo's  Worte  keinen  Aufschluss.  Diese  Lücke  füllen 
nun  die  Ostraka  und   Papyri. 

Betrachten  wir  zunächst  die  Ostraka.  In  den  obigen  Nummern 
wird  nm-  zwei  jNIal  das  Gewerbe  des  Zahlenden  ausdrücklieh 
genannt,  in  No.  23  und  45.^)  In  23  zahlt  ein  gewisser  Pheuopis 
für  das  Jahr  71/2  am  30.  Mesore  72  un{tp)  xtfpwva^tou)  Xiv6i:p(ö(v) 
'E?.£^(aVTtvr;5 )  12  Drachmen.  Hier  könnte  man  noch  schwanken, 
ob  die  12  Drachmen  Vollzahlung  oder  Rate  sind.  Die  Zweifel 
werden  durch  Nr.  27  gehoben,  wonach  derselbe  Phenopis  für  die 
Gewerbesteuer  des  Jahres  75/G  am  30.  Mesore  7()  zahlt  locc,  X(onziq) 
ap-("j(pioi))  5pa(y(j.äc)  töyxTito  /  ^  t,3,  d.  h.  „er  zahlt  die  noch 
restirenden  8  Drachmen,  das  macht  in  Summa  12  Drachmen".  Damit 
scheint  mir  erwiesen,  dass  der  Leinweber  Phenopis  12  Drachmen 
zu    zahlen    hatte,    und    offeulm.r    für's    Jahr.''^)     Dabei   ist   die  Frage 


')  Das  vou  Marquarilt  (RStV  II-  S.  1',I9  A.  5)  aus  Fröhner  citirte  xeipovagiov 
— xaii'»)X£i(ou)  ist  aufzugeben.  Es  ist  statt  dessen  zu  lesen:  Xao(Ypacp£a;)  —  xaxi 
|i4po;.     Vgl.  Nr.  104.     Natürlich  zahlten  auch  die  5iä7iY)Xoi  eine  Gewerbesteuer. 

')  Nachträglich  waren  mir  allerlei  Bedenken  gekommen,  ob  die  Zahlungen 
nicht  auf  den  Monat  statt  auf  das  Jahr  zu  beziehen  seien.  Ks  würde  mich  zu 
weit  führen,  wollte  ich  die  sehr  verwiekelteii  uud  verschlungenen  Wege,  auf 
denen    sich    iiieiue   Bedenken    und    dann    meine  Gegengründe,    die   mii'h    an    der 


I 


§  135.     DIE    GEW'ERBESTEUER    IN    ELEPHANTINE.  323 

noch  unentschieden,  ob  diese  Summe  alf-  Quote  des  jiiliilirlien  Ge- 
wiimstes  oder  aber  als  Fixum,  das  auf  das  Gewerbe  als  solclics  gelegt 
war,  aufzulassen  ist.  In  ersterem  Falle  wäre  anzunehmen,  dass 
riiunopis    im  J.  75/6  genau   so   viel    verdient   hätte   wie  im  J.  71/2. 

In  Nr.  45  zahlt  ein  XivoTitöXr^;  Peteyris  für  das  /e'.pwvä^iov 
des  Jahres  itG;7  erst  inl  Xöyou,  also  als  Rate,  4  Drachmen,  darauf 
ta?  XuT^a?  xoO  «L  ^  öxtw.  Dies  crgiebt  mit  Sicherheit,  dass  auch 
der  Xtvo7iii)Xy]s  Peteyris  12  Drachmen  für  das  Jahr  zu  zahlen  hatte. 
No.  50  zeigt,  dass  derselbe  Peteyris  für  i)8  wiederum  12  Dr.  zahlt. 
In  Nr.  6<)  wird  ihm  für  101/2  die  Ratenzahlung  is-l  löyoo)  von 
4  Dr.  quittirt,  während  (»7  die  Generalquittung')  für  dasselbe 
Jahr  101/2  ist,  wonach  er  auch  für  dieses  Jahr  12  Drachmen  gezahlt 
hat.  Auch  dieser  Peteyris  zahlt  also  in  drei  verschiedenen  Jahren 
immer  dieselbe  Summe.  So  werden  wir  schon  hiernach  der  Meinung 
zuneigen,  dass  die  Gewerbesteuer  nicht  als  Quote  des  Jahresgewinnes 
berechnet  war.  —  AtvoTiwXr^g  ist  der  Leiuenhändler,  während  Xtvuq; o;-) 
der  Leinweber  ist.  ,  Das  sind  zwei  verschiedene  Gewerbe,  die  somit 
gleich  hoch  besteuert  waren. 

Weitere  Gewerbe  werden  in  den  obigen  Ostraka  nicht  genannt. 
Wohl  aber  zeigen  sie  uns,  dass  andere,  ungenannte  Gewerbe,  in 
anderer  Höhe  besteuert  waren.  In  Nr.  lü  zahlt  eine  Frau  Thaesis 
für   00/1    \)~ip  yzipoyoL^ioQj)  [iY)(vtatou)  (?)  ^L  Q^i  (Jxötpc  'A&up 


alten  Ansicht  festhalten  Hessen,  bewegten,  hier  in  e.xtenso  vorführen.  Nur  Eines 
will  ich  hervorheben.  Wenn  der  Schreiber  (z.  B.  von  Nr.  45)  sagt  „4  aOiöj  xag 
Xc'.Tiaj  XGÖ  aL  (^=;tpü)TOU  excug)"  v.xX,  ist  es  da  wahrscheinlich,  dass  man  an 
eine  Bestzablung  für  einen  bestimmten  Monat  zu  denken  habe,  während  doch 
kein  Monat  in  dem  Ostrakon  erwähnt  wird?  Aehnlich  liegt  es  in  7  7  und  sonst. 
Sollten  die  Summen  auf  den  Mouat  zu  beziehen  sein,  so  könnte  man  wohl  er- 
warten, dass  bei  den  Restzahlungen  einmal  auch  grössere  als  die  Normalsumnien 
vorkämen,  dass  also  einmal  für  zwei  Monate  nachgezahlt  würde.  Wer  sich  die 
Mühe  giebt,  die  Frage  nachzuprüfen,  wird,  denke  ich,  auch  zu  meinem  Resultat 
kommen. 

')  Es  ist  oöenbar  nur  eine  nachlässige  Kürze,  wenn  der  Schreiber  hier 
einfach  die  Gesamnitsumme  nennt,  anstatt  die  Restzahlung  hervorzuheben  und 
dann  die  Summe  zu  ziehen. 

*)  Die  hier  gebräuchliche  Form  Xivu^og  (nicht  Xtvöütfos)  ist  in's  Lateinische 
ak  linyphus  übergegangen.  Vgl.  Blümner,  Technologie  I.  S.  184.  Ucbrigens 
l'iLicgnet  in  Papyri  auch  die  Form  XlvöüifOj,  z.  B.  im  Berliner  Papyrus  P.  1364. 
l  liier  die  aegyptischen  Leinweber  vgl.  Büchsenschütz,  die  Hauptstätten  d.  Ge- 
«crbfleiss.   S.  62.     Vgl.   auch  oben   S.  268. 

21* 


324  iV.  KAPITEL. 


(i^(vü)v)  Y  4  Drachmen.  Angenommen,  dass  dies  Ostrakon  wirk- 
lich aus  Elephantine  stammt/)  ist  es  das  einzige  Beispiel  fiiir 
diesen  Ort,  in  dem  eine  monatliche  Berechnung  der  Gewerbe- 
steuer zu  Tage  tritt,  so  wie  es  in  Theben  üblich  war  (s.  unten). 
Sonst  tritt  uns  hier  immer  die  Jahressunime  entgegen.  Ob  die 
Ergänzung  |iTj(viatou) ,  W'onach  die  Gewerbesteuer  geradezu  als 
Monatssteuer  bezeichnet  würde,  richtig  ist,  lasse  ich  dahingestellt.-) 
Jcdenfolls  hatte  Thaesis,  wenn  sie  für  die  drei  ersten  Monate  des 
Jahres  4  Dr.  zahlt,  für's  ganze  Jahr  16  Dr.  zu  zahlen.  Ihr  Gewerbe' 
wird  also  anders  als  das  der  Leinweber  und  Leinonhändler  besteuert. 
In  derselben  Höhe  wie  die  Letzteren  wird  dagegen  ein  gewisser 
Harpaesis,  Sohn  des  Phanophis,  besteuert.  Der  zahlt  für's  Jahr  103/4 
nach  Nr.  77  erst  8  Dr.,  und  dann  „die  übrigen  4  Dr."  also  12  Dr. 
im  Jahr.  Das  bestätigt  Nr.  80  für  107/8,  Nr.  109  für  llG/7  (hier 
wird  die  zweite  Rate  von  4  Dr.  ungenau  mit  &X)mq,  statt  mit  läc, 
XotTca;  bezeichnet)  und  Nr.  110  für  117/8.  Welches  Gewerbe 
er  trieb,  bleibt  unbekannt. 

Mehrere  Personen  zahlen  ferner  20  Dr.  2  Ob.  für's  Jahr.  Es 
giebt  hier  zwar  bis  jetzt  zufallig  keinen  Fall,  in  dem  es  sich,  etwa 
durch  Bezeichnung  der  Xomoi,  nachrechnen  liesse,  dass  dies 
wirklich  der  volle  Jahresbetrag  und  nicht  eine  Rate  sei.  Die 
Summe  begegnet  aber  so  ausserordentlich  häufig,  dass  sieh  wohl 
nicht  daran  zweifeln  lässt,  dass  dies  wirklich  der  jährliche  Betrag  ist. 
Folgende  Personen  zahlen  20  Dr.  2  Ob.  als  Gewerbesteuer:  1.  Na- 
cpepaäV;  (Nr.  32).  2.  Wavavö?  (40).  3.  KaXadipi<;  (133). 
4.  Utztyyoü^jiQ  (153).  5.  TltzopZ\).f,%-iQ  (166).  6.  üaTaEßSt?  (167, 
175,  181,  195,  199,  206,  250).  7.  Zixevtiws  (168).  8.  Öoio- 
[ioOg  (193,  hier  ist  )(ecpü)vä^iov  ergänzt).    9.  Käatg  (194).    10.  Ein 


')  Nachträglich  kommen  mir  Bedenken,  ob  dies  Ostrakon  nicht  vielleicht 
aus  Theben  stamme.  Die  Quittung  steht  formell  den  thebanischen  viel  näher 
als  denen  aus  Elephantine.  Auch  könnte  der  Name  des  Mannes  dieser 
Frau,  WEviiuvS-rij,  dafür  angeführt  werden.  Menth  ist  ein  thebanischer  Gott, 
und  die  Zusammensetzungen  mit  seinem  Namen  sind  dort  ungemein  häufig. 
Aus  Elei)hantinc  wüsste  ich  sonst  keine  anzufühi*en.  Aber  beweisend  ist  der- 
gleichen natürlich  nicht. 

*)  Nach  Analogie  von  Nr.  527  könnte  man  vermuten,  dass  in  dem  [i''i 
vielmehr  die  Bezeichnung  des  Gewerbes  stecke.  Man  könnte  an  (ivi^ovönog  oder 
|iY)XoTpöc()C{  denken.  Dass  eine  ,,Schafliirtin"  aber  höher  besteuert  wäre  als  ein 
Leinweber,  ist  wenig  wahrscheinlich. 


§  l;55.     DIE    GEWERBESTEUER    IN    EI.EPHANTINE.  325 


anderer  neTOp^fiTjO't?  (207).  Das  sind  10  verschiedene  Personen, 
die  dieselbe  Gewerbesteuer  zahlen,  vielleicht  auch  dasselbe  Ge- 
I    werbe  treiben. 

Endlich  sei  auf  Nr.  19  hingewiesen,  wo  über  20  Dr.,  und  auf 
291,  wo  über  8  Dr.  2  Ob.  quittirt  wird.  In  beiden  Fällen  ist 
unklar,  ob  eine  Rate  vorliegt. 

Aus  dem  Angeführten  ergicbt  sieh  mit  grosser  "Wahrseheinliehkeit, 
dass  in  Elephautiue-Syene  die  verschiedenen  Gewerbe  in  verschiedener 
Höhe  besteuert  wurden,  in  der  Weise,  dass  jedes  einzelne  Ge- 
werbe mit  einem  bestimmten,  für  Jeden,  der  das  Gewerbe 
trieb,  gleichen  Fixum  behaftet  war.  Der  Gedanke  an  eine 
Berechnung  der  Gewerbesteuer  als  Gewinnstquotc  wird  ni.  E.  schon 
duich  die  Tabelle  jener  Personen,  die  sämmtlich  20  Dr.  2  Ob.  zahlen, 
ausgeschlossen.  Im  Einzelnen  haben  wir  für  Elephantine-Syene 
folgende  Jahresfixa  gewonnen:  die  Leinweber  zahlten  12  Dr.,  eben- 
soviel die  Leinenhändler,  desgleichen  ein  ungenanntes  Gewerbe;  ein 
anderes  ungenanntes  Gewerbe,  von  einer  Frau  ausgeübt,  war  mit 
IG  Dr.  belastet,  ein  anderes  mit  20  Dr.  2  Ob. 

Diese  Auffassung  findet  durch  einen  Papyrus  der  Berliner 
Sammlung  (BGU  9)  ihre  volle  Bestätigung.  Ich  habe  schon  im 
„Rheinischen  Jahrbuch"  S.  254  kurz  darauf  hingewiesen.  Diese 
Urkunde  steht  auf  der  Rückseite  eines  Textes  aus  dem  J.  248  n.  Chr., 
ist  also  jünger;  wieviel  jünger,  ist  schwer  zu  sagen.  Ich  denke,  wir 
können  sie  etwa  rund  um  300  ansetzen,  wobei  es  auf  ein  paar  Decen- 
nien  mehr  oder  weniger  nicht  ankommt.  Diese  Urkunde  enthält  nun 
Listen  von  Gewerbetreibenden  aus  Arsinoe,  der  Hauptstadt  des  Faijüm. 
Den  Namen  ist  die  Wohnung  („in  der  und  der  Strasse")  und  eine  (offen- 
bar von  ihnen  gezahlte)  Geldsumme  hinzugefügt.  Sie  sind  nach  ihren 
Gewerben  geordnet,  und  die  Angehörigen  ein  und  desselben  Gewerbes 
zahlen  dieselbe  Summe.  Die  einzige  Ausnahme  I  13  wird  als 
Ratenzahlung  zu  fassen  sein.  Ich  habe  schon  a.  a.  O.  die  Erklärung 
aufgestellt,  dass  diese  Summen  als  Gewerbesteuerzahlungen  aufzufassen 
sind.  Danach  zahlten  die  xpUTWTiwXat  ^=  jpuxoizGiXxi,  die  Trödler, 
12  Drachmen,  die  jxupuTiwXai  =  jxupwTiöXat ,  die  Salbenhändler, 
60  Dr.,  die  ßa^sTg,  die  Färber,  24  Dr.,  andere  Gewerbe,  deren 
Ueberschrift  verloren  ist,  8  Dr.  und  8  Dr.  und  16  Dr.  Bei  den 
xopaätej,  den  Barbieren  (vgl.  S.  228),  sind  keine  Summen  erhalten. 
Zum    Glück    lässt   sich   noch  mit  Sicherheit  feststellen,    für  welchen 


326  IV.  KAPITEL. 


Zeitraum  diese  Summen  fallig  waren.  In  II  11  zahlt  ein  Färber 
das  Doppelte  von  dem,  was  die  Anderen  zahlen,  und  da  licisst  es: 
()Tzk.p  [ivjviöv  ß.  Folglich  waren  jene  Summen  numatlieh  zu  zahlen. 
Danaeh  können  wir  für  Ar.«inoe  fiir  die  Zeit  um  3ÜÜ  n.  Chr.  folgende 
Tabelle   aufstellen: 

Zwei  ungenannte  Gewerbe  zahlten  pro  Jahr  je  12  X  8  ==  9'j  Dr. 
Die  Trödler  „  „        „      „  12  X  12  ==  144  Dr. 

Ein  ungenanntes  Gewerbe        „  „        „      „   12  X  16  :^  192  Dr. 

Die  Färber  „  „        „      „  12  X  24  =  288  Dr.  . 

Die  Salbeuhändler  .„  „        „      „   12  X  60  =  720  Dr. 

Vergleicht  man  diese  Zahlen  mit  denen  aus  Elephantine,  so 
fällt  ihre  gewaltige  Höhe  auf.  Wir  werden  die  Erklärung  hierfür 
in  dem  rapiden  Sinken  des  Geldwertes  am  Ausgang  des  III.  Jahr- 
hunderts, in  der  bekannten  Verschlechterung  der  Münze  dieser  und  der 
folgenden  Zeit  zu  suchen  haben,')  und  sehen  uns  somit  ausser  Stande, 
über  das  positive  Verhältnis  dieser  Gewerbesteuersummen  zu  jenen 
etwas  zu  eruiren.  Indessen  wird  man  nicht  fehl  gehen,  wenn  man 
annimmt,  dass  das  relative  Verhältnis,  dass  in  diesem  Papyrus  unter 
den  verschiedenen  Gewerben  hinsichtlich  ihrer  Besteuerung  besteht, 
in  den  früheren  Zeiten,  denen  die  Ostraka  angehören,  im  Grossen 
und  Ganzen  das.selbe  gewesen  sein  wird,  dass  also  die  Gewerbesteuer 
der  Trödler,  der  Färber,  der  Salbenhändler  sich  auch  früher  wie 
1:2:5  verhalten  haben  wird.  Als  Hauptergebnis  dieses  Textes 
möchte  ich  aber  die  Bestätigung  betrachten,  die  sie  unserem  obigen  aus 
den  Ostraka  geschöpften  Resultat  gewährt,  dass  alle  Angehörigen 
desselben  Gewerbes  dieselbe  Steuer  zu  zahlen  hatten. 

Betrachten  wir  nunmehr  die  Gewerbesteuerquittungen  aus  Theben. 
Der  Au.sdruck  yeipwvä^iov  begegnet  hier  nur  einmal  (Nr.  527). 
Vgl.  oben  §  23.  Im  Uebrigen  ist  es  hier  Sitte,  das  Gewerbe  selbst 
in  der  Quittung  zu  nennen,  meist  in  der  Form  bnhp  ßa'^swv 
oder  ähnlich.  Wir  haben  die  einzelnen  Fälle  in  diesem  Kapitel 
an  ihrem  Orte  behandelt,  und  haben  folgende  verschiedene  Ge- 
werbe als  der  Gewerbesteuer  unterworfen  nachgewiesen:  1.  die 
Fischhändler    (§  6).      2.    die   Bademeister    (.§  23).      3.    die    Färber 

')  Vgl.  Wessely,  XXII  Jahresbcriolit  d.  K.  K.  Staatsgymnas.  III.  Bezirk 
Wien  1890/1.  S.  14.  Nach  BGU  13  kostete  übrigens  im  J.  289  n.  Chr.  ein 
Kamel  nicht  6  Tal.  3000  Dr.,  wie  Wessely  a.  a.  O.  S.  2  liest,  sondern  sogar 
IG  Tal.  3000  Dr. 


§  135.    DIK  (iKWKUBESTEUER  IM   TA^IJUM  U>1)   IN  DKU  TIIEÜAIS.       .'527 

(§  24).  4.  die  Wober  (§  26).  .ö.  die  'IVi.pichweber  (§  28;.  ü.  die 
öffentlichen  Dirneu  (§  .ö2).  7.  die  Flickschneider  (§57).  8.  die 
RaiihstoHVabrikanten  (§  Ü3).  9.  die  Walker  (§  6Ö).  10.  die  Barbiere 
(§68).  11.  die  Fährleute  (§79,  vgl.  98,  197).  12.  die  Schiffs- 
zimnierer  (§  80).  lo.  die  Zimmerleute  (§  84).  14.  die  Eseltreiber 
lS88).  15.  die  Sack[träger]  (§  111).  Ki.  die  Schuster  (§  114). 
So  umfangreich  auch  bereits  das  Material  ist,  so  würde  es  uns 
doch,  wenn  wir  auf  diese  thobanischen  Quittungen  angewiesen 
wären,  über  die  wichtigsten  l'unkte  im  Unklaren  lassen.  Auf 
die  Frage,  nach  welchem  Princip  diese  Gewerbesteuer  berechnet 
und  aufgelegt  war,  geben  sie  uns  keine  Antwort.  Aus  ihm  allein 
kannten  wir  nicht  entscheiden,  ob  die  Gewerbesteuer  wie  sonst 
vielfach  im  Altertum  als  Gewinnstquote  berechnet  wurde,  also  für 
jeden  einzelnen  Gewerbetreibenden  individuell  bemessen  war,  oder 
aber  ob  jene  andere  Methode,  die  wir  oben  für  Svene- Klephantine 
und  Arsinoe  nachgewiesen  haben,  bestanden  hat,  wonach  alle  An- 
gehörigen desselben  Gewerbes  in  gleicher  Höhe  steuerten.  Andrerseits 
ist  hervorzuheben,  dass  in  dem  bis  jetzt  vorliegenden  Material  kein 
Moment  zu  finden  ist,  das  dagegen  spräche,  die.se  zweite  Methode 
auch  für  Theben  zu  supponiren,  und  da  a  priori  eine  gleichmässige 
Behandlung  innerhalb  Aegyptens  wahrscheinlich  ist,  so  werden  wir 
wohl  mit  Recht  auch  für  Theben  annehmen,  dass  alle  Angehörigen 
desselben  Gewerbes  dieselbe  Steuer  zu  zahlen  hatten.') 

Bessere  Auskunft  geben  die  thebanischen  Ostraka  für  eine 
andere  Frage.  Wir  haben  oben  gesehen,  dass  nach  dem  Faijümer 
Papyrus  die  Gewerbesteuern  für  den  Monat  berechnet  waren  und 
ordnungsgemäss  auch  monatlich  zahlbar  waren.  Während  dies  in 
den  Elephantiner  Quittungen  sich  nur  ein  einziges  ISIal  fand,  liegt 
fiir  Theben  eine  grosse  Reihe  von  Belegen  dafür  vor,  dass  es  hier 
ebenso  gehalten  wurde.  Man  braucht  nur  die  Erheberfjuittungen 
durchzusehen,  um  zu  finden,  dass  fast  überall  gesagt  ist:  Du  hast 
für  den  und  den  Monat  die  fällige  Steuer  (tö  xa-9-f,xov  teXo?)  gezahlt. 


M  Das  gilt  auch  von  den  Dirnen,  wenn  wir  annehmen,  c-iass  sie  ähnlich 
wie  in  Paliuyra  zur  Steuer  herangezogen  wurden.  Gab  es  auch  in  Aegypten 
verschiedene  Klassen  mit  amtlieh  vorgeschriebenem  Tarif,  so  zahlten  eben  alle 
Dirnen,  die  zur  selben  Klasse  gehörten,  dieselbe  Steuer.  Immerhin  ist  dies 
der  einzige  Fall,  wo  nach  der  Höhe  des  Einkommens  Unterschiede 
gemacht  werden. 


328  IV.  KAl'ITEL. 


In  den  meisten  Fällen  bleibt  es  ungewiss,  wie  lioch  ein  jedes 
einzelne  Gewerbe  besteuert  war.  Nur  bei  der  Walkerstener  ist  es 
wahrscheinlich,  dass  sie  12X2  =  24  Dr.  im  Jahr,  ebenso  bei  der 
Barbiersteuer,  dass  sie  44  Dr.  betrug  (vgl.  §  6G  und  68).  Diese 
Unsicherheit  beruht  auf  folgenden  Gründen.  Soweit  unsere  Urkunden 
Erheberquittungen  sind,  beschränken  sie  sich  meist  darauf  anzugeben, 
dass  der  Adressat  —  es  sind  immer  briefartige  Quittungen  — 
für  den  und  den  IMonat  die  fällige  Steuer  gezahlt  hat,  ohne  dass 
sie  die  Summe  nennten.  Nur  selten  findet  sie  sich  einmal  hinzu- 
gefügt. Das  mochte  überflüssig  erscheinen,  weil  ja  das  Gewerbe 
in  der  Quittung  genannt  wurde,  die  Fixa  der  einzelnen  Gewerbe 
aber  in  den  Steuerbureaus  bekannt  genug  waren.  Wenn  alle 
Schneider  x  Drachmen  zu  zahlen  hatten,  so  genügte  es,  wenn  in 
der  Quittung  gesagt  wurde,  dass  die  Zahlung  für  die  Schneidersteuer 
erfolge.  —  Bei  den  Bankquittungen  müssen  wir  die  Königs-  und 
die  Kaiserzeit  scheiden.  Unter  den  Ptolemäern  .sind  sie  regelmässig 
auf  den  Namen  des  Erhebers  ausgestellt,  nennen  nur  die  Summen,  die 
diese  an  die  Bank  abliefern,  ohne  die  Beiträge  der  einzelnen  Steuer- 
zahler zu  .spezificiren.  Diese  bieten  also  ebensowenig  eine  Antwort 
auf  unsere  Frage.  Sie  können  uns  höchstens  eine  ungefähre  Vor- 
stellung davon  geben,  was  für  Summen  durch  die  Erhebung  der 
betreffenden  Steuer  eingingen.  Anders  sind  die  Bankquittungeu 
der  Kaiserzeit.  Sie  geben  uns  ziffernmässig  an,  wieviel  der  einzelne 
Steuerzahler  im  gegebenen  Fall  ( durch  Vermittelung  des  Erhebers 
an  die  Bank)  gezahlt  hat.  Jedoch  ist  es  meist  ganz  unsicher,  ob 
die  genannte  Summe  den  Gesammtbetrag  des  Jahres  oder  den  eines 
Monats  oder  aber  eine  Rate  des  Jahres-  resp.  Monatsbetrages  dar- 
stellt. Diese  Schwierigkeit  wird  sich  allerdings  einmal  beseitigen 
lassen,  wenn  unser  Matei'ial  erst  grösser  ist.  Wenn  erst  mehrere 
Quittungen  aus  benachbarten  Jahren,  an  dieselbe  Person  ausgestellt, 
vorliegen,  dann  wird  sich,  so  wie  wir  es  schon  in  §  68  bei  den 
Y.Qupzii;  thun  konnten,  zunäch.st  im  einzelnen  Fall  eine  Entscheidung 
treffen  lassen,  und  sind  erst  mehrere  Fälle  entschieden,  dann  wird 
man  auch  das  Resultat  verallgemeinern  können,  denn  dass  auch 
in  diesem  Punkt  ein  fester  Usus  für  die  Quittungsschreiber  bestanden 
hat,  ist  sehr  wahrscheinlich. 

Somit  bleibt  einstweilen,  wenn  wir  auf  die  Ostraka  und  Papyri 
zurückblicken,    als    llaujjtresultat    die   Erkenntnis,    dass    diejenigen, 


§  135.     «IE    CJEWERBESTEUEU    IN    UEli    TIIKliAlS.  329 


die  dasselbe  Gewerbe  ausübten,  eine  Ciewerliesteuer  in  gleicher  Höhe 
zu  zahlen  hatten.  Jch  habe  noch  hinzuzufügen,  dass  unsere  Ur- 
kunden keinen  Anhalt  dafür  bieten,  dass  in  der  von  den  Ostraka 
beleuchteten  Periode  • —  \\.  Jahrb.  vor  Chr.  bis  II.  Jahrh.  nach  Chr. 
—  eine  Aeuderung  in  diesem  Princip  eingetreten  sei.  Dass  die 
einzelnen  Fixa  je  nach  der  wirtschaflliehen  I^agc  geändert  werden 
konnten,  ist  a  priori  wahrscheinlich,  und  wird  durch  jeiuMi  Faijünier 
Papyrus  aus  der  Zeit  um  30ü  n.  Chr.  so  gut  wie  siclier. 

Dieser  Einblick  in  die  Gewerbesteuern  i.st  um  so  wertvoller, 
als  wir  liislur  nur  vereinzelte  Notizen  über  diese  wichtige  Frage 
besassen.  Aber  selbst  diese  wenigen  genügen,  um  uns  divor  zu 
warneu,  das  Resultat,  das  wir  hier  an  der  Hand  der  aegyptischen 
Urkunden  gewonnen  haben,  etwa  ohne  Weiteres  verallgemeinern  zu 
wollen.  Für  Aegypten  selbst  ist  durch  Ps.  Aristot.  Oeconnin.  II 
2,2.')  überliefert,  dass  der  aegyptische  König  Taös  auf  den  Hat 
des  Atheners  Chabrias  a~ö  xwv  t^ÄoEiöv  x£  xal  epyaaTyjpiuv  xal 
Töjv  aXXvjv  Tivä  Ipyaatav  ly^oviojv  ifi<;  epYaai'as  [lepoc  xö  Ssxaxov 
XcXsOaat  d-oxeXelv.  Danach  musste  jeder  Gewerbetreibende  yVi 
seines  Gewiunstes  dem  Könige  zahlen. i)  Diese  Bestimmung  ist 
natürlich  ephemer  geweseu,  wie  die  Regierung  des  Taös  selbst. 
Aehnlich  haben  die  Byzantier,  als  sie  in  Geldverlegenheit  waren, 
von  den  Wunderthätern  (ß-a'j\xcf.iOKCiiol),  Wahrsagern  (|xavx£C?), 
Quacksalbern  ('^apjxax&TiwXa'.)  und  anderen  ähnlichen  Leuten  eine 
Gewerbesteuer  im  Betrage  von  -^  des  Gewinnstes  erhoben  (Ps.  Aristot. 
Oeconom.  II,  2,  3:  xö  xpixov  5e  {lipoc,  xoO  ip'(a(Z,o[xho'j  ä-oxsXelv 
exa^av).  Ebenso  hat  Kaiser  Gaius  die  Lastträger  (geruli)  in 
der  Weise  besteuert,  dass  sie  i  ihrer  täglichen  Einnahme  dem  Staate 
zu  entrichten  hatten  (Sueton.  Gai.  40).  In  allen  diesen  Fällen 
wird  also  anders  als  im  ptolemäischen  und  kaiserlichen 
Aegypten  eine  bestimmte  Quote  vom  Gewinnst  als  Ge- 
werbesteuer  abgeführt. 

Andrerseits  finde  ich  den  aegyptischen  Modus  wieder  in  Pal- 
myra,  zur  Zeit  Hadriaus.  In  dem  Steuertarif  der  Stadt  (ed.  Dessau, 
Hermes  XIX.  S.  501,  vgl.  516)  heisst  es:  ['0  auzög  5Yj|ji]oai(ovrj; 
-p[«;]£c     £pyaax7ip((.ov[ ]     Tt:avxo7T:wX[£t]o)v     oxuxtxwv 

')  Die  Ansichten  gehen  darüber  auseinander,  ol)  dies  als  eine  Gewerbesteuer 
(SC)  Marquardt,  RStV  11'  S.  199)  oder  aber  als  eine  Eiukommensteuer  (so  Bncckh, 
Staatshaush.  I^  S.  696)  zu  fassen  ist.     Ersteres  erscheint  mir  zutreffender. 


330  IV-  KAPITEL. 


[ ]    Ix    csovri^v.xQ    IxaoTou    iiTjvö;    xal    IpYaaxTjptou 

Sxäaxo'J  Syjväpiov  ä.  Wenn  ich  den  Text  recht  verstehe,  hat 
man  hinter  spyaaxi^ptwv  die  Bezeichnung  noch  eines  Gewerbes 
(in  adjirtivischer  Form)  zu  ergänzen.  Von  diesem,  sowie  von 
den  Trötllern  und  Scliustern,  wird  sonach  für  den  Monat  und  für 
die  Werkstatt  1  Denar  erhoben.  Hier  sind  also  drei  verschiedene  Ge- 
werbe zusammengestellt,  die  gleich  hoch  besteuert  sind.  Das  Wichtigste 
ist,  da.ss  aucli  hier  wie  in  Aegypten  innerhalb  eines  jeden  Gewerbes 
jedes  Mitglied  gleich  viel  zu  zahlen  hat,  und  zwar  eine  fixe  Summe, 
die  unabhängig  vom  Jahresertrag  tarifmässig  für  den  Monat  festgelegt 
ist.  Aehnlich  stelle  ich  es  mir  für  Aegypten  vor.  Der  palmyrenische 
Text  lehrt  uns  aber  auch  etwas  Neues.  Er  hebt  hervor,  dass  die 
Steuer  für  jede  Werkstatt  (lpY«axT^ptov)  zu  zahlen  ist.i)  Darin  liegt, 
wenn  ich  recht  sehe,  dass  nur  selbstständige  Handwerker,  die  eine 
eigene  Werkstatt  besitzen,  zu  dieser  Steuer  herangezogen  werden, 
nicht  etwa  auch  die  Lehrlinge  und  Handlanger,  die  in  der  Werkstatt 
mit  arbeiten,  auch  nicht  —  und  daran  ist  in  diesem  palmyrenischen 
Tarif  wohl  noch  eher  zu  denken  —  die  durchziehenden  Kara- 
wancuhändler,  sondern  die  Ständigen  und  Ansä.ssigen.  Unsere 
Ostraka  geben  auf  diese  Frage  keine  Antwort.  Ich  möchte  aber 
annehmen,  dass  auch  die  in  ihnen  genannten  Handwerker  als  selbst- 
ständige Arbeiter  und,  soweit  die.Katur  des  Gewerbes  es  verlangt, 
Inhaber  von  Werkstätten  zu  betrachten  sind. 

Endlich  sei  die  Frage  untersucht,  ob  die  Regierung  bei  der 
Auflage  oder  Erhebung  der  Gewerbesteuern  irgend  welche  Rück- 
sicht auf  die  Vereinigungen  der  Gewerbetreibenden  genommen,  resp. 
dieselben  sich  dienstbar  gemacht  hat.  Zunächst  ein  Wort  zu  den 
Vereinen  selbst.  Liebenam  hat  in  seinem  Buch  „Zur  Geschichte  und 
Organisation  des  römischen  Vereinswesens"  (1890)  gezeigt,  wie  das 
Zusammcnschliessen  der  Gcwerksgenossen  zu  Vereinen  oder  Gilden  aller 
Orten  im  nlmischen  Reich  —  wenn  auch  in  verschiedenem  Grade  — 
verbreitet  gewesen  ist.-)  Speziell  für  Aegypten  bringt  er  freilich 
(S.  158;  nur  zwei  Beispiele,  die  mercatores  und  die  navindarii  von 
Alexandrion.     Hierzu  lässt  sich  noch  Manches  hinzufügen.     In  einer 


')  Auch  nacli  der  obon  angeführten  Er/älilung  von  den  Stevierreformen 
des  Königs  Taös  (Ps.  Aristot.  Oeeon.  II.   2,25)  werden  die  spyaoxr/p'.a  besteuert. 

-)  Die  Arbeit  von  E.  Ziebarth  über  die  griechischen  Vereine  konnte  ich 
hierfür  noch  nicht  benutzen. 


§  135.  im:  Gewerbesteuer.  —  die  iiaxuwerkervereine.     331 


bei  Lunibroso,  Kechcrfhos  S.  134,  wiedergcgebenen  Insclirift  aus 
dem  Faijfim  (vom  Jahre  3  nach  Chr.)  ehrt  xö  -/.Y,^^o;  xiov  a.-b 
ToO  'Apatvoettou  y.aö-apoupywv  xxl  TiXaxouvxoTCOiwv  den  -poaxäxYj? 
des  laufenden  Jahns  mit  einer  steinernen  Bildsäule.  Da  tritt  uns 
deutlich  die  Organisation  der  Gilde  entgegen,  die  hier  als  7:Xfj9-og 
bezeichnet  wird.')  Für  die  Ptoleniäerzeit  glaube  ich  Spuren 
des  Vereinswesens  in  dem  Pap.  Paris.  5  zu  liiKlcn.  einem 
thebanischen  Contract  aus  dem  Ende  des  II.  Jahrh.  vor  Chr.  Es 
handelt  sich  liier  im  Wesentlichen  um  das  Recht  der  Choachvten  an 
den  Toten.  In  dem  y.ax'  avopa  xtov  a(i)|i,äxü)v  finden  sich  nun  fol- 
gende Bemerkungen   (nach  meinen  Lesungen): 

axuxEWv  xoO  na&üp{x[o'j].     Col.  3,3. 

xapty^E'jxwv  (corrigirt  aus  axuxitov)  xöjv  iv.  xoö  Ko-(xtxo'j).    Col.  3,  9. 

xap'.^suxwv  Ko7i(xtxwv).     Col.  18.  1.  29,5. 

Hiernach  scheinen  „die  Schuster  des  Pathyritischen  Gaues" 
und  ebenso  „die  Leiclienbalsamirer  des  Koptitischen  Gaues"  in  der 
thebanischen  Nekropole  ihren  besonderen  Begräbnisplatz  gehabt  zu 
haben.  Ist  diese  Auffassung  richtig,  so  lässt  das  auf  eine  gildeu- 
artige  Geschlossenheit  der  beiden  Gewerke  schliesseu.  Eines  ver- 
dient noch  hervorgehoben  zu  werden:  weder  die  Kuchenlnickcr  im 
Faijüm  noch  diese  Schuster  und  Balsamirer  in  der  Thebais  werden 
als  Vereine  einer  Stadt  oder  eines  Dorfes  bezeichnet,  vielnielu- 
als  Vereine  des  Gaues.  Vgl.  namentlich  die  Worte  der  Inschrift: 
xö  izXri^-QZ  "^wv  dtjib  xoO  'Apacvoetxo'J  xxX.  Daraus  ergiebt  sich, 
dass  die  Gilde  als  solche  den  ganzen  Gau  umfasste,  nicht 
eine  einzelne  Ortschaft.  Das  schliesst  nicht  aus,  dass  die  Ge- 
werke auch  innerhalb  der  einzelnen  Gemeinden  ihre  Organisation 
hatten.  So  begegnet  im  Pap.  Grenf  (II)  XLIII  9  vom  J.  92  n.  Chr. 
ein  ■f\'(o\i)^zvoc,  y^pSttüv  X'^;  aüxr^g  xwjiri;,  d.  h.  von  Soknopaiu  Nesos. 

Einen  kleinen  Beitrag  zur  Organisation  der  Gewerke  bieten 
auch  die  Strassennamen.  Wenn  es  z.  B.  in  Arsinoe  eine  Salz- 
händlerstrasse, eine  Leinenweberetrasse,  eine  Fischerstrasse,  eine 
Pöklerstrasse,  eine  Linsenhändlerstrasse  u.  s.  w.  gab,-)  so  folgt 
daraus   doch  wohl,    dass  auch  hier  wie  anderwärts  ursprünglich  die 


')  Vgl.  hierzu  auch  Lumbroso,  Recherches  S.  lOG. 

^)  Vgl.  meine  Zusammenstellungen  in  der  Zeitschr.  GescUsch.  Erilk.  Berlin 
1887.    1.   S.  28. 


332  IV.  KAPITEL. 


Innungen  bei  einander  wohnten  und  dadurch  eben  den  Strassen 
ilireu  Namen  gaben.  Diese  ursprüngliche  Sitte  des  Zusaminenvvohnens 
hat  sich  auch  in  Aegypten  mit  der  Zeit  gelockert.  So  sehen  wir 
in  der  oben  lic^inochcucn  Papyrasurkunde  aus  der  Zeit  um  300 
n.  Chr.  die  Mitglieder  ein  und  desselben  Gewerkes  in  ganz  ver- 
schiedenen Strassen  wohnen.  Aber  die  alten  Strassennamen  sind 
uatiirlieh  l)estehcu  geblieben,   ebenso  wie  in  uuseni  modernen  Städten. 

Auf  die  innere  Gliederung  der  Vereine  werfen  Bezeichnungen 
wie  EaxtüvapxT];  und  ap)^ovYjAai:Yi;  ein  Streiflicht.  Ersteres,  das  in 
unseren  Ostraka,  in  Nr.  1154^1156  begegnet,  bezeichnet  den  Vor- 
steher der  Weberwerkstatt.  Der  öcpyovY]XäxYjc,  der,  wie  oben  S.  272 
bemerkt,  in  dem  grossen  Wirtschaftsbuch  von  Hermupolis  begegnet, 
wird  tler  Vorsteher  des  Eseltreiber -Vereins  sein. 

Die  oben  angeführteu  Beispiele,  die  durchaus  nicht  den  An- 
spruch auf  Vollständigkeit  machen  wollen,  legen  den  Gedanken 
nahe,  dass  auch  in  Aegypten  die  gewerblichen  Vereine  oder  Gilden 
eine  nicht  unbedeutende  Rolle  gespielt  haben,  ja  dass  wohl  in  allen 
Gauen  solche  Organisationen  bestanden  haben.  Es  ist  jedoch  her- 
vorzuheben, dass  in  unseren  Gewerbesteuerquittungen  aus  dem 
II.  Jahrh.  vor  Chr.  bis  zum  II.  Jahrh.  nach  Chr.  immer  der  einzelne 
Gewerbetreibende  es  ist,  von  dem  durch  die  betreffenden  staat- 
lichen Behörden  die  Gewerbesteuer  erhoben  wird.  Das  hat  sich  später 
bei  der  grossen  Reorganisation  des  gesammten  staatlichen  Lebens 
durch  Diokletian  geändert.  Wie  überhaupt  die  Tendenz  dahin  ging, 
diese  Handwerkervereine  ebenso  wie  die  sonstigen  Genossenschaften 
allmählich  immer  mehr  in  den  Dienst  des  Staates  zu  stellen  und  sie 
als  Werkzeuge  der  Verwaltung  zu  benutzen '),  so  ist  in  der  nach- 
diokletianischen  Zeit  die  Repartirung  und  Eintreibung  der  Gewerbe- 
steuer (des  chrysargyrum)  der  Gilde  als  solcher  übertragen  worden. 
Die  Genossenschaft  hatte  nunmehr  für  die  Ablieferung  der  auf- 
erlegten Pauschsurame  einzustehen.  2)  Doch  für  diese  Zeit  versagen 
unsere  Ostraka  völlig.     Hier  setzen  die  byzantinischen  Papyri  ein.'') 


')  Vgl.  Liebenani ,  Zur  (Icschii-litp  iiiiil  OrgaiiisiU.  d.  Rom.  Vcicinswesens 
1890.   S.  50. 

■■')  Vgl.  hierzu:  Jlarfiuardt,  ESiV  IT-'  S.  237.  E.  Kulm,  Städtische  und 
Bürgerliehe  Verfassung  d.  Köm.  Reichs  I  ISfil.  S.  281.   Liebenani  a.  a.  O.  S.  53/4. 

^)  Vgl.  hierzu  einstweilen  VVessely,  Denkschr.  Akad.  Wien  1»89.  S.  216  f. 
aneh   232. 


§135—136.  333 


Zum  Schluss  möchte  ich  hervorheben,  dass  in  den  vier  Jahr- 
hunderten, über  die  sich  unsere  Gevverbesteuerquittungen  erstrecken, 
immer  nur  Geld,  niemals  Naturalien  für  diese  Steuer  geliefert 
werden.  Das  entspricht  ganz  dem,  was  wir  sonst  über  das  Verhältnis 
der  Geldwirtschaft  zur  Naturalwirtschaft  wissen.  Die  Letztere  i)riclit 
erst  wieder  mit  dem  III.  .lahrh.  u.  Chr.  herein.  Das  hat  Biichei- 
ebenso  verkannt  wie  er  die  Bedeutung  des  selbstständigeu  Hand- 
werks im   Altertum   verkannt   hat.      Vg-j.   Kap.  VII. 

§  13(5.   'l'Tzkp  )(tü[jLaxwv. 

Für  Theben  belegt  durch  Nr.  371,  377,  378,  386,  391,  394, 
405,  400,  408,  409,  419,  422,  423,  426,  429,  431,  [434,  437, 
438],  443,  [444,  448],  452,  456,  458,  459,  [461],  465,  466, 
470,  480,  483—485,  488,  489,  490,  498,  518,  519,  526,  528, 
531,  532,  534,  537—539,  542,  544,  546,  565,  573,  585,  586, 
591,  623,  636,  667,  1021,  1058,  1243,  1245,  1247,  1280,  1281, 
1283,  1288,  1289,  1373—1375,  1378,  1379,  1381,  1387,  1392, 
1393,  1397,  1400,  1403,  1407,  1409,  1428,  1429,  1547,  1550, 
1553,  1560,  1566,  1570,  1613. 

Nur  1021  ist  aus  der  Ptolemäerzeit ,  alle  anderen  Nummern 
aus  der  Kaiserzeit  (I. — II.  Jahrb.). 

Die  yjx>\iLa.xx,  die  Dämme  oder  Deiche,  spielen  im  Leben 
Aegyptens  dieselbe  Rolle,  wie  die  Kanäle,  über  die  wir  oben  §  33 
gesprochen  haben.  Durch  Dämme  und  Kanäle  wird  die  elementare 
Gewalt  der  Nilüberschwemmung  zum  Segen  des  Landes  regulirt.*) 
Darum  waren  sie  auch  der  besonderen  Fürsorge  der  Götter  unter- 
stellt. Eine  von  Miller  in  der  Rev.  Archeol.  Sept.  1883  heraus- 
gegebene Inschrift  aus  Koptos  vom  8.  Jahre  des  Kaisers  Trajan 
(No.  2)  feiert  Isis  als  die  grosse  „Dammgöttin":  'latoc  xr^  /^(i)[ia-o; 
^£ä  [isytaTir).  Um  die  Deiche  in  Stand  zu  halten  oder  nötigen- 
falls neue  aufzuführen,  braucht  der  Staat  einmal  Geld  und  zweitens 
Arbeitskräfte.  Beides  mussten  die  Bewohner  Aegyptens  liefern,  und 
nicht    mit    Unrecht,    da    ihre    Existenz    von    den   Deichen    abhing. 


')  Für  diese  Thatsache,  die  noch  heute  wie  vor  Tausenden  von  .Jahren  ihre 
Bedeutung  hat,  Belege  bringen  zu  wollen,  wäre  überflüssig.  Wir  wollen  hier 
nur  auf  Strabo  XVII  p.  788  verweisen,  der  mit  der  ihm  eigenen  Klarheit  die 
Bedeutung   der   StmpuYS?   »md   Jiapaxwnaxa   für   die  Ueberschwemmung  darlegt. 


334  IV.  KAPITEL. 


Ich  lasse  im  Folgenden  die  Frage  offen,  ob  man  in  der  uns  hier 
interessircnden  Periode  ähnlich  wie  später  in  der  araliischcn  Zeit 
zwischen  „Rcgieriings-Deichcn"  und  „städtischen  Deichen"  unter- 
schieden hat.')  Der  Ausdruck  X'^^l^"'  5Y(|Jiöa;ov,  der  sich  z.  B.  im 
Pap.  Leipz.  13  R.  zweimal  findet,  lässt  allerdings  auf  verschiedene 
Arten  von  Dämmen  schliessen.-)  Die  oben  angeführten  Urkunden 
sind  sämmtlich  Quittungen,  in  denen  Geldzahlungen  bnkp  y^ü)[iattxoO 
oder  U7:£p  yioiiätwv  bezeugt  werden.  Das  Material  ist  so  gross, 
dass  es  einen  Einblick  in  die  Art  der  Steuerauflage  gewährt.  Ver- 
gleicht man  die  in  den  Urkunden  quittirteu  Zahlungen,  so  wird  man 
sehr  verschiedene  Summen  finden.  Doch  eine  kehrt  mit  auffallender 
Häufigkeit  wieder,  sodass  man  geneigt  ist,  in  dieser  Wiederkehr 
mehr  als  einen  Zufall  zu  sehen.  Das  ist  die  Summe  von  6  Drachmen 
4  Obolen.  Sie  begegnet  oben,  wenn  ich  recht  gesehen  habe,  nicht 
weniger  als  31  Mal.  In  1378  ergiebt  sie  sich  durch  Summirung 
der  beiden  Raten  von  3  Drachmen  44  Obolen  und  2  Drachmen 
öi  Obolen,  in  443  durch  Halbiruug  der  13  Drachmen  2  Obolen 
an  die  zwei  genannten  Personen.  Die  sonstigen  Summen  sind,  wenn 
man  die  Texte  richtig  interpretirt,^)  immer  kleiner  als  Ü  Drachmen 
4  Obolen.  In  den  Erheberquittungen  herrscht  die  Unsitte,  die  ver- 
schiedenen bezahlten  Steuern  nicht  zu  spezialisiren.  So  wird  unser 
■/coji.a'Lixöv  in  den  Erheberquittungen  (meist  aus  dem  II.  Jahrb.,  nur 
in  534  liegt  eine  Bankquittung  aus  dieser  Zeit  vor)  gewöhnlich  mit 
dem  ßaXavtxöv  zusammenaddirt,  sodass  mau  nicht  mit  Sicherheit 
den  Betrag  der  einzelnen  Steuer  constatiren  kann.  Ich  möchte  nach 
dem  Gesagten  die  Vermutung  aufstellen,    dass  im  I.  Jahrh.  n.  Chr. 


')  Vgl.  Calcascliaiidi,  übersetzt  von  WiistenfVld ,  Abh.  Gesell.  Gott.  XXV 
1879   S.  L-iO. 

*)  Der  Begrift'  8r)|iöa'.os  ist  in  unseren  T'rkunilen  nicht  leieht  zu  fessen. 
Wenn  ich  recht  sehe,  wird  er  nicht  auf  das  kaiserliche,  sondern  auf  das  comniu- 
nale  Gebiet  angewendet.     Das  niüsste  noch  genauer  untersucht  werden. 

^)  Die  Quittungen  aus  Noxog  xal  Aitjj  zeigen  manche  Ungenauigkeiten. 
So  liegt  in  419  gewiss  ein  Versehen  vor.  Das  «•-  wird  sich  sicherlich  erst  auf 
die  zweite  Zahlung  vom  29.  Thoth  beziehen,  und  die  4.Drachmen  vom  28.  Thoth 
werden  für  GG/7  gezahlt  sein.  Vgl.  422.  Wir  haben  schon  im  Text  aus  der  Jahres- 
bezeichnuug  «t.  gefolgert,  dass  diese  Quittung  419  eine  erst  später  geschriebene 
Gesamnitc|uittung  ist.  Dadurch  mag  sieh  das  Versehen  erklären.  —  Ebenso  beziehe 
ich  in  4(;g  die  4  Drachmen  vom  5.  Phaophi  auf's  Jahr  85/G,  die  6  Drachmen 
4  Obolen  dagegen  aufs  neue  .lahr  86/7. 


§  131).     IHK    DAMMSTEUER.  335 

und  in  der  ersten  Hälfte  des  II.  —  denn  über  diene  Zeit  erstrceken 
sieh  unsere  Urkunden  —  die  Dammsteuer  6  Draelimen  4  Oboleu 
für  den  Kopf  des  Steuerpflichtigen,  und  zwar  jährlieh,  betragen 
habe.  Ich  finde  eine  Stütze  für  diese  Annahme  in  BGU  99,  wo 
ffleichfalls  6  Drachmen  4  Obolen  für  die  )^(i)(jia-a  für's  Jahr  lÜG 
n.  Chr.  quittirt  werden,  und  dies  im  Faijüm.  Ebenso  werden  im  Paj). 
Lond.  CCXCVI  für  dieselbe  Steuer  (j  Drachmen  4  Obolen  erhoben.') 
Der  Satz  von  6  Drachmen  4  Obolen  gilt  ebenso  in  Xäpa^  wie  in 
Mejjivövia,  'Qcff^ov,  und  auch  im  Faijüm.  Wenn  nach  BGU  359 
für's  Jahr  178j9  7  Drachmen  4  Obolen  2  Chalkus  für  dieselbe  Ab- 
gabe gezahlt  werden,  so  lasse  ich  dahingestellt,  ob  hier  inzwischen 
eine  Erhöhung  eingetreten  ist,  oder  ob,  irrtümlich  oder  stillschweigend, 
der  Betrag  einer  anderen  Abgabe  dazugezählt  ist. 

Die  kopfsteuerartige  Auflage  der  Dammsteuer  zeigt,  dass  keine 
Rücksicht  darauf  genommen  wurde,  ob  die  Steuer]iflichtigi'n  etwa  als 
Grundbesitzer  noch  ein  besonderes  Interesse  au  der  Instandhaltung 
der  Dämme  hatten  oder  nicht.  Eine  solche  Klarheit  konnten  wir 
oben  bei  der  Kanalsteuer  (^  33)  nicht  gewinnen.  Insofern  .scheint  aber 
jedenfalls  ein  Unterschied  zwischen  den  beiden  Abgaben  zu  bestehen, 
als  jene  Kanalsteuer  immer  für  einen  besonderen  Kanal  erhoben 
wurde,  während  hier  allgemein  für  die  Dämme  gezahlt  wird.  Auch 
schien  jene  Steuer  für  den  Monat  berechnet  zu  sein,  was  hier  nicht 
der  Fall  ist.  Eine  Constitution  des  Honorius  und  Theodo.*ius  vom 
J.  412  legt  die  Vermutung  nahe,  dass  in  späterer  Zeit  die  Damm- 
steuer in  anderer  Weise  repartirt  wurde.  Es  steht  im  Cod.  Theod. 
15,  3,5  geschrieben:  „per  JBithyniani  ceterasque  provincias  jjossessores 
et  reparationi  piihlici  aggeris  et  ceteris  eiumiodi  mimerüms  pro  iiigontm 
numero  vel  capiimn,  quae  posädere  noscuntur,  adsiringi  cogantur." 
Möglich,  dass  damals  die  possessores  auch  zur  Wiederherstellung  oder 
Instandhaltung  öflentlicher  Dämme  nach  Massgabe  ihres  Grund- 
besitzes herangezogen  wurden.-) 


*)  Vgl.  Kenyon,  Catalogue  of  addit.  to  the  departm.  of  Mss.  1888  f.  Kacli 
meiner  Lesung  (Sommer  1895)  stammt  der  Text  übrigens  nicht  aus  dem  4., 
sondern  aus  dem   24.  J.  des  Antoninus  Pius  (^160/1).     Gleichfalls  Faijüm. 

■')  So  war  es  jedenfalls  zur  Zeit  der  arabischen  Herrschaft.  Calcaschandi 
erzählt  in  seiner  Geographie  und  Verwaltung  von  Äegypten  (deutsch  von  Wüsten- 
feld, Abh.  Kgl.  Gesell.  Gott.  XXV  1879.  S.  150;i)  folgendermassen :  „Die 
städtischen   Deiche.      Dies   sind  solche,    für   welche   einzelne  Städte  für  sich   zu 


336  IV.  KAPITEL. 


Wenn  uns  nun  in  den  Urkunden  ausser  dieser  Geldsteuer 
bizkp  y^cöfiaTCüv  auch  noch  die  Verpflichtung  der  Unterthanen  zu 
persönlichen  Frohndiensten  an  den  Uainnien  und  Kanälen  entgegen- 
tritt, so  entsteht  die  Frage,  ob  beide  Lasten  nebeneinander  bestanden 
haben,  oder  ob  jene  Geldsteuer  vielleicht  als  Ablösung  von  den 
Frohnarbeiten  zu  beti'ucliten  ist.  ^'ergegenwärtigen  wir  uns  zunächst, 
was  die   Urkunden  über  diese  Frohndienste  lehren. 

Wo  die  Urkunden  von  Arbeiten  an  Dämmen  und  Kanälen 
sprechen,  ist  vor  allem  zu  untersuchen,  ob  es  sich  um  Lohn- 
arbeiten handelt,  für  die  der  Staat  die  Arbeiter  besoldet,  oder  aber 
um  pflichtmässige  Leistungen  oder  Frohnarbeiten  der  Bevölkerung, 
die  als  Xeixoupytat  oder  muuera  zu  betrachten  wären,  wie  jene 
Landarbeiten,  von  denen  der  Pap.  Paris.  63  handelt.  Ausserdem 
hatte  der  Staat  noch  eine  dritte  Möglichkeit,  um  die  notwendig 
erscheinenden  Erdarbeiten  ausführen  zu  lassen :  er  konnte  das 
Militär  dazu  requiriren.  Sueton  (vit.  Aug.  18)  erzählt  uns,  dass  der 
junge  Octavian  nach  der  Eroberung  Aegyptens  im  Jahre  o()  die 
Kanäle  des  Landes,  die  durch  die  Misswirtschaft  der  letzten  Ptolemäer 
verkommen  waren,  wiederhergestellt  habe,  und  zwar  militari  opere.^) 
Uns  interessiren  hier  nur  die  ersten  beiden  Arten.  Dass  die 
Regierung,  soweit  die  gesetzmässig  verfügbaren  Kräfte  nicht  aus- 
reichten, mit  Lohnarbeitern  Damm-  und  Kanalarbeiten  hat  ausführen 
lassen,  ist  selbstverständlich  und  bedarf  eigentlich  keines  Beleges. 
Für  die  Zeit  des  Ptolemaios  II.  Philadelphos  können  wir  noch  aus 
Petric  Papyri  (I)  XXII  2,  XXIII,  (II)  XXXVI  die  Höhe  des 
Lohnes  berechnen.  Ich  habe  in  den  Gott.  Gel.  Anz.  1895  S.  149  den 
Nachweis  geführt,  dass  die  Formel  tlc,  ^  tGjv  5"-  dahin  zu  verstehen 
ist,  dass  für  die  Fertig.«tellung  von  60  Xaubia  (oder  Aoilia),  sei  es 
bei  Kanälen  oder  Dämmen,  4  Silberdrachnien  bezahlt  wurden.  Nach 
diesem  Tarif  wurde  im  einzelnen  Falle  das  geleistete  Arbeitsquantum 
bezahlt.      Vgl.   oben  S.  261. 


sorgen  haben,  mit  deren  Instandhaltung  die  Sladtfünimandiinten  mit  iliren 
Tnippencorps  und  anderen  Personen  beauftragt  sind,  und  wozu  die  Kosten  ans 
dem  städtischen  Vermögen  bestritten  werden,  nachdem  die  Eigentümer  nach 
Verhältnis  ihres  Grundbesitzes  ihre  Beiträge  abgeliefert  haben. 
Diese  Beiträge  werden  für  jedes  Jahr  besonders  festgestellt." 

')  Nach  Calcaschandi  (vgl.  die  vorige  Anmerkung)  hatte  iu  arabischer  Zeit 
der  Stadtcoriiniandunt  mit  seinen  Truppencorps  für  die  städtischen  Dämme  zu  sorgen. 


§  136.     DÄMM-   UND    KANALARBEITEN.  337 


Wiihreiul  wir  es  hier  sicher  mit  Lohnarbeiten  zu  tiiuii  haben  — 
Iläa;?  xal  ol  ^izojor.  iukI  die  anderen  dort  genannten  Personen 
scheinen  die  Unternelinier  zu  sein  —  ist  der  Charaivtcr  der  Arbeit 
in  unseren  Ostraka  Nr.  lU23,  1025,  1043—1047,  auch  in  der  Gruppe 
1058,  1399,  1410,  1411,  15(57  zunächst  unklar.  Es  sind  Quittungen, 
in  denen  bezeugt  wird,  dass  NN  so  und  so  viele  Naubia  fertig  ge- 
arbeitet hat  (ä:T£pYaC£ai>ac,  Ipyal^Ea^at,  resp.  avaßdcXXetv).  Zu 
welchem  Zweck  sind  diese  Quittungen  ausgestellt?  Man  könnte  sich 
denken,  dass  es  Bescheinigungen  wären,  auf  die  hin  die  betreffenden 
Arbeiter  sich  von  der  Kassenverwaltung  ihren  Loiin  auszahlen  lassen 
sollten.  Aber  die  andere  Deutung  seheint  mir  doch  die  richtigere  zu 
sein,  dass  es  vielmehr  Bescheinigungen  von  Leistungen  sind,  die, 
ohne  Gegenleistung  seitens  des  Staates,  pflichtmässig  ausgeführt  sind. 
Ich  möchte  im  Besonderen  auf  1410  und  1411  hinweisen,  wo  es 
heisst:  avaßljBXYjxa?  iö  iTiißaXXov  go'.  vaüßtov.  Danach  hat  der 
Adressat  den  ihm  zukommenden,  auf  ihn  entfallenden  Teil  der 
Gesammtarbeit  erledigt.  Wenn  es  ferner  in  1023  heisst:  „dTteipyaa- 
tat  —  £;c  10  ta"-  Wv-iot-rä^q  vaüß'.x  x",  so  spricht  hier  die  Zeit- 
bestimmung ,,fQr  das  1 1 .  Jahr"  m.  E.  gleichfalls  dafür,  dass  es  sich 
um  eine  Liturgie  handelt.  Man  bedenke  auch,  dass  in  keiner 
dieser  Quittungen  irgendwie  auf  Geldaequivalente  hingewiesen  wird. 
So  ist  es  allerdings  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  Erdarbeiten, 
die  in  diesen  Quittungen  bescheinigt  werden ,  Xe'.TOUpytat  oder 
munera  sind. 

Von  dieser  Verpflichtung,  dem  Staate  unentgeltlich,  in  bestimm- 
ten Grenzen,  bei  den  Dammarbeiten  zu  helfen,  scheint  mir  der  Ber- 
liner Papyrus  BGU  176  zu  handeln.  Wenn  ich  dies  kleine  Frag- 
ment recht  verstehe,  beklagt  sich  eine  Priesterschaft  darüber,  dass, 
entgegen  den  Bestimmungen  der  Präfecten  (?),  die  TcoiSe;  aus  den 
Tempeln  fortgezogen  würden  zu  den  Dammarbeiten  (duoaTiäaö'ai 
Toijg  TzoHhoLC,  d7i6  xiöv  tspiov  [rcpö;  ty;V  aTiepyaaiav  tüv]  xa)jj.dT(i)v), 
denn  sie  seien  durch  Privileg  befreit  hiervon  (ü7i£]5'(jp£9-rj|i,ev  f^g 
ä7i:£pYaa[iai;).^)      Auch    der   Pap.    Paris.  66    (III.  Jahrb.  vor  Chr.) 


')  Unter  den  TCatSsg  sind  hier  wohl  Sklaven  zu  verstehen.  Dem  gegenüber 
hebe  ich  hervor,  dass  in  der  Charta  Borgiana  (s.  unten)  unter  den  Erdarbeitern 
begegnet:  Ilptüxäs  SoöXog  Kpov(a)vO{  lEpetoj.  Freilieh  i